Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.11.2021, Az.: 5 K 62/19

Herabsetzung der festgesetzten Umsatzsteuer auf null Euro

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
11.11.2021
Aktenzeichen
5 K 62/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 66209
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: XI R 37/21

Fundstelle

  • DStRE 2023, 350-355

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Herabsetzung der durch den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für 2013 vom ... in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... festgesetzten Umsatzsteuer auf null Euro. Sie ist der Auffassung, dass sie im Streitjahr keine steuerbaren und steuerpflichtigen Leistungen erbracht hat.

Durch "Vertrag über die Errichtung einer Praxisgemeinschaft" (- Gesellschaftsvertrag -) errichteten die Gesellschafter der Klägerin, jeweils Ärzte für Allgemeinmedizin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Betrieb einer ärztlichen Praxisgemeinschaft zur gemeinsamen Nutzung von Praxisräumen, Einrichtungen und Personal. Wegen des Vertragsinhalts nimmt der Senat Bezug auf die Vertragsurkunde.

Jeder der Gesellschafter übte nach dem Gesellschaftsvertrag seine ärztliche Tätigkeit unter seinem Namen aus und rechnete sie unter eigenem Namen ab. Am Vermögen der Klägerin waren die Gesellschafter jeweils hälftig beteiligt. Nach dem Gesellschaftsvertrag wurde die Klägerin als "reine Kostengemeinschaft" gegründet und sollte keine Gewinne erwirtschaften. Eine ausdrückliche Vereinbarung über die Höhe der von den Gesellschaftern zu leistenden Entgelte oder zu deren Umsatzsteuerpflicht oder -freiheit enthält der Gesellschaftsvertrag nicht.

Eine Geschäftsführervergütung war im Gesellschaftsvertrag nicht vereinbart. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin vereinbarten deren Gesellschafter in Abweichung hiervon und von dem im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Schriftformerfordernis mündlich, dass dem Gesellschafter A im Hinblick auf dessen größeren Anteil an der Geschäftsführungstätigkeit eine Geschäftsführervergütung zustand. Die Klägerin zahlte dem Gesellschafter A im Streitjahr eine Geschäftsführervergütung in Höhe von ... Euro.

Die Klägerin übernahm zum ... die zuvor mit dem Gesellschafter A bestehenden Arbeitsverträge für medizinische Fachangestellte und eine Büro- und Rezeptionskraft. Nach den den Verträgen beigefügten Stellenbeschreibungen zählte zu den der Bürokraft übertragenen Aufgaben unter anderem die Abwicklung und Überwachung von Zahlungsvorgängen, die Abrechnung mit den privaten Krankenversicherungen, die Ausstellung von Rechnungen und die Organisation von Kursen. Für die Tätigkeit der Bürokraft verbuchte die Klägerin im Streitjahr einen Personalaufwand in Höhe von insgesamt ... Euro.

Die Bürokraft verwandte einen dem anteiligen Lohnaufwand in Höhe von ... Euro entsprechenden Teil ihrer Arbeitszeit auf Tätigkeiten wie Terminvergabe, Schreiben von Arztberichten oder Erstellung von Qualitätssicherungsberichten. Den übrigen, im Streitjahr einem anteiligen Lohnaufwand in Höhe von ... Euro entsprechenden Anteil ihrer Arbeitszeit verwandte sie auf Buchführungs- und Abrechnungsarbeiten. Über diese zeitlichen Anteile haben sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 11. November 2021 im Tatsächlichen verständigt.

Am ... stellte die Klägerin eine Raumpflegerin ein. Für deren Tätigkeit verbuchte die Klägerin im Streitjahr einen Personalaufwand einschließlich der Arbeitgeber-Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von ... Euro.

Bereits am ... schloss die Klägerin mit der Krankengymnastin Frau X und mit der Heilpraktikerin Frau Y jeweils einen "Freier-Mitarbeiter-Vertrag", in dem sich Frau X und Frau Y jeweils verpflichteten, in den Praxisräumen der Klägerin als freie Mitarbeiterinnen Muskelentspannungstraining auf eigene Verantwortung zu veranlassen und durchzuführen. Hierfür erhielten sie nach den Verträgen von der Klägerin jeweils eine Vergütung von ... % an den Erlösen des Muskelentspannungstrainings. Die Abrechnungen gegenüber der Krankenversicherung und gegenüber Privatpatienten sollten nach den Verträgen "durch die Geschäftsführung der Praxis" vorgenommen werden.

Mit entsprechendem Vertrag vom ... verpflichtete sich Frau Dipl.-Psych. Z gegenüber der Klägerin, in deren Praxisräumen als freie Mitarbeiterin psychologische Tätigkeiten durchzuführen. Hierfür sollte sie von der Klägerin eine anteilige Vergütung von ... % am Schmerzbewältigungstraining und von ... % am Muskelentspannungstraining erhalten.

