Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.02.2019, Az.: L 11 AS 235/17

Kostenersatzanspruch für Leistungen nach dem SGB II wegen sozialwidrigen Verhaltens; Arbeitsplatzverlust eines Taxifahrers wegen Drogenkonsums; Schadensersatzanspruch als eng auszulegender Ausnahmetatbestand

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
26.02.2019
Aktenzeichen
L 11 AS 235/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 19925
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BSG - 03.09.2020 - AZ: B 14 AS 43/19 R

Fundstelle

  • NZA 2019, 1408

Redaktioneller Leitsatz

1. Der Schadensersatzanspruch nach § 34 SGB II ist ein eng auszulegender, deliktähnlicher Ausnahmetatbestand.

2. Damit wird eine Ausnahme von dem Grundsatz geregelt, dass existenzsichernde und bedarfsabhängige Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, regelmäßig unabhängig von der Ursache der entstandenen Notlage und einem vorwerfbaren Verhalten in der Vergangenheit zu leisten sind.

3. Dieser Grundsatz darf nur durch begründete und eng zu fassende Ausnahmefälle durchbrochen werden.

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 20. Februar 2017 wird zurückgewiesen. Der Beklagte erstattet dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen die Aufhebung seines Bescheides durch das Sozialgericht (SG) Lüneburg, mit dem er gegen den Kläger einen Kostenersatzanspruch für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) wegen sozialwidrigen Verhaltens für den Zeitraum vom 1. August 2014 bis zum 31. Januar 2015 geltend macht.

Der 1964 geborene Kläger war seit dem 18. Juni 2012 bis zum 4. August 2014 als Taxifahrer bei der Firma "I. J." in K. beschäftigt. Die Beschäftigung endete aufgrund fristloser Kündigung vom 6. August 2014 zum 5. August 2014, da der Kläger seit dem 4. August 2014 nicht mehr im Besitz eines Führerscheins und eines Personenbeförderungsscheins war (vgl. Kündigungsschreiben Bl. 411 der Verwaltungsakte - VA). Der Kläger hatte seine Fahrerlaubnis am 4. August 2014 freiwillig beim Straßenverkehrsamt, L., abgegeben, nachdem dieser ihn mit Schreiben vom 16. Juli 2014 zum Entzug der Fahrerlaubnis wegen Führens eines Kraftfahrzeugs (Taxi) unter Drogeneinfluss am 23. April 2014 angehört hatte. Bei dem Kläger war nach dem Konsum von Cannabis ein Tetrahydrocannabinol (THC)-Wert (aktives THC) von 2,3 ng/ml nachgewiesen worden (vgl. Schreiben des M. vom 16. Juli 2014 unter Bezugnahme auf die Bestätigungsanalyse der Abteilung für Rechtsmedizin der N. -O. - vom 6. Mai 2014, Bl. 441 VA).

Der Beklagte bewilligte dem Kläger auf seinen Antrag vom 8. August 2014 mit Bescheiden vom 7. und 8. Oktober 2014 für den Zeitraum vom 1. August 2014 bis zum 31. Januar 2015 - ab dem 29. Oktober 2014 aufstockend zum Arbeitslosengeld (Alg) I nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) - Leistungen nach dem SGB II. Wegen der Einzelheiten der Leistungsbewilligung wird auf Bl. 419 und 428f. VA Bezug genommen. Mit weiterem Bescheid vom 7. Oktober 2014 stellte der Beklagte eine monatliche Minderung der SGB II-Leistungen in Höhe von 30 Prozent des Regelbedarfs für den Zeitraum vom 6. August 2014 bis zum 5. November 2014 fest; die Agentur für Arbeit K. habe eine Sperrzeit vom 6. August 2014 bis zum 28. Oktober 2014 festgestellt; das Ruhen des Alg stelle eine Pflichtverletzung dar (vgl. die Bescheide der Agentur für Arbeit K. vom 20. August 2014 über den Eintritt einer Sperrzeit und vom 27. August 2014 über die Gewährung von Alg, Bl. 392 ff. VA).

Mit Schreiben vom 24. November 2014 hörte der Beklagte den Kläger zur Geltendmachung eines Ersatzanspruchs bei sozialwidrigem Verhalten an. Der Kläger habe seine Hilfebedürftigkeit möglicherweise vorsätzlich oder grob fahrlässig ohne wichtigen Grund herbeigeführt. Nach den vorliegenden Unterlagen habe der Kläger durch eine besonders schwere Verletzung der ihm im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit obliegenden Sorgfaltspflichten seinen Arbeitsplatz verloren, sodass durch diesen Einkommensverlust die Hilfebedürftigkeit herbeigeführt worden sei.

