Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 03.11.2022, Az.: 2 B 211/22
Auflage; Beschäftigungsverbot; Betriebserlaubnis; Ermessensreduzierung; Grundrechtsverletzung; Kindertagesstätte; Kindeswohl
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 03.11.2022
- Aktenzeichen
- 2 B 211/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 59695
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 45 Abs 4 S 2 SGB 8
Fundstellen
- JAmt 2023, 248-251
- Jugendhilfe 2023, 101-110
- NJW 2023, 1304-1306
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass Mitarbeiterinnen einer Kindertagesstätte Grundrechte der ihnen anvertrauten Kinder verletzt haben, kann das im Rah-men von § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII auszuübende Ermessen der Aufsichtsbehörde dahingehend reduziert sein, dass nur die Anordnung eines vorläufigen Beschäfti-gungsverbots bis zum Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen in Betracht kommt.
Tenor:
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, der Beigeladenen zu 1. die Beschäftigung der Beigeladenen zu 2. und 3. in der Katholischen Kindertagesstätte St. Georg in A-Stadt, Ortsteil A., vorläufig bis zum Abschluss der gegen die Beigeladenen zu 2. und 3. durchgeführten strafrechtlichen Ermittlungen durch eine sofort vollziehbare nachträgliche Auflage zur Betriebserlaubnis zu untersagen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Antragsgegner. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren vom Antragsgegner die Erteilung einer nachträglichen Auflage zur Betriebserlaubnis für die Kindertagesstätte der Beigeladenen zu 1. in A-Stadt, Ortsteil A., durch die die Wiedereinsetzung der Beigeladenen zu 2. und 3. in der Kindertagesstätte untersagt wird.
Im Juli 2022 übersandte das Polizeikommissariat Göttingen eine Strafanzeige einer ehemaligen Mitarbeiterin der Katholischen Kindertagesstätte St. Georg in A. wegen Kindesmisshandlung (§ 225 StGB) gegen die Beigeladene zu 2. (Sozialassistentin), eine Mitarbeiterin in der genannten Einrichtung, an den Antragsgegner. Als weitere Beschuldigte wurde die Beigeladene zu 3. (Erzieherin) genannt. Die Beigeladenen zu 2. und 3. arbeiteten gemeinsam in der Krippengruppe „Spatzengruppe“ der genannten Einrichtung. In dieser Gruppe sollen sie die Kinder laut Strafanzeige zur Nahrungsaufnahme gezwungen, fixiert und bei einem unangemessenem Verhalten zur Strafe für etwa 20 bis 30 Minuten allein im Waschraum oder im Flur eingesperrt haben.
Aufgrund der mitgeteilten Vorwürfe fand am 18.07.2022 eine unangekündigte örtliche Prüfung in der Einrichtung durch den Antragsgegner statt, bei der verschiedene Mängel festgestellt wurden; auf das Ergebnisprotokoll der Prüfung (Beiakte 001 Bl. 69 ff.) wird Bezug genommen. Am 19.07.2022 teilte die Beigeladene zu 1. dem Antragsgegner mit, dass die Beigeladenen zu 2. und 3. bis auf Weiteres von ihren Tätigkeiten freigestellt würden. Mit Bescheid vom 29.07.2022 gab der Antragsgegner der Beigeladen zu 1. als nachträgliche Auflagen zur Betriebserlaubnis für die Kindertagesstätte unter anderem auf, unter Hinzuziehung externer fachlicher Beratung bis spätestens zum 31.01.2023 eine aktualisierte Einrichtungskonzeption und bis spätestens zum 31.07.2023 ein Konzept zum Schutz vor Gewalt zur Sicherung der Rechte und des Wohls der Kinder in der Einrichtung vorzulegen.
Mit Schreiben vom 06.09.2022 teilte die Beigeladene zu 1. dem Antragsgegner mit, dass die Freistellung der Beigeladenen zu 2. und 3. und zusätzlicher Personalmangel zu erheblichen Einschränkungen des Betreuungsumfangs in der Kindertagesstätte geführt hätten. Nach Auskunft der Polizeidirektion Göttingen könne das strafrechtliche Ermittlungsverfahren noch mehrere Monate dauern. Sie beabsichtige daher, die Mitarbeiterinnen wieder in der Kindertagesstätte einzusetzen und durch verschiedene Maßnahmen sicherzustellen, dass sie nicht in der Mittagessen-Situation bzw. generell im Krippenbereich und unter ständiger Begleitung von langjährig erfahrenen Mitarbeitenden voneinander getrennt arbeiten würden.
Nachdem die Antragsteller durch ein Schreiben des Beigeladenen zu 1. vom 26.09.2022, ihnen zugegangen am 27.09.2022, von der geplanten Weiterbeschäftigung der Beigeladenen zu 2. und 3. erfahren hatten, beantragten sie unter dem 29.09.2022 beim Antragsgegner, die Wiedereinsetzung der Beigeladenen zu 2. und 3. zumindest bis zum Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bzw. ihre Beschäftigung zumindest für erzieherische Tätigkeiten im Wege einer nachträglichen Auflage zur Betriebserlaubnis für die Kindertagesstätte zu untersagen. Zur Begründung führten sie aus, die vorliegenden Erkenntnisse rechtfertigten die Annahme, dass die Mitarbeiterinnen nicht die für ihre Tätigkeit erforderliche Eignung besäßen. Es sei zu befürchten, dass es im Fall ihrer Wiedereinsetzung erneut zu Misshandlungen der Kinder kommen würde. Zudem bestehe die konkrete Gefahr, dass die Kinder durch ein Aufeinandertreffen mit den Mitarbeiterinnen retraumatisiert würden.