Der Gesellschafter der Klägerin A rechnete gegenüber den freien Mitarbeiterinnen durch Gutschriften ab. Umsatzsteuer wies er darin nicht aus. An die freie Mitarbeiterin Frau Z zahlte die Klägerin für Schmerzbewältigungstraining im Streitjahr insgesamt ... Euro aus, an die freien Mitarbeiterinnen Frau X und Frau Y für Entspannungstraining insgesamt ... Euro (BP-Arbeitsakte, Bl. 161 ff., Bl. 171). Nach den erteilten Gutschriften betrugen die Einnahmen der Gesellschafter wegen der von Z geleiteten Kurse ... Euro, wegen der von X und Y geleiteten Kurse insgesamt ... Euro.

Insgesamt erfasste die Klägerin für das Streitjahr Kosten in Höhe von ... Euro. Abrechnungspapiere mit Umsatzsteuerausweis erstellten die Klägerin und ihre Gesellschafter nicht. Umsatzsteuer-Voranmeldungen oder eine Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr gab die Klägerin nicht ab.

Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung für 2013 gelangte die Prüferin zu der Auffassung, dass die Klägerin im umsatzsteuerlichen Sinne als Unternehmerin anzusehen sei. Sie habe an ihre Gesellschafter steuerbare Leistungen gegen Entgelt erbracht. Diese Leistungen seien umsatzsteuerpflichtig, soweit sie nicht in der steuerfreien Überlassung von Räumlichkeiten bestünden oder unmittelbar für steuerfreie Heilbehandlungen verwendet worden seien. Dies betreffe Verwaltungstätigkeiten für die Gesellschafter, Teilarbeiten bei der Erstellung der Abrechnungen, Zahlungsverkehr, Praxisorganisationsleistungen und Raumpflege. Dagegen seien die Leistungen an Krankenversicherungen und Privatpatienten im Zusammenhang mit den von den freien Mitarbeiterinnen durchgeführten Kursen und Behandlungen nicht - wie ursprünglich von der Prüferin angenommen - der Klägerin, sondern deren Gesellschafter A zuzurechnen.

Die Prüferin sah danach die durch die Raumpflegerin erbrachten Leistungen in vollem Umfang und die durch den Gesellschafter A in dessen Eigenschaft als Geschäftsführer der Klägerin sowie die durch die Bürokraft erbrachten Leistungen jeweils zu ... % als steuerpflichtige Leistungen der Klägerin an und bemaß sie mit den von der Klägerin hierfür verbuchten Aufwendungen. Danach ergab sich eine Netto-Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer 2013 in Höhe von ... Euro.

Wegen der Vermittlung von Leistungen der freien Mitarbeiterinnen der Klägerin im Rahmen von Schmerztherapie und Muskelentspannungstraining gelangte die Prüferin zu der Auffassung, dass es sich beim Schmerzbewältigungstraining um eine steuerfreie Heilbehandlung handele, beim Muskelentspannungstraining jedoch nicht. Die Umsatzerlöse aus diesen Tätigkeiten würden jedoch aufgrund verwaltungsökonomischer Gründe der Einzelpraxis des Gesellschafters A zugerechnet.

Der Beklagte schloss sich der Auffassung der Prüferin an und erließ am 12. Februar 2016 den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid für 2013, in dem die Umsatzsteuer auf ... Euro festgesetzt wurde.

Hiergegen richtet sich der Einspruch der Klägerin, die zunächst geltend machte, sie sei als Innengesellschaft und daher nicht als umsatzsteuerliche Unternehmerin anzusehen. Ungeachtet dessen seien ihre Leistungen sämtlich nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a Umsatzsteuergesetz (UStG) oder § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG in der Fassung des Streitjahres (a.F., jetzt § 4 Nr. 29 UStG) steuerfrei. Dies gelte auch für die vom Beklagten als steuerpflichtig behandelten Leistungen, wegen derer die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F. erfüllt seien. Die Sondervergütungen für den Gesellschafter A beruhe nicht auf einer schuldrechtlichen Vertragsgrundlage, sondern sei ausschließlich auf gesellschaftsrechtliche Grundlage gezahlt worden. Die Klägerin berufe sich auf den unmittelbar anzuwendenden Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL),

Mit Einspruchsentscheidung vom ... wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Bei der Klägerin handele es sich nicht um eine reine Innengesellschaft. Sie habe mehrere Rechtsverhältnisse mit Dritten im eigenen Namen abgeschlossen. Im Gesellschaftsvertrag sei die Vertretung der Gesellschaft nach außen durch den Gesellschafter A vereinbart. Die Klägerin sei daher als Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG anzusehen.

Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL berufen. Diese Richtlinienbestimmung sei durch § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F. richtlinienkonform in das deutsche Umsatzsteuergesetz umgesetzt worden. Dass Deutschland im Hinblick auf die Beschränkung der Umsetzung der Richtlinienbestimmung durch Eingrenzung des Anwendungsbereichs der nationalen Befreiungsvorschrift auf Kostenteilungsgemeinschaften ausschließlich im Gesundheitsbereich und damit nicht weitreichend genug umgesetzt habe, sei für die dem Gesundheitsbereich angehörende Klägerin unbeachtlich.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem von der Klägerin in Bezug genommenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 4. Mai 2017 (Az. C-274/15, UR 2017, 424). Anders als in jenem Urteilsfall ergebe sich im Streitfall die Steuerpflicht der Klägerin aus einer eigenen, umsatzsteuerpflichtigen Tätigkeit.

