Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 15.08.2024, Az.: 10 A 1019/21
Eigennutzungsausschluss; Kapitalanlage; Renovierungsarbeiten; Überregionale Agentur; Zweitwohnungsteuer
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 15.08.2024
- Aktenzeichen
- 10 A 1019/21
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2024, 24664
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2024:0815.10A1019.21.00
Amtlicher Leitsatz
Für das Vorliegen eines Vermittlungsvertrages mit einer überregionalen Agentur kommt es nach Auffassung der Kammer weniger darauf an, ob bzw. dass ein Vermittler ortsübergreifend oder gar deutschlandweit tätig ist. Vielmehr kommt es darauf an, dass zwischen dem Vermittler und dem Steuerpflichtigen kein Näheverhältnis in Form einer persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit besteht.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung der Zweitwohnungsteuer für den Zeitraum 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2021.
Sie lebt mit Erstwohnsitz in K. und ist seit dem 1. Januar 2019 Eigentümerin eines Einfamilienhauses (L.) im Stadtgebiet der Beklagten.
Unter dem 28. Februar 2019 teilte die Klägerin der Beklagten mit, die Wohnung werde ab April 2019 an Feriengäste vermietet. Hierzu fügte sie eine Kopie eines Vermittlungsvertrages vom 25. Januar 2019 (Vertragsbeginn 1. Januar 2019) mit Herrn M. unter der Firma N. bei. Mit Schreiben vom 15. Juni 2019 übersandte die Klägerin eine nachträgliche, nicht datierte Zusatzvereinbarung zum o.g. Vermittlungsvertrag. Darin heißt es:
"Eine Eigennutzung der Ferienimmobilie ist für die Eigentümerin ab dem 1. März 2019 ausgeschlossen."
U.a. mit Schreiben vom 27. Oktober 2020 wandte sich die Beklagte an die Klägerin und teilte mit, sie - die Klägerin - habe das AVS Tourismus System (elektronisches Abrechnungssystem der Beklagten als individuelle Weiterentwicklung auf dem von der AVS Abrechnungs- und Verwaltungs-Systeme GmbH entwickelten sogenannten "AVS-Meldeschein"-Systems (https://buscux.mpa-web.de/upload/m856_Leitfaden%20AVS%20-%20f%C3%BCr%20neue%20Nutzer%20-%20Stand%2002-2024.pdf)) aktiv benutzt, wohingegen der Zugang ihres Vermittlers N. mangels Nutzung gesperrt worden sei. Über dieses System habe sie sich für den Zeitraum 30. Mai 2020 bis zum 1. Juni 2020 selber eine Übernachtungsgästekarte ausgestellt.
Mit E-Mail vom 4. November 2020 sowie anwaltlichem Schreiben vom 29. Januar 2021 trat die Klägerin dem Schreiben der Beklagten entgegen. In der Zeit vom 30. Mai 2020 bis 1. Juni 2020 seien Reparaturarbeiten durchgeführt worden. Eine Eigennutzung sei in den Jahren 2019 und 2020 nicht erfolgt. Das Objekt diene als reine Kapitalanlage.
Mit Schreiben vom 30. April 2021 gab die Beklagte der Klägerin vor dem Hintergrund der beabsichtigten Festsetzung von Zweitwohnungsteuern Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Klägerin habe sich - ausweislich des AVS Tourismus Systems - vom 1. August 2020 bis zum 14. August 2020 (erneut) in der streitgegenständlichen Wohnung aufgehalten und für sich sowie eine Begleitperson Übernachtungsgästekarten ausgestellt.
Mit E-Mail vom 19. Mai 2021 teilte die Klägerin mit, sie habe zu keinem Zeitpunkt eigenständig Gästekarten ausgestellt. Das Haus stehe ganzjährig zur Buchung bereit. Den geleisteten und selbst erfassten Gästebeitrag für 2020 habe sie in Zeiten des Lockdowns für freundlich und unterstützend gehalten. Unverständlich sei, dass ihr dies nun als Eigennutzung unterstellt werde. In dem von der Klägerin beigefügten Fragebogen "Angaben zur Zweitwohnung in O." gab sie an, sich in der Wohnung maximal 10-15 Tage im Jahr zu Reinigungs- und/oder Renovierungszwecken aufzuhalten.
