Landgericht Stade
Urt. v. 30.07.2009, Az.: 4 O 369/08

Bibliographie

Gericht
LG Stade
Datum
30.07.2009
Aktenzeichen
4 O 369/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 43347
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGSTADE:2009:0730.4O369.08.0A

Fundstelle

  • SpuRt 2010, 32-33

In dem Rechtsstreit

...

hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Stade auf die mündliche Verhandlung vom 16.07.2009 durch

...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Es wird festgestellt, dass das Urteil des Verbundsrechtsausschusses des Spielverbundes vom 27.08.2008, dem Kläger zugestellt am 29.08.2008, hinsichtlich der Urteilstenors zu 2) und 3) rechtswidrig ist.

  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 33 000,00 €.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines sportgerichtlichen Urteils.

2

Der Kläger ist ein Sportverein, der mit seiner Abteilung American Football unter dem Namen "M-Mannschaft", in der Spielzeit 2008 in der Regionalliga teilnahm. Der Kläger hat sich mit anderen Landesverbänden aus Nord- und Ostdeutschland zu dem Spielverbund, dem Beklagten, zusammengeschlossen. Zweck dieses Verbundes ist die Gestaltung und Durchführung des Spielbetriebes unterhalb der Bundesligen.

3

Sowohl der Kläger als auch sämtliche Mitgliedsverbände des Beklagten sind rechtlich selbstständige Untergliederungen des A-Verband e.V.. In der Ordnung des Beklagten ist geregelt, dass die jeweils gültige Spielordnung des A-Verband e.V. (BSO) gilt.

4

In der Saison 2008 wechselten der Spieler A.... von einem Schweizer Klub und der Spieler B.... von einem französischen Klub zum Kläger. Beide Wechsel erfolgten nach dem 01.03.2008.

5

Der Kläger beantragte für beide Spieler Spielerpässe bei der Landespassstelle in B..... Diese stellte für B.... unter dem 27.04.2008 einen Spielerausweis aus, der dem Kläger etwa eine Woche später zuging. Für A.... beantragte der Kläger unter dem 20.04.2008 einen Spielerausweis, der ihm am 07.07.2008 zugestellt wurde.

6

Beide Spieler wurden ohne Einhaltung einer Wechselsperre von fünf Pflichtspielen im Spielbetrieb eingesetzt.

7

Gegen den Einsatz der Spieler B.... und A.... ohne Einhaltung einer Wechselsperre legte der F....-Verein unter dem 13. und 15.07.2008 Einspruch zur Spielleiterin Nord-Ost ein. Diese wies die Einsprüche mit Beschluss vom 13.08.2008 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Spielerberechtigungen durch die Spielleitung des Beklagten eingehend geprüft und positiv beschieden worden seien. Der Kläger habe daher die Spieler in gutem Glauben eingesetzt, so dass ihn kein Verschulden treffe. Bezüglich des weiteren Inhalts des Beschlusses wird auf den als Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 20.12.2008 übereichten Beschluss vom 13.08.2008 verwiesen (93/94 d.A.).

8

Gegen diesen Beschluss legten der F....-Verein mit Schreiben vom 19.08.2008 Einspruch zum Verbundsrechtsausschuss ein. Nach Eingang der Einspruchsschrift ordnete der Verbundsrechtsausschuss mit Verfügung vom 21.08.2008 (Anlage K 8) ein schriftliches Verfahren an und setzte dem Kläger eine Frist zur Stellungnahme von vier Tagen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger keine Kenntnis von dem gegen ihn gerichteten Verfahren.

9

Der Verbundsrechtsausschuss fällte am 27.08.2008 das folgende Urteil:

  1. 1)

    "Der Verbundsrechtsausschuss bestätigt die Spielberechtigung für die Spieler der M-Mannschaft, A.... und B...., nach einer Wechselpause von fünf Pflichtspielen. (BSO § 7, 2)

  2. 2)

    Die M-Mannschaft erhalten eine Geldstrafe für das Spielen von Spielern ohne Genehmigung von 510,00 €. (§ 48, 2a 2)

  3. 3)

    Umwertung der ersten fünf Ligaspiele gegen die M-Mannschaft in 0:2 Punkte und 0: 20 TD Punkte. (§ 31 2d)"

10

Bezüglich der Begründung des Urteils vom 27.08.2008 wird auf die Anlage K 1 verwiesen.

