Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 14.09.2016, Az.: 3 U 230/15

Kündigung eines seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreifen Bausparvertrages durch die Bausparkasse

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
14.09.2016
Aktenzeichen
3 U 230/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 29721
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2016:0914.3U230.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 07.12.2015 - AZ: 14 O 151/15

Fundstelle

  • BKR 2016, 509-516

Redaktioneller Leitsatz

1. Eine Bausparkasse ist gem. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB berechtigt, einen Bausparvertrag zu kündigen, der seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif ist.

2. Ist die Kündigung ausdrücklich nur auf § 488 Abs. 3 BGB gestützt worden mit der Begründung, das Bausparguthaben einschließlich im Falle der Nichtzuteilung des Bauspardarlehens zu gewährender Bonuszinsen übersteige die Bausparsumme und erweist sich diese Begründung als unrichtig, so ist eine Umdeutung in eine Kündigung gem. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zulässig, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Voraussetzungen auch dieser Norm vorgelegen haben.

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 7. Dezember 2015 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Bausparvertrag Nr. ... 01 über den 3. August 2015 hinaus bis zum 3. November 2015 fortbesteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung seitens der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ein bei der beklagten Bausparkasse geführter Bausparvertrag fortbestehe. Die Parteien schlossen unter dem 18. Juli 1997 zur Vertragsnummer 5 930 516 G 01 einen Bausparvertrag mit einer Bausparsumme von 20.000,00 DM (= 10.225,84 €) im Tarif X (Anlage K 1). Der Bausparvertrag erhielt später die Nummer ... 01.

Dem Bausparvertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge Tarif Tarif X (ABB-Tarif X) zugrunde. Nach der Präambel des ABB-Tarif X ist Bausparen zielgerichtetes Sparen, um für wohnungswirtschaftliche Verwendungen Darlehen zu erlangen, deren Verzinsung niedrig, von Anfang an fest vereinbart und von Zinsschwankungen am Kapitalmarkt unabhängig ist. Das Bausparguthaben ist nach § 3 Abs. 1 ABB-Tarif X mit einem Basiszins in Höhe von 2 % p. a. zu verzinsen. Verzichtet der Bausparer bei Annahme der Zuteilung des Vertrages auf das Bauspardarlehen, erhöht sich die Gesamtverzinsung des Bausparguthabens nach § 3 Abs. 2 Satz 1 ABB-Tarif X unter den dort genannten Voraussetzungen rückwirkend ab Vertragsbeginn auf 3 %, 4 % oder 5 % p. a. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 ABB-Tarif X wird die Gesamtverzinsung auch bei einer Kündigung nach 7 Jahren und einem Guthaben von 7.000,- DM gewährt. In § 14 ABB- Tarif X ist ein jederzeitiges Kündigungsrecht des Bausparers hinsichtlich des Bausparvertrages vorgesehen. Ein Kündigungsrecht der Bausparkasse ist in den ABB-Tarif X nicht ausdrücklich geregelt. Die Voraussetzungen für die Zuteilung des Bausparvertrages sind in § 4 ABB-Tarif X geregelt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die ABB-Tarif X Bezug genommen (Anlage K 2).

Die Zuteilungsreife des Bausparvertrages trat am 1. März 2004 ein. Dieses teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 18. Dezember 2003 mit (Anlage B 1). Die Klägerin nahm die Zuteilung nicht an und erbrachte bis 30. Juni 2015 weiterhin Sparleistungen. Mit Schreiben vom 23. April 2015 kündigte die Beklagte den Bausparvertrag gem. § 488 Abs. 3 BGB mit einer Frist von drei Monaten zum 3. August 2015 bei einem angesparten Bausparguthaben in Höhe von 8.995,40 € zzgl. Bonuszinsen in Höhe von 3.691,47 € (Anlage B4).

Die Klägerin widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 27. April 2015 (Anlage K 4). Die Beklagte hielt an ihrer Kündigung mit Schreiben vom 6. Mai 2015 fest und rechnete mit Schreiben vom 27. Juli 2015 (Anlage B 5) das Guthaben in Höhe von 13.279,89 € ab.

Die Parteien haben erstinstanzlich darüber gestritten, ob der Beklagten ein Recht zur Kündigung des Bausparvertrages zugestanden habe und der Vertrag durch die ausgesprochene Kündigung beendet worden ist.

Im Übrigen wird zur Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil der Einzelrichterin der

14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 7. Dezember 2015 (Bl. 52 d. A.), insbesondere die Wiedergabe des Parteivortrags und der gestellten Anträge im Tatbestand, Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat die Einzelrichterin ausgeführt, der Bausparvertrag sei durch die auf der Grundlage von § 488 Abs. 3 BGB erfolgten Kündigung der Beklagten beendet worden. § 488 Abs. 3 BGB sei auch in der Sparphase eines Bausparvertrages als Darlehensvertrag mit "vertauschten Rollen" anwendbar. Zudem handele es sich bei dem Darlehen der Klägerin an die Beklagte um ein Darlehen, für dessen Rückzahlung eine Zeit nicht bestimmt sei. Die Kündigung sei auch vorliegend nicht ausgeschlossen gewesen. Der Ausschluss des Kündigungsrechts reiche nur so weit, wie eine Auszahlung der Bausparsumme noch nicht vollständig möglich sei. Mit ihrer Kündigung habe die Beklagte aber die volle Auszahlung der Bausparsumme herbeiführen können. Denn die Kündigung der Beklagten habe eine rückwirkende Gesamtverzinsung von 5 % p. a. bewirkt, weshalb die Klägerin ein über die Bausparsumme hinausgehendes Guthaben erreicht und damit mehr erhalten habe, als sie nach dem Bausparvertrag zu erwarten gehabt hätte.

Gegen dieses der Klägerin am 17. Dezember 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2015, eingegangen beim Oberlandesgericht am 30. Dezember 2015, Berufung eingelegt, welche sie mit Schriftsatz vom

