Landgericht Stade
Urt. v. 16.04.2009, Az.: 4 O 296/04
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 16.04.2009
- Aktenzeichen
- 4 O 296/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 50611
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Celle - 07.01.2010 - AZ: 6 U 60/09
- BGH - 09.06.2011 - AZ: IX ZR 21/10
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Zahlung restlichen Werklohns in Höhe von 108.017,52 €.
Der Kläger führte in erheblichem Umfang Sanierungsarbeiten an einer Stadtvilla in Palma de Mallorca durch, die zunächst im Eigentum des Beklagten stand. Der Umfang der Arbeiten ergibt sich im Wesentlichen aus dem als Anlage K 1 überreichten Leistungsverzeichnis, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob diese Arbeiten vollständig erbracht wurden. Im Rahmen dieses Leistungsverzeichnisses ist als Bauherr der Beklagte aufgeführt, ohne Zusatz eines Hinweises auf ein Vertretergeschäft. Im Briefkopf des Leistungsverzeichnisses ist "…" aufgeführt.
Auf der Basis dieses Leistungsverzeichnisses wurde der Kläger mit der Erbringung der Arbeiten beauftragt. Hierüber stellte der Kläger eine Vielzahl von Rechnungen, auf die bereits vor Klageerhebung Zahlungen in Höhe von 125.644,75 € erbracht wurden.
Die Klageforderung stellt die Differenz zwischen den in Rechnung gestellten Leistungen und den bereits erbrachten Zahlungen dar.
Mit notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag des Notars … mit Amtssitz in Andratx, Malloca, vom 6. April 2001 gründete der Beklagte die…, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach spanischem Recht. Diese Gesellschaft wurde unter dem 7. August 2001 in das Handelsregister Mallorca eingetragen. Insoweit wird auf die Anlage B 34 sowie die als Anlage B 35 überreichte deutsche Übersetzung Bezug genommen.
Am 9. Juni 2006 eröffnete das Tribunal de Grande Instance de Saverne das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten, welches durch Urteil dieses Gerichts vom 12. Oktober 2007 mangels Masse eingestellt wurde.
Der Kläger behauptet, dass der Beklagte ihn im eigenen Namen beauftragt habe. Die Beauftragung sei auf der Grundlage des Leistungsverzeichnissen mündlich erfolgt. Ferner habe der Beklagte ihm neben den im Leistungsverzeichnis aufgeführten Arbeiten sukzessive viele weitere mündliche Einzelaufträge erhielt, die er ebenfalls abgearbeitet habe. Schriftliche Vereinbarungen würden nicht existieren. Er ist daher der Ansicht, dass der Beklagte sein Vertragspartner geworden sei und dieser daher passivlegitimiert sei.
Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass durch die Einstellung des französischen Insolvenzverfahrens keine Restschuldbefreiung in Deutschland eingetreten sei. Diesbezüglich macht er geltend, dass der Ausnahmetatbestand des Artikel L 643-11 Absatz 1 Nr. 1 des Code de Commerce (französisches Handelsgesetzbuch) greife, weil der Beklagte im Rahmen des Insolvenzverfahrens betrügerisch verschwiegen habe, dass ihm gegen seine Mutter ein Freistellungsanspruch zustehe, der sämtliche im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachte Forderungen umfasse. Ferner ist er der Ansicht, dass die Anerkennung der im Elsass ausgesprochenen Restschuldbefreiung gegen den deutschen ordre public verstoße und daher nicht anzuerkennen sei.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 108.017,52 € nebst 15 % Zinsen seit dem 15.02.2002 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, dass er den Kläger nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der … beauftragt habe. So habe er bereits die am 7. März., 9. März und 21. März 2001 in den Räumen der Firma … geführten Besprechungen des Leistungsverzeichnisses als Vertreter der … geführt und dies insbesondere am 21. März 2001 deutlich zum Ausdruck gebracht. Er behauptet weiter, dass dem Kläger die Auftragsbestätigung vom 21. Mai 2001 (Anlage B 2) zugegangen sei, aus der sich ebenfalls klar ergäbe, dass die … Auftraggeber sei.
Weiter behauptet er, dass er die betreffende Stadtvilla lediglich als Treuhänder erworben habe und diese kurz nach deren Erwerb auf die … übertragen habe.
Außerdem behauptet er, dass die durchgeführten Arbeiten zum Teil mangelhaft seien und dass der Kläger nicht alle von ihm abgerechneten Arbeiten erbracht habe. Die insoweit vorgebrachten Behauptungen ergeben sich aus dem Beweisbeschluss der Kammer vom 8. September 2003, auf den die Kammer Bezug nimmt.
Der Beklagte ist schließlich der Ansicht, dass die Einstellung des französischen Insolvenzverfahrens auch in Deutschland die Wirkung der Restschuldbefreiung entfalte und daher ein Anspruch gegen ihn persönlich nicht mehr durchsetzbar sei.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen …Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4. März 2003 verwiesen. Weiter hat die Kammer durch Beschluss vom 5. Juni 2008 Beweis erhoben über die nach französischem Recht eintretende Wirkung der Einstellung eines im Elsass geführten Insolvenzverfahrens mangels Masse durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen … vom 16. Juli 2008 sowie auf dessen Ergänzungsgutachten vom 5. Februar 2009 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig.
Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Verurteilung des Beklagten ist im entscheidenden Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 26. März 2009 nicht mehr gegeben.