11

Die Revision gegen dieses Urteil wurde nicht zugelassen. Die unter dem 05.09.2008 eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (Anlage K 4) wurde mit Beschluss des Bundesrechtsausschusses vom 30.09.2008 (Anlage K 5) abgewiesen.

12

Bis zur Umwertung der Spiele durch das Urteil des Verbundsrechtsausschusses führte der Kläger die Tabelle der Regionalliga an und wäre daher in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Nach der Umwertung belegte der Kläger lediglich den 3. Platz und war daher nicht für den Tabellenaufstieg qualifiziert.

13

Nachdem der Verbandsrechtsweg ausgeschöpft wurde, verfolgt der Kläger sein Anliegen der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Urteils vom 27.08.2008 vor den ordentlichen Gerichten weiter.

14

Er ist der Ansicht, dass sich aus der Ordnung des Spielverbundes Nord-Ost (Anlage K 3), die auf die Bundesspielordnung (BSO) des A-Verbundes e.V. (Anlage K 8) verweise, nicht ergebe, dass nach einem Wechsel eines ausländischen Spielers nach Deutschland eine Wechselsperre von fünf Pflichtspielen einzuhalten sei.

15

Außerdem rügt der Kläger Verfahrensverstöße: Der Verbundsrechtsausschuss habe nicht im schriftlichen Verfahren entscheiden dürfen, da dies nur zulässig sei, sofern alle Parteien zustimmten oder der Sachverhalt unstreitig sei (§ 49 Ziffer 8 BSO). Vorliegend sei dem Kläger jedoch unstreitig erstmals durch Verfügung des Vorsitzenden des Verbundsrechtsausschusses vom 21.08.2008, durch die auch das schriftliche Verfahren angeordnet wurde, Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden.

16

Der Vorsitzende des Verbundsrechtsausschusses habe zudem den Inhalt des zu sprechenden Urteils gegenüber Dritten bereits vor der Aufforderung des Klägers zur Stellungnahme bekannt gegeben.

17

Der Kläger vertritt die Meinung, dass der Verbundsrechtsausschuss im Übrigen nicht zur Entscheidung über den Streit zuständig gewesen sei, da der beschrittene Rechtszug gem. § 8 der Ordnung des Spielverbundes Nord-Ost nur für Ligen unterhalb der Regionalliga gelte.

18

Ferner ist der Kläger der Ansicht, dass die Strafvorschriften der Spielordnung nicht hinreichend bestimmt seien und zudem in rechtsstaatswidriger Weise nicht auf ein Verschulden des Betroffenen abstellten. Der Kläger habe nicht schuldhaft gehandelt, da er auf die Rechtmäßigkeit der ausgegebenen Spielerpässe vertraut habe.

19

Schließlich rügt der Kläger eine Ungleichbehandlung, da in anderen Fällen gegen den sofortigen Einsatz von Spielern ohne Einhaltung einer Wechselsperre nicht eingeschritten worden sei, und er macht eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Vereins geltend, der rechtzeitig darauf habe hinwirken müssen, dass die Spieler B.... und A.... nicht zum Einsatz hätten kommen können.

20

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 16.07.2009 haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des Antrags, die Rechtswidrigkeit des Urteilsausspruchs zu 1) festzustellen, übereinstimmend für erledigt erklärt.

21

Der Kläger beantragt nunmehr,

  1. zu erkennen, dass die gegenüber dem Kläger mit Urteil des Verbundsrechtsausschusses vom 27.08.2008 verkündete Entscheidung (dem Kläger zugestellt am 29.08.2008) hinsichtlich des Urteilsausspruchs zu 2) und 3) rechtswidrig ist.

22

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

23

Er vertritt die Auffassung, dass er nicht passivlegitimiert sei, da sich die Klage gegen den A-Verband e.V. richten müsse. Er rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Stade.

