Verwaltungsgericht Hannover
v. 30.04.2009, Az.: 13 A 3696/08
Beschäftigung, amtsangemessene; Fiktion; Heilungsmöglichkeit; Personalrat; Versetzung; Zustimmung
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 30.04.2009
- Aktenzeichen
- 13 A 3696/08
- Entscheidungsform
- Entscheidung
- Referenz
- WKRS 2009, 44190
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2009:0430.13A3696.08.0A
Rechtsgrundlage
- 32 I NBG
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen seine Versetzung an die G. -Realschule in Hannover.
Der Kläger war bis zum 31.07.2008 formal Schulleiter der früheren Realschule H. mit der BesGr. A 14 + Z BBesO. Er nahm faktisch diese Tätigkeit jedoch seit Mitte 2002 nicht mehr wahr. Aufgrund verschiedener Vorkommnisse und disziplinarrechtlicher Vorwürfe ist der Kläger seither an die Beklagte abgeordnet. Vorausgegangen war hierzu eine entsprechende Mediationsvereinbarung. Das Disziplinarverfahren gegen den Kläger ist noch nicht abgeschlossen und vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg anhängig.
Zum 01.08.2008 wurden die früheren hannoverschen Schulen Hauptschule H. und Realschule H. zur neuen Haupt- und Realschule H. zusammengefasst.
Im Jahr 2008 war das - nicht besetzte - Amt des Schulleiters der G. -Realschule jedenfalls noch nach der BesGr A 14+Z bewertet. Allerdings wurden zum neuen Schuljahr 2008/2009 dort schon keine neuen Klassen mehr aufgenommen, so dass wegen der absehbaren sinkenden Schülerzahlen eine Umwandlung der Schulleiterstelle nach BesGr A 14 in einem Vermerk vom 17.04.2008 angedacht wurde. Im selben Vermerk wurde aber auch die Möglichkeit aufgezeigt, die höherwertige Planstelle "nicht zurückzumelden", wenn Amtsinhaber nicht amtsentsprechend untergebracht werden können.
Bereits Ende Mai 2008 wurde der Kläger von der Absicht unterrichtet, ihn auf die Stelle eines Realschulrektors (Wertigkeit A 14+Z) an der G. -Realschule zu versetzen. Der Kläger erhob Einwände. Mitte Juli 2008 beteiligte die Beklagte dann die Personalvertretung wegen der beabsichtigten Versetzung des Klägers. In der Begründung heißt es: "Stellenbesetzung, ohne Ausschreibung, Abordnung an die LSchB bleibt weiterhin bestehen." Am 17.07.2008 stimmte die Personalvertretung der Maßnahme zu. Unterschrieben wurde die Zustimmung jedoch nur vom Vorsitzenden des Schulbezirkspersonalrats bzw. dessen Vertreter. Die Unterschrift des Vertreters der Fachgruppe fehlt.
Mit Verfügung vom 29.07.2008, zugestellt am 30.07.2008, versetzte die Beklagte den Kläger mit Wirkung vom 01.08.2008 an die G. -Realschule in Hannover. Das bisherige Amt sei entfallen. In Würdigung der besonderen Situation des Klägers habe man von einer Rückernennung nach § 109 Abs. 1 NBG abgesehen. Die Abordnung an die Beklagte bleibe aufrechterhalten.
Nach Aussage der Beklagten (Bl. 158 Gerichtsakte) lag zu diesem Zeitpunkt die Schülerzahl der G. -Realschule bei 173 Schülern, später wurde die Zahl von 177 Schüler genannt (Bl. 165 d. Gerichtsakte).
Am 31.07.2008 hat der Kläger Klage erhoben.