Die Einstellung des französischen Insolvenzverfahrens mangels Masse durch das Urteil des Tribunal de Grande Instance de Saverne vom 12. Oktober 2007 führt dazu, dass die gegen den Beklagten gerichtete Forderung nach französischem Recht nicht mehr durchsetzbar ist.
Das Tribunal de Grande Instance de Saverne eröffnete unter dem 9. Juni 2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten und stellte das Verfahren mit Urteil vom 12. Oktober 2007 mangels Masse ein. Gemäß Artikel L 643-11 des Code de Commerce (französisches Handelsgesetzbuch) führt die Einstellung des Insolvenzverfahrens mangels Masse nicht dazu, dass die Gläubiger ihr Recht wiedererlangen, ihre Ansprüche individuell gegen den Schuldner durchzusetzen. Grundsätzlich lebt das durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens suspendierte Recht der Gläubiger, ihre Forderungen im Wege der Einzelzwangsvollstreckung durchzusetzen, mit der Einstellung des Insolvenzverfahrens nicht wieder auf. Eine Wohlverhaltensperiode, in der der Schuldner Teilzahlungen erbringen muss, sieht das französische Recht grundsätzlich nicht vor. Im Elsass kann das Insolvenzgericht zwar ausnahmsweise die Erbringung von Teilzahlungen bestimmen, dies bedarf indessen einer besonderen Anordnung, die vorliegend nicht getroffen worden ist.
Entgegen der Ansicht des Klägers würde auch das betrügerische Verschweigen eines Freistellungsanspruches des Beklagten gegen seine Mutter im Rahmen des französischen Insolvenzverfahrens nicht dazu führen, dass der Anspruch weiterhin durchsetzbar wäre.
Die Fälle, in denen das Recht eines Gläubigers zur Individualverfolgung seines Anspruchs wieder auflebt sind abschließend in Artikel 643-11 des Code de Commerce normiert:
Nach Artikel L 643-11 Absatz 1 Nr. 1 Code de Commerce besteht eine Ausnahme im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung des Schuldners. Insoweit knüpft das französische Insolvenzrecht das Wiederaufleben des Rechts im Interesse der Rechtssicherheit an die formale Bedingung der strafrechtlichen Verurteilung. Hierzu kam es unstreitig nicht.
Weiter kann das Recht der Gläubiger auf Individualverfolgung ihrer Ansprüche gemäß Artikel 643-11 Absatz IV Code de Commerce aufgrund einer Entscheidung des Gerichts aufleben, wenn dem Schuldner ein Betrug zulasten seiner Gläubiger nachgewiesen wird. Dies setzt mithin eine gesonderte Feststellung des Insolvenzgerichts im Rahmen des Insolvenzverfahrens voraus. Zu einer solchen Feststellung kam es allerdings auch nicht. Der Kläger wusste vom französischen Insolvenzverfahren und meldete seine Forderung dort an. Deshalb ist er nunmehr mit dem Einwand ausgeschlossen, der Beklagte habe sich ihm gegenüber eines Betruges schuldig gemacht.
Der Kläger kann auch nicht mit seinem Einwand durchdringen, dass die vom Beklagten durch Einstellung des französischen Insolvenzverfahrens de facto erreichte Restschuldbefreiung im Widerspruch zu dem deutschen ordre public steht. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist zwischenzeitlich geklärt, dass die Anerkennung der französischen Restschuldbefreiung nicht gegen den deutschen ordre public verstößt (vgl. BGH NJW 2007, 3433 [BGH 14.03.2007 - XII ZB 174/04]; BGH NJW 2002, 960; Saarländisches OLG, Urteil vom 14.05.2008 - 5 U 5/08-01 - Bl. 875 d.A.). Die deutsche öffentliche Ordnung ist nur verletzt, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem so starken Widerspruch steht, dass es nach inländischen Rechtsvorstellungen als untragbar erscheint (vgl. BGH NJW 2002, 960 [BGH 18.09.2001 - IX ZB 51/00]). Eine bestimmte Mindestquote als Ergebnis eines Insolvenzverfahrens setzt das deutsche Recht nicht voraus (vgl. BGHZ 134, 79). Es hat sich vielmehr die Meinung durchgesetzt, dass in der Verbraucherinsolvenz sogar sogenannte "Nullpläne" zulässig sind (vgl. BayObLG ZIP 1999, 1926; OLG Köln ZIP 1999, 1929). Daher ist bereits zweifelhaft, ob durch die in Deutschland vorgeschriebene Wohlverhaltensperiode die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger wesentlich verbessert werden. Jedenfalls ist eine etwaige Verschlechterung nicht derart gravierend, dass sie nach den Grundprinzipien des deutschen Rechts schlechterdings nicht hingenommen werden kann.
Nach französischem Recht wird der materiellrechtliche Bestand der Forderung durch das Insolvenzverfahren nicht berührt. Es tritt vielmehr lediglich eine Durchsetzungssperre ein, die bewirkt, dass die Gläubiger ihre Forderungen nicht mehr zwangsweise durchsetzen können. Insofern tritt in Frankreich keine Restschuldbefreiung im eigentlichen Sinne ein, da der Schuldner die Forderung weiterhin freiwillig erfüllen kann.
Diese Wirkung der Einstellung des Insolvenzverfahrens führt dazu, dass dem Kläger ein Rechtschutzbedürfnis für die vorliegende Klage fehlt. Da der Anspruch ohnehin nicht zwangsweise durchgesetzt werden kann, ist kein schutzwürdiges Interesse des Klägers an dem begehrten Urteil ersichtlich.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1, 709 ZPO.