Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.02.2019, Az.: L 7 AL 122/17

Einstufung in eine Qualifikationsgruppe nach § 152 SGB III für einen Arbeitslosengeldanspruch; Relevante Tätigkeiten für die fiktive Bemessung; Bestmögliche Integration in den Arbeitsmarkt

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
26.02.2019
Aktenzeichen
L 7 AL 122/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 16666
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Lüneburg - AZ: S 39 AL 116/14

Redaktioneller Leitsatz

1. Der Gesetzgeber hat die Suche nach einer maßgeblichen Beschäftigung im Hinblick auf Qualifikationsgruppen ausdrücklich auf Tätigkeiten beschränkt, auf die sich die Vermittlungsbemühungen "in erster Linie" zu erstrecken haben.

2. Damit können nur diejenigen Tätigkeiten für die fiktive Bemessung relevant sein, mit denen die oder der Arbeitslose bestmöglich in den Arbeitsmarkt integriert werden kann.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 1. August 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von höherem Arbeitslosengeld (Alg) nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für den Zeitraum vom 25. Juni 2014 bis 19. April 2015 und dabei insbesondere um die Einstufung in die Qualifikationsgruppe 3 nach § 152 SGB III.

Die am E. 1971 geborene Klägerin ist verheiratet und hat ein Kind. Sie hat den Beruf der Fotografin erlernt (Abschluss 1990) und war in diesem Beruf bis 2001 selbständig tätig. Von Juni 2001 bis zum Beginn ihres Mutterschutzes am 19. Juni 2012 arbeitete sie bei der F. GmbH als Produktionsmitarbeiterin. Bis zum 27. September 2012 befand sie sich im Mutterschutz, an die sich bis zum 24. Juni 2014 Elternzeit anschloss. Während der Elternzeit kündigte die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis mit der F. GmbH zum 31. März 2014.

Nach dem Ende ihrer Elternzeit meldete sich die Klägerin am 25. Juni 2014 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. In ihrem Antrag gab sie an, aufgrund der Kinderbetreuung dem Arbeitsmarkt nur 25 Stunden wöchentlich zur Verfügung zu stehen. Als Lohnsteuerklasse gab sie die Klasse V an. Bereits im Erstgespräch mit der Vermittlung am 30. Juni 2014 erklärte die Klägerin, dass sie eine Ausbildung/Umschulung anstrebe und gab als Zielberufe Steuerfachangestellte oder medizinische Berufe an. In einer mit der Beklagten am 17. Oktober 2014 geschlossenen Eingliederungsvereinbarung wurde zwischen den Beteiligten einvernehmlich die Aufnahme einer Beschäftigung als Helferin Kunststoff, Kautschuk als Ziel vereinbart.

Mit Bescheid vom 1. Juli 2014 bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 25. Juni 2014 bis 24. Juni 2015 Alg in Höhe von täglich 16,15 Euro. Dabei legte die Beklagte der Berechnung zunächst ein fiktives Bemessungsentgelt von täglich 55,30 Euro zu Grunde, was der Qualifikationsgruppe 4 entsprach. Ausgehend von einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden rechnete sie mit Blick auf die begrenzte Verfügbarkeit der Klägerin das fiktive Bemessungsentgelt auf die wöchentliche Verfügbarkeit von 25 Stunden um, was einem Betrag von 35,45 Euro entsprach. Nach Abzug der gesetzlichen Abzüge unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse V errechnete sich ein tägliches Leistungsentgelt von 24,11 Euro. Unter Berücksichtigung des erhöhten Leistungssatzes von 67 Prozent errechnete die Beklagte ein tägliches Alg von 16,15 Euro.

Hiergegen legte die Klägerin am 14. Juli 2014 Widerspruch ein, den sie damit begründete, auch bei ihrem früheren Arbeitgeber lediglich 25 Stunden und nicht 39 Stunden wöchentlich gearbeitet zu haben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2014 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Bei Einschränkungen des Leistungsvermögens sei gemäß § 151 Abs. 5 Satz 3 SGB III die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit maßgebend, die bei Entstehung des Anspruchs für Angestellte im öffentlichen Dienst des Bundes gelte. Diese betrage 39 Stunden und sei deshalb angesetzt worden.

