Sozialgericht Braunschweig
Urt. v. 14.07.2020, Az.: S 15 SB 607/17
Einstufung der Höhe des Grades der Behinderung des Klägers (GdB) im Hinblick auf eine psychische Störung und körperliche Beschwerden
Bibliographie
- Gericht
- SG Braunschweig
- Datum
- 14.07.2020
- Aktenzeichen
- S 15 SB 607/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 72949
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGBRAUN:2020:0714.S15SB607.17.00
Rechtsgrundlagen
- § 152 Abs. 1 SGB IX
- § 2 VersMedV
In dem Rechtsstreit
B.
- Kläger -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt C.
gegen
Land Niedersachsen, D.
- Beklagter -
hat die 15. Kammer des Sozialgerichts Braunschweig auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2020 durch die Richterin am Sozialgericht E. sowie die ehrenamtlichen Richter F. und G. für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe des bei dem Kläger bestehenden Grades der Behinderung (GdB).
Der Kläger ist am H..1963 geboren. Mit Antrag vom 19.06.2017, eingegangen beim Beklagten am 28.06.2017, beantragte er erstmalig beim Beklagten die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft. Zur Begründung gab er an, dass er an einer posttraumatischen Belastungsstörung, Depressionen, einer Angsterkrankung mit Panikattacken, Schlafstörungen mit Alpträumen, Migräne, Reflux, einem Zustand nach Bandscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule, Herzstechen und Bluthochdruckleide.
Der Beklagte holte Befundberichte bei Dr. I. und Dr. J. ein. Mit Bescheid vom 15.09.2017 stellte der Beklagte beim Kläger einen GdB von 30 fest. Berücksichtigt wurde hierbei eine seelische Störung mit einem GdB von 20 sowie eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei Bandscheibenschäden und Schmerzstörung mit einem Einzel-GdB von 20.
Hiergegen wendete sich der Kläger mit Widerspruch vom 02.10.2017.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2017 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der am 27.12.2017 erhobenen Klage.
Er trägt vor, dass hier die Einstufung eines GdB von 70 angemessen sei. Er befinde sich in einer ambulanten psychiatrisch/psychotherapeutischen Behandlung bei Dr. K.. In der Zeit vom 01.05.2017 bis 08.05.2017 habe er eine intensive therapeutische Behandlung unter der Leitung des Herrn Dr. L. durchlaufen, welche mit den Bedingungen einer stationären Therapie vergleichbar gewesen sei. Während der intensive Therapien sei die Schwere und Chronifizierung der multiplen Erkrankungen, insbesondere der posttraumatischen Belastungsstörung, der Angststörung mit Panikattacken und der Depression deutlich geworden. Dem fachärztlichen Bericht des Dr. L. vom 19.06.2017 sei zu entnehmen, dass der Kläger unter einer posttraumatischen Belastungsstörung nach schweren Verbrennungen in der Kindheit und Mobbing leide. Darüber hinaus leide er unter Depressionen, Angstattacken, Migräne, Ein- und Durchschlafstörungen mit Albträumen, einer Wirbelsäulenerkrankung und chronischen Schmerzen. Herr Dr. L. habe eine schlechte Prognose hinsichtlich der multiplen Erkrankungen gestellt. In der Zeit vom 21.06.2017 bis 12.07.2017 sei der Kläger in einer psychosomatischen und orthopädischen Klinik behandelt worden. Die Entlassung dort sei arbeitsunfähig erfolgt. Im Juli 2016 sei bei dem Kläger eine beginnende degenerative Veränderung der Lendenwirbelsäule mit Osteochondrose und beidseitiger Facettengelenksarthrose diagnostiziert worden. Darüber hinaus sei linksseitig eine Bandscheibenprotusion mit mäßiggradiger Einengung des linken Neuroforamens und möglicher Tangierung der linken Nervenwurzel L4 festgestellt worden. Hinsichtlich der schweren Depressionen und der schweren Angsterkrankung fänden weiterhin therapeutische Sitzungen bei Dr. L. statt. Zusammenfassend lasse sich nunmehr darstellen, dass der Kläger keinesfalls mit einem GdB von 30 zu bewerten sei, sondern aufgrund der Vielzahl von Beeinträchtigungen in psychischer und körperlicher Hinsicht mindestens mit einem GdB von 70.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 15.09.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2017 aufzuheben und den Grad der Behinderung von 70 anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine Ausführungen im angefochtenen Bescheid sowie im Widerspruchsbescheid. Ergänzend führt er aus, dass das Gutachten von Dr. M. und die ärztlichen Stellungnahmen des behandelnden Psychiaters Dr. L. den klägerischen Anspruch nicht stützen könnten, da diesen fachlich nicht gefolgt werden könne.
