Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 25.10.2018, Az.: 11 U 153/17

Anforderungen an eine anlegergerechte Anlageberatung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
25.10.2018
Aktenzeichen
11 U 153/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 12060
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 27.09.2017 - AZ: 5 O 207/16

Amtlicher Leitsatz

Da eine anlegergerechte Beratung unter anderem eine auf die Ziele und Verhältnisse des einzelnen Anlegers abgestimmte Auswahlentscheidung erfordert, ist sie nicht allein schon dadurch erbracht, dass der Anlageberater dem Anleger rechtzeitig vor der Anlageentscheidung einen Emissionsprospekt zur Lektüre übergibt. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Auswahlentscheidung als solche vertretbar ist.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. September 2017 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade wird als unzulässig verworfen, soweit die Klägerin mit dem Berufungsantrag zu 6. ihre bereits im ersten Rechtszug gestellten Hilfsanträge weiterverfolgt.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin gegen das vorgenannte Urteil (als unbegründet) zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die im zweiten Rechtszug entstandenen Kosten.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 17.325 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz aufgrund angeblich fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Wagniskapitalfonds.

Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klägerin sei durch die rechtzeitige Übergabe des Emissionsprospektes sowohl anlegergerecht als auch objektgerecht aufgeklärt worden. Die Klägerin habe den ihr obliegenden Beweis ihrer Behauptung, den Prospekt erst nach der Abgabe der Beitrittserklärung erhalten zu haben, nicht geführt. Die Zeugenaussage ihres Ehemanns sei weder ausreichend ergiebig noch glaubhaft. Überdies habe die Klägerin bei ihrer mündlichen Anhörung selbst eingeräumt, sich an den Ablauf der streitgegenständlichen Anlageberatung nicht mehr erinnern zu können. Der Prospekt sei zur anleger- und objektgerechten Aufklärung auch geeignet; die von der Klägerin behaupteten Prospektfehler lägen nicht vor. Die Hilfsanträge seien unzulässig.

Gegen dieses Urteil, auf dessen Begründung im Einzelnen ebenfalls verwiesen wird, richtet sich die rechtzeitig und formgerecht eingelegte Berufung der Klägerin. Die Klägerin bemängelt, dass sich das Landgericht mit dem Vorwurf der nicht anlegergerechten Beratung, also der Verfehlung ihres Anlageziels, überhaupt nicht befasst habe. Hinsichtlich der nicht objektgerechten Beratung habe das Landgericht verkannt, dass die damaligen mündlichen Erläuterungen des Beklagten gegenüber dem Prospektinhalt Vorrang hätten. Sie sei nach dem Beratungsgespräch am 2. April 2008 davon ausgegangen, vollständig beraten worden zu sein und den Emissionsprospekt daher nicht mehr lesen zu müssen. Schließlich rügt die Klägerin, dass sich das Landgericht mit den von ihr behaupteten Prospektfehlern nicht auseinandergesetzt habe.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerpartei 15.750 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Januar 2016 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der Ansprüche der Klägerpartei aus der Beteiligung an der M. GmbH & Co. KG mit einer nominellen Beteiligung in Höhe von 15.000 €,

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerpartei 2.421,89 € entgangenen Gewinn nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Januar 2016 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der in Antragsziffer 1 genannten Beteiligung,

3. festzustellen, dass der Beklagte die Klägerpartei von sämtlichen bestehenden oder zukünftigen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen hat, die mittelbar oder unmittelbar aus den in Antragsziffer 2 genannten Beteiligungen resultieren,

4. festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Annahme der Abtretung der Ansprüche aus der in Antragsziffer 1 genannten Beteiligung in Verzug befindet,

5. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerpartei vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.990,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Januar 2016 zu bezahlen,

6. hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht die Klage wegen Schadensersatzes abweist, den Beklagten zu verurteilen,

a) der Klägerpartei Auskunft zu erteilen über die Höhe der erhaltenen Provisionen, Rückvergütungen, "Kick-Backs" und/oder sonstiger Zuwendungen, die der Beklagte im Zuge der Beratung der Klägerpartei hinsichtlich des streitgegenständlichen Fondsanteils erhalten hat,

b) erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben durch den zur Vertretung berechtigten Vorstand der Beklagten an Eides statt zu versichern,

c) an die Klägerpartei sämtliche bezüglich lit. a) des Hilfsantrags erhaltene Provisionen, Rückvergütungen, "Kick-Backs" und/oder sonstige Zuwendungen herauszugeben und auf diesen Betrag Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt im Wesentlichen das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

Hinsichtlich der unbedingt gestellten (Haupt-) Anträge ist die Berufung unbegründet. Der Klägerin stehen keine Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Anlageberatung gegen den Beklagten zu.

