Amtsgericht Hannover
Urt. v. 25.02.2000, Az.: 624 F 83/00
Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs gem. § 1615 Abs. 1 BGB; Kostenübernahme durch das Sozialamt
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 25.02.2000
- Aktenzeichen
- 624 F 83/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 23206
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2000:0225.624F83.00.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1615 l BGB
- § 288 BGB
- § 286 BGB
- § 291 BGB
Fundstelle
- ZfF 2002, 18
Verfahrensgegenstand
Forderung
Prozessführer
der ... 111/99,
Prozessgegner
Herrn ...
In der Familiensache
hat das Amtsgericht - Familiengericht, Abt. 624 - Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 10.02.2000
durch
die Richterin am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.302,58 DM nebst 6,54 % Zinsen seit dem 29.06.1999 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.800,- DM vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin macht Kosten der Entbindung vom 09.04.1997 geltend, die aus Mitteln der Sozialhilfe für Frau ... aufgewendet wurden. Diese war zur Kostentragung nicht in der Lage. Der Beklagte ist nicht mit der Kindesmutter verheiratet, er ist unstreitig der Vater des Kindes. Die Klägerin beziffert die Kosten anläßlich der Entbindung auf insgesamt 3.302,58 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung des Schriftsatzes vom 20.12.1999, Seite 2, verwiesen. Der Beklagte hatte nach der Zahlungsaufforderung vom 04.09.1997 und nachdem sein Widerspruch gegen die Überleitung des Anspruchs zurückgewiesen worden war, Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Diese wurde durch Urteil vom 16.12.1998 abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 20.12.1999 nebst Anlagen verwiesen. Die Klägerin hatte im vorliegenden Verfahren die Forderung zunächst durch Mahnbescheid, zugestellt am 29.06.1999, geltend gemacht.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, wie erkannt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, dass die Kindesmutter wegen einer falschen Information des Sozialamtes sich über die ... nicht weiter krankenversichert habe, als sie nach der Geburt des ersten Kindes (die hier im Streit stehenden Kosten betreffen die Entbindung des 3. Kindes) Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz habe in Anspruch nehmen müssen. Die Klägerin hätte die Kindesmutter darauf hinweisen müssen, dass die Leistungen nach §§ 37, 38 BSHG nicht das gleiche Gewicht wie eine ordentliche Krankenversicherung haben. Infolge dessen sei er, der Beklagte, von der Kindesmutter im Glauben gelassen worden, diese sei umfassend krankenversichert. Wenn er gewußt hätte, dass kein voll umfänglicher Versicherungsschutz gegeben sei, hätte er zumindest u.a. die Möglichkeit gehabt, selbst Vorsorge zu treffen. Wegen der Verletzung der Aufklärungspflicht könne die Klägerin daher keine Ansprüche geltend machen. Der Beklagte beruft sich ferner darauf, nicht leistungsfähig zu sein.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Beklagte ist gem. § 1615 l BGB verpflichtet, die Kosten, die anläßlich der Entbindung entstanden sind, zu tragen. Der früher in § 1615 k a.F. eigenständig normierte Anspruch ist nach Einfügung in § 1615 l Abs. 1 BGB als Unterhaltsanspruch zu qualifizieren. Die Kindesmutter und der Beklagte sind nicht miteinander verheiratet, dass das Kind vom Beklagten abstammt, ist unstreitig. Die von der Klägerin schlüssig dargelegten Kosten betreffen auch lediglich die Kindesmutter und nicht das Kind. Der Beklagte hat zunächst auch die Höhe der Kosten bestritten, dies wurde in der mündlichen Verhandlung, auch nach Einsichtnahme in die Unterlagen der Klägerin nicht mehr aufrecht erhalten. Die Klägerin hat diese Kosten, da die Kindesmutter bedürftig ist und kein eigenes Einkommen einsetzen kann, verauslagt. Die Rechtmäßigkeit der Überleitung ist vom Beklagten nicht länger bestritten worden, vom Verwaltungsgericht auch im zitierten Urteil bestätigt. Die von der Klägerin vorgenommene Vergleichsberechnung ist schlüssig und nicht substantiiert angegriffen worden. Der Anspruch gem. § 1615 l BGB besteht zwar nur dann, wenn die Kindesmutter nicht von dritter Seite (z.B. durch eine Krankenversicherung oder durch freiwillige Leistungen) die Kosten bereits erstattet erhält. Dies ist hier unstreitig nicht geschehen. Die Kostenübernahme durch das Sozialamt ist nicht als Leistung eines Dritten in diesem Sinne anzusehen. Sozialhilfe ist eine subsidiäre Leistung, was bereits im Forderungsübergang zum Ausdruck kommt.