Das Gericht hat Befundberichte bei Dr. N. (Allgemeinmediziner), Dr. K. (Neurologe/Psychiater), Dr. O. (Urologe) und P. (Orthopäde/Chirurg) eingeholt. Weiter wurde Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens auf orthopädischem und auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Als Gutachter wurden Dr. Q. und R. bestellt.
Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme, der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, des Vorbringens der Beteiligten und der vorliegenden Befundberichte wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 15.09.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB in Höhe von mehr als 30.
Rechtsgrundlage für den von dem Kläger erhobenen Anspruch auf Feststellung eines Gesamt-GdB von 70 ist § 152 Abs. 1 und Abs. 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX). Nach § 152 Abs. 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Regelung knüpft materiell-rechtlich an den in § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
Als Anlage zu § 2 VersMedV sind zudem "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (AnlVersMedV) erlassen worden, in denen u.a. die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) i.S.d. § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden sind und die die sog "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) abgelöst haben.
Die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" sind auch für die Feststellung des GdB maßgebend, weil beide Begriffe - insoweit übereinstimmend - ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens bilden (vgl. Teil A Nr. 2 AnlVersMedV). Die zum 01. Januar 2009 in Kraft getretene AnlVersMedV stellt ihrem Inhalt nach ein antizipiertes Sachverständigengutachten dar.
Soweit der streitigen Bemessung des GdB die GdS-Tabelle der AnlVersMedV (Teil A) zugrunde zu legen ist, gilt Folgendes: Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil B, Nr. 1) sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Teil A, Nr. 2 e AnlVersMedV genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sekretion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen dabei den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a AnlVersMedV).
Die bei dem Kläger vorliegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen bedingen unter Berücksichtigung der genannten Maßstäbe nach Ansicht der Kammer keine Höherbewertung des GdB als 30. Das Gericht folgt zur Begründung diesbezüglich u.a. den nachvollziehbaren und schlüssigen Feststellungen des Gutachters R. vom 20.11.2019 sowie zumindest hinsichtlich der orthopädischen Leiden des Gutachters Dr. Q. vom 24.11.2018.
