Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 14.09.2016, Az.: 3 U 86/16

Voraussetzungen der Kündigung eines Bausparvertrages durch die Bausparkasse

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
14.09.2016
Aktenzeichen
3 U 86/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 29720
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2016:0914.3U86.16.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 11.02.2016 - AZ: 3 O 265/15

Redaktioneller Leitsatz

1. Zwar kann eine Bausparkasse einen Bausparvertrag kündigen, wenn dieser voll, d.h. in Höhe der Bausparsumme bespart ist.

2. Diese Voraussetzung liegt jedoch nicht vor, wenn das angesparte Guthaben die Bausparsumme noch nicht erreicht. Dabei haben im Falle der unterbliebenen Zuteilung zu gewährende Bonuszinsen außer Betracht zu bleiben.

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 11. Februar 2016 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Bausparvertrag Nr. ...02 durch die Kündigung der Beklagten vom 23. April 2015 nicht beendet worden ist, sondern ungekündigt fortbesteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte 85 % und der Kläger 15 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die jeweilige Vollstreckung der Gegenseite gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 20% übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass sein bei der beklagten Bausparkasse geführter Bausparvertrag fortbestehe.

Die Parteien schlossen unter dem 7. Juni 1999 zur Vertrags-Nr. ...02 einen Bausparvertrag mit einer Bausparsumme von 150.000,00 DM (76.693,78 €) im Tarif X (Anlage K 1, Bl. 7 d. A.).

Dem Bausparvertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge Tarif X (ABB-Tarif X) zugrunde. Nach der Präambel der ABB-Tarif X ist Bausparen zielgerichtetes Sparen, um für wohnungswirtschaftliche Verwendungen Darlehen zu erlangen, deren Verzinsung niedrig, von Anfang an fest vereinbart und von Zinsschwankungen am Kapitalmarkt unabhängig ist. Das Bausparguthaben ist nach § 3 Abs. 1 ABB-Tarif X mit einem Basiszins in Höhe von 2 % p. a. zu verzinsen. Verzichtet der Bausparer bei Annahme der Zuteilung des Vertrages auf das Bauspardarlehen, erhöht sich die Gesamtverzinsung des Bausparguthabens nach § 3 Abs. 2 ABB-Tarif X unter den dort genannten Voraussetzungen rückwirkend ab Vertragsbeginn auf 3 %, 4 % oder 5 % p. a. Die Voraussetzungen für die Zuteilung des Bausparvertrages sind in § 4 Abs. 2 ABB-D geregelt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die ABB-Tarif X Bezug genommen (Anlage K 2, Bl. 9 ff. d. A.).

Die Zuteilungsreife des Bausparvertrages trat zum 4. Oktober 2005 ein. Dieses teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 9. August 2005 mit (Anlage B 1, Bl. 32 d. A.). Der Kläger nahm die Zuteilung nicht an und besparte bis 2012 den Vertrag weiter. Mit Schreiben vom 23. April 2015 kündigte die Beklagte den Bausparvertrag gem. § 488 Abs. 3 BGB zum 3. August 2015 bei einem angesparten Bausparguthaben in Höhe von 65.857,41 € zzgl. Bonuszinsen in Höhe von 24.961,29 € (Anlage K 4, Bl. 12 d. A.).

Der Kläger widersprach der Kündigung mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 5. Mai 2015 (Anlage K 5, Bl. 13 f. d. A.). Die Beklagte hielt an ihrer Kündigung fest und rechnete mit Schreiben vom 27. Juli 2015 (Anlage B 5, Bl. 38 d. A.) das Guthaben in Höhe von 86.523,13 € ab.

Die Parteien haben erstinstanzlich darüber gestritten, ob der Beklagten ein Recht zur Kündigung des Bausparvertrages zugestanden habe und der Vertrag durch die ausgesprochene Kündigung beendet worden ist.

Zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand und die sonstigen tatbestandlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 11. Februar 2016, insbesondere auf die Wiedergabe des Parteivortrages und die gestellten Anträge Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, der Bausparvertrag sei durch die auf der Grundlage von § 488 Abs. 3 BGB erfolgte Kündigung der Beklagten beendet worden. Es sei allgemein anerkannt, dass nach Vollansparung eines Bausparvertrages ein Kündigungsrecht nach § 488 Abs. 3 BGB seitens der Bausparkasse bestehe. Denn der in den ABB herausgestellte Zweck des Bausparvertrages könne nach Vollansparung nicht mehr erreicht werden, da nach Vollansparung die Ausreichung eines Bauspardarlehens nicht mehr in Betracht komme. Der Vollansparung sei gleichzusetzen der Sachverhalt, bei dem aus wirtschaftlichen Gründen die Aufnahme eines Bauspardarlehens dann nicht mehr in Betracht komme, wenn diese Darlehensaufnahme eine wirtschaftliche Schädigung des Bausparers bedeuten würde. Dieses sei im zugrunde liegenden Fall anzunehmen. Zwar sei allein mit den Einzahlungen nebst Zinsen die Bausparsumme vorliegend nicht erreicht gewesen, dem Kläger hätten aber nach § 3 ABB bei Verzicht auf das Bauspardarlehen Zinsen in Höhe von insgesamt 5 % zugestanden. Diese Bonuszinsen hätten sich auf 24.961,29 € belaufen, weshalb sich das Bausparguthaben des Klägers mit Bonuszinsen auf 86.523,13 € belaufen und damit die Bausparsumme von 76.693,78 € überstiegen habe. Da der Kläger weder vorgetragen habe, gleichwohl ein geringes und verhältnismäßig hochverzinsliches Bauspardarlehen unter Verzicht auf die Bonuszinsen aufnehmen zu wollen und von einer derartigen wirtschaftlichen Selbstschädigung auch nicht ausgegangen werden könne, sei die erklärte Kündigung wirksam.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens weiterverfolgt. Er macht insbesondere geltend, der Beklagten stehe kein Kündigungsrecht aus § 488 Abs. 3 BGB zu. Es fehle für eine Anwendbarkeit des § 488 Abs. 3 BGB bereits an der Voraussetzung der unbestimmten Laufzeit. Darüber hinaus habe die Beklagte das Darlehen nicht vollständig empfangen und die Bonuszinsen seien nicht zu berücksichtigen. Die wirtschaftliche Entscheidung über den Umgang mit dem Bausparvertrag müsse dem Kläger überlassen bleiben. Mögliche Kündigungen des Bauspardarlehens durch die Bausparkasse habe diese in § 11 ABB festgelegt. Danach bestünde indes kein Kündigungsrecht für den Fall, dass die allgemeinen Marktzinsen fallen. Dieses aber sei der alleinige Grund, dafür, dass die Beklagte die Kündigung ausgesprochen habe. Ein Bausparvertrag müsse vom Bausparer nicht zur Errichtung einer Immobilie verwandt werden, weshalb ihm die Möglichkeit bleiben müsse, bis zum Ende der Vertragsbindung entsprechend zu verfahren. Die Beklagte habe dem Kläger den vorliegenden Bausparvertrag im Tarif X auch als Geldanlage (sog. Renditetarif) verkauft.

Der Kläger beantragt,

- unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hannover vom 11. Februar 2016, Az. 3 O 265/15 -,

1. festzustellen, dass der Bausparvertrag Nr. ...02 durch die Kündigung der Beklagten/Berufungsbeklagten vom 23. April 2015 nicht beendet worden ist, sondern ungekündigt fortbesteht,