Am 18. August 2014 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Lüneburg Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, dass ihr Alg unter Berücksichtigung eines täglichen Bemessungsentgelts in Höhe von 73,73 Euro zustehe. Die Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass sie eine abgeschlossene Berufsausbildung als Fotografin habe und deshalb der Qualifikationsgruppe 3 statt der Qualifikationsgruppe 4 zugewiesen werden müsste.

Am 20. April 2015 nahm die Klägerin eine Tätigkeit als Verkäuferin auf einem Spargelhof im Umfang von 15 Stunden wöchentlich und mehr auf. Mit Bescheid vom 22. April 2015 hob die Beklagte daraufhin die Bewilligung von Alg ab dem 20. April 2015 wegen Aufnahme einer Beschäftigung auf.

Seit dem 1. August 2015 befindet sich die Klägerin in einer von der Beklagten finanzierten Umschulungsmaßnahme zur Steuerfachangestellten.

Mit Urteil vom 1. August 2017 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 1. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2014 abgeändert und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Alg im streitigen Zeitraum unter Berücksichtigung eines fiktiven Bemessungsentgelts nach der Qualifikationsgruppe 3 zu gewähren. Die Beklagte habe zwar zutreffend ein fiktives Bemessungsentgelt der Berechnung des Alg der Klägerin zugrunde gelegt, weil die Klägerin auch im erweiterten Bemessungszeitraum von zwei Jahren aufgrund ihrer Elternzeit kein Bruttoentgelt erzielt habe. Die Beklagte habe die Klägerin jedoch zu Unrecht der Qualifikationsgruppe 4 zugeordnet. Die Kammer sei der Auffassung, dass die Vermittlungsbemühungen der Beklagten sich auf Tätigkeiten der Qualifikationsgruppe 3 hätten erstrecken müssen, weil die Klägerin nicht nur einen Berufsabschluss dieser Qualifikationsgruppe erlangt, sondern auch 11 Jahre lang in diesem erlernten Beruf gearbeitet habe, so dass von verfestigten Kenntnissen in diesem Bereich ausgegangen werden könne. Die Kammer verkenne nicht, dass seit der Aufgabe der Tätigkeit als Fotografin viele Jahre verstrichen seien. Dieser Zeitraum sei jedoch noch nicht so groß, dass es der Klägerin - trotz der technischen Änderungen im Bereich der Fotografie in diesem Zeitraum - unmöglich gewesen wäre, eine Tätigkeit als Fotografin auszuüben. Es sei daher unzutreffend gewesen, die Vermittlungsbemühungen in erster Linie auf Helfertätigkeiten zu erstrecken. Die Beklagte habe im Übrigen im Rahmen der Umschulung die erworbenen Kenntnisse bei der Ausübung ihres Gewerbes als Fotografin ausbildungsverkürzend angerechnet. Es bestehe kein Grund, diese Kenntnisse und Fähigkeiten der Klägerin im Rahmen der Vermittlungsbemühungen nicht auch anzuerkennen.

Gegen das am 21. August 2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 31. August 2017 eingelegte Berufung der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des sozialgerichtlichen Urteils und die Abweisung der Klage begehrt. Die Klägerin habe letztmalig 2001 den Beruf der Fotografin ausgeübt. Danach habe sie bis 2012 ausschließlich als Helferin gearbeitet. Auch wenn eine längere Abwesenheit vom Beruf nicht automatisch zum Verlust der entsprechenden Qualifikation führe, müsse dennoch eine Vermittlung in den erlernten Beruf noch realistisch sein. Davon könne hier nicht ausgegangen werden. Schon die Aufgabe der selbständigen Tätigkeit aus wirtschaftlichen Gründen und die anschließende jahrelange Tätigkeit als Helferin ließen nur den Schluss zu, dass es der Klägerin unmöglich gewesen sei, eine Tätigkeit als Fotografin in Teilzeit zu finden. Die Klägerin habe selbst eine Vermittlung in den Beruf der Fotografin auch nicht als realistisch angesehen und deshalb den Wunsch nach einer Umschulung geäußert. Eine Förderung der Umschulung sei gemäß § 81 SGB III auch nur deshalb möglich gewesen, weil im gelernten Beruf keine Perspektiven mehr vorhanden gewesen seien.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 1. August 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 1. August 2017 zurückzuweisen.