15. Februar 2016 begründet hat.

Die Klägerin macht geltend, dass der Beklagten kein Kündigungsrecht auf der Grundlage von § 488 Abs. 3 BGB zugestanden habe. Die Bausparkasse könne nicht kündigen, wenn sie dadurch dem Bausparer den Anspruch auf das Tilgungsdarlehen entziehe. Der Bausparvertrag sei so lange unkündbar, wie die Auszahlung des Tilgungsdarlehens möglich sei und der Bausparer seinen Pflichten nachkomme. Letzteres sei der Fall. Rechtsirrig sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte infolge von § 3 Abs. 2, Abs. 3 ABB die volle Auszahlung der Bausparsumme herbeiführen könne, indem sie nach einer Laufzeit von mehr als sieben Jahren (rechtswidrig) kündige und so zu einer rückwirkenden Gesamtverzinsung von 5 % komme. Eine Kündigung sei aufgrund der Regelungen in den Allgemeinen Bausparbedingungen ausgeschlossen. Ein Kündigungsrecht aus "§ 489 BGB" (sic !) stehe der Beklagten im Übrigen auch deshalb nicht zu, weil dieses ausschließlich vom Darlehensnehmer in Anspruch genommen werden könne. Die Beklagte sei aufgrund der Rollenverteilung aber sowohl Darlehensnehmerin als auch Darlehensgeberin. Überdies habe die Beklagte für den Fall der Zuteilung selbst die Möglichkeit der (langfristigen) Fortsetzung des Vertrages durch den Bausparer vorgesehen. Die Klägerin habe auch im Zeitpunkt der Kündigung nach den Bausparbedingungen Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens gehabt. Die Beklagte habe der Klägerin diesen Anspruch in ihren Bausparbedingungen zugesichert. Außerdem habe das Landgericht zu Unrecht außer Acht gelassen, dass der Bausparvertrag nach den eigenen Angaben der Beklagten explizit als Geld- bzw. Kapitalanlage beworben und verkauft worden sei. Bei den "Erläuterungen zum neuen Bausparen" habe es sich um AGB gehandelt.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Hannover vom 7. Dezember 2015, Az: 14 O 151/15, abzuändern und festzustellen, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Bausparvertrag Nr. ... 01 über den 3. August 2015 fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 488 Abs. 3 BGB auf das Vertragsverhältnis stehe außer Frage. Der Bausparvertrag müsse das eigentliche Ziel, nämlich die Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens zu wohnungswirtschaftlichen Zwecken, nicht zwingend erreichen. Denn der Bausparer sei nicht verpflichtet, die Zuteilung des Bausparvertrages anzunehmen. Gleichwohl sei mit Zuteilung des Bausparvertrages der Zweck der Ansparphase, nämlich ein Anspruch auf das Bauspardarlehen zu erlangen, erreicht. Weitere Zahlungen des Bausparers seien für die zweite Phase, die Gewährung des Bauspardarlehens, und damit für die eigentliche Zweckerreichung nicht mehr erforderlich. Diesem System immanent sei in der Ansparphase eine Kündigungssperre des § 488 Abs. 3 BGB. Denn eine ordentliche Kündigung des Bausparvertrages komme nicht in Betracht, solange der gesetzliche und vertraglich vereinbarte Zweck des Bausparens nicht erreicht sei. Mit Zuteilung des Bausparvertrages ändere sich jedoch die Betrachtungsweise. Der Bausparvertrag unterliege nunmehr einem 10-jährigen ordentlichen Kündigungsrecht aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB und es entfalle die Kündigungssperre des § 488 Abs. 3 BGB, wenn der Bausparvertrag vollständig bespart sei. Denn ein Bauspardarlehen könne dem Bausparer dann nicht mehr gewährt werden, weshalb er auch nicht mehr schutzwürdig sei. Nichts anderes gelte in der hier vorliegenden Fallgestaltung der Bonusverzinsung. Da sich der Bausparer immer für die Bonusverzinsung entscheiden werde, übersteige sein Zahlungsanspruch aus dem Bausparvertrag (Bausparguthaben + Bonuszinsen) die Bausparsumme. Dementsprechend entfalle der aus Sinn und Zweck herrührende Kündigungsausschluss und das Kündigungsrecht aus § 488 Abs. 3 BGB sei für die Beklagte wieder eröffnet.

Wegen weiterer Einzelheiten des wechselseitigen Sachvortrages wird auf die Berufungsbegründung, die Berufungserwiderung und die übrigen zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist nur im geringen Umfang begründet.

Das angefochtene Urteil beruht auf einer Rechtsverletzung gem. § 546 i. V. m. § 513 ZPO.

Die von der Beklagten erklärte Kündigung findet ihre Rechtfertigung zwar nicht in § 488 Abs. 3 BGB. Jedoch ist die Regelung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit der Folge anwendbar, dass der Bausparvertrag zum 3. November 2015 beendet worden ist.

1. Die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung des Bausparvertrages durch die Bausparkasse gem. § 488 Abs. 3 BGB liegen nicht vor.

Zwar entspricht es der herrschenden Meinung, dass ein Bausparvertrag durch die Bausparkasse jedenfalls dann gem. § 488 Abs. 3 BGB gekündigt werden kann, wenn er bis zur Bausparsumme vollständig angespart ist. Denn beim Bausparvertrag handelt es sich um einen einheitlichen Vertrag mit zwei Stufen. Der Bausparer spart bis zur Zuteilungsreife ein (verzinsliches) Guthaben an und kann nach Zuteilung ein Bauspardarlehen in Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung angesammelten Guthaben in Anspruch nehmen (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 14. Okt. 2011 - 9 U 151/11, zit. nach juris Rz. 12; LG München I, Beschl. v. 18. Nov. 2015 - 35 O 4819/15, zit. nach juris Rz. 22). Damit ist der Bausparvertrag bereits in der Ansparphase als Darlehensvertrag zu qualifizieren (OLG Hamm, Beschl. v. 26. Okt. 2015 - 31 U 182/15, zit. nach juris Rz. 18; OLG Stuttgart, Beschl. v. 14. Okt. 2011; OLG Köln, Beschl. v. 11. Jan. 2016, Az. 13 O 151/15; LG München I, a. a. O.), wobei die Einlagen des Bausparers das Darlehen an die Bausparkasse darstellen, für dessen Rückerstattung eine Zeit nicht bestimmt ist (OLG Stuttgart, a. a. O.).

Der Bausparvertrag dient dem Zweck der Erlangung eines Bauspardarlehens in Höhe der Differenz zwischen Bausparsumme und Bauspareinlagen. Mit vollständiger Ansparung des Vertrages bis zur Bausparsumme kann dieser Zweck nicht mehr erreicht werden (OLG Stuttgart, a. a. O.; Senat, Beschl. v. 17. Okt. 2013 - 3 U 154/13).

Gleichwohl war die Beklagte auf der Grundlage von § 488 Abs. 3 BGB im vorliegenden Fall nicht zur Kündigung des Bausparvertrages berechtigt. Das Kündigungsrecht aus § 488 Abs. 3 BGB steht einer Bausparkasse nur dann zu, wenn die Bausparsumme erreicht worden ist. Die Bausparsumme ist erreicht, wenn die Spareinlagen zuzüglich der hierauf zu zahlenden Zinsen den Betrag der Bausparsumme erreichen. Letzteres war im Zeitpunkt der Kündigung aber noch nicht der Fall. Denn unstreitig betrug das angesparte Bausparguthaben des über eine Bausparsumme von 10.225,84 €€ abgeschlossenen Vertrages zum Zeitpunkt der Kündigung 8.995,40 €, so dass bis zur Vollansparung noch ein wesentlicher Betrag fehlte. Die Auffassung der Beklagten, diesem Betrag sei ein Anspruch auf Bonuszinsen hinzuzurechnen, sodass kein Bauspardarlehen mehr ausgezahlt werden könne und daher ein Kündigungsrecht wie bei einer Vollbesparung bestehe, geht fehl.

Entscheidend ist insoweit, wann der Zinsanspruch nach den Bedingungen des Vertrages fällig wird bzw. dem Bausparer zusteht. Nach den eindeutigen Bedingungen des Vertrages entsteht der Anspruch auf Zahlung von Bonuszinsen aber erst dann, wenn der Bausparer auf die Zuteilung verzichtet oder aber im Falle einer Kündigung nach sieben Jahren ein Guthaben von 7.000,- DM besteht. Beide Fallgruppen sind nicht einschlägig. Die Klägerin hat weder auf die Zuteilung verzichtet noch den Bausparvertrag nach sieben Jahren gekündigt.