Mit anwaltlichen Schreiben vom 15. Juni 2021 reichte die Klägerin eine Bestätigung des Vermietungsvermittlers N. vom 15. Juni 2021 ein. Darin heißt es:
"hiermit möchte ich nach allen Zweifeln der Stadt O. darauf Hinweisen [sic!], dass wir als N. das Ferienhaus von der Frau P. in unserem Namen zur Ferienvermietung vermarkten. Das Haus wurde uns vollständig zu [sic!] Vermietung übergeben. Wir planen und organisieren sämtliche Aufenthalte aller Gäste, den Check in und Check out, die Abrechnung, die Erstellung der Gästekarten sowie die Abführung der Bettsteuer [sic!]. Frau P. ist keine Nutzerin des Hauses und kann nur nach vorheriger Absprache den Aufenthalt zu Wartungen oder Instandsetzungen antreten."
Mit Bescheid vom 21. Juli 2021 setzte die Beklagte für die Ferienimmobilie der Klägerin Zweitwohnungsteuer wie folgt fest:
Jahr Betrag 2019 4.192,52€ 2020 4.192,52€ 2021 4.192,52€ 12.577,56€
Hiergegen hat die Klägerin am 23. August 2021 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Kaltmiete für das Objekt belaufe sich lediglich auf 1.540,00€ und nicht - wie von der Beklagten fälschlicherweise angenommen - auf 2.495,55€. Dies ergebe sich aus der beigefügten Expertise des Immobilienmaklers Q. vom 3. November 2021.
Die Klägerin beantragt,
Der Bescheid über die Zweitwohnungsteuer und Jahresgästebeitrag, Kassenzeichen 11038452, Objektbezeichnung: R., Objekt-Nr. S., vom 21. Juli 2021 wird aufgehoben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt der Klage entgegen: Es genüge nicht, dass die Klägerin ihrer Schätzung der Nettokaltmiete ein anders Ergebnis - nämlich eine Kaltmiete i.H.v. 1540,00€ - entgegenhalte. Insoweit werde auf den Beschluss des VGH München vom 4. März 2021 (- 4 ZB 20.2 46) sowie einen Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Oktober 2021 (- 9 ME 146/21) verwiesen. Die Klägerin lege nicht im Ansatz dar, welche Überlegungen der durchaus komplexen Schätzung des Mietwerts nicht sachgerecht gewesen sein sollten.
Am 15. Mai 2024 hat die mündliche Verhandlung stattgefunden. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage, über die das Gericht im Einverständnis der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)), hat keinen Erfolg.
Der Bescheid vom 21. Juli 2021 ist rechtswidrig, verletzt die Klägerin jedoch nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
I.
Rechtsgrundlage für die in dem Bescheid festgesetzte Zweiwohnungsteuer im Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2021 ist die rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft getretene Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in der Stadt O. vom 5. Dezember 2019 (ZwStS 2019) i.V.m. § 2 Abs. 1, 3 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG).
Zweifel hinsichtlich der Wirksamkeit der Satzung bestehen nicht und werden auch von der Klägerin nicht geltend gemacht (vgl. Nds. OVG, Urteile v. 19.04.2023 - 9 LB 7/23, 9 LB 170/21 sowie 9 LB 189/20 -, juris Rn. 64f.).
Ausgehend von dieser Satzungsgrundlage hat die Beklagte die Klägerin für den Zeitraum 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2021 zu Recht zur Zweitwohnungsteuer in Höhe von insgesamt 12.577,56 € herangezogen.
Die Klägerin ist zweitwohnungsteuerpflichtig. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS 2019 ist Steuerschuldner, wer im Stadtgebiet eine Zweitwohnung innehat. Dies tritt auf die Klägerin zu. Sie, die ihren Erstwohnsitz in K. hat, ist Eigentümerin des Hauses L. im Gebiet der Beklagten.
Die Wohnung stellt nicht eine reine Kapitalanlage dar, sondern die Klägerin hält die Wohnung zu Zwecken der eignen persönlichen Lebensführung vor, § 2 Abs. 1 Satz 1 ZwStS 2019. Danach ist Gegenstand der Steuer das Innehaben jeder Wohnung im Stadtgebiet, über die jemand neben seiner Hauptwohnung zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs verfügen kann.