Als "Hauptbehinderung" liegt bei dem Kläger eine psychische Störung vor. Diese ist gem. Ziff. 3.7 Teil B der Anlage zu § 2 der VersMedV mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Ausweislich des Gutachtens von R. besteht bei dem Kläger ein anhaltendes depressives Syndrom und eine Dysthymie. Das Ausmaß der psychischen Beeinträchtigungen des Klägers ist schwer zu beurteilen aufgrund der vom Gutachter beschriebenen ausgeprägten Aggravationtendenz und mangelnden Kooperation. Soweit nachvollziehbar, handelt es sich um leichte bis mittelgradige Beeinträchtigungen, wobei zu berücksichtigen ist, dass adäquate Behandlungsmaßnahmen nicht stattfinden, weil sie von dem Kläger verweigert werden. Keine Übereinstimmung besteht dahingehend, dass Dr. M. (da für ihn fachfremd) die diagnostischen Einschätzungen von Dr. L. übernommen hat, wenn er auch dessen GdB-Einstufung nicht teilen mochte. Der von ihm fachfremd eingeschätzte GdB von 30 für die psychischen Beeinträchtigungen ist nicht nachvollziehbar und nicht zu bestätigen und dürfte darauf zurückzuführen sein, dass Dr. M. mit den Befundberichten des Dr. L. aus Hannover nicht vertraut gewesen ist. Die in den verschiedenen Stellungnahmen, Attesten und Berichten von Dr. L. bei dem Kläger gestellten Diagnosen sind überwiegend nicht nachvollziehbar bzw. nicht zu bestätigen. Insbesondere betrifft dies die von ihm in einigen (nicht allen) seiner Berichte aufgeführte posttraumatische Belastungsstörung. An die Verbrühungen (nicht Verbrennungen) im Kindesalter kann sich der Kläger nicht erinnern. Allein das Vermeiden von Teezubereitungsapparaten, in denen das Wasser vor sich hin kocht, kann diese Diagnose nicht begründen. Eine Mobbingsituation am Arbeitsplatz ist nicht eruierbar. Die Tatsache, dass der Kläger Konflikte am Arbeitsplatz hatte und verschiedene Abmahnung erhalten hat, die aus seiner Sicht sämtlichst unbegründet seien und "auf Lappalien beruht hätten", stellt weder eine Mobbing-Situation dar, noch kann sie eine posttraumatische Belastungsstörung begründen. Hinzu kommt, dass von dem Kläger weder aktenkundig irgendwann, noch dem Gutachter gegenüber irgendwelche spezifischen Symptome geschildert wurden, die die Diagnose einer PTBS begründen könnten. Wie bereits in der Diskussion der Aktenlage durch den Gutachter kritisch vermerkt, führt Dr. L. auch keine spezifischen Symptome des Klägers auf, sondern macht nur allgemeine, katalogartig den jeweiligen Diagnosekategorien entnommene Angaben dazu, welche Symptome bei einer PTBS auftreten könnten, ohne einen Zusammenhang zu tatsächlich angegeben und festgestellten Symptomen des Klägers herzustellen und die Diagnosestellung damit in irgendeiner Weise plausibel zu machen. Eine schwere depressive Episode ist ebenfalls nicht feststellbar, schon deshalb nicht, weil der Kläger eine offenkundige Aggravationsneigung an den Tag legt. So sind auch keinerlei körperliche Vernachlässigung- und Verwahrlosungstendenzen erkennbar, die üblicherweise im Rahmen einer schweren depressiven Symptomatik und fehlender Alltagskompetenz auftreten. Chronifizierte Ängste, Panikattacken, Klaustrophobie und Zwangssymptome werden von dem Kläger nicht beschrieben. Ebenso wenig lässt sich eine Migräne objektivieren. Vielmehr dürfte es sich bei den Kopfschmerzen um einen Spannungskopfschmerz handeln, die häufigste Kopfschmerzart, die einen Großteil der Bevölkerung betrifft und die ebenfalls bislang nicht fachspezifisch behandelt wurde. Zusammenfassend sind weder die psychiatrischen Diagnosen des Dr. L. noch der von ihm attestierte Schweregrad der Beeinträchtigung nachvollziehbar. Eigene Feststellungen im Termin konnte die Kammer nicht treffen, da der Kläger die ihm gestellten Fragen schlicht nicht beantwortet hat. Die Kammer konnte weder herausbekommen, wie oft der Kläger bei Dr. L. in Behandlung war, was im Rahmen der Therapie konkret gemacht wurde und ob Medikamente verordnet wurden. Dasselbe gilt für die nun offenbar begonnene Therapie im AWO Psychiatriezentrum durch Dr. S.. Dem vom Kläger übersandten Arztbrief von Dr. S. vom 14.05.2020 konnte die Kammer keine weiteren Informationen entnehmen, die den klägerischen Anspruch hätten stützen können. Die darin aufgeführten Diagnosen fußen offenbar ausschließlich auf den Befunden von Dr. L. und den Angaben des Klägers.
