Landgericht Stade
Urt. v. 04.06.2009, Az.: 8 O 174/08
Rechtmäßigkeit der außerordentlichen Kündigung eines Handelsvertretervertrages wegenüber lange Zeit akzeptierter lediglich entgeltlicher Zurverfügungstellung bestimmter Materialien durch den Arbeitgeber; Verletzung der Bereitstellungspflicht durch einen Arbeitgeber aufgrund lediglich entgeltlicher Zurverfügungstellung einer handelsüblich nicht erwerbbaren Vertriebssoftware; Verletzung von Vertragspflichten durch einen Handelsvertreter aufgrund von Tätigkeiten für ein Konkurrenzunternehmen nach ausgesprochener fristloser Kündigung
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 04.06.2009
- Aktenzeichen
- 8 O 174/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 25686
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGSTADE:2009:0604.8O174.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 86a HGB
- § 89a HGB
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Klage eines Unternehmens mit dem Feststellungsbegehren, dass eine außerordentliche Kündigung durch einen Handelsvertreter das Handelsvertreterverhältnis nicht beendet hat, sondern dass es bis zum Ablauf der Frist einer ordentlchen Kündigung fortbesteht, ist zulässig. Sie ist auch begründet, wenn ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nicht vorliegt.
- 2.
Einem Handelsvertreter ist auch zu untersagen, bis zum ordentlichen Vertragsende eine Vermittlungstätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen auszuüben, wenn der Handelsvertreter damit gegen ein vertraglich vereinbartes Konkurrenzverbot verstößt.
- 3.
Dem Unternehmen stehen wegen einer solchenTätigkeit eines Handelsvertreters für ein Konkurrenzunternehmen dem Grunde nach Schadensersatzansprüche zu. Um diesen Anspruch beziffern zu können, besteht für das Unternehmen auch ein entsprechender Auskunftsanspruch gegen den Handelsvertreter.
- 4.
Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne von § 89 a HGB liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Vertragsfortsetzung bis zur vereinbarten Vertragsbeendigung oder bis zum Ablauf der Frist zur ordentlichen Kündigung nicht zugemutet werden kann. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes liegt bei dem Kündigenden.
- 5.
Ein Unternehmen hat einem Handelsvertreter die zur Ausführung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen und dergleichen zur Verfügung zu stellen (§ 86 a HGB), was zwingendes Recht ist und - im Grundsatz - unentgeltlich zu geschehen hat. Das Gesetz nennt beispielhaft Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen und Geschäftsbedingungen. Die Unterlagen betreffen Gegenstände, die für die Anpreisung der Ware des Geschäftsherrn bei der Kundschaft erforderlich sind. Nach § 86 a Abs. 3 HGB ist jede Vereinbarung unwirksam, die diese Verpflichtung aus § 86 a Abs. 1 HGB beeinträchtigt. Von den grundsätzlich kostenfrei zu überlassenden Unterlagen sind abzugrenzen der allgemeine Geschäftsbedarf wie Büroeinrichtung und Büromaterial, für den der Handelsvertreter als selbstständiger Gewerbetreibender selbst aufkommen muss.
- 6.
Eine Vertriebssoftware ist in der Regel für das Produktangebot eines Unternehmens und nicht zuletzt in dessen eigenen Interesse entwickelt; sie kann nicht auf handelsüblichem Wege von jedermann erworben werden. Derartige Software ist zwingend kostenfrei zu überlassen. Geschieht das nicht, liegt ein Verstoß vor, der aber nicht beachtlich ist.
- 7.
Eine Kundenzeitschrift stellt keine Unterlage im Sinne des § 86 a Abs. 1 HGB dar, wenn der Handelsvertreter die Zeitschrift für die Kundenberatung nicht benötigt.
- 8.
Ob ein Datenerhebungsbogen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden muss, erscheint fraglich. Zu erwägen ist eine Kompensation, wenn dem Handelsvertreter die Möglichkeit eingeräumt wird, einem Kunden eine Kostenpauschale von bis zu 95,00 EUR in Rechnung zu stellen. Die Kammer ist aber letztlich nicht gehalten, diese Frage abschließend zu klären, wenn eine Verletzung der Bereitstellungspflicht hinsichtlich der Vertriebssoftware und des Datenerhebungsbogens keinen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung des Vertragsverhältnisses durch den Handelsvertreter darstellt.
- 9.