Hierzu erklärte der Kläger mit Schreiben vom 5. Januar 2015: Er habe am 22. April 2014 Cannabis konsumiert. Am 23. April 2014 habe er seine Schicht als Taxifahrer um 14.30 Uhr begonnen. Zwischen 16.00 und 16.30 Uhr habe er eine Dame vom Bahnhof zum Schlossplatz gefahren. Um 21.00 Uhr sei er dann von seiner Taxizentrale aufgefordert worden, zur Polizei zu kommen, wo er fünf Minuten später gewesen sei. Es habe von der Dame Hinweise gegeben, er hätte Cannabis konsumiert. Das habe ihn stutzig gemacht, denn er habe in diesem Taxi noch nie geraucht, auch nicht neben dem Auto und schon gar nicht als "Erster" am Bahnhof. Die Urinprobe sei jedenfalls positiv gewesen; um 22.30 Uhr sei eine Blutprobe entnommen worden. Die Polizeibeamten hätten bei ihm keinen berauschten Zustand erkennen können, sodass sie ihn um 23.00 Uhr mit der Aufforderung entlassen hätten, vorsichtshalber die nächsten 24 Stunden kein Fahrzeug mehr zu führen. Der Führerschein sei nicht einbehalten worden; bis zum 4. August 2014 sei er Taxi gefahren. Er habe einen Rechtsanwalt eingeschaltet, der den Verlust des Führerscheins verhindern sollte, was nicht erfolgreich gewesen sei. Sein Verhalten biete keinen Anlass, Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zu unterstellen. Er sei weiterhin bemüht, alles zu tun, um seine Fahrerlaubnis wieder zu erlangen. Seit dem 23. April 2014 sei er komplett drogenfrei. Wegen der Einzelheiten des vom Kläger eingereichten Schriftverkehrs zwischen dem L. und Rechtsanwalt P., K., wird auf Bl. 441 ff. VA Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 8. Januar 2015 hörte der Beklagte den Kläger (erneut) zur Geltendmachung eines Ersatzanspruchs bei sozialwidrigem Verhalten für die Zeit vom 1. August 2014 bis zum 31. Januar 2015 unter Bezifferung der zu erstattenden Beträge an. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 455 VA Bezug genommen.

Anwaltlich vertreten trug der Kläger ergänzend noch vor, dass sein Handeln weder vorsätzlich noch grob fahrlässig darauf gerichtet gewesen sei, Hilfebedürftigkeit zu kreieren (Schreiben vom 23. Januar 2015, Bl. 474 VA).

Mit Bescheid vom 9. Juli 2015 stellte der Beklagte fest, dass der Kläger zum Ersatz von SGB II-Leistungen in Höhe von insgesamt 3.148,58 Euro gem. § 34 Abs 1 Satz 1 SGB II verpflichtet sei. Der Kläger habe zumindest grob fahrlässig gehandelt, weil Personen, die einen Personenbeförderungsschein führen, die Gewähr dafür bieten müssen, dass sie der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht zu werden. Zudem sei das Fahren unter Einfluss von Betäubungsmitteln nicht erlaubt. Wegen der Einzelheiten der monatlich aufgelisteten Erstattungsbeträge für den Zeitraum vom 1. August 2014 bis zum 31. Januar 2015 wird auf Bl. 514 ff. VA Bezug genommen.

Mit Widerspruch vom 16. Juli 2015 trug der Kläger vor, dass er nicht davon ausgegangen sei, seinen Arbeitsplatz zu verlieren und hilfebedürftig zu werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2015 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe sich sozialwidrig verhalten. Als Taxifahrer sei ihm in besonderer Weise bekannt gewesen, dass eine Fahrt unter dem Einfluss von Cannabis nicht nur zu einem Verlust der Fahrerlaubnis, sondern auch zu einem Verlust des Arbeitsplatzes und damit zu Mittellosigkeit führen würde. Soweit er dennoch Cannabis konsumiert habe, habe er bewusst in Kauf genommen, dass ihm das Arbeitsverhältnis gekündigt werde. Dass bereits eine Sperrzeit und eine Sanktion verhängt worden sei, schließe Ersatzansprüche nach § 34 SGB II nicht aus. Dem Kläger sei die Sozialwidrigkeit seines Handelns zumindest grob fahrlässig bekannt gewesen, auch wenn er den Erfolg nicht angestrebt, aber als möglich erachtet und billigend in Kauf genommen habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 542 ff. VA Bezug genommen.