Bereits mit Bescheid vom 26.09.2022 hatte der Antragsgegner der Beigeladenen zu 1. eine nachträgliche Auflage zur Betriebserlaubnis gem. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII erteilt. Dieser Bescheid war Grundlage für das Informationsschreiben vom 26.09.2022, in dem die Weiterbeschäftigung der Beigeladenen zu 2. und 3. angekündigt wurde. Mit weiterem Bescheid vom 30.09.2022 wurde diese Auflage wie folgt gefasst:
„1. Die von dem Ermittlungsverfahren betroffenen Mitarbeiterinnen, Frau AD. und Frau AE., dürfen bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens gegen ihre Personen nicht mehr unbegleitet in der Arbeit mit Kindern eingesetzt werden. Die ständige Anwesenheit mindestens jeweils einer weiteren Fachkraft gem. § 9 NKiTaG ist sicherzustellen. Ein Einsatz der von dem Ermittlungsverfahren betroffenen Mitarbeiterinnen erfolgt ausschließlich getrennt voneinander in Gruppen, in denen Kinder von der Vollendung des dritten Lebensjahres bis zur Einschulung gefördert werden (Kindergartengruppen).
2. Die sofortige Vollziehung der Auflage zu Nr. 1 ordne ich an.“
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Vorwürfe gegen die Beigeladenen zu 2. und 3. Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens seien, sodass zunächst davon Abstand genommen werde, eine Tätigkeitsuntersagung nach § 48 SGB VIII auszusprechen. Die nachträgliche Auflage sei geeignet, das Kindeswohl zu gewährleisten. Der Einsatz erfolge ausschließlich getrennt voneinander in Gruppen, in denen Kinder von der Vollendung des dritten Lebensjahrs bis zur Einschulung (Kindergartengruppen) und jeweils unter Begleitung einer weiteren Fachkraft sowie in einem pädagogisch konzeptionell altersentsprechend partizipativen Rahmen gefördert würden. Dadurch würden aufgrund des Alters- und Entwicklungsstands von Kindergartenkindern kleinkindtypische Pflege- und Versorgungssituationen in der Regel ausgeschlossen. Die Begleitung durch eine weitere Fachkraft stelle sicher, dass negative Entwicklungen oder Gefährdungssituationen, die mit dem Verhalten der Beigeladenen zu 2. und 3. im Zusammenhang ständen, frühzeitig erkannt werden könnten und man ihnen entgegenwirken könne. Der getrennte Einsatz stelle sicher, dass die Beigeladenen zu 2. und 3. sich nicht gegenseitig in ihren Verhaltensweisen bestätigen könnten. Unerwünschte Verhaltensweisen würden dadurch besser erkennbar und ihnen könne entgegengewirkt werden. Die Maßnahme sei auch erforderlich. Die Interessen der Beigeladenen zu 1. am weiteren Einsatz der Beigeladenen zu 2. und 3. in der Kindertageseinrichtung zur Aufrechterhaltung der Betreuungszeiten blieben dadurch gewahrt. Die Auflage sei auch angemessen. Ein milderes Mittel als der eingeschränkte Einsatz der Beigeladenen zu 2. und 3. sei nicht ersichtlich. Von einer vollständigen Tätigkeitsuntersagung der Beigeladenen zu 2. und 3. bis zur Aufklärung des Sachverhalts werde vor dem Hintergrund des vorgetragenen Personalmangels und zur Sicherstellung des Anspruchs auf Förderung gemäß § 24 SGB Vlll i.V.m. § 20 NKiTaG Abstand genommen.
Am 30.09.2022 haben die Antragsteller, fünf Kinder, die in der Krippengruppe durch die Beigeladenen zu 2. und 3. betreut worden waren, und deren Eltern Klage erhoben (2 A 210/22) und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, zwei Erzieherinnen und ein Erzieher hätten im Rahmen ihrer Zeugenaussage bei der Polizei ausgesagt, dass die von den Beigeladenen zu 2. und 3. betreuten Kinder im Alter zwischen einem und drei Jahren von diesen misshandelt worden seien.
So sei der Antragsteller zu 1. von der Beigeladenen zu 2. angeschrien worden, wenn er in seine Hose uriniert oder wenn er aus anderen Gründen geweint habe. Wenn er geweint habe, sei er von ihr im Waschraum eingesperrt worden. Dies habe bei ihm zur Verstärkung der Verzweiflung geführt. Er habe dann so stark geweint, dass er sich verschluckt, gewürgt und Schnappatmung bekommen habe. Dies habe wiederum dazu geführt, dass er für eine lange Zeit nicht habe sprechen können. Diese Situationen hätten circa 30 Minuten gedauert und sich ein bis zweimal alle drei Wochen ereignet.