1. Die Berufungsrüge, dass sich das Landgericht mit der Behauptung der Klägerin, ihr Anlageziel sei verfehlt worden, nicht auseinandergesetzt habe, trifft zwar im Ausgangspunkt zu. Sie bleibt aber im Ergebnis erfolglos, weil die Klägerin ihre dahingehende Tatsachenbehauptung durch die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme nicht hat beweisen können.

a) Im angefochtenen Urteil finden sich zum Vorwurf der nicht anlegergerechten Beratung nur die Rechtsbehauptung, "eine ordnungsgemäße Anlageberatung könne auch durch die Übergabe von Prospektmaterial erfolgen" (LGU Seite 6) und sodann die Feststellungen, dass die Klägerin ihre Behauptung, den Prospekt nicht rechtzeitig erhalten zu haben, nicht bewiesen habe und dieser Prospekt sowohl zur anleger- als auch objektgerechten Beratung und Aufklärung auch geeignet gewesen sei (LGU Seite 11). Diese Begründung trägt die Abweisung der Ansprüche wegen nicht anlegergerechter Beratung nicht.

Richtig ist, dass der Senat in seinem Berufungszurückweisungsbeschluss vom 31. August 2016 (11 U 3/16, juris Rn. 79) den vorstehend wiedergegebenen Rechtssatz ("Eine ordnungsgemäße Anlageberatung kann auch durch die Übergabe von Prospektmaterial erfolgen...") angewendet hat. Dieser Rechtssatz bezieht sich aber nur auf die Pflicht des Anlageberaters zur objektgerechten Beratung. Das ergibt sich in dem Beschluss des Senats aus den vorausgehenden Ausführungen (Rn. 78). Auch der Bundesgerichtshof sieht die rechtzeitige Übergabe eines Emissionsprospekts nur als Mittel zur objektgerechten Aufklärung an, nicht hingegen als Mittel zur anlegergerechten Beratung. In dem zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. April 2014 ist dem zitierten Satz nämlich ein weiterer vorangestellt (III ZR 389/12, juris Rn. 9): "In Bezug auf das Anlageobjekt muss der Anlageberater rechtzeitig, richtig und sorgfältig, dabei für den Kunden verständlich und vollständig beraten." Gleiches gilt für das vom Landgericht zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Juli 2007 (III ZR 145/06, juris Rn. 9). In dem durch jenes Urteil entschiedenen Fall lag überhaupt nur ein Anlagevermittlungsvertrag vor (a.a.O., Rn. 8), so dass der dortige Beklagte eine anlegergerechte Beratung gar nicht erst schuldete.

Anders kann es auch nicht sein. Die Übergabe des Emissionsprospekts ist zur Erfüllung der Pflicht zur anlegergerechten Beratung für sich genommen untauglich. Anlegergerechte Beratung bedeutet, dass der Berater einen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Anlegers und seinen individuellen Wünschen passenden Anlagevorschlag unterbreitet. Es handelt sich also um einen vom Berater zu erbringenden Auswahlprozess. Dieser kann weder durch die Übergabe von Informationsmaterial noch durch eine mündliche Aufklärung über Eigenschaften und Risiken der Anlage ersetzt werden. Letzteres, das heißt die objektgerechte Beratung, setzt vielmehr eine zuvor erfolgte "richtige" Auswahl voraus.

b) Der Senat hat daher über die Behauptung der Klägerin Beweis erhoben, sie habe dem Beklagten als Anlageziel eine sichere Anlage ohne Verlustrisiko benannt. Der Senat hat durch diese Beweisaufnahme nicht die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gewonnen, dass die Behauptung der Klägerin zutrifft.