2. die Beklagte/Berufungsbeklagte zu verurteilen, an den Kläger/Berufungskläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 2.085,95 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil und vertritt die Auffassung, die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 488 Abs. 3 BGB auf das Vertragsverhältnis stehe außer Frage. Zwar müsse der Bausparvertrag das eigentliche Ziel, nämlich die Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens zu wohnungswirtschaftlichen Zwecken, nicht zwingend erreichen. Denn der Bausparer sei nicht verpflichtet, die Zuteilung des Bausparvertrages anzunehmen. Gleichwohl sei mit Zuteilung des Bausparvertrages der Zweck der Ansparphase, nämlich ein Anspruch auf das Bauspardarlehen zu erlangen, erreicht. Weitere Zahlungen des Bausparers seien für die zweite Phase, die Gewährung des Bauspardarlehens, und damit für die eigentliche Zweckerreichung nicht mehr erforderlich. Diesem System immanent sei in der Ansparphase eine Kündigungssperre des § 488 Abs. 3 BGB. Denn eine ordentliche Kündigung des Bausparvertrages komme nicht in Betracht, solange der gesetzliche und vertraglich vereinbarte Zweck des Bausparens nicht erreicht sei. Mit Zuteilung des Bausparvertrages ändere sich jedoch die Betrachtungsweise. Der Bausparvertrag unterliege nunmehr einem 10-jährigen ordentlichen Kündigungsrecht aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB und es entfalle die Kündigungssperre des § 488 Abs. 3 BGB, wenn der Bausparvertrag vollständig bespart sei. Denn ein Bauspardarlehen könne dem Bausparer dann nicht mehr gewährt werden, weshalb er auch nicht mehr schutzwürdig sei. Nichts anderes gelte in der hier vorliegenden Fallgestaltung der Bonusverzinsung. Da sich der Bausparer immer für die Bonusverzinsung entscheiden werde, übersteige sein Zahlungsanspruch aus dem Bausparvertrag (Bausparguthaben + Bonuszinsen) die Bausparsumme. Dementsprechend entfalle der aus Sinn und Zweck herrührende Kündigungsausschluss und das Kündigungsrecht aus § 488 Abs. 3 BGB sei für die Beklagte wieder eröffnet.

Wegen weiterer Einzelheiten des wechselseitigen Sachvortrages wird auf die Berufungsbegründung, die Berufungserwiderung und die übrigen zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Rechtsmittel des Klägers ist zulässig und im Hinblick auf den Hauptanspruch auch begründet.

1. Die Kündigung des Bausparvertrages war unwirksam.

a) Die dem Vertrag zugrunde liegenden ABB (§§ 2, 11 ABB) vermögen die erklärte Kündigung nicht zu rechtfertigen; das macht die Beklagte auch nicht geltend.

b) Auch soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, sie sei kraft Gesetzes berechtigt gewesen, den Vertrag zu kündigen, muss ihr der Erfolg versagt werden. Auf das Vertragsverhältnis findet gem. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch i. d. F. des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) seit dem 1. Januar 2003 Anwendung. Die von der Beklagten erklärte Kündigung findet ihre Rechtfertigung weder in § 488 Abs. 3 BGB noch ist die Regelung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB anwendbar. Auch aus § 490 Abs. 3, §§ 314, 313 Abs. 3 Satz 2 BGB ergibt sich kein Kündigungsrecht.

aa) Die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung des Bausparvertrages durch die Bausparkasse gem. 488 Abs. 3 BGB liegen nicht vor. Zwar entspricht es der herrschenden Meinung, dass ein Bausparvertrag durch die Bausparkasse dann gem. § 488 Abs. 3 BGB gekündigt werden kann, wenn er bis zur Bausparsumme vollständig angespart ist. Denn beim Bausparvertrag handelt es sich um einen einheitlichen Vertrag mit zwei Stufen. Der Bausparer spart bis zur Zuteilungsreife ein (verzinsliches) Guthaben an und kann nach Zuteilung ein Bauspardarlehen in Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung angesammelten Guthaben in Anspruch nehmen (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 14. Okt. 2011 - 9 U 151/11, zit. nach juris Rz. 12; LG München I, Beschl. v. 18. Nov. 2015 - 35 O 4819/15, zit. nach juris Rz. 22). Damit ist der Bausparvertrag bereits in der Ansparphase als Darlehensvertrag zu qualifizieren (OLG Hamm, Beschl. v. 26. Okt. 2015 - I-31 U 182/15, zit. nach juris Rz. 18; OLG Stuttgart, Beschl. v. 14. Okt. 2011; OLG Köln, Beschl. v. 11. Jan. 2016, Az. 13 O 151/15; LG München I, a. a. O.), wobei die Einlagen des Bausparers das Darlehen an die Bausparkasse darstellen, für dessen Rückerstattung eine Zeit nicht bestimmt ist (OLG Stuttgart, a. a. O.). Der Bausparvertrag dient dem Zweck der Erlangung eines Bauspardarlehens in Höhe der Differenz zwischen Bausparsumme und Bauspareinlagen. Mit vollständiger Ansparung des Vertrages bis zur Bausparsumme kann dieser Zweck nicht mehr erreicht werden (OLG Stuttgart, a. a. O.; Senat, Beschl. v. 17. Okt. 2013 - 3 U 154/13).