Die Antragstellerin zu 4. sei von der Beigeladenen zu 2. beim Essen mit dem Stuhl fixiert und ihr sei von hinten Essen in den Mund geschoben worden. Wenn sie dieses Essen wieder ausgespuckt habe, habe die Beigeladene zu 2. es ihr wieder in den Mund gesteckt. Sie habe sehr geschrien, versucht sich wegzudrehen und sich danach nur schwer beruhigen können. Als Strafe dafür sei sie allein ins Bett geschickt worden.
Die Antragstellerin zu 6. habe so lange allein am Essenstisch sitzen bleiben müssen, bis sie ihr Brot aufgegessen habe - auch dann, wenn sie satt gewesen sei. Diese Situation habe sich täglich wiederholt. Das Kind habe sich aufgrund von nassem Brot fast übergeben müssen und gewürgt. Die Beigeladene zu 3. habe sie jedoch zum Essen gezwungen, sich dabei belustigt und geäußert: „Dann lernt sie wenigstens, ihr Brot nicht mehr nass zu machen.“ Weiterhin sei die Antragstellerin von der Beigeladenen zu 2. am Kopf festgehalten und ihr sei das Essen in den Mund gedrückt worden, wobei sie versucht habe, sich zu wehren, indem sie die Beigeladene zu 2. mit der Hand weggedrückt, ihren Mund mit der Hand verdeckt und laut „nein“ geschrien habe. Diese Situation habe sich täglich wiederholt.
Der Antragstellerin zu 8. sei von der Beigeladenen zu 2. Essen in den Mund gedrückt worden, woraufhin sie um sich geschlagen, geweint und ihren Kopf weggedreht habe. Daraufhin sei ihr Kopf von der Beigeladenen zu 2. festgehalten worden. Dies habe sich einmal in zwei Wochen ereignet.
Die Antragstellerin zu 11. sei von der Beigeladenen zu 2. sowohl verbal als auch körperlich bedroht worden. Sie sei zum Essen gezwungen worden, obwohl sie das Essen nicht gemocht und geweint habe. Diese Vorfälle hätten sich mehrmals pro Woche ereignet. Ferner sei sie von der Beigeladenen zu 2. oft im Waschraum eingesperrt worden, wenn sie geweint und geschrien habe. Dies habe bei ihr zur Verstärkung der Verzweiflung geführt. Diese Vorfälle hätten sich drei bis viermal pro Woche ereignet.
Der Antrag der Antragsteller sei zulässig. Eine Antragsbefugnis ergebe sich aus der möglichen Verletzung von § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII sowie von § 48 SGB VIII, die einen ausreichenden Schutz der betreuten Kinder sicherstellen sollten und daher jedenfalls auch den geschützten subjektiven Rechten der Antragsteller dienten. Angesichts der erheblichen Gefährdung des Kindeswohls bei einer weiteren Beschäftigung der Beigeladenen zu 2. und 3. liege auch die im Rahmen der Zulässigkeit erforderliche Möglichkeit einer Verletzung dieser Rechte der Antragsteller vor.
Der Antrag sei auch begründet. Aufgrund der Zeugenaussagen bestehe der konkrete Verdacht, dass die Beigeladenen zu 2. und 3. gegenüber den von ihnen betreuten Kindern mehrfach und in erheblichem Maß gewalttätig geworden seien. Sie besäßen daher nicht die für ihre Tätigkeit erforderliche Eignung und stellten eine erhebliche Gefahr für das Kindeswohl der Betroffenen dar. Unerheblich sei, dass die Mitarbeiterinnen wegen des ihnen vorzuwerfenden Verhaltens noch nicht rechtskräftig verurteilt worden seien. Es gelte nicht der strafrechtliche Grundsatz „in dubio pro reo“, sondern der Grundsatz „in dubio pro infante“. Für die Annahme einer Gefährdung des Kindeswohls reiche deshalb eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung entsprechender Delikte aus. Es sei davon auszugehen, dass es im Fall der Wiedereinsetzung der Mitarbeiterinnen erneut zu Misshandlungen der Kinder kommen werde. Da diese infolge der Ereignisse traumatisiert seien, drohe im Fall des im Alltag unvermeidbaren Aufeinandertreffens mit den Mitarbeiterinnen eine Retraumatisierung. Der Antragsteller zu 1. und die Antragstellerin zu 11., die altersbedingt in eine Kindergartengruppe gewechselt seien, seien darüber hinaus der permanenten Betreuung der Beigeladenen zu 2. und 3. ausgesetzt.