aa) Das einzige von der Klägerin hierzu benannte Beweismittel ist das Zeugnis ihres Ehemanns. Dieses Beweismittel ist für sie durchaus positiv ergiebig gewesen. Der Zeuge hat bestätigt, dass die Klägerin und er das in Rede stehende Kapital längerfristig als Vorsorge für ihr Alter und folglich sicher hätten anlegen wollen. Ein Grund für diese Grundentscheidung sei der Umstand gewesen, dass die Klägerin das Kapital von ihrer Familie erhalten habe. Diese Vorstellung hätten sie dem Beklagten im Beratungsgespräch auch deutlich erklärt.

bb) Der Senat hat allerdings auch den Beklagten persönlich zur Beweisfrage angehört. Dazu hat er sich aus Gründen der prozessualen Waffengleichheit verpflichtet gesehen, weil dem Beklagten ein (Gegen-)Beweismittel nicht zur Verfügung steht (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 21. Februar 2001 - 2 BvR 140/00, juris Rn. 10 ff.; BGH, Urteil vom 27. September 2005 - XI ZR 216/04, juris Rn. 31 m.w.N.). Die Einlassung des Beklagten steht der Aussage des Ehemanns der Klägerin entgegen. Der Beklagte hat erklärt, dass die Klägerin und ihr Ehemann ihre Altersvorsorge schon in anderer Weise, insbesondere durch den Abschluss verschiedener Versicherungsverträge, gesichert gehabt hätten. Die streitgegenständliche Anlage habe ausdrücklich der Erzielung einer (hohen) Rendite dienen sollen. Das Kapital sei gleichsam "übrig" gewesen und habe daher für einen solchen Zweck zur Verfügung gestanden.

cc) Der Senat sieht sich unter Berücksichtigung der gegenteiligen Einlassung des Beklagten nicht in der Lage, die Überzeugung von der Richtigkeit des Vorbringens der Klägerin allein auf die Zeugenaussage ihres Ehemanns zu stützten.

(1) Es genügt insofern nicht, dass der Senat womöglich annehmen könnte, dass die behauptete Tatsache mit einiger - womöglich auch überwiegender - Wahrscheinlichkeit richtig ist. Um den Klageansprüchen stattzugeben, müsste sich der Senat gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vielmehr davon überzeugen können, dass die Tatsache auf der Grundlage des Beweisergebnisses sowie aller weiteren in Betracht zu ziehenden tatsächlichen Umstände mit derart hoher Wahrscheinlichkeit festzustellen sind, dass Zweifeln Schweigen geboten ist, ohne sie - in Anbetracht der allgemeinen Grenzen menschlicher Erkenntnisfähigkeit - völlig auszuschließen (vgl. etwa BGH, Urteile vom 18. Januar 2000 - VI ZR 375/98, juris Rn. 18; vom 6. Juni 1973 - IV ZR 164/71, juris Rn. 17; vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67, juris Rn. 72).

(2) Eine solche Überzeugungsbildung wird im Streitfall schon durch den langen Zeitraum von mehr als zehn Jahren erheblich erschwert, der seit der Anlageentscheidung und den vorangegangenen Gesprächen verstrichen ist. Die Erinnerungsfähigkeit eines Zeugen verblasst nach allgemeiner Erfahrung mit zunehmendem zeitlichen Abstand von dem Geschehen.

Die Vernehmung des Ehemanns der Klägerin hat diese allgemeine Erfahrung auch in mancherlei Hinsicht bestätigt. Der Zeuge T. M. hat hinsichtlich mehrerer Fragestellungen im Zusammenhang mit der Anlageentscheidung das Fehlen seiner Erinnerung bekundet. Er hat sich danach nicht mehr daran erinnern können, ob der Beklagte neben der streitgegenständlichen Anlage auch die Möglichkeit anderer Anlageformen vorschlug. Er hat sich auch nicht mehr daran erinnern können, ob die Klägerin und er dem Beklagten die konkreten Beträge nannten, die sie als Sondertilgungen auf ihr Immobiliendarlehen einsetzen konnten. Er hat sich nicht mehr an die damals von der Klägerin und ihm verfolgten konkreten Renditeziele erinnern können. Er hat sich schließlich nicht mehr daran erinnern können, wie es zu den Eintragungen in dem Beratungsprotokoll (Anlage B 2, Bl. 59 d. A.) kam. Das Fehlen seiner Erinnerungsfähigkeit ist aus der Sicht des Senats eben wegen des Zeitablaufs ohne Weiteres nachvollziehbar. Es mindert aber die Zuverlässigkeit auch derjenigen Teile seiner Aussage, die für die Klägerin positiv ergiebig waren. Insbesondere hat der Zeuge nicht nachvollziehbar erklären können, wie sich seine Aussage mit dem Inhalt des Beratungsprotokolls vereinbaren lässt, in dem die Klägerin damals nicht nur - in Übereinstimmung mit der Einlassung des Beklagten - bestätigt hat, Erfahrung mit Kapitalanlagen, insbesondere auch mit Investmentfonds, zu haben, sondern sogar ausdrücklich als Anlageziel nicht "sparorientiert" oder "konservativ" angab, sondern "renditeorientiert".