Die Zeitwohnungsteuer ist eine Steuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung des Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt. Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein Zustand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Das nach dem Aufwandsbegriff im Sinne des Art. 105 Abs. 2 a GG gebotene Innehaben einer weiteren Wohnung für die persönliche Lebensführung setzt eine dahingehende Bestimmung des Verwendungszwecks der Zweitwohnung voraus. Demzufolge liegt eine steuerbare Zweitwohnung dann nicht vor, wenn sie nach dem subjektiven Verwendungszweck nicht der persönlichen Lebensführung dient, sondern der reinen Geld- oder Vermögensanlage in der Form des Immobiliarbesitzes. Für die im Ausgangspunkt subjektive Bestimmung des Verwendungszwecks der Zweitwohnung ist nicht die - unüberprüfbare - innere Absicht des Zweiwohnungsinhabers maßgeblich, sondern dass diese innere Tatsache nur auf der Grundlage objektiver, nach außen in Erscheinung tretender, verfestigter und von Dritten nachprüfbarer Umstände im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen ist (BVerwG, Urt. v. 15.10.2014 - 9 C 5.13 -, juris Rn. 12; Nds. OVG Urt. v. 19.04.2023 - 9 LB 189/20 -, juris Rn. 111).
Die Gemeinde darf an das Innehaben einer Zweitwohnung bei bestehendem Nutzungsrecht und der offen gehaltenen Nutzungsmöglichkeit grundsätzlich zunächst die Vermutung knüpfen, dass die Wohnung zumindest auch für Zwecke der persönlichen Lebensführung vorgehalten wird. Es ist gerade der Leerstand der Zweitwohnung trotz rechtlich bestehender Nutzungsmöglichkeit, der in der Regel auf die der Besteuerung zugrundeliegende Leistungsfähigkeit des Wohnungsinhabers schließen lässt. Dies gilt, solange der Zweitwohnungsinhaber keine objektiven Umstände vorträgt, die diese Vermutung erschüttern. Hierfür genügt einerseits nicht die bloße Behauptung, die Zweitwohnung nicht zu nutzen und auch künftig nicht zum Wohnen nutzen zu wollen. Andererseits steht der fehlende vertragliche Ausschluss einer objektiven Eigennutzungsmöglichkeit allein der Annahme einer reinen Kapitalanlage nicht entgegen. Auch in einem solchen Fall muss dem Wohnungsinhaber der Nachweis gestattet sein, dass seine Wohnung entgegen einer möglicherweise zunächst begründeten Vermutung nicht der persönlichen Lebensführung dient. Dieser Nachweis kann nicht nur dadurch geführt werden, dass die Wohnung mehr oder weniger regelmäßig vermietet wird. Die Kapitalanlageabsicht kann sich auch aus anderen Umständen ergeben. Es kommt deshalb auf eine umfassende Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalles an (BVerwG, Urt. v. 15.10.2014 - 9 C 5.13 -, juris Rn. 13; Nds. OVG Urt. v. 19.04.2023 - 9 LB 189/20 -, juris Rn. 112).
Die steuererhebende Gemeinde kann demnach von der tatsächlichen Vermutung der Vorhaltung einer Zweitwohnung (auch) für Zwecke der persönlichen Lebensführung ausgehen, solange der Zweitwohnungsinhaber keine Umstände vorträgt, die - wie etwa die Lage der Hauptwohnung innerhalb desselben Feriengebiets, der Abschluss eines Dauermietvertrags, die Übertragung der Vermietung an eine überregionale Agentur unter Ausschluss der Eigennutzung sowie unter Nachweis ganzjähriger Vermietungsbemühungen usw. - diese tatsächliche Vermutung erschüttern. Erhobene Einwände kann die Gemeinde ihrerseits gegebenenfalls entkräften und dadurch die ursprüngliche tatsächliche Vermutung zugunsten des Steuertatbestandes wiederherstellen (BVerwG, Urt. v. 10.10.1995 - 8 C 40.93 -, juris Rn. 12; Nds. OVG, Beschl. v. 14.05.2014 - 9 ME 230/13 -, juris Rn. 14).