Entgegen der rechtsirrigen Auffassung der Beklagten kann sich diese nicht auf § 3 Abs. 2 Satz 2 ABB-Tarif X berufen. Der dort erwähnte Fall erfasst nur Kündigungen seitens des Bausparers. Denn nur der Bausparer ist auf der Grundlage von § 14 der Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge berechtigt, den Bausparvertrag jederzeit zu kündigen. Dafür dass bis zum Erreichen der Bausparsumme ausschließlich der Bausparer kündigen kann, sprechen auch die weitere Regelung, wonach der Bausparvertrag weiter läuft, wenn der Sparer nicht die Annahme der Zuteilung erklärt (§ 4 Abs. 1 i. V. m. § 5 Abs. 2 der Bausparbedingungen). Ferner ergibt sich aus § 1 der Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (Anlage B 1) hinreichend klar, dass die Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens nicht zwingend ist, sondern dass der Vertrag auch lediglich Kapitalanlagezwecken dienen kann. Denn in § 1 wird ausdrücklich der Fall erwähnt, dass der Bausparer nach einer Vertragslaufzeit von mindestens 7 Jahren bei Annahme der Zuteilung des Bausparvertrages auf das Bauspardarlehen verzichten kann und in diesem Fall die Abschlussgebühr zurückerstattet bekommt. Mangels einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung kann ein Kündigungsrecht der Bausparkasse im Wege der Vertragsauslegung hingegen erst mit Erreichen der Bausparsumme angenommen werden. Dies zugrunde gelegt, beruht die Annahme der Beklagten, sie könne auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 der Allgemeinen Bedingungen kündigen und deshalb den Bonuszins berücksichtigen, ersichtlich auf einem Zirkelschluss. Denn der Kündigungstatbestand (Erreichen der Bausparsumme durch Hinzurechnen der Bonuszinsen) kann nicht erst durch die Kündigung geschaffen werden, sondern muss bei bzw. vor Abgabe der Kündigungserklärung bereits vorliegen.

Die Bonuszinsen waren auf der Grundlage der ABB-Tarif X indes noch nicht fällig. Denn die Fälligkeit des Anspruches auf Bonuszinsen knüpft ausschließlich an ein Verhalten des Bausparers, nicht aber an ein Verhalten der Bausparkasse an. Das Initiativrecht liegt nach Maßgabe der die Beklagte bindenden Vertragsbedingungen beim Bausparer und eben nicht bei der Bausparkasse. Die Beklagte unterläuft dieses dem Sparer vertraglich zugestandene Initiativrecht, indem sie trotz Fehlens einer Willenserklärung oder eines vertraglich geregelten Fälligkeitstatbestands die Zinsen eigenmächtig dem Sparer aufdrängt. Auch der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 24. April 1975 (Az.: III ZR 147/72) betont, dass durch gesetzliche Bestimmungen zur Kündigungsfrist ausgeschlossen wird, dass das Kreditinstitut als Darlehensschuldner dem Sparer als Darlehensgläubiger die Leistung einseitig vorzeitig aufdrängen kann (a.a.O. zitiert nach JURIS Rdz. 25). Für den Fall einer vertraglichen Regelung im Verhältnis der Parteien kann nichts anderes gelten.

Im Übrigen drängt sich eine Vergleichbarkeit zu den Fällen der aufgedrängten Bereicherung auf, bei der nach allgemeiner Meinung die Vergütungspflicht des Bereicherten einzuschränken ist (vgl. nur Erman/F.Ebbing, BGB, 13. Auflage. § 951 Rdz. 14 sowie Palandt/Bassenge, BGB, 75. Auflage, § 951 Rdz. 18ff.). Ein solches Verhalten, dass bewusst vorrangige und bindende vertragliche Regelungen missachtet und allein darauf abzielt, sich vorzeitig aus einer lästigen vertraglichen Bindung zu lösen, kann nach Auffassung des Senats nur als rechtsmissbräuchlich bezeichnet werden. Denn der Beklagten ist es ohne Weiteres zumutbar, dass sie bis zu dem Zeitpunkt abwartet, in dem das Bausparguthaben unter Hinzurechnung der bis zu diesem Zeitpunkt nach dem Vertrage angefallenen Zinsen die Bausparsumme übersteigt.

Eine andere Bewertung folgt auch nicht aus § 271 Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift ist im Zweifel anzunehmen, dass der Schuldner die Leistung vorher bewirken kann, wenn eine Zeit bestimmt ist. Diese Vorschrift ist aber unanwendbar, wenn der Gläubiger durch die Voraustilgung seitens des Schuldners ein vertragliches Recht verliert oder wenn er seine rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt werden (Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Auflage, § 271 Rdz. 12). Die Regelung ist - wie schon die Verwendung der Worte "im Zweifel" deutlich machen - nur subsidiär (siehe MüKo/Krüger, BGB, 6. Auflage, § 271 Rdz. 35). Für ihre Anwendung ist kein Raum, wenn im Einzelfall eine ausdrückliche Sonderregelung besteht (siehe BGH, Urteil vom 24. April 1975, Az.: III ZR 147/72, zitiert nach JURIS Rdz. 25). Eine Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen ist insbesondere im Fall der Voraustilgung bei Darlehen anzunehmen. Das Recht der Voraustilgung ist bei verzinslichen Darlehen im Grundsatz ausgeschlossen (siehe Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Auflage, § 271 Rdz. 12). Diese Wertung kommt gleichermaßen im vorliegenden Fall zum Tragen, denn bis zur Zuteilung des Vertrages ist dieser rechtlich als Darlehensvertrag einzuordnen, wobei Darlehensgeber der Sparer ist.

Fehl geht die Argumentation der Beklagten mit einem selbstschädigenden Verhalten bei Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens. Es geht nicht darum, ob die Inanspruchnahme eines Darlehens sinnvoll ist. Entscheidend ist allein die Frage, ob sich die Beklagte vertragstreu verhält oder nicht. Es steht der Beklagten in keiner Weise zu, an Stelle der Klägerin wirtschaftlich bedeutsame Entscheidungen zu treffen.

Die Klägerin war der Beklagten gegenüber auch nicht verpflichtet, sich zu ihren Absichten zu erklären. Zentrales Verkaufsargument der Beklagten war ausweislich der Erläuterungen zum Bausparvertrag Tarif X (Anlage K 7) nicht lediglich, ein zinsgünstiges Darlehen bereit zu stellen, sondern auch eine Geldanlage. So heißt es u. a. in den o. g. Erläuterungen:

"Wenn Sie kein Darlehen in Anspruch nehmen möchten, können Sie von der attraktiven Guthabenverzinsung aus der Sparphase profitieren. Was immer Sie auch wählen: Nicht der Tarif allein, sondern Ihre Wünsche und Pläne sind entscheidend für den Verlauf des Bausparvertrages."

Damit war erklärter Vertragszweck neben der möglichen Erlangung eines Bauspardarlehens auch die individuelle Gestaltungsmöglichkeit als rentable Geldanlage. Gerade vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass das Vorgehen der Beklagten, welches der Klägerin gerade ihre individuelle Gestaltungsmöglichkeit nimmt, für diesen ausschließlich vorteilhaft sein soll. Im Rahmen des subjektiven Nutzens für die Klägerin kann nicht allein - wie die Beklagte meint - darauf abgestellt werden, dass ein Verzicht auf die Bonusverzinsung wirtschaftlich nachteilig wäre. Denn von entscheidender Bedeutung im Rahmen der wirtschaftlichen Überlegungen der Klägerin kann auch sein, mit seinen Zahlungen den Zeitpunkt der Zuteilung bzw. Auszahlung zu beeinflussen.

Es lässt sich auch aus der gegenwärtigen Niedrigzinsphase nicht schlicht ableiten, die Klägerin habe endgültig ihr Interesse an einem Bauspardarlehen verloren. Die weitere Zinsentwicklung lässt sich nicht sicher prognostizieren und die gegenwärtige Markteinschätzung der Beklagten erlaubt keine Feststellungen über die Absicht der Klägerin, ein Bauspardarlehen auf keinen Fall mehr in Anspruch nehmen zu wollen. Ein offenkundig rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin liegt nicht vor. Sie hat die Niedrigzinsphase nicht zu verantworten und macht aus vertraglich legitimierten Gründen der Privatautonomie die Rechte aus der Zuteilung nicht geltend, weshalb er im Hinblick auf die von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung aus § 488 Abs. 3 BGB mangels Vollbesparung nach wie vor schutzwürdig ist.