(3) Nicht außer Betracht bleiben kann außerdem, dass es sich bei dem Zeugen M. um einen alles andere als "neutralen" Zeugen handelt. Es handelt sich bei ihm nicht nur um den Ehemann der Klägerin, der bereits in dieser Eigenschaft ein eigenes - zumindest - emotionales Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat. Aus sowohl seiner Aussage als auch dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin ergibt sich auch, dass es sich bei der streitgegenständlichen Kapitalanlage zwar formal um ein Geschäft der Klägerin handelte, dass der Zeuge sich aber damals und heute selbst als wirtschaftlich Beteiligter ansah und ansieht. Der Zeuge selbst hat in seiner Aussage fast durchweg im Plural gesprochen, das heißt die Klägerin und sich selbst als Anleger bezeichnet. Die Klägerin hat in ihrer Replik vom 8. Februar 2017 (Bl. 72 f. d. A.) behauptet, "die Eheleute wollten ihre Altersvorsorge durch eine zweigleisige Strategie umsetzen", den Zeugen also ausdrücklich als wirtschaftlich Beteiligten der streitgegenständlichen Anlage genannt. Auch das ist für sich genommen in keiner Weise zu beanstanden und dürfte der Lebenswirklichkeit vieler Eheleute entsprechen.

Es zeigt aber auch, dass der Zeuge M. letztlich in einer Angelegenheit ausgesagt hat, die nach seinem eigenen Verständnis und dem Verständnis der Klägerin seine eigenen Vermögensinteressen betrifft. Deshalb erhebt sich der Beweiswert seiner Aussage nicht wesentlich über den Wert der Einlassung des vom Senat persönlich angehörten Beklagten. Prozessrechtlich handelt es sich bei der Zeugenaussage zwar um ein förmliches Beweismittel, während der Senat die Einlassung des Beklagten nur als sonstige Erkenntnisquelle im Rahmen der Überzeugungsbildung gemäß § 286 ZPO berücksichtigen darf (vgl. dazu zuletzt BGH, Beschluss vom 27. September 2017 - XII ZR 48/17, juris Rn. 12 m.w.N.). Der Wert beider Erkenntnismittel für die vom Senat zu treffende Tatsachenfeststellung nähert sich aufgrund dieser Besonderheit jedoch weitgehend an; beide Auskunftspersonen stehen dem Sachverhalt annähernd gleich nah gegenüber.

(4) Der letztgenannte Aspekt wird durch einen weiteren Umstand verstärkt. Da es sich bei dem Zeugen M. um den Ehemann der Klägerin handelt, der sich zudem schon an der ursprünglichen Anlageentscheidung beteiligt hat, muss der Senat davon ausgehen, dass der Zeuge auch in die Anspruchsverfolgung eingebunden gewesen ist - und sei es nur durch Gespräche mit der Klägerin über den Sachverhalt. Das begründet aber die Möglichkeit, dass die subjektiv womöglich richtige Erinnerung des Zeugen an das damalige Geschehen in der Zwischenzeit durch äußere Einflüsse verändert worden sein könnte und daher seinen damaligen Wahrnehmungen nicht mehr entspricht. Es handelt sich um ein aussagepsychologisch bekanntes Phänomen, dass der regelmäßige Austausch eines Zeugen mit einem Anspruchssteller über die den Anspruch begründenden Geschehnisse dazu führen kann, dass sich die Erinnerung des Zeugen dahin verändert, dass der Zeuge dasjenige, worüber er mit seinem Gesprächspartner immer wieder gesprochen hat, fälschlicherweise für das tatsächliche Geschehen hält, über das er sich ausgetauscht hat (vgl. Balzer, Beweisaufnahme und Beweiswürdigung im Zivilprozess, 3. Aufl., Rn. 329 ("Suggestionsklima")). Tatsächlich handelt es sich dabei aber mitunter nur um die gemeinsame "Version" dieses Geschehens.