Die Funktionseinschränkung der Wirbelsäule ist mit einem Einzel-GdB von 20 (Ziff. 18.9 Teil B der Anlage zu § 2 der VersMedV) zu bewerten und wirkt sich insgesamt erhöhend auf den Gesamt-GdB aus. Ausweislich des Gutachtens von Dr. M. bestehen im Zusammenhang mit den zur Lendenwirbelsäule mitgeteilten klinischen Befunden in Übereinstimmung mit dem MRT-Befund bereits mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt. Die von dem Kläger im unteren Rückenanteil angegebenen Beschwerden lassen sich nicht in vollem Umfang durch entsprechende Befunde verifizieren. Zum Beispiel hat sich zwar bei der Inklination des Rumpfes ein erheblich verlängerter Fingerspitzen-Fußboden-Abstand ergeben, der dann bei Überprüfung des Langsitzes auf der Untersuchungsliege deutlich relativiert werden konnte. Außerdem waren die lokalen Bewegungsbefunde im Bereich der Lendenwirbelsäule sowohl bei der grob orientierenden als auch bestätigt bei der segmentalen Untersuchung nicht wesentlich von der Altersnorm abweichend. Im Zusammenhang mit einer Irritation des rechten Kreuzdarmbeingelenkes ohne echte Blockierung und Vorlaufphänomen, sind die Schmerzen bei der Rechtsneigung und Drehung glaubhaft. Für die Schmerzen verantwortlich zu machen waren vor allen Dingen bei extremer Stammadipositas und damit vermehrter Beckenkippung eine dezente Hyperlordose mit Facettendegenerationen L4/L5, stärker L5/S1 sowie der beschriebenen Bandscheibendegeneration mit Hinweisen auf eine Lockerung im letzten Lumbalsegment vor allen Dingen auch eine deutliche dorsoventrale muskuläre Dysbalance mit para-lumbalem Hartspann. Bei der neurologischen Prüfung ergaben sich mit einiger Demonstration ein Lasèguesches Zeichen bei 70° rechts ohne Lasègue bei 80° links und ohne Bragardsches Zeichen beiderseits. Es waren die Achillessehnenreflexe seitenidentisch deutlich abgeschwächt, aber keine echten sensiblen oder motorischen Störungen zu beweisen.
Die Kniebeschwerden links sind mit keinem Einzel-GdB (Ziff. 18.14 Teil B der Anlage zu § 2 der VersMedV) zu bewerten. Ausweislich des Gutachtens von Dr. M. ergab sich beim Kläger bei völlig unauffälligem rechten Knie seitendifferent eine ganz endgradige Einschränkung der Schmerzen wegen in der Beugung und ohne Instabilität der Seiten- und Kreuzbänder und bei freier Streckung im Zusammenhang mit der Bewegungsprüfung Hinweise für eine Degeneration des Innenmeniskus mit typischen Meniskuszeichen. Anders als rechts wurde links ohne Fehlstellung der Kniescheibe, ohne Lateralisation beim Beugen und ohne Einschränkung beim Längs- und Querverschieben Schmerzen mit dieser Bewegung verbunden angegeben, ohne dass ein echtes retropatellares Reiben objektivierbar war. Die Beeinträchtigung der Kniegelenke sind der Korrektheit halber zusammengefasst mitgeteilt worden, stellen für den Kläger subjektiv aber noch keine nennenswerte Behinderung dar, sodass sich daraus noch kein GdB ergibt. Es wurden zwar Funktion- und Belastungsschmerzen geäußert und es ergaben sich Hinweise für eine latente Meniskusdegeneration innen und eine initiale, retropatellare Chondropathie, die aber unter Berücksichtigung der Bemessungskriterien noch nicht ausreichen, um ein Einzel-GdB mit 10 festzustellen.