Soweit die Klägerin Leistungen an ihre Gesellschafter durch die Erstellung von Leistungsabrechnungen gegenüber der privaten Krankenversicherung, durch Verwaltungstätigkeiten für die Gesellschafter, die Abwicklung von Zahlungsverkehr, die Praxisorganisation und die Raumpflege erbracht habe, unterfielen diese nicht der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F.

Die "für die" freien Mitarbeiterinnen vorgenommene Durchführung der Abrechnungen gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung und gegenüber den Privatpatienten sei nicht umsatzsteuerfrei. Unabhängig davon, dass diese Leistungsempfänger nicht Mitglieder oder Gesellschafter der Klägerin seien, lägen hier pauschale Entgelte vor, die mit einer Kostenteilung der tatsächlich entstandenen Kosten und anteiliger Umlage nichts zu tun hätten.

Mit ihrer Klage tritt die Klägerin der angefochtenen Steuerfestsetzung weiterhin in vollem Umfang entgegen. Ihre beiden Gesellschafter erbrächten jeweils steuerbefreite ärztliche Heilbehandlungsleistungen, die den Tatbestand des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL erfüllten. Sämtliche Leistungen der Klägerin an ihre Gesellschafter seien im Zusammenhang mit diesen Heilbehandlungsleistungen erfolgt.

Zu Unrecht gehe der Beklagte unter Bezugnahme auf UStAE Abschn. 4.14.8 Abs. 4 und 7 davon aus, dass die Klägerin steuerpflichtige Leistungen in Form der Erstellung von Leistungsabrechnungen, Verwaltungstätigkeiten für die Gesellschafter, Zahlungsverkehr, Praxisorganisation und Raumpflege erbringe. Die im Streit stehenden Tätigkeiten der Klägerin erfüllten vielmehr das Tatbestandsmerkmal des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL, wonach Dienstleistungen unmittelbar für Zwecke der steuerfreien Tätigkeitsausübung des Mitglieds erbracht worden sein müsse. Rechtsberatungs- und Honorareinziehungsleistungen erbringe die Klägerin nicht. Die Honorarabrechnung und -einziehung gegenüber Dritten erfolge durch die Gesellschafter der Klägerin. Alle von den Mitarbeitern der Klägerin erbrachten Leistungen, im Wesentlichen Dokumentations- und Informationsleistungen, dienten unmittelbar der Erbringung von ärztlichen Leistungen durch die Gesellschafter.

Dies gelte auch für die von der Klägerin unter Einsatz freier Mitarbeiterinnen erbrachten Leistungen. Bei diesen Leistungen handele es sich ausschließlich um steuerbefreite Heilbehandlungsleistungen. Die Praxisgemeinschaft der Gesellschafter der Klägerin unterliege als ...Praxis nach § 2 der nach § 135 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) abgeschlossenen Qualitätssicherungsvereinbarung ... der Genehmigungspflicht. Zum Pflichtleistungskatalog der ... Praxen zählten nach ... der Qualitätssicherungsvereinbarung ... auch Entspannungspraktiken, z.B. Muskelrelaxation nach Jacobson. Entspannungstechniken seien auch ausdrücklich in der Nationalen Versorgungsleitlinie "Nicht-spezifischer Kreuzschmerz" als Elemente einer multimodalen Therapie genannt. Die Klägerin vertritt im Hinblick auf die Aufforderung, für alle Patienten die medizinische Indikation der von ihr erbrachten Leistungen zu belegen, die Auffassung, aufgrund des Genehmigungserfordernisses für die ... Praxis sei dies nicht erforderlich. Sie hat insoweit beispielhaft zwei anonymisierte "Standardisierte Dokumentationen zur Vorlage bei der Kassenärztlichen Vereinigung ..." und anonymisierte Teilnehmerlisten für Kursangebote vorgelegt. Zum Nachweis der beruflichen Qualifikation der freien Mitarbeiterinnen hat die Klägerin die bereits aktenkundigen Verträge vorgelegt, die sie mit den freien Mitarbeiterinnen abgeschlossen hat.

Die freien Mitarbeiterinnen hätten ihre Leistungen unmittelbar an die Gesellschafter der Klägerin erbracht. Soweit der Beklagte behaupte, dass hier pauschale Entgelte vorlägen, die mit einer Kostenteilung der tatsächlich entstandenen Kosten und der anteiligen Umlage nichts zu tun hätten, treffe dies nicht zu. Tatsächlich handele es sich um Leistungen der Praxisgemeinschaft, die unmittelbar für Zwecke der Heilbehandlung verwendet wurden.

Die Würdigung der von der Klägerin mit den freien Mitarbeiterinnen abgeschlossenen Verträge durch den Beklagten sei nicht nachvollziehbar.

Soweit der Gesellschafter A noch steuerpflichtige Einnahmen aus Patientenstudien und Vorträgen erziele, nehme er hierfür keine Personalleistungen der Klägerin in Anspruch.