Hiergegen hat der Kläger am 11. September 2015 Klage vor dem SG Lüneburg erhoben. Er habe höchstens fahrlässig gehandelt. Der Konsum von Cannabis sei am Abend vor seiner nächsten Schicht als Taxifahrer erfolgt. Er sei davon ausgegangen, dass sich der Konsum nicht auf seine Tätigkeit auswirke. Der bei der Polizei durchgeführte Augentest habe keine zu beanstandenden Reaktionen ergeben, lediglich der Wert im Urin sei zu hoch gewesen. Ihm sei der Führerschein auch wieder ausgehändigt worden und er habe bis zur endgültigen Abgabe seiner Tätigkeit weiter nachgehen können. Mittlerweile sei eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) durchgeführt worden und ihm sei in Aussicht gestellt worden, dass er den Führerschein zurückerhalte. Dies verdeutliche, dass der Vorfall nicht der Gestalt war, dass er damit habe rechnen müssen, seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Er habe auch nicht während der Arbeitszeit Cannabis konsumiert. Soweit der beförderte Fahrgast andere Beobachtungen gemacht haben will (vgl. insoweit das vom Beklagten in Bezug genommene Schreiben des Rechtsanwalts P. an den Kläger im Zusammenhang mit einer strafrechtlichen Ermittlung, Bl. 444f. VA), seien diese falsch. Darauf, ob ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Klägers vorliege, komme es im Übrigen nicht an.

Mit Urteil vom 20. Februar 2017 hat das SG Lüneburg den streitigen Bescheid aufgehoben. Bei der Vorschrift des § 34 Abs 1 SGB II handele es sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) um einen eng auszulegenden Ausnahmetatbestand. Nicht jedes verwerfliche Handeln, das der Hilfebedürftigkeit vorausgehe, führe zu einer Erstattungspflicht. Gemessen daran fehle es im Fall des Klägers an einem Verhalten, das in seiner Handlungstendenz auf den Wegfall der Erwerbsfähigkeit gerichtet war. Der Kläger sei, wenn auch pflichtwidrig, davon ausgegangen, dass sein Cannabis-Konsum folgenlos bleiben würde. Es seien keine Anzeichen dafür erkennbar, dass er den Eintritt von Hilfebedürftigkeit vorhergesehen oder sogar in Kauf genommen habe. Daher liege ein innerer Zusammenhang zwischen seinem Verhalten und dem Eintritt der Bedürftigkeit nicht vor. Soweit das SGB II für bestimmte Verhaltensweisen Sanktionen vorsehe, komme ein darüberhinausgehender Ersatzanspruch nicht in Betracht.

Gegen das ihm am 27. Februar 2017 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 24. März 2017 Berufung eingelegt. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Der Verlust des Arbeitsplatzes sei nicht nur mittelbare Folge der Fahrt des Klägers unter der Wirkung berauschender Mittel gewesen. Denn das Vorhandensein einer Fahrerlaubnis sei zwingende Voraussetzung für die Ausübung seiner Tätigkeit gewesen. Dieser Verlauf sei für den Kläger vorhersehbar gewesen und sei von ihm grob fahrlässig in Kauf genommen worden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 20. Februar 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält das erstinstanzliche Urteil unter Berücksichtigung der BSG-Rechtsprechung für zutreffend. Er sei auch bereits über die Sanktion und die Sperrzeit beim Alg I belastet gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die nach §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das SG Lüneburg hat der Anfechtungsklage zu Recht stattgegeben, weil der Beklagte keinen Anspruch auf Kostenersatz gegen den Kläger wegen sozialwidrigen Verhaltens hat.

Der Bescheid vom 9. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten; vgl. § 54 Abs 2 SGG.

Die Voraussetzungen des § 34 Abs 1 SGB II in der Fassung vom 13. Mai 2011 liegen nicht vor.

Hiernach gilt: Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet. Der Ersatzanspruch umfasst auch die geleisteten Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung. Von der Geltendmachung des Ersatzanspruchs ist abzusehen, soweit sie eine Härte bedeuten würde.