Er trägt vor: Die G. -Realschule stehe kurz vor der Auflösung, ab 01.08.2008 nehme die Schule keine neuen 5. Klassen mehr auf. Wegen der sinkenden Schülerzahlen müsse die Schulleiterstelle 2009 in eine reine A 14-Stelle umgewandelt werden. Er, der Kläger, müsse dann damit rechnen, dass er zum Realschullehrer rückernannt werde. Die Schulleitertätigkeit an dieser Schule sei nicht amtsangemessen. Würde er stattdessen an die neu geschaffene Haupt- und Realschule H. versetzt, könnte er dort als Schulleiter eingesetzt werden, ohne eine Herabstufung wegen sinkender Schülerzahlen befürchten zu müssen. Auch hätte er an andere, im Einzelnen genannte, Realschulen versetzt werden können, an denen Schulleiterstellen vakant seien. Die Beklagte habe sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Nach der abgeschlossenen Mediationsvereinbarung müsse die Beklagte im Übrigen die Möglichkeit für den Kläger offen halten, nach H. zurückzukehren.
Der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Ein Mitglied der Fachgruppe habe die Stellungnahme nicht mit unterzeichnet. Die Versetzung sei auch vor Ablauf der Frist des § 68 Abs. 2 NPersVG ausgesprochen worden. Deshalb stelle sich die Versetzung als unwirksam dar.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29.07.2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert, der Kläger sei zu versetzen gewesen, weil das ihm zugewiesene Amt des Schulleiters der Realschule H. mit Wirkung vom 01.08.2008 weggefallen sei. Auch habe berücksichtigt werden müssen, dass er das Amt eines Schulleiters bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens tatsächlich nicht ausüben werde. Daher sei ihm die Versetzung an eine Schule, die mittelfristig - wohl erst nach 2010 - aufgelöst werde, zuzumuten. Eine unterwertige Beschäftigung müsse der Kläger nicht befürchten, weil er konkret weiterhin Dezernententätigkeiten im Haus der Beklagten wahrnehmen werde und die Schulleiterstelle an der G. -Schule nicht antrete. Die Form der Personalratsbeteiligung entspreche gängiger Praxis.
Im Laufe des Verfahrens wurde die Schulleiterstelle der neuen Haupt- und Realschule H. mit einem anderen Beamten bzw. einer Beamtin besetzt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Kammer hat durch den Einzelrichter im vorangegangenen Eilverfahren 13 B 3697/08 in ihrem Beschluss vom 13.08.2008 u.a. ausgeführt:
"Rechtsgrundlage der Versetzungsverfügung ist § 32 Abs. 1 NBG. Danach kann ein Beamter aus dienstlichen Gründen in ein anderes Amt seiner Laufbahn versetzt werden. Dienstliche Gründe i.S.d. Vorschrift liegen hier vor.
Mit der Bildung der HRS H. bestehen die beiden früheren Schulen - die Hauptschule H. und die Realschule H. - nicht mehr. Sie sind vielmehr nur Zweige einer neu gebildeten Schule geworden (vgl. Brockmann, Littmann,Schippmann, NSchG, Loseblattwerk Stand Mai 2008, § 106 RdNr. 3.2.7.). Entsprechend gibt es keine Schulleiterstelle der früheren RS H. mehr. Der bisherige Dienstposten des Antragstellers ist zum 01.08.2008 entfallen und der Antragsteller musste entsprechend eine andere, seinem Amt entsprechende Stelle erhalten. Entgegen der Formulierung im Bescheid vom 29.07.2008 war es aber keine Ermessensentscheidung zugunsten des Antragstellers, von einer Rückernennung abzusehen. Denn eine Rückernennung darf nach § 109 Abs. 1 NBG nur ausgesprochen werden, wenn eine dem bisherigen Amt entsprechende Verwendung nicht mehr möglich ist. Letzteres ist hier aber der Fall. Neben den vom Antragsteller in der Antragsschrift aufgezeigten offenen Realschulleiterstellen stand eben auch die Schulleiterstelle der G. -Schule zu Verfügung.
Die Entscheidung der Antragsgegnerin, die G. -Realschule als Ziel der Versetzung auszuwählen und nicht eine andere Schule, ist nach summarischer Prüfung ebenfalls ohne Rechtsfehler. Zu Recht hat die Antragsgegnerin in ihre Entscheidung eingestellt, dass der Antragsteller zurzeit das Amt eines Schulleiters tatsächlich nicht ausüben wird, weil die Abordnung an die Antragsgegnerin auf unabsehbare Zeit fortbesteht. Denn es ist nicht abzuschätzen, wann das Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller beendet sein wird. ... In dieser Situation ist der G. -Schule ein nur formal vorhandener, faktisch jedoch abwesender Schulleiter von allen angesprochenen Schulen noch am ehesten zuzumuten, weil dank sinkender Schülerzahlen und dem geplanten Auslaufen die Arbeitsbelastung der Schulleitung sinkt.