... Zur Sicherstellung der Liquidität der Klägerin zahlten die Gesellschafter im laufenden Wirtschaftsjahr jeweils gleich hohe Kostenbeträge. Nach Abschluss des Wirtschaftsjahres werde zwischen ihnen nach dem Umfang der Inanspruchnahme der Klägerin abgerechnet.

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuer 2013 unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides vom 12. Februar 2016 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 4. März 2019 auf null Euro herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte vertritt weiterhin die bereits im Verwaltungsverfahren eingenommene Auffassung, wonach die der Besteuerung zugrunde gelegten Leistungen der Klägerin nicht steuerbefreit seien.

Die Klägerin befinde sich mit den von ihr an die freien Mitarbeiterinnen erbrachten Leistungen auch im Wettbewerb mit anderen Dienstleistern. Zwar hätten sich die freien Mitarbeiterinnen verpflichtet, nicht nach außen hin aufzutreten, weil die Abrechnung gegenüber den Krankenversicherungen und den Privatpatienten von der Klägerin übernommen werde. Gemäß den Verträgen zwischen der Klägerin und den freien Mitarbeiterinnen hätten diese sich aber verpflichtet, von den von ihnen aufgrund erbrachter Leistungen erwirtschafteten Honoraren ... bis ... % an die Klägerin zu zahlen. Diese von der Klägerin vereinnahmten Vergütung sei nicht auf der Grundlage der entstandenen Kosten ermittelt, sondern auf Grundlage der von den freien Mitarbeiterinnen erwirtschafteten Honorare.

Mit Verfügungen vom ... und vom ... hat der Berichterstatter der Klägerin unter Fristsetzung nach § 79 b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zum ... unter anderem aufgegeben, darzulegen und nachzuweisen, für die in Gruppen durchgeführten Muskelentspannungstrainings daneben für jede/n Behandelte/n darzulegen und nachzuweisen, dass die Behandlung therapeutischen Zwecken gedient hat.

Die Klägerin hat daraufhin Nachweise zur Qualifikation der freien Mitarbeiterinnen und verschiedene anonymisierte Unterlagen zum Beleg der Tatsache vorgelegt, dass die Tätigkeit der freien Mitarbeiterinnen für die Klägerin im Rahmen der von den Gesellschaftern der Klägerin durchgeführten Heilbehandlung von deren Patienten stattgefunden hat. Der Senat nimmt auf die hierzu vorgelegten Unterlagen Bezug.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid vom ... in Gestalt des Einspruchsbescheids vom ...ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechte; die Steuer war daher auf null herabzusetzen (§ 100 Abs. 1 und 2 FGO).

1. Die Klägerin hat im Streitjahr als Unternehmerin steuerbare Leistungen an ihre Gesellschafter erbracht. Hiervon geht inzwischen auch die Klägerin aus, weshalb der Senat von weiteren Ausführungen hierzu absieht.

Zu diesen Leistungen zählen jedoch entgegen der Auffassung des Beklagten nicht die entgeltliche Geschäftsführungstätigkeit des Gesellschafters A bei der Klägerin. Die Geschäftsführung bei der Gesellschaft dient der Innenorganisation der Gesellschaft durch das hierfür bestellte Organ. Sie führt nicht ohne weiteres zu einer Leistungsabgabe durch die Gesellschaft. Auf die Frage, ob der Gesellschafter durch die entgeltliche Geschäftsführung seinerseits eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung an die Klägerin erbracht hat, kommt es für deren Besteuerung im Streitfall nicht an, zumal die Klägerin auch keinen Vorsteuerabzug geltend gemacht hat.

2. Soweit die im Streit stehenden Leistungen von der Klägerin erbracht worden sind, waren sie überwiegend nach § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F. steuerfrei.

a) Nach § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F. waren im Streitjahr unter anderem sonstige Leistungen gegenüber ihren Mitgliedern für Gemeinschaften steuerfrei, wenn deren Mitglieder Angehörige der in Buchstabe a der Vorschrift bezeichneten Berufe als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut oder Hebamme waren oder sie eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit ausübten, soweit diese Leistungen für unmittelbare Zwecke der Ausübung der Tätigkeiten nach Buchstabe a verwendet wurden und die Gemeinschaft von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten forderte.

Unionsrechtliche Grundlage dieser nationalen Regelung war bereits im Streitzeitraum der seither unverändert geltende Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL). Danach befreien die Mitgliedsstaaten diejenigen Dienstleistungen von der Steuer, die selbstständige Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind, an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen, soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt. Nach Buchstabe c der Vorschrift befreien die Mitgliedsstaaten die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin von der Steuer, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden.

b) Die Reinigungsleistungen, die die Klägerin durch die bei ihr beschäftigte Reinigungsfachkraft an ihre Gesellschafter erbracht hat, ist nach § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F. steuerfrei.

aa) Diese Reinigungsleistungen sind unmittelbar für Zwecke der ärztlichen Heilbehandlung erbracht worden. Die andere Auffassung des Beklagten stellt zu hohe Anforderungen an den Unmittelbarkeitsbegriff des unionsrechtlich auszulegenden § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F.

