Verwaltungsgericht Hannover
v. 30.04.2009, Az.: 13 A 2460/08
Beihilfe; Gebärmutterhalskrebs; Impfung; Papillomaviren
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 30.04.2009
- Aktenzeichen
- 13 A 2460/08
- Entscheidungsform
- Entscheidung
- Referenz
- WKRS 2009, 44188
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2009:0430.13A2460.08.0A
Rechtsgrundlagen
- 10 III BhV
- 87c NBG
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist als beamtete Lehrkraft u.a. auch für ihre 1985 geborene Tochter J. beihilfeberechtigt. Ihre Tochter J. wurde dreimal geimpft. Hierfür begehrt die Klägerin eine Beihilfe.
Die Klägerin reichte drei Rezepte vom 29.05.2007, 23.07.2007 und 02.01.2008 über jeweils 159,06 € hinsichtlich des Impfstoffs Gardasil N1 für ihre Tochter J. mit Beihilfeantrag vom 19.02.2008 ein. Es handelt sich dabei um einen Impfstoff gegen Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) verursachende humane Papillomaviren.
Mit Bescheid vom 26.02.2008 lehnte der Beklagte hierfür eine Beihilfe ab. Derartige Impfungen würden nur bei Mädchen bis 17 Jahren als beihilfefähig berücksichtigt.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Vor den Impfungen sei festgestellt worden, dass ihre Tochter virenfrei gewesen. Ihre Familie sei durch derartige Erkrankungen vorbelastet. Die Mutter der Klägerin sei an Gebärmutterhalskrebs erkrankt gewesen und die Schwester der Klägerin sei vor einigen Jahren auf Grund erhöhtet Papillomavirenwerte operiert worden. Aus gesundheitlicher Vorsorge sei daher die Tochter geimpft worden. Der Impfstoff sei erst seit kurzer Zeit zugelassen, so dass eine frühere Impfung nicht möglich gewesen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2008, zugestellt am 11.04.2008, wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Die Klägerin hat am 06.05.2008 Klage erhoben.
Sie trägt vor: Die Beihilfevorschriften seien nach dem Stand von 2004 übergangsweise noch anwendbar nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Vor diesem Hintergrund könne die Beihilfefähigkeit der hier streitigen Impfungen nicht verneint werden. Klinische Studien hätten zudem ergeben, dass die Impfung auch für ältere Frauen noch wirksam sei. Die Altersempfehlung der Impfkommission habe allein den Hintergrund, dass bei sexuell aktiven Frauen eine Impfung aufgrund einer möglichen Infektion nicht mehr sinnvoll sei und die überwiegende Anzahl der Jugendlichen mit 18 Jahren bereits Geschlechtsverkehr hatte. Dies treffe aber auf die Tochter der Klägerin nicht zu. Es bestehe zudem ein erhöhtes Erkrankungsrisiko aufgrund früherer Erkrankungen anderer Familienmitglieder.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihr, der Klägerin, Beihilfe mit einem Bemessungssatz von 80 v.H. für die Kosten der Impfungen gegen humane Papillomaviren in Höhe von 477,18 € zu gewähren und den Beihilfebescheid vom 26.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2008 aufzuheben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
Er streite nicht ab, dass abweichend von den Empfehlungen der Impfkommission eine Impfung im Einzelfall gleichwohl noch sinnvoll sein könne. Dem Dienstherrn stehe bei der Ausgestaltung der Beihilfevorschriften ein Ermessensspielraum zu.
Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung weiterhin ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Beihilfe zu den hier streitigen Impfungen.
Rechtsgrundlage eines Beihilfeanspruches für einen niedersächsischen Landesbeamten kann nur § 87c NBG in Verbindung mit den Beihilfevorschriften des Bundes - Stand 30.01.2004 - (BhV) sein.
Nach § 120 Abs. 1 NBG n.F. ist derzeit noch § 87c NBG a.F. weiter anzuwenden. Durch die Bestimmungen in § 87c NBG gab es auch schon zum Zeitpunkt, indem die hier geltend gemachten Aufwendungen der Klägerin entstanden, in Niedersachsen eine gesetzliche Regelung der Beihilfe, anders als etwa für Bundesbeamte. Die Klägerin kann sich von daher schon nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage der weiteren Anwendbarkeit von reinen Verwaltungsvorschriften berufen. Durch die (statische) Verweisung in § 87c NBG wurden die BhV in das niedersächsische Beamtengesetz inkorporiert.
Dass die Tochter J. jedenfalls seinerzeit noch zu den berücksichtigungsfähigen Kindern der Klägerin zählte, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Es liegen auch keine gegenteiligeren Anhaltspunkte vor. Grundsätzlich ist die Klägerin nach alledem hinsichtlich ihrer Tochter J. nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 BhV mit einem Bemessungssatz von 80 v.H. im Rahmen des § 5 Abs. 1 BhV (Notwendigkeit und Angemessenheit) beihilfeberechtigt.
Welche Impfungen als gesundheitliche Vorsorgemaßnahmen notwendig und angemessen und damit beihilfefähig sind, wird in § 10 Abs. 3 BhV geregelt. Die Beihilfefähigkeit beschränkt sich danach auf amtlich empfohlene Schutzimpfungen. Was amtlich empfohlen ist, richtet sich nach den vom gemeinsamen Bundesausschuss beschlossenen Schutzimpfungsrichtlinie nach § 20d Abs. 1 SGB V (so auch Topka-Möhle, Kommentar zum Beihilferecht Niedersachsens und des Bundes, Loseblattwerk, § 10 Rdnr. 3 , S. 10/23).
Nach § 11 Abs. 1 dieser Richtlinie in Verbindung mit deren Anlage 1 wird eine Impfung gegen HPV (engl. für human papilloma virus) lediglich für Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren empfohlen.
Die Tochter der Klägerin wurde jedoch bereits 2003 18 Jahre alt. Zum Zeitpunkt der Impfung hatte sie den empfohlenen Altersabschnitt längst überschritten.
Eine Beihilfe scheidet nunmehr nach alledem aus.
Selbst wenn - vor allem in Anbetracht der familiären Vorbelastung - durchaus nachvollziehbar eine Impfung von der Klägerin für ihre Tochter trotz des schon erreichten Alters für noch sinnvoll angesehen wurde und selbst wenn die Altersgrenze von 17 Jahren vom Bundesausschuss nur deshalb angesetzt worden sein sollte, weil danach jedenfalls pauschal von einem sexuell aktiven Leben der jungen Frauen ausgegangen wurde (mit der Folge des möglicherweise nur noch sehr begrenzten Nutzens einer Impfung) und diese Annahme für die Tochter der Klägerin nicht zutreffen sollte, folgt daraus kein Anspruch der Klägerin auf eine weitergehende Beihilfe.
Der Dienstherr ist aus dem Fürsorgegrundsatz heraus nicht verpflichtet, sämtliche in Betracht kommenden gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen über eine Beihilfe mit zu unterstützen. Er darf durchaus auch gewissen Pauschalierungen vornehmen, Beamte haben die damit im Einzelfall verbundenen Härten grundsätzlich zu tragen. Der doch relativ geringe Betrag, um den es im vorliegenden Fall geht, zwingt jedenfalls den Beklagten nicht, außerhalb der Beihilfevorschriften allein auf Grundlage der Fürsorgepflicht eine Beihilfe zu den streitigen Aufwendungen der Klägerin zu leisten.
Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.