Aus der zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin abgeschlossenen Mediationsvereinbarung ergibt sich nicht Gegenteiligeres. Der Antragsteller kann daraus kein Verbot der Versetzung an die G. -Schule ableiten. In der Mediationsvereinbarung ist lediglich geregelt, dass der Antragsteller für die Dauer des Disziplinarverfahrens an die Antragsgegnerin abgeordnet wird. Eine Regelung für den Fall, dass aus schulorganisatorischen Gründen die Stelle eines Leiters der RS H. wegfällt, wurde darin nicht getroffen"
Daran hält die Kammer fest und macht sich diese Ausführungen auch in diesen Verfahren zu Eigen. Rechtsgrundlage der hier angefochtenen Verfügung ist weiterhin § 32 NBG in der vor April 2009 geltenden Fassung. Maßgeblicher Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage im Rahmen einer Anfechtungsklage ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung.
Die fehlende Erklärung eines Vertreters der Fachgruppe "Realschule" (§ 93 Abs. 2 Nr. 4 NPersVG) steht der Wirksamkeit der streitigen Versetzung nicht entgegen.
Zwar ist es richtig, dass der Personalratsvorsitzende den Personalrat nur zusammen mit einem Fachgruppenvertreter vertreten kann, wenn - wie hier - die Angelegenheit nur eine Gruppe betrifft, § 29 Abs. 2 Satz 2 NPersVG. Damit hat der Personalrat am 17.07.2008 nicht wirksam seine Zustimmung zu der Versetzung erteilt. Richtig ist weiterhin, dass die Versetzung eines Beamten der Mitbestimmung nach § 65 Abs. 1 Nr. 7 NPersVG unterliegt. Gleichwohl liegt aber entgegen den Rechtsausführungen des Klägers keine Unwirksamkeit vor. Zwar trifft es zu, dass nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte Personalmaßnahmen bei Angestellten und Arbeitern, bei denen eine gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung der Personalvertretung nicht oder nur in mangelhafter Form stattgefunden hat, nichtig sind. Diese Rechtsprechung kann jedoch nur für Personalvertretungsgesetze gelten, die keine spezifischen Regelungen zu den Rechtsfolgen einer Verletzung von Beteiligungsrechten der Personalvertretung enthalten. Das niedersächsische Personalvertretungsrecht sieht in § 63 jedoch lediglich ein Vollzugsverbot vor bzw. ordnet eine Rücknahme an.
Aber auch eine Rücknahme der Versetzung ist nach § 63 NPersVG nicht geboten. Ausweislich des Eingangsstempels der Personalvertretung wurde der Schulbezirkspersonalrat am 17.07.2008 beteiligt bzw. es ging die Anfrage dem Vorsitzenden des Gremiums an diesem Tag zu. Wird die Zustimmung nicht innerhalb von zwei Wochen ab diesem Zeitpunkt verweigert, gilt sie als erteilt, § 68 Abs. 2 NPersVG. Hier erfolgte innerhalb der Zwei-Wochen-Frist keine Versagung der Zustimmung. Abgesehen davon, dass nach Ansicht der Kammer dieser Umstand auch zu einer nachträglichen Heilung etwaiger schon vollzogener Maßnahmen führen würde, was aber letztendlich offenbleiben kann, wurde die hier streitige Maßnahme erst nach Ablauf der genannten Frist - nämlich zum 01.08.2008 - vollzogen.
In seinem Amt im statusrechtlichen Sinne ist der Kläger durch die angefochtene Maßnahme nicht verletzt. Er ist Realschulrektor und wurde auf einen Dienstposten als Realschulrektor versetzt. Auch die neue Stelle ist - bzw. war zumindest zum Zeitpunkt der Versetzung - haushaltsrechtlich nach BBesGr A 14+Z BBesO bewertet.