Weitere Funktionsbeeinträchtigungen, die einen messbaren GdB bedingen, liegen bei dem Kläger nicht vor. Dies gilt insbesondere für die geltend gemachten Spannungskopfschmerzen. Ausweislich des Gutachtens von R. besteht der episodische Spannungskopfschmerz im alltagsüblichen Bereich, ist medikamentös kupierbar und bislang nicht fachspezifisch behandelt. Ihm ist kein Einzel-GdB zuzuordnen. Damit verbleibt es insgesamt bei einem Gesamt-GdB von 30.
Bei der erforderlichen Prüfung einer etwaigen Höherbemessung des GdB durch hinzutretende Funktionsstörungen sind nach Teil A Nr. 3 Absatz d) der Anlage die wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen zueinander zu berücksichtigen. Allerdings trifft die genannte Regelung keine Aussage darüber, in welcher Weise und mit welchem Ergebnis die im Einzelnen genannten Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen sind. Insoweit geht die geäußerte Auffassung fehl, allein deshalb sei eine Addition der Teil-GdB-Werte vorzunehmen, weil die Gesundheitsstörungen von ihren Auswirkungen einander überhaupt nicht überschnitten.
Wenn auch festzuhalten ist, dass durch das Hinzutreten der hier zu beurteilenden weiteren Funktionsbeeinträchtigungen insgesamt eine Zunahme der Beeinträchtigung stattfindet, so ist damit nicht zugleich gesagt, dass auch eine Höherbemessung des GdB angezeigt ist. In diesem Zusammenhang ist die in Teil A Nr. 3 Absatz e) Buchstabe ee) der Anlage enthaltene Regelung zu berücksichtigen, wonach das Hinzutreten eines Teil-GdB von 10 nur in Ausnahmefällen beachtlich ist und das Hinzutreten eines Teil-GdB von 20 vielfach unbeachtlich ist.
Hintergrund dieser Regelung ist die Erkenntnis, dass wegen § 69 Abs. 1 Nr. 5 SGB IX i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG ein Gesamt-GdB von mehr als 100 nicht festgestellt werden kann. Dies gilt selbst für den theoretischen Fall, dass für jedes der nach Teil A Nr. 2 Buchst. e) der Anlage zu berücksichtigenden 14 Funktionssysteme ein Teil-GdB von 100 anzusetzen wäre. Zweifelsfrei sind gegenüber diesem gedachten Fall die Funktionsstörungen bei einem behinderten Menschen geringer, bei dem "nur" 14 Einzel-GdB von 50 vorliegen. Diesem gegenüber sind die Funktionsstörungen bei einem behinderten Menschen mit 14 Einzel-GdB von 30 noch weniger bedeutsam.
Das macht deutlich, dass für die Bildung des Gesamt-GdB jegliche rechnerischen Überlegungen unbrauchbar sind. Zugleich wird daraus in Verbindung mit dem Grundsatz aus Teil A Nr. 3 Absatz e) Buchstabe ee) der Anlage klar, dass es zur Wahrung des verfassungsrechtlichen Gebotes der Gleichbehandlung (Art. 3 GG, vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 30. September 2009, Az.: B 9 SB 4/08 R, SozR 4-3250 § 69 Nr. 10) angezeigt erscheint, eine etwaige Erhöhung eines Ausgangs-GdB durch eine hinzutretende weitere Funktionsstörung außer von dem Ausmaß der Überschneidung auch von dem Ausmaß des Ausgangs-GdB und von dem Ausmaß des hinzutretenden GdB abhängig zu machen. Dies hat im Grundsatz in der Weise zu erfolgen, dass bei einem niedrigen Ausgangs-GdB bereits ein niedriger hinzutretender GdB zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB führen kann, bei einem höheren Ausgangs-GdB aber nur ein höherer hinzutretender GdB.
Da der höchste Einzel-GdB hier 20 beträgt und der hinzutretende Einzel-GdB bei 20 liegt, ist entsprechend der oben genannten Grundsätze ein Gesamt-GdB von 30 zutreffend.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.