Die Klägerin hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG statthaft, weil die erstinstanzliche Verurteilung der Beklagten zu einem um 3,36 Euro höheren täglichen Leistungssatz der Klägerin führt und damit für den Leistungszeitraum vom 25. Juni 2014 bis 19. April 2015, also für 295 Tage, ein Betrag von 991,20 Euro im Streit steht.

Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin Alg im streitigen Zeitraum unter Berücksichtigung eines fiktiven Bemessungsentgelts nach der Qualifikationsgruppe 3 zu gewähren. Der Klägerin steht kein höheres Alg als 16,15 Euro täglich für den Zeitraum 25. Juni 2014 bis 19. April 2015 zu.

1. Streitgegenstand ist der Leistungszeitraum vom 25. Juni 2014 bis 19. April 2015. Zwar hatte die Beklagte Alg zunächst mit Bescheid vom 1. Juli 2014 für die Zeit vom 25. Juni 2014 bis 24. Juni 2015 bewilligt. Aufgrund der Arbeitsaufnahme der Klägerin als Verkäuferin auf einem Spargelhof hob die Beklagte mit Bescheid vom 22. April 2015 die Bewilligung von Alg jedoch ab dem 20. April 2015 auf, so dass nur der Zeitraum bis zum 19. April 2015 streitgegenständlich ist.

2.

Die Höhe des Arbeitslosengeldanspruchs richtet sich im vorliegenden Fall nach einer fiktiven Bemessung gemäß § 152 SGB III, weil die Klägerin innerhalb des gemäß § 150 Abs. 3 SGB III auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens vor Beginn der Arbeitslosigkeit, hier vom 25. Juni 2012 bis 24. Juni 2014, keinen Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung vorweisen kann. Die Klägerin war vielmehr vor dem Beginn der Arbeitslosigkeit ab dem 19. Juni 2012 im Mutterschutz und ab dem 28. September 2012 bis zum 24. Juni 2014 in Elternzeit.

In diesen Fällen wird mangels eines zeitnah erzielten Arbeitsentgeltes der aktuelle Marktwert der abzurufenden Arbeitsleistung für die Arbeitsentgeltersatzleistung Arbeitslosengeld nach typisierenden und pauschalierenden Merkmalen bestimmt. In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber vier Qualifikationsgruppen vorgesehen, die nach formalen Kriterien je nach Berufsabschluss für die fiktive Bemessung maßgebend sind. Die Einstufung richtet sich gemäß § 152 Abs. 2 Satz 1 SGB III grundsätzlich nach derjenigen Beschäftigung, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen unter Berücksichtigung der Qualifikation, die für die Beschäftigung erforderlich ist, in erster Linie zu erstrecken hat. Die jeweiligen Qualifikationsgruppen sind dann an einen Bruchteil der jährlichen Bezugsgröße der Sozialversicherung (§ 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV) gekoppelt, der die eigentliche Bemessungsgrundlage darstellt.

Aus dem Gesetzeswortlaut "zu erstrecken hat" ergibt sich zwangsläufig, dass nicht die vermittlungstechnische Zuordnung zu einer bestimmten Berufsgruppe entscheidend ist, sondern das Anforderungsprofil für eine bestimmte Tätigkeit, das die Agentur für Arbeit nach Lage der Dinge vernünftigerweise berücksichtigen muss, um eine realistische Eingliederung des Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt möglichst kurzfristig zu gewährleisten. In der Regel ist es die durch förmlichen Berufsabschluss erlernte Tätigkeit, weil diese die größeren Chancen einer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt darstellt. Deswegen kommt es grundsätzlich für die Zuordnung zur jeweiligen Qualifikationsgruppe auf den erworbenen, förmlichen Berufsabschluss an (BSG, Urteil vom 04.07.2012 - B 11 AL 21/11 R -, SozR 4-4300 § 132 Nr. 8). Dagegen spielt die zuletzt ausgeübte Tätigkeit keine ausschlaggebende Rolle, es sei denn, dass der Berufsabschluss mehrere Jahre zurückliegt und der Arbeitslose nie in diesem Beruf tätig war (Bayerisches LSG, Urteil vom 27.05.2009 - L 10 AL 378/07 - und LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.08.2011 - L 18 AL 285/10 -).