Eine Vollbesparung liegt jedoch vorliegend nicht vor und es ist auch nicht ersichtlich, dass der aus Sinn und Zweck herrührende Kündigungsausschluss aus sonstigen Gründen mangels fortbestehendem Schutzbedürfnis des Klägers entfallen sei.

Unstreitig betrug das angesparte Bausparguthaben des über eine Bausparsumme von 76.693,78 € abgeschlossenen Vertrages zum Zeitpunkt der Kündigung 65.857,41 €, so dass bis zur Vollansparung noch über 10.000 € fehlten. Die Auffassung der Beklagten, diesem Betrag sei ein Bonusanspruch von 24.961,29 € zuzurechnen, sodass kein Bauspardarlehen mehr ausgezahlt werden könne und daher ein Kündigungsrecht wie bei einer Vollbesparung bestehe, überzeugt nicht. Die Bestimmungen in § 3 ABB führen nicht dazu, dass die Bausparsumme erreicht ist. Nach dieser Vorschrift erhält der Bausparer Bonuszinsen bis zu 5 % p. a., wenn er bei Annahme der Zuteilung des Vertrages auf das Bauspardarlehen verzichtet. Einen derartigen Verzicht hat der Kläger vorliegend aber nicht erklärt, weshalb ihm auch noch ein Anspruch auf das Bauspardarlehen zusteht. Der Bausparer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Zuteilung des Bausparvertrages anzunehmen. Das Vertragsverhältnis wird auch nach erfolgter Zuteilung fortgeführt, soweit der Bausparer von sich aus keine weiteren rechtlichen Erklärungen (Annahme der Zuteilung oder Kündigung des Bausparvertrages) abgibt (§ 5 ABB).

Da der Kläger vorliegend nach erfolgter Zuteilung unstreitig keine rechtlichen Erklärungen abgegeben, seinen Anspruch aus der Zuteilung vielmehr vertagt hat, ist auch der Anspruch auf eine Bonusverzinsung nicht fällig geworden.

Die Beklagte war nach Maßgabe der Grundsätze der aufgedrängten Bereicherung auch nicht berechtigt, dem Kläger ohne seine Zustimmung eine Wertsteigerung in Form der Bonusverzinsung zukommen zu lassen und damit letztlich selbst den Kündigungstatbestand der Vollbesparung zu schaffen. Dieses Vorgehen kollidierte mit dem Selbstbestimmungsrecht des Klägers und es ist gerade nicht ersichtlich, dass die Addition der Bonuszinsen bei einer Gesamtbetrachtung rechtlich rein vorteilhaft für ihn war (vgl. hierzu Palandt/Bassenge, BGB, 74. Aufl., § 951 Rn. 18 f.). Denn die Bewertung der Frage, ob die Gewährung eines Bauspardarlehens vorliegend nicht mehr in Betracht kommt, weil sich der Bausparer immer für die Bonusverzinsung entscheiden wird, obliegt nicht der Beklagten, sondern dem Bausparer. Ihm muss die wirtschaftliche Entscheidung über jede Form des Umgangs mit dem Bausparvertrag überlassen bleiben, solange er sich - wie vorliegend - in den Grenzen des vertraglich Erlaubten bewegt. Aus Sicht des Senates verbietet sich die Schlussfolgerung, der Kläger sei nicht schutzwürdig, weil nicht nachvollziehbar sei, was ihn konkret dazu bewegen könnte, auf der Zuteilung des Bauspardarlehens zu bestehen und dafür auf den Bonuszinsanspruch zu verzichten, weshalb sein Verhalten selbstschädigend und damit nicht zu berücksichtigen sei.