Der Kläger hat nicht schuldhaft die Voraussetzungen für die Gewährung von SGB II-Leistungen im Sinne dieser Vorschrift herbeigeführt. Dabei entzieht sich die Fahrt des Klägers unter Drogeneinfluss mit den daran anknüpfenden Folgen (Verlust der Fahrerlaubnis und des Personenbeförderungsscheins sowie Verlust des Arbeitsplatzes) grundsätzlich nicht einer sozialrechtlichen Bewertung, soweit zu Recht eine zwölfwöchige Sperrzeit für den Bezug von Alg I und eine Sanktion i.H.v. 30 % des Regelbedarfs nach dem SGB II für drei Monate verhängt worden sind. Da das im Rahmen von § 34 Abs 1 SGB II erforderliche "sozialwidrige Verhalten" u.a. dann vorliegt, wenn eine Verhaltensweise nach den Wertungen des SGB II zu missbilligen ist, liegt Sozialwidrigkeit in diesem Sinne vor, weil das Verhalten des Klägers seine Erwerbsmöglichkeit gefährdet hat. Der vorliegende Sachverhalt ist allerdings nicht unter den "eng auszulegenden Ausnahmetatbestand" (vgl. BSG, Urteil vom 02. November 2012 - B 4 AS 39/12 R -, BSGE 112, 135-141, SozR 4-4200 § 34 Nr 1, Rn 17) des § 34 Abs 1 SGB II zu subsumieren, der eine über das normale Sanktionssystem des SGB II und SGB III hinausgehende Ersatzpflicht normiert und der dementsprechend im Vergleich zum "durchschnittlichen Sanktionsfall" eine besondere Schwere aufweisen muss.

Im Einzelnen:

1.

Soweit die Vorschrift ein "sozialwidriges Verhalten" als objektives Tatbestandsmerkmal erfordert (vgl. die Neufassung der Vorschrift mit Wirkung zum 1. April 2011 mit der amtlichen Überschrift: "Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten" sowie die Rechtsprechung des BSG zur Vorgängerregelung unter Heranziehung der Entstehungsgeschichte der Vorschrift: BSG, Urteil vom 02. November 2012 - B 4 AS 39/12 R -, BSGE 112, 135-141, SozR 4-4200 § 34 Nr 1, Rn 16ff. und Urteil vom 16. April 2013 - B 14 AS 55/12 R -, SozR 4-4200 § 34 Nr 2, Rn 18 ff.), ist das Verhalten des Klägers als sozialwidrig zu werten. Dabei ist die Bewertung eines Handelns als schuldhaft sozialwidrig (im Sinne des SGB II) unabhängig davon, ob das Handeln strafbar ist (so schon für § 92 a Abs 1 Bundessozialhilfegesetz - BSHG: BVerwG, Urteil vom 10. April 2003 - 5 C 4/02 -, BVerwGE 118, 108-113, Rn 15).

Als sozialwidrig im Sinne des § 34 SGB II stellt sich ein Handeln dar, das (1) in seiner Handlungstendenz auf die Einschränkung bzw. den Wegfall der Erwerbsfähigkeit oder der Erwerbsmöglichkeit oder (2) die Herbeiführung von Hilfebedürftigkeit bzw. der Leistungserbringung gerichtet war bzw. in "innerem" Zusammenhang stand oder (3) einen spezifischen Bezug zu anderen nach den Wertungen des SGB II zu missbilligenden Verhaltensweisen aufwies (BSG, Urteil vom 16. April 2013 - B 14 AS 55/12 R -, SozR 4-4200 § 34 Nr 2, Rn 20).

Der Kläger hat sich im Sinne dieser Definition sozialwidrig verhalten, weil der Konsum von Cannabis die Fahrerlaubnis gefährdete und damit eine unmittelbare Beeinträchtigung seiner Existenzgrundlage bewirkte, was nach den Wertungen des SGB II ein zu missbilligendes Verhalten darstellt. Das bestätigen die Entscheidungen der Agentur für Arbeit in K. und des Beklagten über den Eintritt einer Sperrzeit bzw. einer Sanktion. Anders als das SG meint, schließt die Sanktion einen Ersatzanspruch nicht von vornherein aus (vgl. BSG, Urteil vom 08. Februar 2017 - B 14 AS 3/16 R -, SozR 4-4200 § 34 Nr 3, Rn 18), vielmehr zeigen die entsprechenden Sanktionstatbestände des § 31 SGB II sogar die Wertungsmaßstäbe auf, die bei der Einordnung eines Verhaltens als sozialwidrig einzubeziehen sind, weil sie in "enge(m) Zusammenhang mit dem Merkmal des vom Leistungsberechtigten geforderten Einsatzes seiner Erwerbsfähigkeit" stehen (vgl. BSG, Urteil vom 02. November 2012 - B 4 AS 39/12 R -, BSGE 112, 135-141, SozR 4-4200 § 34 Nr 1, Rn 20). Der Kläger hat seine Pflichten als Arbeitnehmer verletzt (Fahren des Taxis und Beförderung von Personen unter Drogeneinfluss während der Arbeitszeit). Dieses Verhalten führte zum Verlust von Fahrerlaubnis und Personenbeförderungsschein sowie nachfolgend zur außerordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses, was sperrzeit- und sanktionsrelevant ist.