In § 152 Abs. 2 Satz 2 SGB III werden die Qualifikationsgruppen definiert. Die Qualifikationsgruppe 1 ist für Beschäftigungen vorgesehen, die eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordern. Von der Qualifikationsgruppe 2 werden Tätigkeiten erfasst, für die ein Fachschulabschluss, der Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder ein Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erforderlich ist. Zu der Qualifikationsgruppe 3 gehören Beschäftigungen, die eine abgeschlossene Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf voraussetzen. Alle übrigen ungelernten Beschäftigungen, die keine Ausbildung erfordern, sind der Qualifikationsgruppe 4 zuzuordnen.

3.

Bei Anwendung dieser Normen hat die Beklagte die Klägerin zu Recht der Qualifikationsgruppe 4 zugeordnet.

a) Die Qualifikationsgruppe 1 kommt nicht in Betracht, weil die Klägerin keine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung absolviert hat.

b) Eine fiktive Bemessung nach der Qualifikationsgruppe 2 ist ebenfalls ausgeschlossen. Für die Einstufung in diese Qualifikationsgruppe wäre entweder ein Fachschulabschluss oder der Nachweis über die Qualifikation als Meister erforderlich. Beide Merkmale kann die Klägerin nicht aufweisen.

c) Die Klägerin ist entgegen der Auffassung des SG auch nicht der Qualifikationsstufe 3 zuzuweisen, obwohl die Klägerin über eine abgeschlossene Ausbildung als Fotografin verfügt. Denn die Beklagte hatte ihre Vermittlungsbemühungen für die Klägerin nicht mehr auf den Beruf der Fotografin zu konzentrieren, sondern in erster Linie auf Beschäftigungen zu erstrecken, die keine Ausbildung erfordern (vgl. § 152 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB III). Da der Gesetzgeber die Suche nach der insoweit maßgeblichen Beschäftigung ausdrücklich auf Tätigkeiten eingeschränkt hat, auf die sich die Vermittlungsbemühungen "in erster Linie" zu erstrecken haben, können nur diejenigen Tätigkeiten für die fiktive Bemessung relevant sein, mit denen die oder der Arbeitslose bestmöglich in den Arbeitsmarkt integriert werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009 - B 11 AL 42/08 R - BSGE 105, 94 = juris RdNr. 15). Das waren hier Helfertätigkeiten, nicht aber die Tätigkeit als Fotografin.

Es ist nicht ersichtlich, dass eine Vermittlung in die Tätigkeit einer Fotografin realistisch gewesen wäre, wovon die Klägerin auch selbst ausgegangen ist. So hat sie im Erstgespräch mit der Vermittlung am 30. Juni 2014 erklärt, dass sie eine Ausbildung/Umschulung anstrebe und als Zielberufe Steuerfachangestellte oder medizinische Berufe angegeben. In einer mit der Beklagten am 17. Oktober 2014 geschlossenen Eingliederungsvereinbarung wurde ferner zwischen den Beteiligten einvernehmlich die Aufnahme einer Beschäftigung als Helferin Kunststoff, Kautschuk als Ziel vereinbart. Die Klägerin ist also offenbar selbst davon ausgegangen, in ihrem erlernten Beruf der Fotografin auf dem Arbeitsmarkt nicht wieder Fuß fassen zu können. Dies ist auch nicht verwunderlich. Die Klägerin hat zwar den Beruf der Fotografin erlernt und war in diesem Beruf von 1990 bis 2001 selbständig tätig. Seitdem hat sich der Beruf des Fotografen jedoch grundlegend gewandelt. So stand in den Jahren 1990 bis 2001 noch die analoge Fotografie inklusive der Entwicklung von Filmen im Vordergrund, während danach die digitale Fotografie einschließlich digitaler Bildbearbeitung mittels einschlägiger Programme die analoge Fotografie nahezu vollständig verdrängt hat. Kenntnisse dieser neuen Technologien hat die Klägerin nicht vorgetragen, so dass der Senat davon ausgehen muss, dass sie über solche auch nicht verfügt, was einer Vermittlung als Fotografin grundlegend entgegensteht.