Der Kläger ist nicht verpflichtet, sich insoweit zu seinen Absichten zu erklären. Zentrales Verkaufsargument der Beklagten war ausweislich der Erläuterungen zum Bausparvertrag Tarif X (Anlage K 3, Bl. 11 d. A.) nicht lediglich, ein zinsgünstiges Darlehen bereit zu stellen, sondern auch eine Geldanlage. So heißt es u. a. in den o. g. Erläuterungen:

"Wenn Sie kein Darlehen in Anspruch nehmen möchten, können Sie von der attraktiven Guthabenverzinsung aus der Sparphase profitieren. Was immer Sie auch wählen: Nicht der Tarif allein, sondern Ihre Wünsche und Pläne sind entscheidend für den Verlauf des Bausparvertrages."

Damit war erklärter Vertragszweck neben der möglichen Erlangung eines Bauspardarlehens auch die individuelle Gestaltungsmöglichkeit als rentable Geldanlage. Gerade vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass das Vorgehen der Beklagten, welches dem Kläger gerade seine individuelle Gestaltungsmöglichkeit nimmt, für diesen ausschließlich vorteilhaft sein soll. Im Rahmen des subjektiven Nutzens für den Kläger kann nicht allein - wie die Beklagte meint - darauf abgestellt werden, dass ein Verzicht auf die Bonusverzinsung wirtschaftlich nachteilig wäre. Denn von entscheidender Bedeutung im Rahmen der wirtschaftlichen Überlegungen des Klägers kann auch sein, mit seinen Zahlungen den Zeitpunkt der Zuteilung bzw. Auszahlung zu beeinflussen.

Es lässt sich auch aus der gegenwärtigen Niedrigzinsphase nicht schlicht ableiten, der Kläger habe endgültig sein Interesse an einem Bauspardarlehen verloren. Die weitere Zinsentwicklung lässt sich nicht sicher prognostizieren und die gegenwärtige Markteinschätzung der Beklagten erlaubt keine Feststellungen über die Absicht des Klägers, ein Bauspardarlehen auf keinen Fall mehr in Anspruch nehmen zu wollen. Ein offenkundig rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers liegt nicht vor. Er hat die Niedrigzinsphase nicht zu verantworten und macht aus vertraglich legitimierten Gründen der Privatautonomie die Rechte aus der Zuteilung nicht geltend, weshalb er im Hinblick auf die von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung aus § 488 Abs. 3 BGB mangels Vollbesparung nach wie vor schutzwürdig ist.

bb) Die Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung durch die Bausparkasse gem. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB lagen im Kündigungszeitpunkt ebenfalls nicht vor. Gem. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf von 10 Jahren nach dem vollständigen Empfang des Darlehens unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten ganz oder teilweise kündigen. Bei einem Bausparvertrag handelt es sich um einen einheitlichen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz, der die Besonderheit aufweist, dass Bausparkasse und Bausparer erst mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen. Das weitere Tatbestandsmerkmal des vollständigen Empfangs der Darlehensvaluta ist ebenfalls gegeben. Denn mit Rücksicht auf den Sinn und Zweck des § 489 BGB bzw. die strukturellen Eigenschaften des Bausparvertrages ist bei einem Bausparvertrag der Eintritt der Zuteilungsreife mit dem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta gleichzusetzen (OLG Hamm, Beschl. v. 30. Dez., 31 U 191/15, zit. nach juris Rz. 24; OLG Koblenz, Beschl. v. 18. Jan. 2016 8 U 1064/15 sub. II. 4.).

Da die Beklagte vorliegend aber bereits mit Schreiben vom 23. April 2015 und damit weniger als 10 Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife am 4. Oktober 2005 gekündigt und auch die Kündigungsfrist von 6 Monaten nicht eingehalten hat, kann ihre Kündigung nicht auf die Vorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gestützt werden.

cc) Die Beklagte kann sich auch nicht auf ein Kündigungsrecht aus § 490 Abs. 3, § 314 BGB berufen. Nach § 314 BGB ist eine Kündigung zulässig, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die Nichtabnahme des Bauspardarlehens stellt kein vertragswidriges Verhalten des Bausparers dar und hinsichtlich der Nichtzahlung der Regelsparbeiträge hat die Bausparkasse ein spezielleres Kündigungsrecht aus § 2 ABB, dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Schaffung von Kündigungsvoraussetzungen und die sich daran anschließende Möglichkeit der Ausübung dieses Kündigungsrechts ist ihr zuzumuten.

