Amtsgericht Hameln
Beschl. v. 07.12.2004, Az.: 38 UR II 3/04

Antragsablehnung; Antragstellung; Antragszurückweisung; Ausländerbehörde; Ausreisepflicht; Bußgeldtatbestand; Gefahrenabwehrmaßnahme; Grundrechtseingriff; Lebenssphäre; Mitwirkungspflicht; Nichtherausgabe; Niedersachsen; Ordnungswidrigkeit; polizeiliche Beschlagnahme; polizeiliche Durchsuchung; Privatsphäre; Reisepass; richterliche Beschlagnahmeanordnung; richterliche Beschlagnahmeerlaubnis; richterliche Durchsuchungsanordnung; richterliche Durchsuchungserlaubnis; unbegründeter Verdacht; Unverhältnismäßigkeit; Vereitelung; vermutete Vortäuschung; vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer; vorgetäuschte Passlosigkeit; Wohnungsdurchsuchung

Bibliographie

Gericht
AG Hameln
Datum
07.12.2004
Aktenzeichen
38 UR II 3/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 51095
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

In der Ausländersache ... wird der Antrag des Landkreises vom 02.12.2004 auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses bei der Beteiligten zu 2) zurückgewiesen.

Gründe

1

I. Die antragstellende Ausländerbehörde hat am 02.12.2004 den Erlaß einer richterlichen Anordnung zur Durchsuchung der Wohnung, einschließlich der dazu gehörenden Nebenräume, Kraftfahrzeuge, Behältnisse und Schließfächer sowie der Person der Beteiligten zu 2) nach ihrem Reisepass, sowie dessen Beschlagnahme beantragt. Die Beteiligte zu 2) ist als Bürgerkriegsflüchtling 1999 unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist und auf Grund eines bestandkräftigen Bescheides vollziehbar ausreisepflichtig. Ihrer Ausreisepflicht ist sie bislang nicht nachgekommen. Es wurde durch die zuständige Ausländerbehörde die Abschiebung eingeleitet, die am 24.11.2004 vollzogen werden sollte. Der bislang bei der Ausländerstelle verwahrte Reisepass der Betroffenen zu 2) wurde auf Verlangen ihres Ehemannes am 02.08.2004 diesem durch die Ausländerstelle ausgehändigt. Bei einem am 25. oder 26.10.2004 durchgeführten Hausbesuch bei der Beteiligten zu 2) wurde diese von einer Mitarbeiterin des Ausländeramtes aufgefordert, ihren Reisepass zwecks Sicherung der Abschiebemaßnahmen auszuhändigen. Trotz wiederholter Aufforderung, gab die Beteiligte zu 2) die Reisedokumente nicht heraus und gab an, nicht mehr im Besitz dieser Dokumente zu sein. Diese würden sich beim Generalkonsulat von Serbien/Montenegro in Hamburg befinden. Eine Prüfung durch das Ausländeramt hat ergeben, daß sich die Dokumente dort jedoch nicht befinden.

2

Auf Grund der Passlosigkeit der Beteiligten zu 2) konnte die Ausländerbehörde bislang die Abschiebung nicht vollziehen. Die Ausländerbehörde hat den Verdacht, daß die Beteiligte zu 2) ihre Passlosigkeit nur vorgetäuscht hat und noch im Besitz des Reisepasses ist. Um diesen aufzufinden, hat sie einen Durchsuchungsbeschluß beantragt und als Rechtsgrundlage ihres Begehrens die §§ 25 bis 27 Nds. GefAG angegeben.

3

II. Der Antrag war zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung gemäß §§ 24, 25 NSOG nicht vorliegen. Vorliegend ist bereits zweifelhaft, ob die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Ziff. 2 NSOG vorliegen. Danach kann eine Durchsuchung einer Wohnung erfolgen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sich in ihr eine Sache befindet, die nach §§ 26 Nr. 1 NSOG sichergestellt werden kann, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Konkrete Tatsachen, die darauf hindeuten, daß die Beteiligte zu 2) noch im Besitz ihres Passdokumentes ist und sich dieser in der zu durchsuchenden Wohnung befindet, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen. Sie stützt ihren Durchsuchungsantrag lediglich auf den nicht durch Tatsachen untermauerten Verdacht einer vorgetäuschten Passlosigkeit.

4

Eine auf diese Sachlage gestützte Durchsuchungsanordnung wäre jedoch nicht verhältnismäßig. Bei der Durchsuchung handelt es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebensphäre des Betroffenen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Durchsuchungen im strafprozessualen Bereich, ist eine Durchsuchung nur dann gerechtfertigt, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zur Stärke des Tatverdachtes und zur Schwere der Tat steht (vgl. BVerfGE 42, S. 212, 220; 59, S. 95, 97; NJW 1999, S. 2176 [BVerfG 22.03.1999 - 2 BvR 2158/98]). Diese Grundsätze finden auch für Durchsuchungen im Gefahrenabwehrrecht Anwendung.

5

Besteht die Gefahr, wie vorliegend, lediglich darin, daß die Betroffene eine Ordnungswidrigkeit begeht, die im Höchstfalle mit 2.500,00 € bewehrt ist, ist die Verhältnismäßigkeit jedenfalls nicht bewahrt.

6

Mit der Nichtherausgabe des Passes verstößt die Beteiligte zu 2) allenfalls gegen ihre Mitwirkungspflicht des § 40 AuslG und begeht damit eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 93 Abs. 2 Ziff. 1 AuslG, die im Höchstfalle mit 2.500,00 € zu ahnden ist. Bei einer derartigen Höhe des angedrohten Bußgeldes ist eine Durchsuchung grundsätzlich nicht gerechtfertigt (vgl. BVerfG NJW 1999, S. 217). Sonstige Umstände, die ausnahmsweise eine Durchsuchung rechtfertigen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, daß der Paß der Beteiligten zu 2) sich bei der Ausländerbehörde befunden hat, und von dieser freiwillig am 02.08.2004 herausgegeben wurde. Auch die Tatsache, daß die Ausländerbehörde mehr als 3 Monate benötigte, um den Paß zurückzufordern, spricht vorliegend gegen eine Verhältnismäßigkeit.