Amtsgericht Hannover
Urt. v. 15.05.2000, Az.: 608 F 302/99

Scheidung einer gemischtnationalen Ehe zwischen einer Deutschen und einem Gambier; Anwendbarkeit deutschen Scheidungsrechts; Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
15.05.2000
Aktenzeichen
608 F 302/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 33924
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2000:0515.608F302.99.0A

Fundstelle

  • FamRZ 2000, 1576-1577 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Ehescheidung

In der Ehesache
...
hat das Amtsgericht Hannover - Familiengericht -
auf die mündliche Verhandlung vom 03.05.2000
durch
den Richter am Amtsgericht
für R e c h t erkannt:

Tenor:

  1. I.

    Scheidung

    Die am 29. Juni 1995 vor dem Standesbeamten des Standesamtes in Banjul (Staat: Gambia) (Heiratsregister Nr. ) geschlossene Ehe der Parteien wird geschieden.

  2. II.

    Versorgungsausgleich

    Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.

  3. III.

    Kosten

    Die Gerichtskosten tragen die Parteien je zur Hälfte. Jede Partei trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Tatbestand

1

Die Ehefrau ist deutsche Staatsangehörige und war nie ausländische Staatsangehörige.

2

Der andere Ehegatte, also der Ehemann ist ausländischer, und zwar Staatsangehöriger des Staates Gambia.

3

Die Parteien haben am 29. Juni 1995 die Ehe geschlossen.

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Die Ehefrau beantragt,

die Ehe zu scheiden.

5

Der Ehemann hat sich trotz Aufforderung des Gerichts nicht geäußert.

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Die Ehefrau ist vom Gericht persönlich angehört worden.

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Die Anhörung hat ergeben, daß die Eheleute zu keinem Zeitpunkt in einer auf Dauer angelegten ehelichen Lebensgemeinschaft gelebt hatten. Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 3. Mai 2000 mitgeteilt, dass sie kurze Zeit nach der Heirat am 29. Juni noch im Juli 1995 in die Bundesrepublik zurückgekehrt sei und nicht wieder nach Gambia gereist sei. Sie habe zwar anfänglich noch versucht, für den Antragsgegner ein Visum zu erhalten. Dies sei jedoch verweigert worden. Später habe sie das Verfahren nicht weiter betrieben.

8

Eine Anhörung des Antragsgegners konnte nicht erfolgen, da er nicht zum Termin erschienen war. Dem steht auch nicht entgegen, dass er mangels eines entsprechenden Visums nicht nach Deutschland einreisen konnte. § 613 ZPO statuiert grundsätzlich die Verpflichtung, die Parteien persönlich anzuhören, um so den Sachverhalt bestmöglich aufklären zu können und den Parteien rechtliches Gehör zu gewähren. Durch die erfolgte Auslandszustellung hat der Antragsgegner die Möglichkeit erhalten, sich zum Scheidungsantrag zu äußern. Hält sich eine Partei im Ausland auf, besteht keine Verpflichtung, diese persönlich anzuhören (Borth in: Musielak, ZPO, § 613 Rz. 3; Zöller-Philppi, 21. Aufl., § 613 ZPO Rz. 4).

9

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

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I. Scheidung

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Das angerufene Gericht ist gemäß § 606a Absatz I Nummer I Zivilprozeßordnung international zuständig, weil ein Ehegatte Deutscher ist.

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Gemäß Artikel 17 Absatz I Satz I Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch in Verbindung mit Artikel 14 Absatz 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch ist deutsches Scheidungsrecht anzuwenden.

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Eine gemeinsame Staatsangehörigkeit beider Parteien besteht nicht, da die Antragstellerin durch die Heirat nicht Staatsangehörige von Gambia geworden ist. Nach sec. 7 des 2. Kapitel der Verfassung der Republik Gambia vom 24.4.1970 hat die Ehefrau, die einen Staatsangehörigen von Gambia heiratet einen Anspruch darauf, als Staatsbürgerin von Gambia registriert zu werden (Bergmann/Ferid, Gambia S. 3). Einen solchen Antrag hat die Antragstellerin nicht gestellt bzw. dies nicht vorgetragen. Daher ist das auf die Scheidung anwendbare Sachrecht nicht nach Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB zu bestimmen.

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Einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten die Parteien ebenfalls nicht begründet, so dass auch eine Anknüpfung über Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB ausscheidet. Als gewöhnlicher Aufenthalt ist der Ort anzusehen, an m der Schwerpunkt der Bindungen einer Person in familiärer oder beruflicher Hinsicht, ihr Daseinsmittelpunkt liegt (BGH NJW 1993, 2047, 2048 [BGH 03.02.1993 - XII ZB 93/90]; Hohloch, Internationales Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht, 1998, Kap. 1 § 1 Rz. 60, 11 ff.). Einen solchen Daseinsmittelpunkt haben die Parteien in Gambia nicht begründet. Zwar reiste die Antragstellerin zur Heirat nach Gambia. Dort hielt sie sich nach eigenen Angaben jedoch nur kurze Zeit auf und verliess Gambia bereits im Juli 1995 wieder, ohne dass sie dort besondere persönliche oder berufliche Bindungen aufgebaut hätte.