2. Allerdings lagen die Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung durch die Bausparkasse gem. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB im Kündigungszeitpunkt vor, nachdem die Zuteilungsreife des Bausparvertrages am 1. März 2004 eingetreten ist und daher über 10 Jahre zurücklag.

a) Gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 1 BGB kann ein Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ganz oder teilweise kündigen.

aa) Der vorliegende Bausparvertrag ist als Darlehen i. S. von § 489 BGB zu qualifizieren.

Beim Bausparvertrag handelt es sich um einen einheitlichen Vertrag mit zwei Stufen. Der Bausparer spart bis zur Zuteilungsreife ein (verzinsliches) Guthaben an und kann nach Zuteilung ein Bauspardarlehen in Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung angesammelten Guthaben in Anspruch nehmen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 14. Oktober 2011, Az.: 9 U 151/11, zitiert nach JURIS Rdz. 12; LG München I, Beschluss vom 18. November 2015, Az.: 35 O 4819/15, zitiert nach JURIS Rdz. 22). Vor diesem Hintergrund ist der Bausparvertrag bereits in der Ansparphase als Darlehensvertrag zu qualifizieren (OLG Hamm, Beschluss vom 26. Oktober 2015k, Az.: I-31 U 182/15, 31 U 182/15, zitiert nach JURIS Rdz. 18; OLG Stuttgart, Beschluss vom 14. Oktober 2001; OLG Köln, Beschluss vom 11. Januar 2016, Az.: 13 U 151/15; LG München I, a. a. O.), wobei die Einlagen des Bausparers das Darlehen an die Bausparkasse darstellen, für dessen Rückerstattung eine Zeit nicht bestimmt ist (OLG Stuttgart, a. a. O.; OLG Koblenz a. a. O.). Erst mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens tauschen Bausparer und Bausparkasse ihre Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer (OLG Stuttgart, a. a. O. Rdz. 7; OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. Oktober 2013, Az.: 19 U 106/13; OLG Koblenz, Beschluss vom 18. Januar 2016, Az. 8 U 1064/15 sub. II. 1.; Staudinger/Mülbert, BGB, Bearbeitung 2015, § 488 Rdz. 539). Entgegen der Auffassung des Landgerichts Karlsruhe (Urteil vom 9. Oktober 2015, Az:. 7 O 126/15, zitiert nach JURIS Rdz. 24f.) löst sich die Bausparkasse durch die Kündigung daher nicht unzulässig aus ihrer Rolle als Darlehensgeberin. Das Landgericht Karlsruhe übersieht, dass die Ansparphase bis zur Annahme der Zuteilung läuft und erst im Anschluss daran die Darlehensphase beginnt. Erst mit Zuteilung wechseln die Rollen der Parteien. Die bloß im Vertrag angelegte Möglichkeit, dass die Bausparkasse bei einem entsprechenden Verhalten des Bausparers Darlehensgeberin werden könnte, steht der Annahme des Kündigungsrechts nicht entgegen (OLG Hamm, Beschluss vom 30. Dezember 2015, Az.: 31 U 191/15, zitiert nach JURIS Rdz. 17).

Die Vorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist auch auf die beklagte Bausparkasse anwendbar. Eine Beschränkung des Kündigungsrechts auf Verbraucher ist zu verneinen.

Eine Einschränkung des Kündigungsrechts ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus den Gesetzgebungsmaterialien. Die Formulierung "Darlehensnehmer" ist offen und nicht an eine Verbrauchereigenschaft gekoppelt. Dass § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kein Privileg des Verbrauchers ist, folgt auch aus den Motiven zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdienstrichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht. Dort heißt es zur Neufassung des § 489 Abs. 1 BGB, dass sich die Kündigungsmöglichkeiten des Darlehensnehmers, der Verbraucher sei, nunmehr in § 500 BGB-E finden und die Kündigungsmöglichkeiten nach den §§ 489, 490 BGB ergänzen würden (BT-Drucksache 16/11643 S. 74).

Dies spiegelt sich auch in der gesetzlichen Systematik wieder. Zutreffend verweist das Landgericht München darauf, dass sich die Vorschrift des § 489 BGB in dem für alle Darlehensnehmer und Darlehensverträge geltenden "Kapitel 1 Allgemeine Vorschriften" befinden. Erst im Kapitel 2 befindet sich in § 500 BGB ein spezielles Kündigungsrecht für Verbraucher (LG München, Urteil vom 18. November 2015, Az.: 35 O 4819/15; OLG Köln, Beschluss vom 11. Januar 2016, Az.: 13 U 151/15; siehe ferner OLG Hamm, Beschluss vom 22. Februar 2016, Az.: 31 U 234/15, zitiert nach JURIS Rdz. 15).

Auch im Wege der teleologischen Auslegung ergibt sich keine andere Bewertung. Die Vorschrift dient dem Interessenausgleich der Vertragsparteien und soll einen Ausgleich schaffen zwischen dem Erfordernis langfristiger Planungssicherheit für Kreditinstitute, die Kredite zu gebundenen Zinssätzen anbieten und dem Interesse des Kunden, sich bei geänderter Marktlage vom Vertrag zu lösen (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 12. November 2015, Az.: 12 O 100/15, zitiert nach JURIS Rdz. 49). Auch wenn Hintergrund der Vorläuferregelung des § 609a BGB die Stärkung eines professionellen Kreditgebers war, folgt daraus nicht, dass die Norm damit auf Bausparverträge nicht anwendbar ist. Denn wenn die Vorschrift grundsätzlich für Vertragsgerechtigkeit zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer sorgen soll, indem der Darlehensnehmer bei einem festverzinslichen Darlehen nach Ablauf einer längeren Zeit vor der Bindung an einem nicht mehr vertragsgemäßen Zins zu bewahren ist, dann ist kein sachgerechter Grund erkennbar, warum dieser Gesichtspunkt nicht auch für die beklagte Bausparkasse gelten sollte. Aus den Materialien zur Vorläuferregelung in § 609 a Abs. 1 Nr. 3 BGB folgt, dass diese Vorschrift "dem Schuldner" (also jedem Schuldner) bei allen festverzinslichen Darlehen nach Ablauf von zehn Jahren ein gesetzliches Kündigungsrecht gewähren sollte (so zutreffend OLG Hamm, Beschluss vom 30. Dezember 2015, Az.: 31 U 191/15, zitiert nach JURIS Rdz. 19).

Eine andere Beurteilung ist auch nicht mit Rücksicht auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Urteil v. 21.11.2011 - 19 U 3638/11) zu 609a BGB a. F. geboten, wonach die Norm dem Verbraucherschutz diene. Das Oberlandesgericht München verweist insoweit auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart (Urteil v. 09.12.1998 - 9 U 177/98), wobei dieser Verweis aber ohne Aussagekraft ist, weil das Oberlandesgericht Stuttgart seine Aussagen zum Verbraucherschutz ausdrücklich auf § 609a Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. bezogen hat, die Vorgängervorschrift zum hier relevanten § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB war jedoch § 609a Abs. 1 Nr. 3 BGB a. F. (jedenfalls insoweit zutreffend LG Stuttgart, Urteil vom 12. November 2015 - 12 O 100/15 -, Rn. 50, juris).

Das Kündigungsrecht aus § 489 BGB ist auch nicht durch die Regelungen der streitgegenständlichen Bausparbedingungen ausgeschlossen.

§ 11 der Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (Tarif X) erfasst ausschließlich die Kündigung des Bauspardarlehens durch die Bausparkasse. Soweit § 2 Abs. 3 ein Kündigungsrecht der Bausparkasse für den Fall vorsieht, dass der Bausparer mit Regelsparbeiträgen im Rückstand ist, folgt daraus nicht, dass diese Regelung abschließend und damit ein Kündigungsrecht der Bausparkasse aus anderen Gründen ausgeschlossen ist. Gleiches gilt für die Regelung in § 14 der Bausparbedingungen, die ein Kündigungsrecht des Bausparers vorsehen.