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Möglichkeit zur Eigennutzung einer Zweitwohnung vertraglich ausgeschlossen ist, muss auf den Wortlaut und den Inhalt bestehender Verträge abgestellt und von deren Einhaltung ausgegangen werden, sofern dem nicht konkrete Anhaltspunkte entgegenstehen. Dabei genügt nicht schon jeder formal-vertragliche Ausschluss der Verfügungsbefugnis über die Zweitwohnung. Erforderlich ist vielmehr ein Vertrag, der die Verfügungsbefugnis des Inhabers der Zweitwohnung mit der Folge wirksam ausschließt, dass er nicht mehr über die rechtliche Möglichkeit verfügt, während des Veranlagungszeitraums eine Eigennutzung vorzunehmen bzw. sie Dritten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen (Nds. OVG, Beschl. v. 14.05.2014 - 9 ME 230/13 -, juris Rn. 15 m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin die im Ausgangspunkt bestehende tatsächliche Vermutung, die Zweitwohnung werde auch für die private Lebensführung vorgehalten, durch den Vermittlungsvertrag mit Herrn T. unter der Firma N. vom 25. Januar 2019 bzw. die hierzu abgeschlossene Zusatzvereinbarung nicht erschüttert.
Für das Jahr 2019 ergibt sich dies bereits aus dem Umstand, dass nach der nicht näher datierten Zusatzvereinbarung zum Vermittlungsvertrag eine Eigennutzung der Ferienimmobilie für die Klägerin erst ab dem 1. März 2019 ausgeschlossen wurde. Insoweit hatte die Klägerin - unstreitig - in der Zeit vom 1. Januar 2019 bis zum 28. Februar 2019 die uneingeschränkte Möglichkeit zur Eigennutzung der Ferienimmobilie. Die Vermietungen an Feriengäste wurde zudem erst ab April 2019 aufgenommen (Bl. 138 der Verwaltungsakte). Die Zusatzvereinbarung wurde erst am 15. Juni 2019 versandt und ist am 18. Juli 2019 zur Akte gelangt.
Auch im Übrigen hatte die Klägerin die Möglichkeit, ihre Ferienimmobilie im Veranlagungszeitraum selbst zu nutzen. Der vorgelegte Vermietungsvertrag vom 25. Januar 2019 bzw. die nicht datierte Zusatzvereinbarung schließen eine Eigennutzung der Klägerin nicht aus.
Nach dem in der Zusatzvereinbarung formulierten Eigennutzungsausschluss ist jede Form der Eigennutzung ausgeschlossen. Läge demnach ein wirksamer vertraglicher Eigennutzungsausschluss vor, so sind grundsätzlich alle Nutzungen des Eigentümers oder von ihm gewährte Nutzungen geeignet, Zweifel daran zu begründen, ob der Ausschluss auch wirklich angewandt, also "gelebt" wird. Davon sind auch Aufenthalte, die ansonsten "zweitwohnungsteuerunschädlich" wären, also etwa zu Renovierungszwecken, erfasst (VG Stade, Urt. v. 27.11.2017 - 10 A 2079/16 -; Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschl. v. 17.03.2017 - 2 B 8/17 -, juris Rn. 19). So liegt hier der Fall. Die Klägerin gibt auf dem von ihr ausgefüllten Fragebogen selbst an, sich im Jahr 10 bis 15 Tage für Renovierungs-/Reinigungsarbeiten in der Wohnung aufzuhalten (Bl. 72 der Verwaltungsakte: 30 Tage im Jahr 2019; Bl. 88 der Verwaltungsakte: 20 Tage im Jahr 2019). Auch der Vermittler der Klägerin hat in seinem Schreiben vom 15. Juni 2021 bestätigt, dass es der Klägerin - entgegen des formalen Eigennutzungsausschlusses - nach vorheriger Absprache möglich sei, den Aufenthalt zu Wartungen oder Instandsetzungen anzutreten. Tatsächlich hat sich die Klägerin insoweit auch vom 30. Mai 2020 bis zum 1. Juni 2020 (Pfingsten) und vom 1. August 2020 bis zum 14. August 2020 - unstreitig - in der Ferienwohnung aufgehalten und war sie zum einen in der Begleitung des Herrn U.. Es ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, warum der Aufenthalt des Herrn V. in der Wohnung erforderlich war. In der Zeit vom 1. August 2020 bis zum 14. August 2020 war die Klägerin zudem nur in Begleitung des - ein Übernachtungsentgelte entrichtenden - Herrn V. vor Ort (Bl. 125 der Verwaltungsakte). Es ist zudem nicht ersichtlich, welchen Nutzungszweck die Sauna hatte, die dauerhaft nicht mitvermietet wurde (Bl. 133 der Verwaltungsakte).