Die Klägerin muss sich weder ein Mitverschulden, das zu einer Verringerung oder Wegfall des Anspruchs führen würde vorhalten lassen, noch ist der Anspruch aus den Grundsätzen von Treu und Glauben verwirkt. Die Behauptung des Beklagten, die Kindesmutter sei bewußt falsch von Mitarbeitern des Sozialamtes über den bestehenden Krankenversicherungsschutz informiert worden, ist weder substantiiert vorgetragen, noch unter Beweis gestellt worden. Die Benennung der Kindesmutter als Zeugin zur Behauptung, ihrer Erinnerung nach sei ihr sinngemäss gesagt worden, die Versicherung über das Sozialamt sei genau so gut wie über die ... und es bestehe vollständiger Krankenversicherungsschutz, ist nicht geeignet, substantiiertes Vorbringen zu ersetzen. Es ist vielmehr davon auszugehen - wie von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch dargelegt -, dass der/die Mitarbeiter des Sozialamtes darauf hingewiesen haben, dass Beiträge für die ... nicht übernommen werden könnten und im Bedarfsfall auch die Sozialhilfe einspringen müsse. Welche Schlussfolgerungen die Kindesmutter daraus zieht, kann nicht der Klägerin nachteilig angelastet werden. Insbesondere sind die Mitarbeiter des Sozialamtes weder in der Lage noch befügt, umfassende Rechtsaufklärung zu betreiben. Der weitere Hinweis des Beklagten, hätte er von dem mangelnden Krankenversicherungsschutz gewußt, hätte er evtl. selbst Krankenvorsorge betrieben oder aber sich entscheiden können, ob er "Risiken eingehen und die Beziehung intensivieren" wolle, dürfte lebensfremd sein (es setzt immerhin die Kenntnis der gesetzlichen Regelung des § 1615 l BGB bzw. des früheren 1615 k BGB voraus). Jedenfalls wäre es Aufgabe des Beklagten gewesen, alle ihm wichtig erscheinenden Umstände und Eventualitäten in der Beziehung zur Kindesmutter selbst zu überprüfen, nicht jedoch auf deren Erklärungen und Mutmaßungen zu vertrauen. Ein Verstoß der Klägerin gegen Treu und Glauben oder Verletzung der Aufklärungspflicht ist eindeutig nicht gegeben.
Der Beklagte ist auch leistungsfähig. Insoweit wird auf die zutreffende Berechnung der Klägerin im Schriftsatz vom 20.12.1999 Seite 3 verwiesen. Soweit der Beklagte, abweichend vom bisherigen Einkommen auf Arbeitslosigkeit bis zum 03.02.2000 verweist bzw. auf das jetzt behauptete Probearbeitsverhältnis mit einem Nettoeinkommen von ca. 2.300,- DM (im Gegensatz zu den zu Grunde gelegten durchschnittlichen Nettoeinkommen von 2.600,- DM) ist dies nicht erheblich. Die Arbeitslosigkeit ist nur vorübergehender Art gewesen, so dass sie die Leistungsfähigkeit nicht wesentlich beeinflusst; das jetzige behauptete Nettoeinkommen ist offensichtlich ohne die Sonderzuwendungen (Urlaubs-Weihnachtsgeld) berechnet, im übrigen auch weder substantiiert vorgetragen noch belegt. Die Klägerin hat bereits mehrfach angeboten, auch mit Ratenzahlungen (monatlich je 400,- DM) einverstanden zu sein, so dass der Beklagte die Möglichkeit hat, die Forderung in monatlichen Raten abzuzahlen.
Der Zinsanspruch ist begründet gem. §§ 288, 286, 291 BGB. Weder die Inanspruchnahme des Kredits noch die Zinshöhe sind substantiiert bestritten worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.