Überdies ist darauf hinzuweisen, dass das Kündigungsrecht aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht abdingbar und somit zwingend ist (OLG Hamm, Beschluss vom 30. Dezember 2015, Az.: 31 U 191/15, zitiert nach JURIS Rdz. 21; OLG Hamm, Beschluss vom 22. Februar 2016, Az.: 31 U 234/15, zitiert nach JURIS Rdz. 16; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Auflage, § 489 Rdz. 1). Entgegenstehende Vereinbarungen wären gemäß § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB nichtig (OLG Hamm, a. a. O.).

Auch aus § 5 der Allgemeinen Bausparbedingungen (Tarif X), wonach der Vertrag fortgesetzt wird, wenn der Bausparer die Zuteilung nicht annimmt (Abs. 2), folgt nicht, dass es der Bausparkasse nach Ablauf von zehn Jahren nach Zuteilungsreife verwehrt ist, den Vertrag zu kündigen (dazu nachfolgend sub. b)). § 5 entfaltet keine Sperrwirkung zugunsten des Bausparers.

Dieser Bewertung steht auch nicht die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 2 BausparkassenG entgegen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Bausparkassengesetz bedürfen Änderungen und Ergänzungen der Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge, wozu u. a. auch die Änderungen in Bezug auf die Verzinsung der Bauspareinlagen und der Bauspardarlehen gehören (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 Bausparkassengesetz), der Genehmigung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. In den Materialien zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Bausparkassen heißt es insoweit, dass eine solche Eingriffsmöglichkeit der Bausparkassen unverzichtbar sei, denn Veränderungen sowohl der wesentlichen Rahmenbedingungen für das Bauspargeschäft (Sparbereitschaft, Entwicklung des Eigenheimbaus, Sparförderung) als auch systematische Veränderungen des Verhaltens der Bausparer (Kündigungsverhalten, Verhalten bei der Inanspruchnahme von Bauspardarlehen, Bereitschaft zur Leistung von Sonderzahlungen) ließen eine Wahrung der Belange der Bausparer einer Bausparkasse nur durch die Änderung tarifbestimmender Merkmale auch für bereits bestehende Verträge gewährleistet erscheinen (Bundestagsdrucksache 11/8089, Seite 18). Selbst wenn aber diese Vorschrift auch den Fall einer Herabsetzung des Vertragszinses erfassen sollte, kann weder dem Bausparkassengesetz noch den Materialien hierzu entnommen werden, dass diese Vorschrift eine Sperrwirkung dahingehend entfaltet, dass es der Bausparkasse nach den Allgemeinen und weiterhin geltenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches versagt wäre, die dort aufgeführten Rechte wie ein Kündigungsrecht geltend zu machen.

Soweit das Oberlandesgericht Stuttgart in seiner Entscheidung vom 14. Mai 2016 (Az.: 9 U 230/15) die Auffassung vertreten hat, dass der Anwendungsbereich des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor dem Hintergrund des Regelungsplans des Gesetzgebers teleologisch zu reduzieren sei, weil gemessen an der objektiv feststellbaren Regelungsabsicht eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes vorliege, die in der Weise zu lösen sei, dass Passivgeschäfte der Kreditinstitute, jedenfalls derjenige der Bausparkassen von der Anwendbarkeit auszunehmen seien, vermag der Senat sich dieser Auffassung nicht anzuschließen (ebenfalls ablehnend OLG Koblenz, Urteil vom 19. Juli 2016, Az.: 8 U 11/16, zitiert nach JURIS Rdz. 21 ff.).

Eine teleologische Reduktion findet statt, wenn eine nach ihrem eindeutigen Wortsinn zu weit gefasste Regelung auf den ihr nach dem Regelungszweck oder dem Sinnzusammenhang des Gesetzes zukommenden Anwendungsbereich zurückgeführt wird (siehe Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Auflage, S. 210f.). Die Rechtfertigung für eine solche Vorgehensweise liegt in dem Gebot der Gerechtigkeit, Ungleiches ungleich zu behandeln, d.h. die von der Wertung her erforderlichen Differenzierungen vorzunehmen (Larenz/Canaris, a. a. O. S. 211). Anknüpfungspunkt ist insoweit der Sinn und Zweck der einzuschränkenden Norm (Larenz/Canaris, a. a. O.). Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung des Senats indessen nicht erfüllt. Insoweit hält es der Senat bereits für systemwidrig, dass das Oberlandesgericht Stuttgart die Vorschrift des § 488 BGB, nicht aber die Norm des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf Bausparkassen in der Ansparphase anwenden will. Für eine solche unterschiedliche Handhabung besteht angesichts des Regelungszusammenhangs der Vorschriften keine Rechtfertigung.

Auch der Hinweis des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die Gesetzgebungsmaterialien und den dort zum Ausdruck kommenden Grundgedanken des Schutzes gegen den Missbrauch der wirtschaftlichen Übermacht überzeugt in dieser Form nicht. Denn die Vorschriften der §§ 488 ff. BGB kommen ausnahmslos auch dann zur Anwendung, wenn ein Darlehen zwischen Privatleuten gewährt wird und kein strukturelles wirtschaftliches Übergewicht einer Partei vorliegt. Das Oberlandesgericht Stuttgart misst bei seiner Beurteilung in nicht überzeugender Weise dem Willen des historischen Gesetzgebers die prägende Bedeutung bei und lässt nach Auffassung des Senats objektiv-teleologischen Kriterien wie die Struktur des geregelten Sachbereichs und rechtsethische Prinzipien (siehe Larenz/Canaris, a. a. O. S. 154) zu sehr außer Acht. Entscheidend ist, welche Auslegung "sachgemäß" ist, wobei es maßgeblich auf die besondere Struktur der zu regelnden Sache ankommt (Larenz/Canaris, a. a. O. S. 154). Das Oberlandesgericht übersieht insoweit nach Auffassung des Senats dass der Zweck des Gesetzes, den Darlehensnehmer vor der Verpflichtung zur Zahlung eines nicht marktgerechten Zinssatzes zu schützen, gerade auch im Verhältnis zur Bausparkasse zum Tragen kommt. Es widerspricht dem Gedanken der Rechtssicherheit, wenn in jedem Einzelfall danach zu differenzieren wäre, ob tatsächlich ein Fall der wirtschaftlichen Übermacht des Darlehensgebers vorliegt oder nicht.

Ergänzend wird auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts Koblenz im Urteil vom 19. Juli 2016 (Az.: 8 U 11/16, zitiert nach JURIS Rdz. 21ff.) Bezug genommen, wo es wie folgt heißt:

bb) Auch aus der von dem Oberlandesgericht Stuttgart dargestellten historischen Auslegung folgt nicht zwingend, dass der Anwendungsbereich des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf die Aktivgeschäfte der Kreditinstitute und Bausparkassen zu reduzieren ist.

Das Oberlandesgericht Stuttgart räumt selbst ein, dass bei der Aufhebung des § 247 BGB a.F. und der Einführung des § 609 a BGB a.F. nicht nur der Schuldnerschutz des Verbrauchers ausschlaggebend war, sondern durch die Aufhebung des zu einem voraussetzungslosen allgemeinen Kündigungsrecht mutierten § 247 BGB a.F. auch die Kreditinstitute und professionellen Darlehensgeber vor wirtschaftlichen Schäden geschützt werden sollten (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 64 nach juris).

Dementsprechend können die von dem Oberlandesgericht Stuttgart angeführten damaligen Erwägungen des Gesetzgebers, den Schuldnerschutz nur dort auf ein angemessenes Maß zurückzuführen, wo er sich in der Vergangenheit als besonders störend erwiesen habe, was im Bereich der festverzinslichen Kredite der Fall gewesen sei, wo das Kündigungsrecht in seiner damaligen Form in scharfem Widerspruch zum Prinzip beiderseitiger vertraglicher Bindung und Risikozuweisung gestanden habe (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 66 nach juris), nicht nur dahin verstanden werden, dass nur die von den professionellen Kreditgebern ausgereichten Kredite dem geänderten Kündigungsrecht unterfallen sollten.