Das dem Antragsgegner bei der Entscheidung über eine nachträgliche Auflage eingeräumte Ermessen sei angesichts der befürchteten Gefährdung des Kindeswohlsauf null reduziert. Jede andere Maßnahme als die vorläufige Freistellung der Beigeladenen zu 2. und 3. von der Kinderbetreuung sei unzureichend. Die von dem Antragsgegner erteilte Auflage, wonach die Beigeladenen zu 2. und 3. nicht mehr unbegleitet in der Arbeit mit Kindern eingesetzt werden dürften und die ständige Anwesenheit mindestens einer weiteren Fachkraft sicherzustellen sei, sei demgegenüber ungeeignet. Zum einen sei eine lückenlose Beaufsichtigung der Beigeladenen im täglichen Betrieb nicht sicherzustellen. Vor allem aber werde dabei die Gefahr der Retraumatisierung der betroffenen Kinder durch die schlichte Anwesenheit der Beigeladenen übersehen. Auch die weitere Auflage, die betroffenen Mitarbeiterinnen dürften nicht mehr in einer Krippengruppe, sondern nur noch in Kindergartengruppen arbeiten, sei ungeeignet, um der konkreten Kindeswohlgefährdung zu begegnen. Die persönliche Geeignetheit der einzusetzenden Fachkraft müsse auch bei der Betreuung von Kindergartenkindern gewährleistet sein. Angesichts des Gewichts der berührten Rechtsgüter müssten die Belange der Beigeladenen gegenüber den Interessen der Antragsteller zurücktreten.
Die Antragsteller beantragen,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Beigeladenen zu 1. vorläufig bis zum Eintritt der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung durch eine nachträgliche Auflage zur Betriebserlaubnis für die Kath. Kindertagesstätte zu untersagen, die Beigeladenen zu 2. und 3. in der Kindertagesstätte wieder einzusetzen,
hilfsweise,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Beigeladenen zu 1. vorläufig bis zum Eintritt der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung die weitere Beschäftigung der Beigeladenen zu 2. und 3. ganz oder zumindest für die erzieherischen Tätigkeiten zu untersagen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er wiederholt die Begründung seines Bescheids vom 30.09.2022 und führt ergänzend aus, der Antrag auf Erlass einer Anordnung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sei bereits unzulässig. Die Antragsteller seien erst mit Schreiben vom 29.09.2022 an ihn herangetreten und hätten für die Erteilung einer Auflage eine unangemessen kurze Frist gesetzt. Ungeachtet dessen habe er mittlerweile nachträgliche Auflagen zu der erteilten Betriebserlaubnis erlassen und dabei den Vortrag der Antragsteller berücksichtigt. Es sei ferner zweifelhaft, ob die Antragsteller antragsbefugt seien. Bei den §§ 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII und 48 SGB VIII handele es sich um Ermessensvorschriften. Im vorliegenden Fall kämen mehrere Entscheidungsalternativen in Betracht, sodass es an einer Ermessensreduzierung auf null und damit an der Antragsbefugnis der Antragsteller fehle. Auch ein Anordnungsanspruch sei zu verneinen. Er habe der Beigeladenen zu 1. für die Zeit bis zum Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens mehrere Auflagen erteilt, durch die das Wohl der Kinder auch bei einem weiteren erzieherischen Einsatz der Beigeladenen zu 2. und 3. in der Einrichtung sichergestellt werde. Die Maßnahmen seien angemessen und stellten sicher, dass der gesetzliche Anspruch auf Förderung der anderen Kinder in der Einrichtung wahrgenommen werden könne. Aufgrund des bestehenden Personalmangels sei der Weiterbetrieb der Kindertagesstätte während der Freistellung der Beigeladenen zu 2. und 3. nur unter Einschränkung der Betreuungszeiten möglich gewesen. Auch berücksichtigten die gewählten Auflagen das Recht der Beigeladenen zu 2. und 3. auf Berufsausübung und das Recht der Beigeladenen zu 1., ihre Einrichtung nach eigenen Vorstellungen zu betreiben. Der Antragsgegner habe danach durch die gewählten Auflagen weder seine Ermessensgrenzen überschritten noch von seinem Ermessen keinen Gebrauch gemacht. Eine Ermessensreduzierung auf null liege nicht vor. Daneben bestehe auch kein Anordnungsgrund. Wesentliche Nachteile würden durch den begleiteten Einsatz der Beigeladenen zu 2. und 3. ausschließlich in Kindergartengruppen ebenso verhindert wie ein hypothetischer Gewalteinfluss. Schließlich würde der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Vorwegnahme der Hauptsache führen.
Die Beigeladene zu 1. stellt keinen Antrag. Sie schließt sich den Ausführungen des Antragsgegners an und trägt vor, eine zwischenzeitlich in der Kindertagesstätte durchgeführte unangekündigte Prüfung habe keine Beanstandungen ergeben. Bei einer Befragung der Anzeigeerstatter, der Leiterin der Kindertagesstätte, sämtlicher Kolleginnen und der Beigeladenen zu 2. und 3. habe mit Ausnahme der Anzeigeerstatter niemand von Auffälligkeiten bzw. Unregelmäßigkeiten berichtet.
Die Beigeladenen zu 2. und 3. äußern sich nicht und stellen keine Anträge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Verwaltungsvorgang des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Der Hauptantrag der Antragsteller hat Erfolg.
Er ist zulässig.