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Nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB ist daher das Recht des Landes maßgeblich, mit dem beide Ehegatten auf andere Weise am engsten verbunden sind. Der Ort der Eheschließung allein ist für eine derartige Verbindung allein nicht ausreichend (MünchKomm-Siehr, 3. Aufl., Art. 14 Rz. 37; Staudinger-von Bar / Mankowski, 1996, Art. 14 Rz. 66). Es ist eine unfassende Würdigung der Gesamtumstände erforderlich (Palandt-Heldrich, 59 Aufl., Art. 14 Rz. 9, 10), wobei auf die Herkunft der Eheleute, die Zugehörigkeit zu derselben Religionsgemeinschaft, den gewöhnlichen Aufenthalt gemeinsamer Kinder (MünchKomm-Siehr, a.a.O. Art. 14 Rz. 37), die gemeinsamen sozialen Bindungen, Herkunft, Kultur Sprache oder berufliche Tätigkeit oder aber eine Fallgruppenbildung abzustellen ist (Staudinger, a.a.O. Art. 14 Rz. 67 ff., 71 ff.). Für die Fallgruppe der gemischtnationalen Ehe ohne gemeinsamen gewöhnliche Aufenthalt wird zu Recht darauf hingewiesen, dass diese für eine gelebte Lebensgemeinschaft eher atypisch sein werden. Möglich sei jedoch eine Anknüpfung an den Ort der Eheschliessung oder an den für eine gewisse Dauer gemeinsamen schlichten Aufenthalt (Staudinger - von Bar/Mankowski, a.a.o. Art. 14 Rz. 74, 79 zu anderen Fällen).

16

Aus dem Verlauf der Lebensgemeinschaft lassen sich vorliegend ebensowenig Anhaltspunkte herleiten wie aus den sozialen oder beruflichen Bindungen der Ehegatten an eine Staat. Die Kultur, Sprache oder berufliche Tätigkeit begründen ebenfalls keine enge Verbindung der Parteien zu einem Staat, da es auf die "gemeinsame engste" Verbundenheit ankommt.

17

Daher liesse sich auf die Planung der Parteien, gemeinsam ihre Zukunft in der Bundesrepublik zu verbringen abstellen. Diese Planung scheiterte nur daran, dass dem Antragsgegner keine Einreiseerlaubnis erteilt wurde und die Antragstellerin später das Visumsverfahren nicht mehr betrieb. Allerdings spricht dieser Umstand in weiter gehendem Umfang für die Anwendung deutschen Rechts als der Ort der Eheschliessung in Gambia für das Familienrecht von Gambia.

18

Darüber hinaus gelangt man zur Anwendung deutschen Rechts, da im Fall der Verweisung auf das Recht des Staates Gambia auch auf das fremde IPR verwiesen wird (zur Problematik des renvoi im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB Stuadinger - von Bar / Mankowski, Art. 14 Rz. 96 m.w.Nw.). Nach diesem erfolgt im anglo-amerikanischen Rechtskreis aufgrund der Anknüpfung an den Wohnsitz bzw. das Domizil eine Rückverweisung. vorliegend ergibt sich die verdeckte Rückverweisung daraus, dass das Recht des Staates Gambia hinsichtlich des internationalen Familienrechts dem englischen Recht folgt (Bergmann/Ferid, Gambia, S. 7; Breuer in: Rahm/Künkel, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, VIII Rz. 77, 80 (Gambia)). Daher ist das lex fori anzuwenden.

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Die Ehe der Parteien wird gemäß §§ 1564, 1565 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch geschieden, weil sie gescheitert ist. Das Scheitern der Ehe ergibt sich aus der Tatsache , daß die Parteien seit mehr als einem Jahr getrennt leben, daß sie nicht bereit sind, die eheliche Lebensgemeinschaft wieder aufzunehmen und eine echte, auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft zu keinem Zeitpunkt bestand.

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II. Versorgungsausgleich

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Beide Eheleute haben während der Ehe Versorgungsanwartschaften i.S. von § 1587a BGB in unbekannter Höhe erworben.

22

Auf den Versorgungsausgleich findet gemäss Art. 17 Abs. 3 Satz I EGBGB nach den voranstehenden Ausführungen zur Ehescheidung deutsches Recht Anwendung.

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Ein Versorgungsausgleich findet jedoch gemäß § 1587c Nr. 1 BGB ausnahmsweise nicht statt, weil die Inanspruchnahme des ausgleichsverpflichteten Ehegatten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Vermögensverhältnisse grob unbillig wäre.

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Die grobe Unbilligkeit ergibt sich aus wirtschaftlichen Gründen. Denn während der Ehe hat nach den glaubhaften Angaben der Antragstellerin eine echte Lebens- und Versorgungsgemeinschaft nicht bestanden.

25

Der Versorgungsausgleich war in Ausübung des freien richterlichen Ermessens insgesamt auszuschließen, da eine Herabsetzung des Ausgleichsanspruchs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere dem Grad der Unbilligkeit und der Dauer des ehelichen Zusammenlebens und der Trennung, nicht ausreichte.