(5) Auch wird die Überzeugungsbildung von der Richtigkeit der Aussage des Zeugen M. durch die Zielgerichtetheit dieser Aussage erschwert. Der Zeuge hat - nicht erst gegenüber dem Senat, sondern auch schon gegenüber dem Landgericht - nur die offensichtlich wichtigen Kernangaben (Anlageziel "sicher", nur Flyer erhalten, risikofreie Anlageform, abgesichert durch staatliche Garantien) machen können. Fragen nach den genauen zeitlichen Abläufen hat er - ebenso wie die vom Landgericht persönlich angehörte Klägerin - nicht sicher beantworten können, desgleichen nicht die Frage, warum das Beratungsprotokoll Angaben enthält, die seiner Aussage eher entgegenstehen. Seine Aussage, es habe im Frühjahr 2008 nur ein Beratungsgespräch gegeben, an dessen Ende die Klägerin die streitgegenständliche Anlage gezeichnet habe, betrachtet der Senat sogar als durch die vom Beklagten vor dem Landgericht vorgelegten Unterlagen (etwa den von der Klägerin an den Beklagten gesandten Briefumschlag mit Poststempel 20. Mai 2008, vgl. Seite 13 des landgerichtlichen Sitzungsprotokolls, Bl. 113 d. A.) widerlegt.

Eine solche zielgerichtete Aussage ruft von vornherein Bedenken gegen ihre Glaubhaftigkeit hervor (vgl. Balzer, a.a.O., Rn. 332 ff.). Der Senat berücksichtigt auch insofern durchaus nochmals, dass das Geschehen mittlerweile mehr als zehn Jahren zurückliegt.

(6) Der Senat hält darüber hinaus die Aussage des Zeugen hinsichtlich des damals verfolgten Anlagekonzepts nur für eingeschränkt überzeugend. Der Zeuge hat - im Kern in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Klägerin (vgl. nochmals ihre Replik vom 8. Februar 2017, Bl. 72 f. d. A.) - ausgesagt, die streitgegenständliche Anlage habe deshalb der Altersvorsorge dienen sollen, weil mit Hilfe der avisierten Ausschüttungen Sondertilgungen auf eines der Immobiliendarlehen hätten erfolgen sollen. Wenn die Klägerin nur das Immobiliendarlehen hätte abbezahlen wollen, benötigte sie aber nicht eine Anlage wie die streitgegenständliche. Es hätte genügt, das Kapital bis zu den Zeitpunkten, zu denen Sondertilgungen möglich waren, auf einem Festgeldkonto anzulegen oder das Darlehen bei der nächsten Möglichkeit zu kündigen und unter Einsatz des in Rede stehenden Kapitals eine der Höhe nach geringere Anschlussfinanzierung zu vereinbaren. Wenn die Klägerin (und der Zeuge) stattdessen die streitgegenständliche Anlage wählte, liegt eine andere Erklärung sehr nahe: Sie erhoffte sich davon eine so überdurchschnittliche Rendite, dass die (teilweise) Ablösung des Immobiliendarlehens eine vergleichsweise geringere Zinsersparnis erbracht hätte und daher unwirtschaftlicher erschien. Dieser Ansatz spricht aber gegen das behauptete Anlageziel, weil eine über dem für Immobiliendarlehen zu zahlenden Zinssatz liegende Anlagerendite jedenfalls mit einem Sparbuch und ähnlich sicheren Anlageformen kaum erzielbar ist.