Verfahrensgegenstand ist das Begehren der Antragsteller, die weitere Beschäftigung der Beigeladenen zu 2. und 3. in der Katholischen Kindertagesstätte St. Georg in A. vorläufig zu verhindern. Als möglicher Weg zur Erreichung dieses Ziels kommt nur ein Antrag auf Erlass einer nachträglichen Auflage zur Betriebserlaubnis für die Kindertagesstätte gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII in Betracht. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII setzt die Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb der Einrichtung voraus, dass das Wohl der in dieser Einrichtung betreuten Kinder gewährleistet ist. Zu diesem Zweck können gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII nachträgliche Auflagen zur Betriebserlaubnis erteilt werden. Demgegenüber scheidet ein Antrag auf Untersagung der weiteren Beschäftigung der Mitarbeiterinnen wegen fehlender Eignung gemäß § 48 SGB VIII bereits deshalb aus, weil diese Norm nach ihren Voraussetzungen (Feststellung der mangelnden Eignung) und Rechtsfolgen nicht auf vorläufige, sondern auf abschließende Maßnahmen ausgerichtet ist (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.10.1992 - 24 B 2679/92 -, juris Rn. 7). Da die gegen die Beschäftigten erhobenen Vorwürfe Gegenstand laufender strafrechtlicher Ermittlungen sind, kommt (noch) nicht die Tätigkeitsuntersagung, sondern die Erteilung einer nachträglichen Auflage nach § 45 Abs. 4 SGB VIII mit dem Ziel der vorläufigen Suspendierung in Betracht (vgl. auch Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand: Juli 2022, § 48 Rn. 4; Jens/Happe/Saurbier, Kinder- und Jugendhilferecht, Stand: Januar 2022, § 48 SGB VIII Rn. 21 f.; Wiesner in Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 48 Rn. 5).
Der Antrag gemäß § 123 VwGO ist statthaft. Der Antragsgegner hat der Beigeladenen zu 1. mit Bescheiden vom 26.09.2022 und 30.09.2022 Auflagen zur Weiterbeschäftigung der Beigeladenen zu 2. und 3. erteilt. Gegen die hiermit verbundene Entscheidung, weitergehende Auflagen nicht zu erlassen, gehen die Antragsteller im Klageverfahren mittels einer Verpflichtungsklage vor, sodass vorläufiger Rechtsschutz insoweit durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu suchen ist.
Einer Statthaftigkeit steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die Antragsteller sich bereits am Tag nach der Antragstellung beim Antragsgegner mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das Gericht gewandt haben. Sie haben das für den Erlass der begehrten Regelungsanordnung erforderliche streitige Rechtsverhältnis (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.11.2021 - 6 VR 4/21 -, juris Rn. 8 und 10; Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Februar 2022, § 123 Rn. 56 und 102) durch ihren am 29.09.2022 gestellten Antrag auf Erlass einer Auflage begründet. Die dem Antragsgegner gesetzte Frist zur Entscheidung - bis zum Folgetag, 09.00 Uhr - war zwar äußert knapp bemessen. Dies war jedoch dem Umstand geschuldet, dass die Antragsteller selbst erst am 27.09.2022 von der geplanten Weiterbeschäftigung der Beigeladenen zu 2. und 3. zum 01.10.2022 erfahren hatten. Zudem hat der Antragsgegner durch Bescheid vom 30.09.2022 eine Regelung getroffen, mit der er den Antrag der Antragsteller auf Untersagung der Weiterbeschäftigung der Beigeladenen zu 2. und 3. unter Berücksichtigung des Inhalts ihres Schriftsatzes vom 29.09.2022 (vgl. Bl. 3 der Antragserwiderung) faktisch abgelehnt hat. Damit besteht kein Zweifel, dass am Tag der Antragstellung bei Gericht ein streitiges Rechtsverhältnis zwischen den Hauptbeteiligten des Verfahrens bestanden hat.