2. Das Verhalten (Konsum von Drogen) des Klägers war auch kausal für den Erfolg (Hilfebedürftigkeit), weil der Verlust der Fahrerlaubnis wegen des Fahrens unter Drogeneinfluss mit dem Wegfall der Erwerbsmöglichkeit die Hilfebedürftigkeit verursachte.

3. In diesem Sinne handelte der Kläger auch grob fahrlässig, weil er die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und nicht dasjenige beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (BVerwG, Urteil vom 10. April 2003 - 5 C 4/02 -, BVerwGE 118, 108-113, Rn 17). Mit dem Konsum von Cannabis in einem Umfang und/oder einer zeitlichen Nähe zum Arbeitsantritt, der noch etliche Stunden nach Arbeitsbeginn eine Blutkonzentration von aktivem THC von 2,3 nl/mg bewirkte, hat der Kläger eine in diesem Sinne besonders schwere Sorgfaltspflichtverletzung begangen, weil er nicht davon ausgehen durfte, wieder fahrtüchtig zu sein. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist zu der Frage, ob jemand bei lediglich gelegentlichem Konsum von Cannabis noch geeignet zum Führen von Fahrzeugen im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) ist, weil er Konsum und Führen des Fahrzeugs trennt, anerkannt, dass ein Wert von mindestens 1,0 ng/ml gegen dieses Trennungsvermögen spricht; bei einem Wert von 2,0 ng/ml wird bereits von einem erhöhten Unfallrisiko ausgegangen (zuletzt bestätigt durch: BVerwG, aao; Rn 38 f., 41 m.w.N. zur verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung; vgl. auch die "Cannabis-Entscheidung" des Bundesverfassungsgericht zur verfassungsgemäßen Auslegung des § 24a Abs 2 Straßenverkehrsgesetz unter Bestätigung des in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung maßgeblichen Grenzwertes von 1,0 ng/ml: BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 - 1 BvR 2652/03 -, Rn 30). Der Senat hat auch keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass der Kläger subjektiv in der Lage war, die Sorgfaltspflichtverletzung zu erkennen. Das zeigt allein schon das von ihm selbst verfasste Schreiben im Rahmen der Anhörung vom 5. Januar 2015, in dem er sich im Detail mit dem Geschehensablauf auseinandersetzt, sowie der vom Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung gewonnene persönliche Eindruck vom Kläger.

4. Das nach alledem sozialwidrige und zumindest grob fahrlässige Verhalten des Klägers vermag allerdings nicht den eng zu fassenden Ausnahmetatbestand des § 34 Abs 1 SGB II zu begründen.

Die in Ausübung der Beschäftigung als Taxifahrer erfolgte Fahrt unter Drogeneinfluss ist nach Überzeugung des Senats ohne jeden Zweifel zu missbilligen. Sie führte unmittelbar zum Verlust der Fahrerlaubnis und des Personenbeförderungsscheins sowie nachfolgend zum Verlust des Arbeitsplatzes. Sozialrechtlich hatte dieses Verhalten des Klägers den Eintritt einer Sperrzeit i.S.d. SGB III (Wegfall des Anspruchs auf Arbeitslosengeld I für zwölf Wochen; Minderung der Arbeitslosengeld I-Anspruchsdauer um 90 Tage) sowie eine Sanktion nach § 31 Abs 2 Nr 3 SGB II zur Folge (Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II in Höhe von 30 % des maßgeblichen Regelbedarfs nach § 20 SGB II für die Dauer von drei Monaten).