(7) Die der Zeugenaussage entgegenstehende Einlassung des Beklagten hat keine Unklarheiten oder Widersprüche aufgewiesen, die ihre Glaubhaftigkeit in einem Umfang in Frage stellen würden, der ihren gegenbeweislichen Wert ernsthaft erschüttert. Der Beklagte hat von sich aus eingeräumt, seinerseits an die Einzelheiten der damaligen Beratung keine genaue Erinnerung mehr zu haben. Das ist zum einen wiederum wegen Zeitablaufs nachvollziehbar, zum anderen aber auch wegen des vom Beklagten selbst hervorgehobenen Umstands, dass es sich für ihn nur um einen von vielen Beratungsvorgängen handelte.

Entgegen der von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am Schluss der Beweisaufnahme vorgetragenen Würdigung meint der Senat insbesondere nicht, dass zwischen der Einlassung des Beklagten gegenüber dem Senat und derjenigen gegenüber dem Landgericht ein wesentlicher inhaltlicher Widerspruch besteht. Der Beklagte hat gegenüber dem Landgericht angegeben, dass er nach seinen Aufzeichnungen mit der Klägerin am 2. April 2008 über den streitgegenständlichen Fonds sowie sechs weitere Themen gesprochen habe. Den Emissionsprospekt für den streitgegenständlichen Fonds habe er damals wohl noch nicht mitgeführt gehabt und der Klägerin daher anschließend auf dem Postweg zugesandt. Die Klägerin habe die Anlage erst noch "mit der Familie besprechen" wollen (vgl. Seite 6 f. des landgerichtlichen Sitzungsprotokolls, Bl. 106 f. d. A.). Gegenüber dem Senat hat der Beklagte erklärt, es habe nur ein Gespräch über den streitgegenständlichen Fonds gegeben, nämlich am 2. April 2008. Eine Beratung sei ihm zu jenem Zeitpunkt nicht möglich gewesen, weil er den Prospekt nicht mitgeführt habe. Die Parteien seien so verblieben, dass die Klägerin den Anlagevorschlag "noch in der Familie" besprechen wolle. Er habe anhand der lediglich vorliegenden Flyer bloß erklärt, "das könnte etwas sein". Diese (zweite) Einlassung lässt sich mit der ersten Einlassung vereinbaren.

2. Ansprüche wegen einer nicht objektgerechten Beratung stehen der Klägerin gleichfalls nicht zu.

a) Die hinsichtlich der Prospektübergabe vom Landgericht getroffene Feststellung ist zutreffend, die Klägerin greift sie mit ihrer Berufungsbegründung auch nicht an. Insbesondere die eigene Einlassung der Klägerin gegenüber dem Landgericht ist hinsichtlich des Beratungsablaufs von so großer Unsicherheit geprägt und die vom Beklagten dargelegten Anhaltspunkte, die für eine rechtzeitige Übersendung des Emissionsprospekts sprechen, sind so plausibel, dass sich eine der Klägerin günstige Feststellung schlechterdings nicht treffen lässt.

b) Die Klägerin kann sich gegenüber der Annahme, der Emissionsprospekt sei ihr so rechtzeitig übergeben worden, dass sie sich deswegen als objektgerecht aufgeklärt behandeln lassen muss, auch nicht mit dem Einwand verteidigen, dass der Beklagte mündlich vom Prospektinhalt abweichende Angaben gemacht habe (vgl. Seite 5 ff. der Berufungsbegründung, Bl. 209 ff. d. A.). Die Klägerin meint (a.a.O.), sie habe den Prospekt nicht mehr lesen müssen, weil die mündliche Beratung durch den Beklagten am 2. April 2008 abschließend gewesen sei. Dabei habe der Beklagte keine Risiken erwähnt.

aa) Dazu ist vorab anzumerken, dass der in der Berufungsbegründung (a.a.O.) zu dieser Frage gehaltene Vortrag im diametralen Gegensatz zum erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin steht. In der Klageschrift (Seite 7) heißt es, "die Eheleute" hätte über den streitgegenständlichen Fonds im April 2008 keine Informa-tionen erhalten, sondern nur den als Anlage K 3 vorgelegten Flyer. Erst am 19. Mai 2008 habe der Beklagte den Fonds anlässlich eines "allgemeinen Gesprächs über Versicherungen" vorgestellt. Woher die Klägerin, die gegenüber dem Landgericht eingeräumt hat, sie wisse nicht mehr genau, wie es zu der streitgegenständlichen Geldanlage gekommen sei, jetzt bei der Abfassung der Berufungsbegründung die Kenntnis erlangt hat, dass es am 2. April 2008 nicht nur das vom Beklagten seit jeher behauptete Beratungsgespräch gab, sondern dass dieses auch abschließenden Charakter gehabt habe, bleibt in der Berufungsbegründung offen.