(1) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs werden Leistungen von Personenzusammenschlüssen an ihre Mitglieder dann für unmittelbare Zwecke der Ausübung von deren Tätigkeit erbracht, wenn sie unmittelbar zu den steuerbefreiten Tätigkeiten der Mitglieder beitragen, d.h., wenn sie unmittelbar zur Heilbehandlung eingesetzt werden (EuGH-Urteil vom 21. September 2017 C-326/17, UR 2017, 806, unter Verweis auf EuGH-Urteil vom 5. Oktober 2016 C-412/15, UR 2017, 4). Der EuGH weist dabei in ständiger Rechtsprechung darauf hin, dass es sich bei den Steuerbefreiungen des Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL um Ausnahmevorschriften handele, die eng auszulegen seien (EuGH Urteile vom 5. Oktober 2016 und 21. September 2017, a.a.O.).

(2) Der Bundesfinanzhof hat - soweit ersichtlich - zuletzt in einem das Jahr 2004 betreffenden und nach Maßgabe des damaligen § 4 Nr. 14 Satz 2 UStG zu beurteilenden Verfahren entschieden (BFH-Beschluss vom 29. Oktober 2013 V B 58/13, BFH/NV 2014, 192, unter Hinweis auf bisherige Rechtsprechung), dass die unmittelbare Verwendung der Leistung des Personenzusammenschlusses zur Ausführung der ärztlichen Leistung voraussetze, dass die jeweilige Gemeinschaftsleistung unter Ausschluss einer Zwischenstufe unmittelbar gegenüber dem Patienten eingesetzt werde. Dagegen reiche es nicht aus, dass die Leistung der Gemeinschaft die ärztliche Behandlungsleistung lediglich ermögliche. Eine unmittelbare Verwendung sei insbesondere nicht gegeben, wenn die Gemeinschaftsleistung lediglich einem Arzt zur Verfügung gestellt werde, damit dieser sie bei seinen heilberuflichen Tätigkeiten einsetzen könne.

(3) Nach der im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) wiedergegebenen Auffassung der Finanzverwaltung zählen zu den im Sinne von § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG für unmittelbare Zwecke der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit ihrer Mitglieder an diese erbrachten Leistungen von Praxisgemeinschaften unter anderem die Bereitstellung von medizinischen Einrichtungen, Apparaten und Geräten, die Durchführung von Laboruntersuchungen und Röntgenaufnahmen mit eigenem medizinisch-technischen Gerät und andere medizinisch-technische Leistungen (UStAE Abschn, 4.14.8 Abs. 2 Satz 1 und 2). Übernimmt die Gemeinschaft für ihre Mitglieder z.B. die Buchführung, Rechtsberatung oder die Tätigkeit einer ärztlichen Verrechnungsstelle, handelt es sich nach Auffassung der Finanzverwaltung um Leistungen, die nur mittelbar der Ausführung von steuerfreien Heilbehandlungsleistungen bezogen werden und die deshalb nicht von der Umsatzsteuer nach § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F. befreit sind (UStAE Abschn. 4.14.8 Abs. 3 Satz 2).

(4) Bei den von der Klägerin erbrachten Reinigungsleistungen handelt es sich nach Auffassung des Senats um für unmittelbare Zwecke der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit der Gesellschafter der Klägerin verwendete Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F.

(a) Zwar werden diese Leistungen nicht von der Klägerin unmittelbar an die Patienten ihrer Gesellschafter erbracht. Sie werden aber nicht auf einer Zwischenstufe im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erbracht, sondern sind notwendige Vorstufe für die Erbringung der Heilbehandlung durch die Gesellschafter. Hygiene ist unverzichtbarer Bestandteil der ärztlichen Tätigkeit, zur sog. Umgebungshygiene sind beim Betrieb einer Arztpraxis eine Vielzahl von Vorschriften unter anderem des Infektionsschutzrechts zu beachten. Es fördert unmittelbar den Zweck der ärztlichen Heilbehandlung, wenn diese in gereinigten Räumen durchgeführt wird. Die Sauberkeit einer Arztpraxis kommt nicht nur den behandelnden Ärzten und deren Personal, sondern auch und gerade den Patienten zugute. Die Reinigungsleistungen tragen deshalb im Sinne der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unmittelbar zu der steuerfreien ärztlichen Tätigkeit der Gesellschafter der Klägerin bei. Damit erfüllen sie auch bei der gebotenen engen Auslegung der Befreiungsvorschrift das Kriterium der unmittelbaren Verwendung.