Die Antragsteller sind bei entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO auch antragsbefugt, denn sie machen geltend, durch die Entscheidung des Antragsgegners, von einer Untersagung der Weiterbeschäftigung der Beigeladenen zu 2. und 3. abzusehen, in ihren Rechten verletzt zu werden. Zwar betrifft § 45 SGB VIII mit seinen Regelungen zur Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung die in wesentlichen Teilen ordnungsbehördliche Aufsichtsfunktion des überörtlichen (§ 85 Abs. 2 Nr. 6 SGB VIII) Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über Einrichtungen für Kinder und Jugendliche (Wiesner, a.a.O., § 45 Rn. 8) und damit in erster Linie das Rechtsverhältnis zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen zu 1. Dies führt aber nicht dazu, dass die Behörde im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben ausschließlich vom Amts wegen tätig wird und Dritte, wie z. B. die Nutzer der Einrichtung oder die in ihr Beschäftigten, keine eigenen Ansprüche bzw. Antragsrechte haben und den Erlass einer Auflage allenfalls anregen können (so aber Jans/Happe/Saurbier, a.a.O., § 48 Rn. 7 zur Auflage gemäß § 48 SGB VIII). Vorliegend berufen sich die Antragsteller darauf, durch die den Beigeladenen zu 2. und 3. vorgeworfenen Handlungen in ihren Grundrechten verletzt worden zu sein, und sie befürchten für den Fall der Weiterbeschäftigung der Mitarbeiterinnen erneute Grundrechtsverletzungen. Unterstellt man die erhobenen Vorwürfe als wahr, so könnten die betroffenen Kinder sich auf eine Verletzung ihres Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), ihrer persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) und ihrer Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) und ihre Eltern sich auf eine Beeinträchtigung ihres Erziehungsrechts (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) berufen. Es wäre dann nicht ausgeschlossen, dass sie infolge der Entscheidung des Antragsgegners, die Beigeladenen zu 2. und 3. nicht zu suspendieren, erneut in die Gefahr einer Grundrechtsbeeinträchtigung geraten würden. Da die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht Bindungswirkung entfalten (Art. 1 Abs. 3 GG), bedarf es der Möglichkeit der effektiven gerichtlichen Kontrolle ihrer Einhaltung. Eine solche Kontrolle ist nur gewährleistet, wenn der betroffene Bürger sie in Gang setzten kann, sodass die Grundrechte generell subjektive Rechte enthalten (BVerfG, Beschluss vom 07.05.1957 - 1 BvR 289/56 -, juris Rn. 6; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 1 Rn. 31 und Art. 19 Rn. 37a). Unerheblich ist im Rahmen der Prüfung von § 42 Abs. 2 VwGO, dass § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII ein behördliches Ermessen eröffnet. Bei Ermessensentscheidungen besteht ein subjektives Recht, wenn bei der Ermessensausübung auch die Interessen des Betroffenen zu berücksichtigen sind, was im Zweifel zu bejahen ist (BVerfG, Urteil vom 18.07.2005 - 2 BvR 2236/04 -, juris Rn. 106; Jarass, a.a.O., Art. 19 Rn. 37). Vorliegend liegt es auf der Hand, dass bei der Entscheidung über den Erlass einer nachträglichen Auflage zur Gewährleistung des Kindeswohls die Interessen der betroffenen Kinder und ihrer Eltern berücksichtigt werden müssen.
Der Antrag ist auch begründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass die Antragsteller sowohl ihre materielle Anspruchsberechtigung (Anordnungsanspruch) als auch die Eilbedürftigkeit der begehrten gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht haben (§§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
Nach der im Rahmen des gerichtlichen Eilrechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung steht den Antragstellern ein Anordnungsanspruch zu.
Die Antragsteller haben zur Glaubhaftmachung ihres tatsächlichen Vortrags Aufzeichnungen und eine eidesstattliche Versicherung der ehemaligen Mitarbeiterin der Kindertagesstätte vorgelegt, auf deren Veranlassung das strafrechtliche Verfahren gegen die Beigeladenen zu 2. und 3. eingeleitet worden ist. Die detaillierten schriftlichen Vermerke der früheren Mitarbeiterin decken sich mit dem im Tatbestand dieses Beschlusses dargestellten Vortrag der Antragsteller. Es spricht nichts dafür, dass die Anzeigeerstatterin und ihre beiden Kollegen/Kolleginnen ihre Beobachtungen leichtfertig oder aus persönlichen Motiven mitgeteilt haben. Hiergegen spricht auch, dass sie zuvor an die Leiterin der Tagesstätte herangetreten sind und erst weitere Schritte unternommen haben, als dies zu keinem Ergebnis geführt hatte. Angesichts der Aufzeichnungen und der eidesstattlichen Versicherung ihrer Richtigkeit besteht nach Auffassung der Kammer ein begründeter, der Aufklärung bedürfender Verdacht, dass die Vorfälle tatsächlich so stattgefunden haben, wie die Antragsteller sie geschildert haben.
Gegen eine solche Annahme spricht auch nicht die Äußerung der Beigeladenen zu 1. vom 25.10.2022. In dieser hat die Beigeladene mitgeteilt, sie habe neben den Anzeigeerstattern die „Kita-Leitung“, sämtliche Kolleginnen und die Beschuldigten zu dem Sachverhalt angehört. Niemand außer den Anzeigeerstattern habe die gegen die Beigeladenen zu 2. und 3. erhobenen Vorwürfe bestätigt. Die Beigeladene zu 1. hat nicht im Einzelnen mitgeteilt, welche Personen sie befragt hat, und auch nicht angegeben, welche Fragen sie gestellt hat und wie die Antworten der Befragten sich im Einzelnen dargestellt haben. Es wird auch nichts dazu gesagt, welche dieser Personen in welcher Weise Kenntnis von den Vorgängen in der Krippengruppe gehabt haben könnten, ob bzw. in welchem Umfang sie zu dieser Gruppe im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit überhaupt Zugang hatten und ob die Antworten möglicherweise von eigenen Interessen der Befragten beeinflusst waren. Letzteres gilt insbesondere für die Leiterin der Kindertagesstätte, der die Anzeigeerstatterin im Rahmen der Strafanzeige vorgeworfen hat, sie habe nach mehrfacher Meldung von Missständen keinen Handlungsbedarf gesehen und sich sogar über den Kollegen und die Kollegin, die sie informiert hätten, lustig gemacht.