Abgesehen davon, dass es sich folglich nur um prozessual unbeachtlichen, weil offensichtlich ins Blaue hinein gehaltenen Vortrag handeln kann, unterliegt dieser jedenfalls dem Novenausschluss gemäß § 531 Abs. 2 ZPO.

bb) Im Übrigen ist unstreitig, dass die Klägerin die Beitrittserklärung und das Beratungsprotokoll erst am 19. Mai 2008 unterschrieb, also fast sieben Wochen nach dem Gespräch am 2. April 2008. Wenn dieses Gespräch aus ihrer Sicht abschließend war, stellt sich die Frage, warum sie sodann eine so lange Zeit verstreichen ließ, bis sie die Anlageentscheidung traf und das Beratungsprotokoll ausfüllte. Dieser zeitliche Ablauf lässt den vom Beklagten behaupteten Ablauf sehr viel wahrscheinlicher erscheinen, wonach der Beklagte der Klägerin die streitgegenständliche Anlage am 2. April nur knapp vorstellte und ihr sodann den Emissionsprospekt übersandte, damit sie sich mit den am 2. April noch nicht besprochenen Details der Beteiligung vertraut machte.

Ein Beweisangebot für die Behauptung, das Gespräch am 2. April 2008 habe abschließenden Charakter gehabt, fehlt jedenfalls von Seiten der Klägerin.

cc) Soweit die Ausführungen in der Berufungsbegründung (a.a.O.) dahin zu verstehen sein sollen, dass ein Anlageinteressent den ihm überreichten Prospekt niemals zu lesen habe, wenn der Berater in einem der Übergabe vorausgehenden Gespräch bereits Informationen zu dem Prospekt mündlich erteilt habe, stünden sie nicht im Einklang mit der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Es stellt den Regelfall dar, dass ein Anlageberater einen Emissionsprospekt im Rahmen eines ersten Gesprächs übergibt, in dem er die Anlage zunächst einmal vorstellt und dabei - denknotwendig - auch schon jedenfalls irgendwelche Ausführungen zu den Eigenschaften macht. Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht aber davon aus, dass der Anlageinteressent den ihm überreichten Prospekt im Eigeninteresse grundsätzlich lesen muss: "Die persönliche Aufklärungspflicht des Beraters entfällt, wenn die entsprechende Belehrung in einem Prospekt enthalten ist und der Berater davon ausgehen darf, dass der Kunde diesen gelesen und verstanden hat und gegebenenfalls von sich aus Nachfragen stellt" (BGH, Urteile vom 17. November 2015 - III ZR 384/14, juris Rn. 16; vom 20. Juni 2013 - III ZR 393/12, juris Rn. 7 und vom 11. Dezember 2014 - III ZR 365/13, juris Rn. 18). Von dem Anleger ist eine "sorgfältige und eingehende Lektüre" zu fordern (so ausdrücklich BGH, Urteil vom 17. November 2015 a.a.O.).

c) Der als Anlage K 4 vorgelegte Emissionsprospekt war zur objektgerechten Aufklärung geeignet. Die Klägerin stellt die wesentlichen Eigenschaften und Risiken der Anlage selbst (auf Seite 8 ff. der Klageschrift) anhand des Emissionsprospekts dar und gibt dadurch zu erkennen, dass dieser insofern die nötigen Informationen enthält. Die von der Klägerin (auf Seite 20 f. der Klageschrift) vorgetragenen Mängel treffen nicht zu.