Nach Überzeugung des Senats führt das Verhalten des Klägers darüber hinaus aber nicht auch noch zu einem Schadensersatzanspruch des Beklagten nach § 34 SGB II, also zu der zusätzlichen Verpflichtung des Klägers, die ihm gewährten und zum Teil bereits sanktionsbedingt geminderten SGB II-Leistungen vollständig an den Beklagten zurückzuzahlen, nach dem Wortlaut der Norm sogar ohne zeitliche und betragsmäßige Begrenzung (vgl. hierzu etwa: BSG, Urteil vom 16. April 2013 - B 14 AS 55/12 R -, SozR 4-4200 § 34 Nr 2, Rn 21; Schwitzky in: Münder (Hrsg.), LPK-SGB II, 6. Auflage 2017, § 34 Rn 19). Insoweit schließt zwar allein der Umstand, dass der Kläger wegen des streitbefangenen Verhaltens bereits sanktioniert wurde, einen Schadensersatzanspruch nach § 34 SGB II nicht von vornherein aus (s.o. Abschnitt 1.). Allerdings besteht umgekehrt auch kein Automatismus dahingehend, dass jeder "durchschnittliche" oder "normale" Sanktionsfall auch einen Schadensersatzanspruch nach § 34 SGB II begründet. Schließlich handelt es sich bei dem Schadensersatzanspruch nach § 34 SGB II nach allgemeiner Meinung und nach ständiger Rechtsprechung u.a. des BSG um einen eng auszulegenden bzw. deliktähnlichen Ausnahmetatbestand (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 2012 - B 4 AS 39/12 R -, BSGE 112, 135-141, SozR 4-4200 § 34 Nr 1; ebenso z.B.: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 12. Dezember 2018 - L 13 AS 162/17 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. Oktober 2018 - L 7 AS 1331/17 -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 05. Juni 2018 - L 7 AS 178/16 -; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. März 2014 - L 29 AS 814/11 - ; Grote-Seifert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 34, Rn 23; Stotz in: Gagel, SGB II/SGB III, Stand Dezember 2018, § 34 SGB II, Rn 36; Silbermann in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 34, Rn 25). § 34 SGB II normiert eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass existenzsichernde und bedarfsabhängige Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, regelmäßig unabhängig von der Ursache der entstandenen Notlage und einem vorwerfbaren Verhalten in der Vergangenheit zu leisten sind (BSG, Urteil vom 2. November 2012, a.a.O.; BSG, Urteil vom 8. Februar 2017 - B 14 AS 3/16 R -, SozR 4-4200 § 34 Nr 3). Dieser Grundsatz darf nicht durch eine weitreichende und nicht nur auf begründete und eng zu fassende Ausnahmefälle begrenzte Ersatzpflicht der Leistungsberechtigten konterkariert werden (BSG, Urteil vom 2. November 2012, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 05. Juni 2018 - L 7 AS 178/16 -, Rn. 32).

Bei dem vorliegend streitbefangenen Sachverhalt handelt es sich letztlich um einen lediglich "durchschnittlichen" Sanktionsfall, der nicht geeignet ist, die in § 34 SGB II normierte Ersatzpflicht auszulösen. Der Senat vermag nicht zu erkennen, worin hier die Umstände für einen "Ausnahmefall" liegen sollten. Der Senat hat dabei berücksichtigt, dass keine unmittelbare Kausalität zwischen Fehlverhalten und Hilfebedürftigkeit vorliegt (wie sie etwa bei der Verschleuderung von Vermögen anzunehmen wäre), sondern die Hilfebedürftigkeit erst am Ende einer langen Kausalkette steht: Der Drogenkonsum - mutmaßlich am Vorabend - führte zu der Fahrt unter Drogeneinfluss, die den Verlust der Fahrerlaubnis nach sich zog; der Verlust der Fahrerlaubnis führte zu der Kündigung des Arbeitsplatzes; Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II trat sodann erst deshalb ein, weil offenkundig der Verdienst des Klägers zu gering war, um den Lebensunterhalt über Alg I sicherzustellen. Mit jeder dieser Vielzahl von Stufen, die den Drogenkonsum erst mit der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II verbindet, entfernt sich der Sachverhalt von einer Ausnahmekonstellation, weil dem Kläger gerade nicht unmittelbar vor Augen stehen musste, dass sein Verhalten unweigerlich zum Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II führen wird.

Das Verhalten des Klägers ist mit dem Verlust der Fahrerlaubnis, des Arbeitsplatzes und des Erwerbseinkommens sowie dem zwölfwöchigen Wegfall des Alg I und der sanktionsbedingten Minderung des Regelbedarfs nach dem SGB II für drei Monate in einem ausreichenden Maß sanktioniert. Dafür, dass dem Kläger zusätzlich noch eine Schadensersatzpflicht trifft, sieht der Senat keinen Raum mehr.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (vgl. § 160 Abs 2 SGG). Der Senat hat unter Anwendung der Rechtsprechung des BSG eine Entscheidung im Einzelfall getroffen.