Wenn es sich auch bei den Anwendungsfällen, die den Gesetzgeber seinerzeit zu einer Neuregelung und Verlagerung des Kündigungsrechts in das Darlehensrecht veranlass- ten, um festverzinsliche Kredite handelte, die von professionellen Kreditgebern ausgereicht worden und andere praktische Anwendungsfälle nicht erkennbar geworden waren, kann daraus im Umkehrschluss nicht gefolgert werden, dass andere, damals noch nicht erkennbare vertragliche Konstellationen von dem Kündigungsrecht ausgeschlossen bleiben sollten. Vermieden werden sollte durch die Neuregelung für die Zukunft ein scharfer Widerspruch zwischen der beiderseitigen vertraglichen Bindung einerseits und der Risikozuweisung andererseits. Da derartige Widersprüche in der Vergangenheit bei festverzinslichen Krediten aufgetreten waren, die von professionellen Kreditgebern ausgereicht wurden, waren sie zwar die Auslöser für die Neuregelung. Allerdings ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen, dass die Neuregelung auf solche Kredite beschränkt bleiben und auf andere Vertragskonstellationen, bei denen die gleichen Widersprüche auftreten können, keine Anwendung finden sollten. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Anwendungsbereich der Neuregelung auf die Kredite beschränkt werden sollte, die von den Kreditinstituten im Rahmen ihrer Aktivgeschäfte ausgereicht werden.

Der in den Gesetzesmaterialien erwähnte "scharfe Widerspruch" ist mittlerweile auch bei den in Rede stehenden Passivgeschäften der Bausparkassen in der Ansparphase gegeben, da die Bausparkassen aufgrund der bei Vertragsabschluss nicht absehbaren und zurzeit bereits seit längerem andauernden Niedrigzinsphase wegen der bestehenden vertraglichen Bindung zu einer nicht mehr marktgerechten Verzinsung der Bausparguthaben mit dem in § 6 Abs. 1 ABB festgeschriebenen Zinssatz verpflichtet sind. cc) Die Ausführungen des Oberlandesgerichts Stuttgart (a.a.O.) rechtfertigen weiterhin nicht die Annahme, der Schutzzweck der Kündigungsvorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB umfasse nicht den Schutz der Bausparkasse in der Ansparphase.

(1) Der Einbeziehung der Bausparkasse in den Schutzbereich der Norm steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber den Darlehensschuldner von der Verpflichtung zur Zahlung eines nicht marktgerechten Zinssatzes schützen wollte (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 68 nach juris).

In der Ansparphase ist die Bausparkasse ebenfalls Darlehensnehmer. Dementsprechend greift auch das Argument nicht, mit der Einführung des § 609 a BGB a.F. als der Vorgängervorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB habe ein "wesentliches und wirksames Gegengewicht gegen das Zinsbestimmungsrecht des Gläubigers" geschaffen werden sollen (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 72 nach juris). Abgesehen davon, dass eine Bausparkasse in der Ansparphase nicht Gläubigerin eines Darlehensrückzahlungsanspruchs ist, ist die Verzinsung der Bausparguthaben in den ABB der Bausparkassen von vornherein festgelegt, so dass diese weder bei Vertragsabschluss noch zu irgendeinem Zeitpunkt während der Ansparphase ein Zinsbestimmungsrecht ausüben können. Auch ist der Bausparer dem von vornherein festgelegten Zinssatz mit Vertragsschluss nicht zwingend während der gesamten vorgesehenen Ansparphase ausgesetzt (so aber OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 76). Ihm steht vielmehr nach § 9 Abs. 1 ABB nach Zahlung der Abschlussgebühr ein jederzeitiges Kündigungsrecht zu. Ähnliche Kündigungsregelungen sehen die ABB anderer Bausparkassen vor.

(2) Die Einbeziehung der Passivgeschäfte der Bausparkassen in den Schutzzweck des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann auch nicht mit der Erwägung in Abrede gestellt werden, das zweite wesentliche Ziel der Einführung der Kündigungsvorschriften sei der Schutz der Kreditinstitute durch die Sicherstellung einer laufzeit- und zinskongruenten Refinanzierung gewesen (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 78), wofür bei Bausparverträgen kein Bedürfnis bestehe, weil das Bausparsystem innerhalb eines in sich geschlossenen Marktes funktioniere und deshalb ein Bedürfnis nach Langzeitkongruenz von Aktiv- und Passivgeschäften nicht bestehe (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 80, 81 nach juris).

Das Oberlandesgericht Stuttgart räumt selbst ein, dass das Bausparsystem an seine Grenzen stoßen und eine Bausparkasse in Ertragsschwierigkeiten kommen kann, wenn sie die von ihr geschuldete Verzinsung der Bauspareinlagen mangels ausreichender Nachfrage an Bauspardarlehen nicht in vollem Umfang über das Aktivgeschäft erwirtschaften kann (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 82 nach juris). Die daraus von dem Oberlandesgericht Stuttgart gezogene Schlussfolgerung, der Gesetzgeber habe einen Schutz der Bausparkassen davor nicht bezweckt, sondern sei im Gegenteil davon ausgegangen, dass die Soll- und Habenzinsen marktunabhängig seien, weil durch das Bausparsystem ein in sich geschlossener Markt geschaffen werde, kann nicht geteilt werden. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bei der Novellierung des Darlehenskündigungsrechts die Passivgeschäfte der Bausparkassen von dem Kündigungsschutz des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ausnehmen und die Bausparkassen darauf verweisen wollte, sich durch geeignete Kündigungsregelungen in ihren ABB selbst vor möglichen Verlusten zu schützen. Insoweit ist auch weder dargelegt noch nachvollziehbar, warum die gesetzliche Kündigungsmöglichkeit nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB für Passivgeschäfte der Bausparkassen ausgeschlossen, sie nach § 488 Abs. 3 BGB bei voll besparten Bausparverträgen aber - auch nach der Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart - gegeben sein soll.

dd) Ebenfalls vermag die von dem Oberlandesgericht Stuttgart vorgenommene teleologische Auslegung (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 84 bis 100 nach juris) nach der Auffassung des Senats eine Unanwendbarkeit des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf Passivgeschäfte von Bausparkassen nicht zu rechtfertigen.

Die herausgestellten Schutzzwecke der Norm können für die Passivgeschäfte der Bausparkassen nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Das gilt sowohl für den Schutz des Darlehensschuldners vor der Verpflichtung zur Zahlung eines nicht marktgerechten Zinssatzes als auch für die Sicherung der Refinanzierung der Aktivgeschäfte (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 68, 84 nach juris). Von beiden Schutzzielen werden die Passivgeschäfte der Bausparkassen während einer länger andauernden Niedrigzinsphase erfasst, die bei Vertragsabschluss noch nicht absehbar war.

Hinzu kommt, dass die Ausführungen des Oberlandesgerichts Stuttgart zur teleologischen Auslegung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB allein auf den Verbraucherschutz abstellen und nicht berücksichtigt wird, dass der Gesetzgeber die Vorschrift im allgemeinen Darlehensrecht und nicht bei den Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge angesiedelt hat.

bb) Die Voraussetzungen für die Ausübung des Kündigungsrechts lagen vor.