(b) Dem steht auch nicht entgegen, dass auch nach den Gesetzgebungsmaterialien zu dem mittlerweile die im Streit stehende Steuerbefreiung regelnden § 4 Nr. 29 UStG allgemeine Verwaltungsleistungen nicht unter die Steuerbefreiung fallen, weil sie die steuerfreien Umsätze der Mitglieder allenfalls fördern (BT-Drs. 19/13436, S. 152). Die diese Vorschrift tragenden Erwägungen des Gesetzgebers dürften grundsätzlich auf die für Praxisgemeinschaften zuvor wortgleich in § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F. enthaltene Regelung übertragbar sein. Bei der Reinigung der Praxis handelt es sich aus den vorstehend genannten Gründen aber gerade nicht um eine solche die Heilbehandlung lediglich fördernde Leistung.

bb) Die Klägerin erfüllte im Streitjahr auch die allgemeine Voraussetzung des § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F. für die Steuerfreiheit ihrer Leistungen, nach der die Gemeinschaft von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern darf. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesellschafter A entgegen dem schriftlichen Gesellschaftsvertrag eine Vergütung für seine Geschäftsführertätigkeit bezog. Deren Berücksichtigung bei der Einlagenverpflichtung der Gesellschafter entsprach dem zwischen den Gesellschaftern vereinbarten Anteil an dem Geschäftsführungsaufwand der Gesellschafter. Die Klägerin bezog insgesamt keinen Aufschlag auf ihre Kosten. Daher kann offenbleiben, ob diese mündliche Vereinbarung zivilrechtlich wirksam war.

cc) Die Reinigungsleistungen der Klägerin an die Gesellschafter führte auch nicht zu einer die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F. ausschließenden Wettbewerbsverzerrung.

Anders als nunmehr nach § 4 Nr. 29 UStG war das negative Tatbestandsmerkmal der Wettbewerbsverzerrung im Streitjahr nicht Bestandteil des national gesetzlich geregelten Steuerbefreiungstatbestands nach § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F., obwohl Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL dies vorsah. Demgegenüber ging die Finanzverwaltung in UStAE Abschn. 4.14.8 Abs. 7 davon aus, dass eine Wettbewerbsverzerrung auch die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F. ausschloss. In der Literatur sind Zweifel daran aufgeworfen worden, ob diese Auffassung nicht den Auslegungsspielraum der nationalen Vorschrift überdehnt (vgl. Oelmaier in Sölch/Ringleb, UStG. 92. EL Juni 2021, § 4 Nr. 14 Rn. 210). Im Streitfall müssen diese Zweifel nicht geklärt werden, weil der Senat keine Wettbewerbsverzerrung im Zusammenhang mit den Reinigungsleistungen der Klägerin hat feststellen können.

(1) Eine Wettbewerbsverzerrung im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL liegt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dann vor, wenn eine reale Gefahr besteht, dass die Befreiung für sich genommen unmittelbar oder in der Zukunft zu Wettbewerbsverzerrung führt (EuGH-Urteil vom 2. November 2019 C-400/18, BB 2019, 2965, Rn.48, m.w.N.). Nach der Gesetzesbegründung zu der in Umsetzung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL seit dem 1. Januar 2020 geltenden, insoweit mit dieser Vorschrift wortgleichen Regelung des § 4 Nr. 29 UStG (BT-Drs. 19/13436, S. 151, 152) soll das Ausschlusskriterium der Wettbewerbsverzerrung lediglich Missbräuche verhindern. Danach ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Bildung eines Zusammenschlusses als solches nicht zu einer Verzerrung des Wettbewerbs führt. Die Entscheidung im Einzelfall ist dabei sowohl auf Grundlage der Art der erbrachten Leistung als auch auf Grund der objektiven (Markt-)Umstände der jeweiligen Leistungserbringung zu ermitteln. Indizien für eine zweckwidrige Anwendung der Steuerbefreiung können beispielsweise sein, dass der Personenzusammenschluss unter Ausnutzung von Synergieeffekten die gleichen Dienstleistungen entgeltlich an Nicht-Mitglieder am Markt erbringt, dass die Verlagerung von externen beliebigen, insbesondere nicht auf die Bedürfnisse seiner Mitglieder zugeschnittenen Dienstleistungen auf den Personenzusammenschluss erfolgt, obwohl derartige Leistungen ohne Weiteres auch von anderen Marktteilnehmern angeboten werden könnten und dass bei dem Personenzusammenschluss im Ergebnis allein die Optimierung der umsatzsteuerlichen Vorbelastungen im Vordergrund steht (s. auch Alvermann/Esteves Gomes in: Wäger, UStG, 1. Aufl. 2020, § 4 Nr. 29 UStG, Rz. 69 m.w.N.).

(2) Diese Erwägungen tragen auch für § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F., sofern man davon ausgeht, dass das Fehlen einer Wettbewerbsverzerrung überhaupt Tatbestandsmerkmal der Steuerbefreiungsvorschrift war. Im Streitfall hat der Senat keine real drohenden Wettbewerbsverzerrungen durch die Reinigungsleistungen der Klägerin an ihre Gesellschafter feststellen können. Diese sind, soweit sie auch die übrigen Voraussetzungen der Steuerbefreiungsvorschrift erfüllen, zu speziell und zu eng mit der Tätigkeit der Gesellschafter verbunden und ausschließlich an diese erbracht worden. Ein Missbrauch der Steuerbefreiungsvorschrift liegt in der gewählten Gestaltung nicht.

c) Auch die Leistungen der Klägerin an die Gesellschafter, die die Klägerin dadurch erbracht hat, dass sie die von den freien Mitarbeiterinnen an sie erbrachten Leistungen im Streitjahr an ihre Gesellschafter weitergeleitet hat, sind nach § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F. steuerfrei. Sie dienen unmittelbar der ärztlichen Tätigkeit der Gesellschafter der Klägerin.

aa) Zwar hat entgegen der Auffassung der Beteiligten die Klägerin insoweit eine eigene Leistung an die Gesellschafter erbracht. Die freien Mitarbeiterinnen waren vertraglich der Klägerin verpflichtet. Bei der umsatzsteuerlichen Feststellung von Leistungsbeziehungen ist an die zivilrechtliche Vertragslage anzuknüpfen. Erst durch die Weitergabe dieser von der Klägerin bezogenen Leistungen an ihre Gesellschafter konnten sie Teil von deren Heilbehandlungen werden, deren Empfänger letztlich die Patientinnen und Patienten der Gesellschafter waren.