Auch aus § 490 Abs. 3, § 313 Abs. 3 BGB ergibt sich kein Kündigungsrecht. Nach § 313 BGB kann eine Vertragsanpassung verlangt werden, wenn sich die Umstände, die Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben, die Parteien deshalb den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten und das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zumutbar ist. Die Geschäftsgrundlage eines Vertrages wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebildet durch die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt ungewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (vgl. BGH, Urt. v. 24. März 2010 - VIII ZR 235/09, zit. nach juris).

Die Geschäftsgrundlage wäre nicht bereits dann entfallen, wenn der Kläger seine Absicht zur Inanspruchnahme des Bauspardarlehens endgültig aufgegeben hätte. Schon die Erläuterungen zum Bausparvertrag im Tarif X legen nahe, dass kein Darlehen in Anspruch genommen werden muss. Für diesen Fall ist nach § 5 ABB die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses vorgesehen, mithin eine Risikoverteilung vorgenommen worden.

Die Geschäftsgrundlage wäre auch nicht entfallen, wenn das Gleichgewicht zwischen Bauspareinlagen und -darlehen mit der Folge dauerhaft gestört wäre, dass die Beklagte ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen könnte. Die Beklagte hat über den gesetzlich vorgegebenen Rahmen hinaus insoweit das vertragsspezifische Risiko übernommen, was ein weiteres Festhalten am Vertrag nicht als unzumutbar erscheinen lässt. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, von der bestehenden Möglichkeit Gebrauch zu machen, das Risiko der Zinsentwicklung durch eine geeignete Vertragsgestaltung anders zu gewichten oder sich ein entsprechendes Kündigungsrecht vorzubehalten. Ein Anlass, der Bausparkasse ein Kündigungsrecht vor Vollbesparung bzw. vor Ablauf von 10 Jahren nach Zuteilung des Bausparvertrages zu geben, besteht nicht.

2. Dem Kläger steht jedoch kein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.085,95 € zu. Zwar kann die Verpflichtung zur Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten vorliegend aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB folgen, weil die Beklagte durch die unberechtigte Kündigung ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB verletzt hat. Die Kündigung stellt eine Form der endgültigen Leistungsverweigerung durch die Beklagte als Schuldnerin der Zinsverpflichtung sowie als Verwahrerin der Sparbeiträge dar, die den Kläger berechtigte, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ob die Beklagte die Pflichtwidrigkeit ihres Handelns hätte erkennen müssen, kann vorliegend indes dahingestellt bleiben, weil der Kläger einen Schadensersatzanspruch auch aus anderen Gründen nicht schlüssig dargelegt hat.

Der Bundesgerichtshof hat 1968 bereits klargestellt, dass ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch nur dann besteht, wenn der Geschädigte aufgrund des Verhältnisses, das zwischen ihm und seinem Rechtsanwalt bestehe (Innenverhältnis), zur Zahlung der ihm vom Rechtsanwalt in Rechnung gestellten Kosten auch wirklich verpflichtet sei. Dies sei vorwiegend eine gebührenrechtliche Frage, die nach den Vorschriften der BRAGO beantwortet werden müsse (VersR 1968, 1145). Zur Schlüssigkeit der Klage gehört daher denknotwendigerweise auch Vortrag dazu, dass der Rechtsanwalt zunächst nur den Auftrag zu einer außergerichtlichen Klärung bzw. einen bedingten Prozessauftrag erhalten hat (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl. VV, 2300 Rz. 6; BGH NJW 1968, 2334, 2335 f. für den Anfall einer Gebühr gem. § 118 BRAGO bei einem bedingten Prozessauftrag). Denn hat der Mandant seinem Rechtsanwalt einen unbedingten Klageauftrag erteilt, ist die Geltendmachung einer Gebühr gem. Nr. 2300 VV-RVG ausgeschlossen, weil die Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV-RVG auch Tätigkeiten erfasst, welche die Klage oder Rechtsverteidigung vorbereiten (siehe Gerold/Schmidt/Müller-Raabe, RVG, 22. Aufl., § 19 Rz. 19; BGH, JurBüro 2005, 84 f.).