Aber auch in seinem Amt im funktionellen Sinne wurde der Kläger nicht rechtswidrigerweise beeinträchtigt. Unter dem Amt im funktionellen Sinne ist zum einen der abstrakte Aufgabenkreis, welche innerhalb einer Behördenorganisation der Rechtstellung des Beamten entspricht (Amt im abstrakt-funktionalen Sinne) bzw. zum anderen der übertragene Aufgabenkreis (Amt im konkret-funktionalen Sinne) zu verstehen. Der Kläger kann sich aber nicht mit Erfolg darauf berufen, er werde nicht auf einen amtsangemessenen Dienstposten eingesetzt.
Zutreffend ist zwar, dass die Schülerzahl der den Kläger formal aufnehmenden Schule - ohne dass es darauf ankommt, ob nun von 173 oder 177 Schülern ausgegangen werden muss - bereits zum Zeitpunkt der Versetzung unter der maßgeblichen Zahl von 180 Schülern gesunken ist, bei der erst nach Anlage I zum BBesG die Gewährung einer Amtszulage nach Anlage IX gerechtfertigt wäre. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass - entgegen der offenbar in der Verfügung des Berichterstatters des OVG Lüneburg vom 31.10.2008 im Verfahren 5 ME 381/08 vertretenen Ansicht - allein dadurch der Kläger noch nicht in ein geringwertigeres Amt mit niedrigerem Endgrundgehalt versetzt worden ist. Denn formal war jedenfalls zum Zeitpunkt der Versetzung das Amt des Schulleiters der G. -Realschule immer noch nach A 14+Z bewertet. Anders als im Verfahren des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg zum Aktenzeichen 5 OVG B 28/81 und 29/81 (Beschlüsse vom 29.07.1981 - OVGE 36, 438 ff.) wird der Kläger auch nicht tatsächlich geringwertiger eingesetzt. Unabhängig von dem Umstand, dass er infolge der Abordnung an die Beklagte dort derzeit Dezernentenaufgaben wahrnimmt, bleibt er Schulleiter einer Realschule. In den zitierten Verfahren 5 OVG B 28/81 und 29/81 konnte der dortige Antragsteller demgegenüber nach der Versetzung nicht mehr als Konrektor tätig werden, weil diese Stelle schon anderweitig besetzt war, sondern wurde als "einfacher" Lehrer eingesetzt. Insoweit ist der damals vom Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein entschiedene Fall nicht mit dem vorliegenden vergleichbar. Rein tatsächlich unterscheiden sich die Aufgaben eines Schulleiters einer Schule mit 173 bzw. 177 Schülern nicht wesentlich von den Aufgaben eines Schulleiters einer Schule mit 180 Schülern, so dass sich der Status des Klägers auch nicht faktisch ändert. Bewertet ist die Schulleiterstelle der neuen Schule ebenfalls nach BesGr A 14+Z - bzw. sie war es zumindest im Zeitpunkt der Versetzung. Anhaltspunkte dafür, dass die Stelle rechtsmissbräuchlich allein deshalb so hoch bewertet war, um den Kläger dort unterzubringen zu können, liegen nicht vor. Eine leichte Absenkung der Schülerzahlen unter die Grenze von 180 trat nur deshalb ein, weil keine neuen fünften Klassen mehr aufgenommen wurden.
Letztendlich kann es aber offenbleiben, ob das Amt eines Realschulrektors an einer Schule mit knapp unter 180 Schülern noch mit dem Amt eines Realschulrektors mit 180 Schülern bei gleicher haushaltsrechtlicher Bewertung mit A 14 + Z nun vergleichbar ist oder nicht, weil es darauf hier nicht ankommt. Der Kläger wird trotz seiner Versetzung nach wie vor weiterhin amtsangemessen beschäftigt, weil die Abordnung an die Beklagte aufrechterhalten bleibt und der Kläger tatsächlich sowohl von seiner organisatorischen Stellung innerhalb der Landesschulbehörde als auch von seiner Tätigkeit her dort Dezernentenaufgaben wahrnimmt. Von einer nicht amtsangemessenen Beschäftigung des Klägers kann nach alledem keine Rede sein.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.