Soweit der Beklagte meint, hinsichtlich der bei den Gesellschaftern der Klägerin verbleibenden Anteile an den von ihnen gegenüber den Leistungsträgern abgerechneten Entgelte für die Schmerzbewältigungs- und Entspannungskurse hätte die Klägerin von den freien Mitarbeiterinnen Entgelte vereinnahmt, denen Leistungen der Klägerin an die freien Mitarbeiterinnen gegenüberstünden, verkennt er die Leistungsbeziehungen. Die Klägerin hat kein Entgelt von den freien Mitarbeiterinnen bezogen. Diese hatten vielmehr vertraglich mit der Klägerin vereinbart, dass ihnen nur ein Anteil an den von den Gesellschaftern bezogenen Entgelten zustand.

bb) Die von der Klägerin insoweit ihren Gesellschaftern erbrachten Leistungen sind nach § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F. steuerfrei. Sie wurden von den Gesellschaftern der Klägerin für unmittelbare Zwecke der Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit verwendet.

Der Gesellschafter der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt, dass die Teilnehmenden an den von den freien Mitarbeiterinnen durchgeführten Kursen zur Schmerzbewältigung und zur Muskelrelaxation nach Jacobsen sämtlich im Rahmen ihrer Heilbehandlung durch die Gesellschafter der Klägerin an den Kursen teilgenommen haben. Die Teilnehmer seien sämtlich Patienten gewesen, für die die Teilnahme an den Kursen lediglich ein Baustein im Rahmen der langfristigen Therapie gewesen sei. Nachfragen zu Details der Kurse konnte der Gesellschafter umgehend und detailreich beantworten. Seine Darlegung war schlüssig und nachvollziehbar. Der Beklagte ist ihr nicht entgegengetreten. Angesichts dessen konnte der Senat von der Erhebung von Beweisen über den Inhalt der Tätigkeit der freien Mitarbeiterinnen absehen. Bei beiden Behandlungsformen handelt es sich um bei den Sozialversicherungsträgern abrechenbare Leistungen. Die freien Mitarbeiterinnen waren aufgrund ihrer Berufsausbildung befugt und in der Lage, diese Behandlungsleistungen in Delegation durch die Gesellschafter der Klägerin zu erbringen. Damit liegen die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vor.

cc) Auch die weiteren Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F. liegen hinsichtlich dieser Leistungen vor. Die Klägerin hat auch insoweit lediglich den Ersatz ihrer Kosten von ihren Gesellschaftern als Entgelt für die Weitergabe der Leistungen der freien Mitarbeiterinnen bezogen. Auch zu einer Wettbewerbsverzerrung kommt es durch die Steuerbefreiung nicht, weil bei unmittelbarer Leistungsbeziehung zwischen den freien Mitarbeiterinnen und den Gesellschaftern der Klägerin die Leistungen der freien Mitarbeiterinnen ebenfalls - als heilberufliche Tätigkeiten nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG - steuerfrei wären. Unabhängig davon ist auch angesichts der engen Einbindung der Leistungen in die ... Praxis der Gesellschafter der Klägerin eine missbräuchliche Ausnutzung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F. nicht feststellbar.

3. Dagegen hat der Beklagte die durch ihre Bürokraft erbrachten Leistungen der Klägerin für zutreffend als steuerpflichtig behandelt, soweit sie auf Buchführungs- und Abrechnungstätigkeiten entfielen.

a) Soweit die Bürokraft allerdings in der Praxisorganisation und mit dem Schreiben von Arztberichten und ähnlichen Dokumentationen beschäftigt war, liegen - wovon auch die Beteiligten ausgehen - bei Anwendung der vorstehend wiedergegebenen Maßstäbe dem Grunde nach ebenfalls unmittelbar für Zwecke der ärztlichen Tätigkeit der Gesellschafter der Klägerin verwendete Leistungen und damit die Voraussetzungen der Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F. vor. Ohne Praxisorganisation und ohne Arztberichte sind ambulante Heilbehandlungen durch Facharztpraxen nicht möglich. Auch die Beschränkung des Entgelts auf eine reine Kostenübernahme und - soweit überhaupt erforderlich - das Fehlen der realen Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung durch die ausschließlich an die Gesellschafter der Klägerin erbrachten Leistungen sind insoweit gegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen sieht der Senat hierzu von weiteren Ausführungen ab.