24

Der Beklagte ist der Meinung, dass das Verfahren rechtsstaatlichen Anforderungen genüge und behauptet, dass es ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Weiter ist er der Ansicht, dass sich alle Mitglieder des A-Verbandes über die Wechselmodalitäten der Spieler zu informieren hätten und behauptet, dass der Kläger entweder gewusst habe, dass die fraglichen Spieler nur nach einer Wechselsperre eingesetzt werden dürften oder dies jedenfalls hätte wissen müssen. Im Übrigen ist er der Ansicht, dass der Klage ein zwischen dem A-Verband und dem Kläger am 15.10.2008 geschlossener Schiedsgerichtsvertrag entgegenstehe.

25

Hinsichtlich des Inhalts des Schiedsgerichtsvertrages wird auf die Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 21.01.2009 Bezug genommen, (Bl. 133-137 d.A.).

26

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens im Übrigen und im Einzelnen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

27

Die Klage ist zulässig und begründet.

28

I

Das Landgericht Stade ist örtlich zuständig. Die Zuständigkeit richtet sich nach dem Wohnsitz der Spielleiterin Nord-Ost, worauf das Gericht die Parteien bereits mit Beschluss vom 17.02.2009 hingewiesen hat, (vgl. Bl. 171-173 d.A.).

29

Die Schiedsgerichtsvereinbarung vom 15.10.2008 steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Vertragspartner dieser Vereinbarung war die Klägerin und der A-Verband. Der Beklagte war hieran nicht beteiligt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Schiedsgerichtsvertrag Rückwirkung entfalten sollte.

30

II

Das angegriffene Urteil des Verbundsrechtsausschusses ist sowohl formell als auch materiell rechtswidrig.

31

1.

Das Verfahren leidet unter wesentlichen Verfahrensfehlern.

32

Bei der Entscheidungsfindung wurde der Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblichem Maße verletzt.

33

Die Spielleiterin Nord-Ost hätte bereits vor ihrer Entscheidung über den Einspruch F-Vereins gem. § 7 der Spielordnung des Spielverbundes Nord-Ost eine Stellungnahme des Klägers anfordern müssen. Dies wurde von der Spielleiterin versäumt.

34

Des Weiteren hätte der Verbundsrechtsausschuss vorliegend zwingend eine mündliche Verhandlung anberaumen müssen.

35

Nach § 49 Abs. 8 der Bundesspielordnung (BSO) müssen Verhandlungen vor den Rechtsausschüssen grundsätzlich mündlich stattfinden. Auf Anordnung des Vorsitzenden kann in das schriftliche Verfahren übergegangen werden, wenn alle Parteien zustimmen oder wenn der Sachverhalt selbst unstreitig ist.

36

Diese Voraussetzungen lagen zum Zeitpunkt der Verfügung des Vorsitzenden des Verbundsrechtsausschusses vom 21.08.2008 (Anlage K 7), mit der dieser das schriftliche Verfahren anordnete und dem Kläger zugleich zur Stellungnahme binnen vier Tagen aufforderte, nicht vor.

37

Da der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis von dem gegen ihn gerichteten Verfahren hatte und mithin noch keine Stellungnahme abgeben konnte, konnte denknotwendig nicht von einem unstreitigen Sachverhalt oder gar einer Zustimmung des Klägers zu der Entscheidung im schriftlichen Verfahren ausgegangen werden.

38

Dieser Fehler ist gerade auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dem Kläger lediglich eine Frist zur Stellungnahme von vier Tagen eingeräumt wurde, von erheblichem Gewicht. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs stellt ein Strukturprinzip der freiheitlich demokratischen Grundordnung dar und ist verfassungsrechtlich in Art. 103 Abs. 1 GG verankert. Es handelt sich um ein Justizgrundrecht von überragender Bedeutung.

39

Aufgrund der besonderen Stellung des Grundrechts auf rechtliches Gehörs kann eine Entscheidung, die ohne faire Beteiligung des Betroffenen getroffen wurde, regelmäßig keinen Bestand haben.

40

Eine Ausnahme ist lediglich zuzulassen, sofern festgestellt werden kann, dass das Ergebnis der Entscheidung auch bei Gewährung rechtlichen Gehörs offensichtlich kein anderes gewesen wäre, so dass sich die Gewährung des rechtlichen Gehörs als reine Formsache darstellen würde (vgl. RGZ, 171, 205).