Auch der Antragsgegner schließt offenbar nicht aus, dass die gegen die Beigeladenen zu 2. und 3. erhobenen Vorwürfe berechtigt sind. In seiner Antragserwiderung hat er ausgeführt, die von ihm erteilten Auflagen dienten dem Zweck, das Wohl der Kinder in der Einrichtung auch bei einem weiteren erzieherischen Einsatz der Mitarbeiterinnen unter Berücksichtigung der bestehenden Sachlage sicherzustellen.
Handlungen, durch die Krippenkinder im Alter zwischen einem und drei Jahren unter körperlicher Einwirkung zum Essen gezwungen werden, stellen einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Kinder dar. Der Zwang zum Essen z. T. nassen Brotes und auch der Spott, der ihnen teilweise entgegengebracht wurde, verletzt ihre Würde. Der nicht nur kurzfristige Freiheitsentzug durch das Einsperren in den Waschraum als Maßnahme der Disziplinierung verletzt sie in ihrer körperlichen Bewegungsfreiheit. Erweist sich der bestehende Verdacht als gerechtfertigt, so wäre das körperliche und seelische Wohl (vgl. § 1666 Abs. 1 BGB) der betroffenen Kinder durch das Verhalten der Beigeladenen zu 2. und 3. in der Vergangenheit in erheblichem Maß beeinträchtigt worden; zugleich hätte dies eine Verletzung des Erziehungsrechts ihrer Eltern zur Folge gehabt.
Gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII steht der Erlass nachträglicher Auflagen zur künftigen Gewährleistung des Kindeswohls im Ermessen des Antragsgegners. Ein Anspruch der Antragsteller auf den Erlass der Auflage, die Weiterbeschäftigung der Beigeladenen zu 2. und 3. in der Kindertagesstätte vorläufig zu untersagen, setzt voraus, dass dieses Ermessen so stark reduziert ist, dass nur das Beschäftigungsverbot geeignet ist, die aufgrund des bestehenden Verdachts befürchtete künftige Beeinträchtigung des Kindeswohls abzuwenden (sog. „Ermessensreduzierung auf null“, vgl. Stähr, a.a.O., § 48 Rn. 13; Kepert/Dexheimer in Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 8. Aufl. 2022, § 48 Rn. 3; Busse in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. 2022, § 48 Rn. 17). Dies ist nach Auffassung der Kammer der Fall.
Die mit Bescheiden vom 26. und 30.09.2022 erlassenen Auflagen reichen nicht aus, um eine mögliche Beeinträchtigung des Kindeswohls der Antragsteller durch Handlungen der Beigeladenen zu 2. und 3. sicher auszuschließen. Dieses Ziel ist jedoch angesichts des Gewichts der berührten Rechtsgüter der Antragsteller alternativlos und kann nur durch den Ausschluss der Mitarbeiterinnen (zunächst) bis zum Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen erreicht werden.
Laut Anordnung des Antragsgegners dürfen die Beigeladenen zu 2. und 3. bis zum Abschluss des gegen sie geführten Ermittlungsverfahrens nur noch in Kindergartengruppen (und nicht mehr in Krippengruppen), voneinander getrennt und in Anwesenheit mindestens jeweils einer weiteren Fachkraft eingesetzt werden. Diese Anordnung kann das Risiko, dass die Beigeladenen wiederum Zugriff auf die betroffenen Kinder erhalten, aus den nachfolgend angeführten Gründen nicht sicher ausschließen, sodass sie zur Gewährleistung des Kindeswohls nicht geeignet ist.
Nachdem die Beigeladene zu 1. zunächst selbst entschieden hatte, die Mitarbeiterinnen vorläufig nicht mehr zu beschäftigen, hat sie dem Antragsgegner durch Schreiben vom 06.09.2022 mitgeteilt, sie beabsichtige die Beigeladenen zu 2. und 3. wieder einzusetzen. Neue Erkenntnisse zu den gegen die Mitarbeiterinnen erhobenen Vorwürfen hatte sie nach eigenem Bekunden in der Zwischenzeit nicht gewonnen. Der Grund für den erneuten Einsatz in der Kindertagesstätte lag laut Inhalt des Schreibens vielmehr allein in einem erheblichen Personalmangel, der zu einer Einschränkung des Betreuungsumfangs in der Einrichtung geführt hatte. Hierbei handelte es sich nicht ausschließlich um einen durch die Freistellung der Beigeladenen zu 2. und 3. hervorgerufenen, sondern nach der Darstellung des Beigeladenen zu 1. darüber hinaus um „zusätzlichen“ Personalmangel, der laut Schilderung der Anzeigeerstatterin (Beiakte 001 Bl. 11) auch schon zuvor in erheblichem Maß vorhanden gewesen sein soll. Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Personallage bis heute wesentlich verbessert hat; die häufigen Presseäußerungen zu den Personalproblemen in niedersächsischen Kindertagesstätten sprechen eher gegen eine solche Verbesserung. Angesichts dessen wird es im Alltag der Einrichtung der Beigeladenen zu 1. schwerlich möglich sein, die Beigeladenen zu 2. und 3. während ihrer Tätigkeit lückenlos zu beaufsichtigen. Dies gilt unter anderem auch für die kaum praktikable Anweisung der Kindergartenleiterin, im Fall von begleiteten Toilettenbesuchen der Kinder jeweils telefonisch eine dritte Kraft herbeizurufen. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass in den nächsten Wochen und Monaten Situationen eintreten, in denen die Kindergartenleitung zur Gewährleistung der Aufsicht gezwungen ist, die Beigeladenen abweichend von dem vorgelegten Personalplan (Beiakte 001 Bl. 307 f.) einzusetzen oder deren lückenlose Beaufsichtigung nicht durchgängig eingehalten wird. Hiervon können nicht nur die Antragsteller zu 1. und 11. betroffen sein, die mittlerweile in eine Kindergartengruppe aufgerückt sind, sondern angesichts der räumlichen Nähe der im Haupthaus der Kindertagesstätte eingerichteten Krippengruppe auch die übrigen Antragsteller. Zu einer anderen Beurteilung führt auch nicht, dass bei einer unangekündigten Prüfung durch die Beigeladene zu 1. keine Mängel festgestellt worden sind, denn hierbei handelt es sich um eine Momentaufnahme, die zur Bewertung der langfristigen Handhabung nur eingeschränkt geeignet ist.