Wegen des auf die zu steuerfreien Leistungen der Klägerin an die Gesellschafter führenden Zeitanteils an der Tätigkeit der Bürokraft haben sich die Beteiligten im Tatsächlichen in der Weise verständigt, dass - unter Aufteilung der von der Klägerin für die Bürokraft aufgewandten Lohnkosten - darauf ein Anteil von ... von deren Gesamtarbeitszeit entfiel, während der übrige Zeitanteil von ... ihren Buchführungs- und Abrechnungstätigkeiten zuzuordnen war.

b) Die Buchführungs- und Abrechnungstätigkeiten der Bürokraft führen zu steuerpflichtigen Leistungen der Klägerin an ihre Gesellschafter. Diese Leistungen sind nicht im Sinne von § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F. für unmittelbare Tätigkeiten der Ausübung der steuerfreien Heilbehandlungsleistungen der Gesellschafter der Klägerin verwendet worden. Der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen der ärztlichen Tätigkeit und ihrer Abrechnung erfüllt den Unmittelbarkeitsbegriff der Vorschriften nicht. Anders als hinsichtlich der vorstehend als steuerfrei gewerteten Leistungen der Klägerin kann die ärztliche Tätigkeit ihrer Gesellschafter gegenüber dem jeweiligen Patienten auch ausgeübt werden, ohne dass in diesem Zusammenhang Buchführungs- und Abrechnungsarbeiten erledigt werden.

Die Berufung der Klägerin auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL kann der Klage in diesem Punkt nicht zum Erfolg verhelfen. Der Regelungsumfang des § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F. deckt sich für ärztliche Kostengemeinschaften mit demjenigen der unionsrechtlichen Steuerbefreiung. Auch deren Unmittelbarkeitsbegriff würde überdehnt, wenn man die Buchführungs- und Abrechnungsleistungen der Klägerin an die Gesellschafter noch unter ihn fassen würde. Angesichts des klaren Wortlauts der Vorschriften sowie des Umstands, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesfinanzhofs die Steuerbefreiungsvorschriften des Art. 132 MwStSystRL und damit auch die in Umsetzung dieser Vorschriften ergangenen Regelungen des nationalen Rechts - unionsrechtskonform - eng auszulegen sind, kann die andere Auffassung der Klägerin nicht durchdringen.

Da die Klägerin lediglich einen Anspruch auf Kostenersatz gegen ihre Gesellschafterin hatte, kann der Senat das Entgelt für diese steuerpflichtigen Leitungen der Klägerin durch die entsprechende zeitanteilige Aufteilung bestimmten; die Bemessungsgrundlage für diese steuerpflichtigen Leistungen betrug danach im Streitjahr brutto ... Euro.

c) Angesichts der Höhe dieses Betrages kann der Senat letztlich offenlassen, ob die Klägerin insoweit steuerpflichtige oder steuerfreie Leistungen erbracht hat. Wegen der Höhe der nach Auffassung des Senats verbleibenden steuerpflichtigen Leistungen des Streitjahres kann die Klägerin als Kleinunternehmerin im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. behandelt werden, so dass insgesamt keine Steuer festzusetzen war.

aa) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. wird die für Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer von Unternehmern, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten ansässig sind, nicht erhoben, wenn der bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird. Umsatz in diesem Sinne ist nach § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG a.F. der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz, gekürzt um die darin enthaltenen Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Nach § 19 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a UStG a.F. sind bei der Berechnung des Gesamtumsatzes unter anderem die nach § 4 Nr. 11 bis 28 UStG steuerfreien Umsätze auszunehmen.

bb) Die den voraussichtlichen Umsatz des laufenden Kalenderjahres betreffende Grenze (hier 50.000 Euro gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F.) findet in Kalenderjahren, in denen --wie hier die Klägerin-- der Unternehmer sein Unternehmen beginnt, keine Anwendung. In diesen Fällen ist die Umsatzgrenze für das vorangegangene Kalenderjahr (hier 17.500 € gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F.) maßgeblich (ständige Rechtsprechung, zuletzt BFH-Urteil vom 21. April 2021 XI R 12/19, juris, m.w.N.).

cc) Nach diesen Grundsätzen war die Klägerin im Streitjahr als Kleinunternehmerin zu behandeln mit der Folge, dass die Umsatzsteuer auch bei Annahme der Steuerpflicht der Buchführungs- und Abrechnungsleistungen auf null Euro herabzusetzen war.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Eine anderweitige Kostenentscheidung nach § 137 Satz 1 FGO wegen eines etwa verspäteten Vorbringens kommt nicht in Betracht, weil eine etwaige Verspätung des klägerischen Vortrags nicht ursächlich für den Ausgang des Verfahrens geworden ist (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 22 April 2004 V R 72/03, BStBl II 2004, 684). Der Beklagte hat auch angesichts der im gerichtlichen Verfahren dargelegten und glaubhaft gemachten Umstände an seiner Rechtsauffassung zur Steuerpflicht der Leistungen der Klägerin festgehalten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 2 Nr. 3, § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

5. Die Revision wird wegen der abweichenden Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zu § 4 Nr. 14 Buchst. d UStG a.F. in UStAE Abschn. 4.14.8 zugelassen.