Zwar dient die Durchführung von Renovierungsarbeiten nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urt. v. 19.04.2023 - 9 LB 7/23 -) der Erhaltung beziehungsweise der Verwaltung der Zweitwohnung und ist damit der Einkommenserzielung zuzuordnen. Es kann nicht unwiderleglich vermutet werden, dass der Wohnungsinhaber bei einem mehrtägigen Aufenthalt in der Zweitwohnung stets konsumtive Zwecke zum Beispiel der Erholungssuche verfolgt. Ihm ist vielmehr auch in diesem Fall von Verfassungs wegen die Möglichkeit eröffnet, diese Vermutung zu erschüttern, etwa indem er in geeigneter Weise belegt, dass sein Aufenthalt in der Zweitwohnung sich auf das zur Durchführung der Renovierungsarbeiten oder zur Teilnahme einer Eigentümerversammlung Notwendige beschränkt hat und er sich ansonsten eine andere Unterkunft hätte suchen müssen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.12.2008 - 9 C 16.07 - juris Rn. 15).
Dies berücksichtigend hat die Klägerin schon nicht belegt, dass in dem Veranlagungszeitraum tatsächlich Renovierungsarbeiten durchgeführt worden wären. Sie hat insbesondere keine Angaben darüber gemacht, in welchem Zustand sich die Wohnung in den Veranlagungsjahren befunden hat und welche konkreten Renovierungsarbeiten vorgenommen worden sind, um die Vermietbarkeit der Wohnung zu erhalten oder zu verbessern (s. auch Nds. OVG, Urt. v. 19.04.2023 - 9 LB 189/20 -, juris Rn. 128).
Zudem hat die Klägerin den Vortrag der Beklagten nicht substantiiert widerlegt, dass nur von ihrem AVS-Meldeschein-Konto (16004093) Gästemeldungen vorgenommen werden konnten, da das Objekt für Herrn T. gesperrt war und nie genutzt wurde. Dies steht im Widerspruch zu den vertraglichen Verpflichtungen zwischen der Klägerin und Herrn T..
Im Übrigen wurde der streitgegenständliche Vermittlungsvertrag nicht mit einer überregionalen Agentur abgeschlossen. Nach der Rechtsprechung ist - wie dargestellt - erforderlich, dass die Übertragung der Vermietung an eine überregionale Agentur unter Ausschluss der Eigennutzung sowie unter Nachweis ganzjähriger Vermittlungsbemühungen erfolgt, um die Vermutung, die Zweitwohnung werde auch für private Lebensführung vorgehalten, zu erschüttern (BVerwG, Urt. v. 10.10.1995 - 8 C 40.93 -, juris Rn. 12; Nds. OVG, Beschl. v. 25.01.2008 - 9 ME 322/07 -, juris Rn. 7). Dabei folgt das von der Rechtsprechung entwickelte Merkmal der Überregionalität aus Ziffer 2.2.1 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen vom 4. Mai 1994 - IV B S 2253 - 34/94 zur steuerlichen Behandlung von Ferienwohnungen (NJW 1994, 2339). Danach ist ein ausschließliches Bereithalten zur Vermietung anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die Entscheidung über die Vermietung der Ferienwohnung während des Zeitraums, in dem er die Wohnung selbst nicht nutzt oder unentgeltlich überlässt, einem ihm nicht nahestehenden Vermittler (z.B. einem überregionalen Reiseveranstalter) überträgt und eine Eigennutzung vertraglich ausschließt. Nach Auffassung der Kammer kommt es insoweit weniger darauf an, ob bzw. dass ein Vermittler ortsübergreifend oder gar deutschlandweit tätig ist. Vielmehr ist maßgeblich, dass zwischen dem Vermittler und dem Steuerpflichtigen kein Näheverhältnis in Form einer persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit besteht. Eine persönliche Abhängigkeit kann dabei aus privaten (z.B. verwandtschaftliches oder freundschaftliches Verhältnis) oder beruflichen Beziehungen resultieren. Dagegen kann sich eine wirtschaftliche Abhängigkeit u.a. daraus ergeben, dass der Vermittler nur über einen kleinen Kundenstamm bzw. ein kleines Portfolio an Ferienwohnungen vor Ort verfügt und daher die Einnahmen aus dem in Rede stehenden Vermittlungsvertrag mit dem Steuerpflichtigen prozentual einen erheblichen Anteil des Umsatzes des Vermittlers ausmachen. Denn in derartigen Fällen besteht die konkrete Gefahr, dass ein vertraglich vereinbarter Eigennutzungsausschluss aufgrund einer aus der persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit resultierenden Lage nicht hinreichend scharf kontrolliert und damit der Vertrag tatsächlich nicht gelebt wird.