Ausreichenden Sachvortrag hat der anwaltlich beratende Kläger insoweit nicht gehalten. Der Inhalt des dem Prozessbevollmächtigten erteilten Auftrages bleibt vielmehr vollständig offen.

Ein Schaden in Form der Rechtsanwaltskosten ist zudem erst dann entstanden, wenn der Mandant einem einforderbaren Zahlungsanspruch seines Prozessbevollmächtigten ausgesetzt ist, und er die entsprechenden Anwaltskosten auch bezahlt hat.

Dies setzt zunächst voraus, dass dem Mandanten eine ordnungsgemäße anwaltliche Vergütungsberechnung gem. § 10 RVG mitgeteilt worden ist (vgl. Gerold/Schmidt/Mardert, RVG, 18. Aufl., § 10 Rz. 12). Ohne diese Berechnung ist der Auftraggeber nicht zur Zahlung gegenüber seinem Rechtsanwalt verpflichtet (vgl. Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 10 Rz. 3; vgl. Gerold/Schmidt/Mardert, RVG, a. a. O.). Eine entsprechende Zahlungsklage des Rechtsanwaltes müsste mangels Schlüssigkeit des Klageanspruchs abgewiesen werden (vgl. Gerold/Schmidt/von Eicken/Mardert/Müller-Raabe, RVG, a. a. O.). Das Reichsgericht hat sogar für eine dem § 86 GebO a. F. (= § 10 RVG heutiger Fassung) im Wesentlichen gleichlautende Regelung des preußischen Rechts entschieden, dass der Auftraggeber, welcher an den Anwalt Zahlung geleistet hat, ohne dass ihm eine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Anwaltsrechnung erteilt worden ist, das Gezahlte im Wege der condictio indebiti zurückfordern könne, weil auf seiner Seite nicht einmal eine moralische Verpflichtung zur Zahlung bestehe (Urt. des IV. Zivilsenates des RG vom 16. Juni 1881, zit. nach Walter, Gebührenordnung für Rechtsanwälte, 1895, § 86 Anm. II).

Zum Erhalt einer Rechnung und zur Leistung entsprechender Zahlbeträge an seine Prozessbevollmächtigten hat der Kläger nicht vorgetragen. Ohne Zahlung liegt ein Schaden allein in der Belastung mit einer Verbindlichkeit, sodass dem Kläger insoweit allenfalls ein Freistellungsanspruch gem. § 257 BGB hätte zustehen können.

Für die Richtigkeit der vom Senat vertretenen Auffassung spricht auch, dass ein Geschädigter bei der Anwendung von § 249 BGB nicht bessergestellt werden darf, als er ohne das schädigende Ereignis stehen würde. Denn wäre der Schädiger auch ohne Erteilung einer Anwaltsrechnung gegenüber dem Mandanten sofort zur Zahlung verpflichtet, würde dem Geschädigten ein Vermögenswert zufließen, obwohl die Voraussetzungen eines durchsetzbaren Vergütungsanspruchs des eingeschalteten Rechtsanwalts noch gar nicht vorliegen. Dies könnte dazu führen, dass dem Kläger der Zahlungsbetrag auch dann verbleiben würde, wenn er im Verhältnis zu seinem Rechtsanwalt als Auftragnehmer eine Zahlung berechtigt verweigern sollte. Eine derartige Weigerung könnte beispielsweise auf die Nichterteilung einer den Anforderungen des § 10 RVG genügenden Abrechnungen oder aber auf den Eintritt der Verjährung des Vergütungsanspruchs gestützt werden. Dies lässt sich mit dem schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbot nicht vereinbaren.

Auf die vorgenannten Aspekte brauchte der Kläger nicht gesondert hingewiesen zu werden. Gemäß § 139 Abs. 2 ZPO erstreckt sich die richterliche Hinweispflicht nicht auf Nebenforderungen i. S. v. § 4 ZPO (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 139 Rz. 8). Außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten gehören aber zu den Nebenforderungen gem. § 4 ZPO. Dies gilt insbesondere für vorgerichtliche Anwaltskosten (BGH, MDR 2007, 919 [BGH 30.01.2007 - X ZB 7/06]; BGH, AGS 2007, 516).

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre gesetzliche Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

2. Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Frage der Hinzurechnung der Bonuszinsen grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.