Die Klägerin hat sich seit 2001 von dem erlernten Beruf als Fotografin gelöst und fachfremd als Produktionshelfern, also in einem Beruf gearbeitet, der keine Ausbildung erforderte. Eine Tätigkeit in ihrem ursprünglich erlernten Beruf ist nicht mehr erfolgt. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin auf Grund ihrer in ihrer Ausbildung erworbenen persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten noch im Jahr 2014 in der Lage gewesen wäre, die Tätigkeit einer Fotografin auf dem Niveau einer abgeschlossenen Berufsausbildung wettbewerbsfähig in voller Breite auszuüben. Es fehlt ihr insofern seit vielen Jahren die für eine erfolgversprechende Vermittlung erforderliche Berufspraxis als Fotografin. Zwar führt eine längere Abwesenheit vom Beruf nicht automatisch zum Verlust der entsprechenden Qualifikation. Wenn aber die Klägerin letztmals vor dem maßgeblichen Zeitpunkt (vorliegend der 25. Juni 2014) vor über 13 Jahren auf einem ihrer Ausbildung entsprechenden Qualifikationsniveau und danach nur noch fachfremd gearbeitet hat und sich zudem seither auch die Rahmenbedingungen des Berufs derart gravierend geändert haben, ist davon auszugehen, dass am 25. Juni 2014 keine realistische Möglichkeit mehr bestand, die Klägerin in eine Tätigkeit als Fotografin mit abgeschlossener Berufsausbildung zu vermitteln (ebenso zu einer mehr als 21 Jahre zurückliegenden Tätigkeit als Weberin LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. Mai 2010 - L 18 AL 256/09 - juris RdNr. 19).

d) Da die Klägerin seit 2001 bis zu ihrer Arbeitslosmeldung am 25. Juni 2014 nur noch Tätigkeiten im un- bzw. angelernten Bereich ausgeübt hat, ist die von der Beklagten für den hier streitigen Zeitraum vorgenommene Zuordnung zur Qualifikationsgruppe 4 nicht zu beanstanden.

4. Unter Einstufung in die Qualifikationsgruppe 4 ist für die Bemessungsgrundlage ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße zugrunde zu legen (§ 152 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB III). Die Bezugsgröße West nach § 18 SGB IV betrug im Jahr 2014 33.180 Euro. Daraus ergibt sich ein tägliches Bemessungsentgelt in Höhe von 55,30 Euro. Aufgrund ihrer in ihrem Alg-Antrag vom 25. Juni 2014 auf 25 Wochenstunden reduzierten Verfügbarkeit ist das Bemessungsentgelt gemäß § 151 Abs. 5 Satz 1 SGB III entsprechend dem Verhältnis der Zahl der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden, die die Arbeitslose künftig leisten will oder kann, zu der Zahl der durchschnittlich auf die Woche entfallenden Arbeitsstunden im Bemessungszeitraum umzurechnen. Bestimmt sich das Bemessungsentgelt nach § 152 SGB III, ist gemäß § 151 Abs. 5 Satz 3 SGB III insoweit die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit maßgebend, die bei Entstehung des Anspruchs für Angestellte im öffentlichen Dienst des Bundes gilt. Dies waren hier 39 Stunden wöchentlich. Dementsprechend reduziert sich das tägliche Bemessungsentgelt auf 35,45 Euro. Ausgehend von der hier maßgeblichen Lohnsteuerklasse V der Klägerin errechnet sich ein Leistungsentgelt in Höhe von 24,11 Euro und schließlich - da bei der Klägerin mindestens ein Kind zu berücksichtigen ist und daher von einem allgemeinen Leistungssatz von 67% des Leistungsentgelts auszugehen ist (vgl. § 149 Nr. 1 SGB III) - ein Alg-Anspruch von täglich 16,15 Euro. Diesen Betrag hat die Beklagte in ihrem Bescheid vom 1. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2014 zugrunde gelegt und bewilligt.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.