Das Darlehen weist einen gebundenen Sollzinssatz auf. Nach § 489 Abs. 5 Satz 2 BGB ist der Sollzinssatz gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Der gebundene Sollzinssatz ist von dem veränderlichen Zinssatz gemäß § 489 Abs. 2 BGB abzugrenzen. Hier haben die Parteien zugunsten der Klägerin in § 6 Abs. 1 der Allgemeinen Bausparbedingungen einen gebundenen Sollzinssatz vereinbart. Auch die abweichenden Zinssätze rückwirkend ab Vertragsbeginn sind in § 6 Abs. 5 als Option für den Bausparer fest vereinbart und nicht veränderlich.

Auch die weitere Voraussetzung, dass die Darlehensvaluta vollständig empfangen worden ist, liegt vor.

Mit Rücksicht auf den Sinn und Zweck des § 489 BGB bzw. die strukturellen Eigenschaften des Bausparvertrages ist bei einem Bausparvertrag der Eintritt der Zuteilungsreife mit dem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta gleichzusetzen (OLG Hamm, Beschluss vom 30. Dezember, Az.: 31 U 191/15, zitiert nach JURIS Rdz. 24; OLG Hamm, Beschluss vom 22. Februar 2016, Az.: 31 U 234/15, zitiert nach JURIS Rdz. 18; OLG Koblenz, Beschluss vom 18. Januar 2016, Az.: 8 U 1064/15 sub. II. 4.). Bausparkassen sind gemäß § 1 Abs. 1 BausparkG Kreditinstitute, deren Geschäftsbetrieb darauf gerichtet ist, Einlagen von Bausparen (Bauspareinlagen) entgegenzunehmen und aus den angesammelten Beträgen den Bausparen für wohnungswirtschaftliche Maßnahmen Gelddarlehen (Bauspardarlehen) zu gewähren (Bauspargeschäft). Bausparer ist nach § 1 Abs. 2 BausparkG, wer mit einer Bausparkasse einen Vertrag schließt, durch den er nach Leistung von Bauspareinlagen einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens erwirbt (Bausparvertrag). Zweck eines Bausparvertrages ist mithin nach der gesetzlichen Regelung nicht die dauerhafte zinsgünstige Anlage von Kapital, sondern die Erlangung eines Bauspardarlehens (vgl. auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 14. Oktober 2011, Az.: 9 U 151/11, zitiert nach JURIS Rdz. 12). Dies folgt auch aus den Regelungen der streitgegenständlichen Vertragsbedingungen (§ 1 Abs. 1 und 2 der Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge i. V. m. der Präambel).

Mit dem Eintritt der Zuteilungsreife ist das für den Bausparvertrag charakteristische Ziel, nämlich die Möglichkeit zur Erlangung eines Bauspardarlehens erreicht (siehe OLG Koblenz, a. a. O.). Der primäre Zweck eines Bausparvertrages liegt - wie gesagt - gerade nicht darin, Kapital anzulegen, sondern ein Bauspardarlehen zu erlangen. Die Anknüpfung an den Eintritt der Zuteilungsreife ist geboten, um die Bausparkasse vor überlangen Bindungen an festgelegte Zinssätze zu schützen (OLG Hamm, Beschluss vom 22. Februar 2016, Az.: 31 U 234/15, zitiert nach JURIS Rdz. 19). Sie ist auch interessengerecht, weil bei Bausparverträgen mangels einer Verpflichtung zum Abruf des Darlehens ein an die Bausparkasse zu entrichtender Darlehensbetrag nicht feststeht (OLG Hamm, a. a. O. Rdz. 24). Das Oberlandesgericht Hamm weist zu Recht darauf hin, dass zu Sinn und Zweck der Vorschrift in Widerspruch stehen würde, wenn es dem Bausparer überlassen bleiben würde, beliebig den in § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorgesehenen 10-Jahres- Zeitraum durch die Nichtabnahme des Bauspardarlehens zu verlängern und damit den Bausparvertrag zweckwidrig als unkündbare festverzinsliche Kapitalanlage zu verwenden (OLG Hamm, Beschluss vom 22. Februar 2016, Az.: 31 U 234/15, zitiert nach JURIS Rdz. 19). Durch die Anknüpfung an den Zeitpunkt der Zuteilungsreife wird mithin dem Umstand Rechnung getragen, dass der Bausparer mit dem Eintritt der Zuteilungsreife einen Rechtsanspruch auf Gewährung des Bauspardarlehens durch einseitiges Tun erwerben kann (OLG Hamm, a. a. O. Rdz. 25; siehe zum Ganzen auch Staudinger/Mülbert, BGB, Stand 2015, § 488 Rn. 550).

Auch der Inhalt des Werbematerials zum Tarif Tarif X lässt nicht den Schluss zu, dass der Bausparvertrag ein von der Erlangung eines Bauspardarlehens losgelöstes Finanzprodukt zur Kapitalanlage darstellt und daher eine Kündigung ausgeschlossen ist. Der Inhalt des Werbematerials stellt kein den Vertragsinhalt prägendes oder bestimmendes Moment dar. Es handelt sich insbesondere nicht um eine den Vertragsinhalt bestimmende Allgemeine Geschäftsbedingung. Vertragsbedingungen sind sämtliche Regelungen, welche die vertraglichen Beziehungen zu Verwender und Kunden gestalten (Erman/S. Roloff, BGB, 13. Aufl. § 305 Rz. 3). Sie setzen eine Erklärung des Verwenders voraus, die den Vertragsinhalt regeln soll (BGH NJW 2009, 1337 f. [BGH 04.02.2009 - VIII ZR 32/08], [BGH 04.02.2009 - VIII ZR 32/08] zitiert nach JURIS Rdz. 11). Für die Unterscheidung zwischen (verbindlichen) Vertragsbedingungen und (unverbindlichen) Bitten oder Empfehlungen sowie bloßen Hinweisen ohne eigenständigen Regelungsgehalt ist auf den Empfängerhorizont abzustellen. Eine Vertragsbedingung liegt vor, wenn ein allgemeiner Hinweis nach seinem objektiven Wortlaut bei den Empfängern den Eindruck hervorruft, es solle damit der Inhalt des vertraglichen oder vorvertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt werden (BGH, a. a. O.). Dies ist nach Auffassung des Senats zu verneinen.

Gerade bei Werbebroschüren, die oft nur rudimentäre Daten bezüglich eines in Aussicht genommenen komplexeren Vertragswerks enthalten, ist nach Auffassung des Senats Zurückhaltung bei der Annahme von Vertragsbedingungen geboten. Eine im Vorfeld eines Vertragsschlusses erfolgte Aushändigung von Werbematerial, die rechtlich gesehen eine (unverbindliche) Aufforderung zur Abgabe einer Willenserklärung (invitatio ad offerendum) darstellt, kann aus Sicht eines verständigen Verbrauchers nicht dahingehend missverstanden werden, hier werde abschließend bzw. in prägender Weise der Inhalt des erst noch in Aussicht genommenen Vertrages festgelegt. Ein Werbeschreiben oder eine Broschüre hat keinen konstitutiven Charakter, was aber Voraussetzung für die Annahme einer Vertragsbedingung ist (vgl. MüKo/Basedow, BGB, 6. Aufl., § 305 Rz. 12).

Selbst wenn aber entgegen der Auffassung des Senats die Auffassung vertreten würde, der Inhalt des Werbematerials sei als Vertragsbedingung i. S. v. § 305 BGB zu qualifizieren, ändert dies nichts an der Unbegründetheit der Klage. Denn der Inhalt der Werbematerialien kann mit Rücksicht auf das Gebot der objektiven Auslegung keineswegs so verstanden werden, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Bausparvertrag um ein (Spar-)Anlageprodukt handelt, welches auch nach Zuteilungsreife unbegrenzt weiter bespart werden kann bzw. jedwedes Kündigungsrecht der Beklagten ausgeschlossen ist. Zu etwaigen Kündigungsrechten der Beklagten verhält sich der Inhalt des Werbematerials nicht. Insbesondere wird auch kein Vertrauenstatbestand derart geschaffen, dass es sich bei dem Bausparvertrag um einen Sparvertrag handelt, der bei ordnungsgemäßer Erfüllung von Seiten des Sparers niemals, auch nicht 10 Jahre nach Zuteilungsreife gekündigt werden kann. Nach alledem kann der Beklagten auch nicht der Vorwurf eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens gemacht werden.