Hinzu kommt der Umstand, dass eine ordnungsgemäße Aufsicht der Beigeladenen zu 1. gegenüber der Leiterin der Kindertagesstätte in der Vergangenheit offensichtlich nicht stattgefunden hat. Der Antragsgegner hat bei seiner Inspektion am 18.07.2022 festgestellt, dass das pädagogische Konzept der Einrichtung, das auf der Grundlage von § 3 NKiTaG zu erstellen und gemäß § 3 Abs. 1 Satz 5 NKiTaG regelmäßig fortzuschreiben ist, aus dem Jahr 1996 stammte und nicht den aktuellen gesetzlichen Bestimmungen entsprach. Des Weiteren fehlte ein gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 NKiTaG vorgesehenes, dem Kindeswohl dienendes Konzept zum Schutz der Kinder vor Gewalt offenbar vollständig. Schließlich musste die Leiterin des Kindergartens zugestehen, dass seit vier Jahren keine Fortbildungen mehr stattgefunden hatten (vgl. § 13 Abs. 2 NKiTaG). Von diesen gravierenden organisatorischen Mängeln scheint die Beigeladene zu 1. keine Kenntnis gehabt zu haben, was auf einen weitgehenden Ausfall jeglicher Aufsicht hindeutet. Die Kindergartenleiterin wiederum hat die gegen die Beigeladenen zu 2. und 3 erhobenen Vorwürfe nach Darstellung der Anzeigeerstatterin auch nach mehrmaligen Hinweisen relativiert und im Termin am 18.07.2022 mitgeteilt, sie habe den Umgang mit einer Ablehnung des Essens durch die Kinder in das Ermessen der jeweiligen Fachkraft gestellt. All dies weckt Zweifel daran, dass die ohnehin nur schwer zu überwachenden Auflagen über längere Zeit hinweg eingehalten werden. Ein vorläufiges Tätigkeitsverbot ist demgegenüber leicht zu überwachen und schließt eine Kindeswohlgefährdung durch die betroffenen Mitarbeiterinnen ohne Weiteres aus. Andere mögliche Auflagen, die dies unter Berücksichtigung des hohen Gewichts der zu schützenden Grundrechte der Antragsteller in ebenso wirksamer Weise gewährleisten, hat der Antragsgegner nicht mitgeteilt und sind für das Gericht nicht ersichtlich. Dies hat zur Folge, dass das im Rahmen von § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII auszuübende Ermessen des Antragsgegners dahingehend reduziert ist, dass die Antragsteller die Anordnung eines vorläufigen Tätigkeitsverbots beanspruchen können.
Die Antragsteller können sich auch auf einen Anordnungsgrund berufen. Angesichts der im Fall der Weiterbeschäftigung der Beigeladenen zu 2. und 3. nicht auszuschließenden Gefährdung ihrer Grundrechte ist es ihnen nicht zuzumuten, den Ausgang des Klageverfahrens abzuwarten.
Die Kammer befristet die Wirksamkeit der einstweiligen Anordnung im Rahmen ihrer richterlichen Gestaltungsbefugnis (vgl. § 938 Abs. 1 ZPO; Schoch, a.a.O. § 123 Rn. 123) bis zum Abschluss der gegen die Beigeladenen zu 2. und 3. durchgeführten strafrechtlichen Ermittlungen, weil nicht auszuschließen ist, dass sodann weitere Erkenntnisse vorliegen, die eine neue Bewertung des Sachverhalts ermöglichen bzw. erfordern. Im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes gibt das Gericht dem Antragsgegner auf, die zu erteilende Auflage mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung zu versehen.
Da der Hauptantrag Erfolg hat, entscheidet das Gericht über den Hilfsantrag nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig erklärt, weil die Beigeladenen keinen Antrag gestellt und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).