41

Die Darlegungs- und Beweislast für diese Ausnahme trifft den Beklagten. Dieser hat nichts dazu vorgetragen, dass eine solche Ausnahme gegeben wäre.

42

Im Übrigen weist die Kammer darauf hin, dass aufgrund der ebenfalls gegebenen materiellen Rechtswidrigkeit der Entscheidung keinesfalls ausgeschlossen werden kann, dass der Kläger die Beklagte im Rahmen einer mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugt hätte, dass keine Strafmaßnahmen zu verhängen seien.

43

Des Weiteren ist durch die Vereinsstatuten nicht geregelt, welcher Rechtszug für Streitigkeiten innerhalb der Regionalliga gilt. § 8 der Spielordnung des Spielverbundes Nord-Ost trifft lediglich eine Regelung für Ligen unterhalb der Regionalliga. Es bleibt daher unklar, ob der Verbundsrechtsausschuss überhaupt für den Erlass der angegriffenen Entscheidung zuständig war.

44

2.

Die durch Urteil des Verbandsrechtsausschusses vom 27.08.2008 ausgesprochene Geldstrafe sowie die Umwertung der ersten fünf Ligaspiele sind auch in der Sache rechtswidrig.

45

Die Spieler A.... und B.... spielten nicht ohne Spielberechtigung.

46

Grundlage für die ausgesprochenen Punktverluste ist § 31 Abs. 2d) BSO. Nach dieser Vorschrift wird ein Spiel einer Mannschaft nachträglich als verloren gewertet, wenn sie einen Spieler ohne Spielberechtigung hat teilnehmen lassen. Gemäß § 4 Abs. 2 BSO ist derjenige spielberechtigt, für den durch die Passstelle ein Spielerpass ausgestellt wurde.

47

Es ist unstreitig, dass den aus dem Ausland zu dem Kläger gewechselten Spielern B.... und A.... vor deren Einsatz Spielerausweise ausgestellt wurden. Der Spielerpassantrag für B.... ging am 27.04.2008 bei der Landespassstelle in B.... ein, wurde dort ausgestellt und ging dem Kläger etwa eine Woche später zu. Der Spielerpassantrag für A.... wurde bei der Landespassstelle unter dem 20.04.2008 eingereicht und dem Kläger nach Vorliegen der ITC-Erklärung am 07.07.2008 zugestellt.

48

Auf den ausgestellten Pässen ist unstreitig kein dahingehender Vermerk eingetragen, dass die Spieler erst nach Ablauf einer Wechselsperre von fünf Spielen spielberechtigt sind.

49

In gleicher Weise ist auch die Auferlegung der Geldstrafe in Höhe von 510,00 € rechtswidrig. Nach § 48 Abs. 2a) Nr. 1 BSO beträgt die Strafe für einen Spieler, der ohne Genehmigung spielt, 510,00 €. Der Begriff der Genehmigung ist in der BSO nicht definiert. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass auch bei vereinsinternen Strafmaßnahmen der Bestimmtheitsgrundsatz zu beachten ist (vgl. OLG Dresden, SpuRt 2005, 210). Vor diesem Hintergrund kann das Tatbestandsmerkmal "ohne Genehmigung" zur Begründung einer Strafmaßnahme nicht abweichend von dem in der Vereinssatzung definierten Begriff der Spielberechtigung ausgelegt werden.

50

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91a ZPO.

51

Soweit die Parteien den Rechtsstreit im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 16.07.2009 übereinstimmend teilweise für erledigt erklärt haben, sind dem Beklagten auch diese Kosten des Rechtsstreits nach § 91a ZPO aufzuerlegen. Das entspricht der Billigkeit unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes. Nach den vorstehenden Ausführungen krankte das Verfahren insgesamt an wesentlichen Verfahrensfehlern. Diese betrafen auch die Entscheidung der Feststellung der Spielberechtigung nach einer Wechselsperre von fünf Pflichtspielen. Ohne die teilweise übereinstimmende Erledigungserklärung wäre der Beklagte auch insoweit unterlegen, als die Rechtswidrigkeit des Urteilsausspruchs zu 1) festgestellt werden sollte.

52

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.