Der Annahme eines Kündigungsrechts steht auch nicht entgegen, dass der Bausparer nach den Vertragsbedingungen den Vertrag nach Eintritt der Zuteilungsreife ggf. bis zum Erreichen der Vertragssumme fortsetzen darf. Durch die entsprechende Regelung in den Vertragsbedingungen soll dem Bausparer lediglich ein gewisser zeitlicher Rahmen für den Abruf des Bauspardarlehens eingeräumt werden. Dass der Bausparer bis zum Erreichen der Bausparsumme weiter einzahlt, widerspricht dem eindeutigen primären Zweck des Bausparvertrages, ein Bauspardarlehen zu erlangen (so zutreffend OLG Hamm, Beschluss vom 22. Februar 2016, Az.: 31 U 234/15, zitiert nach JURIS Rdz. 20; ebenso Koblenz, Beschluss vom 18. Januar 2016, Az.: 8 U 1064/15 sub. II. 4.).

Auch der Wortlaut der Vorschrift steht dieser Auslegung nicht entgegen, denn es handelt sich um ein normatives Tatbestandsmerkmal (OLG Köln, Beschluss vom 13. Januar 2016, Az.: 13 U 151/16).

Gegen eine solche bausparspezifische Konkretisierung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (so OLG Hamm, a. a. O. Rdz. 25) sprechen auch nicht die Besonderheiten des Bausparvertrages. Der Bausparer wird nicht etwa sanktioniert, weil die Zehnjahresfrist lediglich dem Schutz der Bausparkasse vor einer überlangen Bin- dung dient (OLG Hamm, a. a. O.) Die Bausparkasse ist - wie bereits oben ausgeführt - vor einer überlangen Bindung dadurch zu schützen, dass der vollständige Empfang, der die Zehnjahresfrist auslöst, bei Eintritt der Zuteilungsreife vorliegt. Dem Bausparer steht es überdies frei, die Zuteilung anzunehmen (OLG Hamm, a. a. O.).

Soweit das Oberlandesgericht Stuttgart in seinem Urteil vom 30. März 2016 (Az.: 9 U 171/15) die Auffassung vertreten hat, wonach der Eintritt der Zuteilungsreife keinen vollständigen Empfang des Darlehens darstelle, vermag der Senat diese Ausführungen mit Rücksicht auf die Ausführungen sub. 1. a) und b) nicht zu teilen.

cc) Die Beklagte hat vorliegend mit Schreiben vom 23. April 2015 und damit mehr als 10 Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife am 1. März 2004 gekündigt.

Es schadet nicht, dass die Kündigung ausdrücklich nur auf die Vorschrift des § 488 Abs. 3 BGB gestützt worden ist. Es liegt insoweit kein unzulässiger Austausch von Kündigungsgründen vor. Es entspricht allgemeiner Meinung, dass einseitige Rechtsgeschäfte in Form einer Kündigung der Umdeutung (§ 140 BGB) zugänglich sind (siehe nur Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Auflage, § 140 Rdz. 3). So kommt beispielsweise die Umdeutung einer außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung in Betracht (siehe Erman/A.Arnold, BGB, 13. Auflage, § 140 Rdz. 7 i.V.m. Rdz. 20). Ferner kann eine ordentliche Kündigung mit unrichtig berechneter Kündigungsfrist in eine Kündigung zum richtigen Termin umgedeutet werden (siehe Palandt/Ellenberger, a.a.O. Rdz. 11). Auch eine Umdeutung einer außerordentlichen fristlosen Kündigung in eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist ist nicht ausgeschlossen (siehe BAG NJW 2001, 1229, 1230 [BAG 18.10.2000 - 2 AZR 627/99]). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass schon nach dem Inhalt des Kündigungsschreibens es erkennbar dem mutmaßlichen Willen entspricht, das Rechtsverhältnis auch zu dem späteren Zeitpunkt zu beenden (vgl. BAG a. a. O.).

Gemessen an den vorstehend genannten Grundsätzen ist von einer wirksamen Kündigung jedenfalls zum 3. November 2015 auszugehen. Denn dem Kündigungsschreiben kann unmissverständlich der Wille zur Vertragsbeendigung wegen Erreichung des Vertragszweckes zum nächstmöglichen Zeitpunkt entnommen werden. Infolgedessen ist der Vertrag zum 3. November 2015 beendet worden.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 3, 9 ZPO. Denn der Wert einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung bemisst sich nach dem objektiv zu ermittelnden wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der Fortführung des Vertrages (siehe OLG Koblenz, Beschl. v. 21. Aug. 2015, Az. 8 U 319/15, zit. nach juris Rz. 2; OLG Hamm, Beschl. v. 26. Okt. 2015, Az. 31 U 182/15, zit. nach juris Rz. 22). Wenn eine Klage auf Feststellung des Fortbestandes eines Bausparvertrages erhoben wird, kommt es daher maßgeblich auf den Wert der Leistungen an, welche der jeweilige Kläger damit erhalten will (OLG Koblenz, a. a. O. Rz. 3). Das Interesse des Klägers ist insoweit zunächst grundsätzlich nach dem Interesse am Erhalt einer Verzinsung zu bewerten (LG Stuttgart, Beschl. v. 15. Sept. 2015, Az. 25 O 89/15, zit. nach juris Rz. 17 unter Hinweis auf OLG Stuttgart, Beschl. v. 19. Juni 2015, Az. 9 W 25/15). Zinsen wiederum sind in entsprechender Anwendung von § 9 ZPO als wiederkehrende Leistungen anzusehen (so ebenfalls OLG Koblenz, a. a. O. Rz. 4). Denn zu den wiederkehrenden Leistungen zählen alle Nutzungen i. S. v. § 100 ZPO, sofern sie sich in regelmäßigen oder unregelmäßigen Zeitabschnitten als einheitliche Folge eines Rechtsverhältnisses ergeben (siehe Musielak/Heinrich, ZPO, 8. Aufl., § 9 Rz. 3; Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl., § 9 Rz. 2). Da die Nutzungen von Geld gerade in den erlangten Zinsen bestehen (siehe Palandt/Ellenberger, BGB, 74. Aufl., § 100 Rz. 1), ist nach Auffassung des Senates die Vorschrift des § 9 ZPO entsprechend heranzuziehen. Eine andere Beurteilung ist auch nicht mit Rücksicht auf den Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 12. Januar 2016 (Az.: XI ZR 366/15) geboten, der sich allein zur Wertfestsetzung bei Widerruf eines Darlehensvertrages verhält.

Bei entsprechender Anwendung von §§ 3, 9 ZPO (3,5-fache Jahresbetrag) errechnet sich ausgehend von einem Bausparguthaben bei Kündigung in Höhe von 8.995,40 € sowie einer Verzinsung in Höhe von 5 % ein Betrag in Höhe von 1.574,20 €.

3. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO wegen der divergierenden Entscheidungen des Oberlandesgerichts Stuttgart (Urteile vom 30. März 2016 - 9 U 171/15 - und vom 4. Mai 2016 - 9 U 230/15 -) zu der Anwendbarkeit des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf die Passivgeschäfte von Bausparkassen sowie zu der Annahme des vollständigen Darlehensempfangs mit dem erstmaligen Eintritt der Zuteilungsreife zuzulassen.