Vorliegend kann nicht festgestellt werden, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Vermittlungsvertrag um einen Vertrag mit einer "überregionalen Agentur" im obigen Sinne handelt. Herr T. verfügte unter der Firma N. - soweit ersichtlich (vgl. https://web.archive.org/web/20200928171607/https://www.sandbank134.de/feine-villa/) - nicht über ein breites Portfolio an anderen Ferienimmobilien und war somit wirtschaftlich auf die Klägerin angewiesen.
II.
Gegen die Ermittlung der ortsüblichen Jahresnettokaltmiete als Grundlage für die Festsetzung der Zweitwohnungsteuern für die Jahre 2019 bis 2021 bestehen letztlich keine Bedenken.
Rechtsgrundlage für die Ermittlung des Mietwerts ist § 4 Abs. 3 Satz 2 ZwStS 2019. Für eine Wohnung, für die keine Nettokaltmiete vereinbart ist oder die zu einer Nettokaltmiete unterhalb der ortsüblichen Miete überlassen wird, ist die Nettokaltmiete in der ortsüblichen Höhe anzusetzen. Sie wird von der Stadt O. in Anlehnung an die Nettokaltmiete, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung nach dem jeweils vom "W." und dem "X. e.V." herausgegebenen, aktuellen Mietspiegel für den Landkreis Cuxhaven, regelmäßig zu entrichten ist, geschätzt.
Dabei durfte die Beklagte die Nettokaltmiete gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 ZwStS 2019 schätzen (Nds. OVG, Urt. v. 19.04.2023 - 9 LB 7/23).
Zu Unrecht hat die Beklagte bei ihrer Schätzung des Mietwerts von Zu- bzw. ggf. Abschlägen abgesehen, die die Besonderheiten der zu schätzenden Nettokaltmiete für Ferienwohnungen berücksichtigen (vgl. VG Stade, Urteil vom 15.05.2024 - 10 A 1841/20 -, mwN.). Dieser Rechtsfehler der Schätzung führt jedoch nicht zur Aufhebung des Bescheids, weil er die Klägerin nicht in ihren Rechten i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt. Er wirkt sich hier ausschließlich zu Gunsten der Klägerin aus, denn er führt dazu, dass die Höhe der von der Beklagten angenommenen Besteuerungsgrundlage hinter dem möglichen Schätzergebnis zurückbleibt.
Zu den Wohnungen, für die keine Nettokaltmiete vereinbart ist, gehören insbesondere die selbst genutzten Wohnungen der Eigentümer. Dies schließt die Fälle ein, in denen die Wohnung von dem Eigentümer entweder selbst genutzt oder sowohl selbstgenutzt als auch zur Erzielung von Einkünften vermietet wird (sog. Mischnutzung; vgl. BVerwG, Urt. v. 27.10.2004 - 10 C 2.04 -, juris Rn. 22).
Die Klägerin hatte - wie dargestellt - die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Eigennutzung ihrer Zweitwohnung.
III.
Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Höhe der Zweitwohnungsteuern für den Veranlagungszeitraum 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2021.
Die von der Klägerin vorgelegte Expertise des Immobilienmaklers Q. vom 3. November 2021 führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Beklagte durfte - wie gesehen - die Nettokaltmiete schätzen. Dass sie dabei ihrer zulässigen Schätzung im Konkreten unzutreffende Daten zugrunde gelegt oder Zu- oder Abschläge vorgenommen hat, die sie nicht hätte vornehmen dürfen, hat die Klägerin nicht geltend gemacht.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.