aa) Tatsächlich wird in § 14 des Gesellschaftsvertrags festgelegt, dass neben anderen Vergütungen auch Kosten für Steuerberater (etwa für die Erstellung des Jahresabschlusses oder für die Buchführung) und für Wirtschaftsprüfer (für die Überprüfung der als Anlageobjekte ins Auge gefassten Beteiligungsgesellschaften) anfallen werden. Diese Kosten werden nicht beziffert, auch nicht - wie bei anderen Vergütungen - als auf das Einlagekapital bezogener Prozentanteil. Dass diese Kosten nicht in der Übersicht auf Seite 6 unter dem Stichwort "Emissionskosten und laufende Kosten (Gesamthöhe der Provisionen)" erwähnt werden, ist entgegen Seite 10 der Klageschrift schlicht richtig. Es handelt sich dabei nicht um Provisionen. Nur über diese sollte auf Seite 6 des Prospekts - im Überblick - aufgeklärt werden. Dort ist keine vollständige Finanzplanung abgedruckt. Es handelt sich bei diesen Kosten im Übrigen schlicht um normale Betriebskosten, die bei einem Wagniskapitalfonds geradezu selbstverständlich zu erwarten sind.

bb) Etwaigen Unklarheiten in dem auf Seite 11 der Klageschrift erwähnten Nachtrag vom 28. November 2008 kommt im Streitfall keine Bedeutung zu, weil die Anlageentscheidung der Klägerin schon sechs Monate zuvor fiel.

cc) Soweit die Klägerin in ihrer Replik (Seite 3 f., Bl. 74 f. d. A.) die Unrichtigkeit des ihr übergebenen Flyers rügt, hat das Landgericht dazu LGU 13 f. das Nötige ausgeführt. Damit setzt sich die Berufungsbegründung nicht auseinander. Der Senat tritt diesen Ausführungen bei. Nur ergänzend ist daher noch anzumerken, dass es sich um einen von der Emittentin herausgegebenen Flyer handelt. Derartige Dokumente behandelt der Senat regelmäßig als bloße Werbung, deren Inhalt grundsätzlich keinen Aufklärungsfehler zu begründen vermag, weil der Anlageinteressent den werbenden Charakter bemerken muss.

III.

Der Berufungsantrag zu 6. ist unzulässig.

Mit diesem Antrag verfolgt die Klägerin ihre bereits im ersten Rechtszug gestellten Hilfsanträge weiter, die das Landgericht ebenso wie die Hauptanträge abgewiesen hat. Das Landgericht hat die Abweisung der Hilfsanträge der Klägerin mit einer eigenen Begründung versehen (vgl. LGU Seite 14 f.) und nicht etwa nur unter Hinweis auf den schon dem Grunde nach nicht bestehenden Schadensersatzanspruch wegen vermeintlich fehlerhafter Anlageberatung abgewiesen. Das war auch erforderlich, weil die Anträge schon im ersten Rechtszug gerade nur für den Fall gestellt worden sind, dass das Landgericht die Hauptanträge abweisen würde. Die Klägerin führt in ihrer Berufungsbegründung nicht aus, aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 ZPO) die vom Landgericht gegebene Begründung unrichtig sei. Das aber ist erforderlich, wenn mit der Berufung eine Mehrheit von Klagansprüchen verfolgt wird (vgl. etwa BGH, Urteil vom 26. Januar 2006 - I ZR 121/03, juris Rn. 22; Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 520 Rn. 37 m.w.N.). Folglich ist die Berufung insofern gemäß § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Nur am Rande vermerkt der Senat noch, dass der Hilfsantrag zu 6. b) auch auf eine unmögliche Handlung gerichtet ist. Die Klägerin verklagt eine natürliche Person. Diese hat keinen "Vorstand", der für sie Erklärungen abgeben könnte.

IV.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

2. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.

3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO. Als Wert des Klageantrags zu 3. ist gemäß der ständigen Rechtsprechung des Senats ein Betrag in Höhe von 50 % der vorgetragenen Ausschüttungen festzusetzen, mithin im Streitfall mit 0 €, weil die Klägerin keine Ausschüttungen vorträgt. Dem Anspruch auf entgangenen Gewinn ist gemäß § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO kein eigenständiger Wert beizumessen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 2015 - III ZR 228/14, juris, Rn. 3 m. w. N.). Die zu 6. gestellten Hilfsanträge hat der Senat gemäß § 3 ZPO - mangels näherer Angaben der Klägerin - mit 10 % des Streitwerts des Hauptantrags zu 1 bewertet.