Wesentliche Vertragsverletzungen, die zu Provisionsverlusten führen, können zwar grundsätzlich eine fristlose Kündigung rechtfertigen, sofern dem Handelsvertreter ein Zuwarten bis zum regulären Vertragsende nicht zumutbar ist. Soweit die Abrechnung in der Vergangenheit betroffen ist, kommt eine Kündigung aus wichtigem Grunde von vornherein nicht in Betracht, wenn der Handelsvertreter die Abrechnungsweise des Unternehmens jahrelang akzeptiert hat.
- 10.
Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung kann sich vielmehr nur dann ergeben, wenn das Unternehmen es ernsthaft ablehnt, in Zukunft seine Abrechnungspraxis umzustellen, insbesondere dem Handelsvertreter nicht die Vertriebssoftware ohne die handelsüblichen Zusatzprogramme kostenfrei anzubieten. Ein Abrechnungsbetrug seitens des Unternehmens würde einen wichtigen Grund für die Kündigung vermitteln. Soweit ein Unternehmen auf die Kostenneutralität im Hinblick auf die zur Verfügung gestellte handelsübliche Software, die Möglichkeit der Vereinnahmung einer Gebühr von bis zu 95,00 EUR und die Bürobeihilfen verweist, ist diese Einnahme eines vertretbaren Rechtsstandpunktes im Zuge streitiger rechtlicher Auseinandersetzungen nicht geeignet, einen wichtigen Grund anzunehmen, der eine Kündigung mit der Folge rechtfertigte, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar wäre. Dass ein Unternehmen bei entsprechender rechtskräftiger Feststellung seiner Verpflichtung danach weiterhin im Paket seine Vertriebssoftware kostenpflichtig anbieten wird, kann diesem nicht unterstellt werden.
- 11.
An eine wirksam vertraglich vereinbarte Frist zur Kündigung eines Handlsvertretervertrages muss der Handelsvertreter sich festhalten lassen.
In dem Rechtsstreit
[...]
hat die 8. Zivilkammer (Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Stade
auf die mündliche Verhandlung vom 07. Mai 2009
fürRecht erkannt:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass das am 11.11.2004 begründete Handelsvertreterverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigungserklärung des Beklagten vom 01.09.2008 aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung beendet worden ist, sondern bis zum 31.12.2010 fortbesteht.
- 2.
Der Beklagte hat es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken bis zur Beendigung des Handelvertretervertrages zum 31.12.2010 eine konkurrierende Tätigkeit zur Klägerin auszuüben, insbesondere für die in unmittelbarer Konkurrenz zur Klägerin stehende Firma ____, wie durch die Unterhaltung eines Vertriebsbüros, tätig zu werden und/oder sie sonst in irgendeiner Weise zu unterstützen.
- 3.
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunftüber den Vertriebsweg und die Anzahl der in der Zeit vom 01.09.2008 bis zum 07.05.2009 entweder unmittelbar oder mittelbar über andere Handelsvertreter konkurrierend vermittelten Produkte aus dem Bereich des Finanzdienstleistungswesens, insbesondere Versicherungen, Kapitalanlagen, Unternehmensbeteiligungen und Fonds, unter Angabe der Versicherungs- und/oder Beteiligungsgesellschaft, des Produkts bzw. bei Versicherungen der Sparte sowie der Vertragsnummer und der Bewertungssumme zu erteilen; die Auskunft kann der Beklagte auch einem von der Klägerin benannten, zur Verschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer erteilen, sofern er diesen ermächtigt, der Klägerin das Ergebnis seiner Feststellungen mitzuteilen.
- 4.
Der Beklagte wird weiter verurteilt, die der Klägerin außergerichtlich entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 1.196,43 EUR zuzüglich 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.01.2009 zu erstatten. Wegen des weitergehenden Zinsanspruches wird die Klage abgewiesen.
- 5.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
- 6.
Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.500,00 EUR vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin vermittelt bundesweit Finanz-, Versicherungs- und Immobilienanlagen durch selbstständige Handelsvertreter. Der Beklagte war seit November 2004 auf der Grundlage des Vertretervertrages vom 05.10./11.11.2004 als selbstständiger Handelsvertreter für die Klägerin tätig. Mit der Klägerin hat er weiterhin einen Zusatzvertrag für Führungskräfte am 10./11.04.2006 abgeschlossen. Darüber hinaus haben die Parteien unter dem 13.12.2007 vereinbart, dass die Vertragsverhältnisse frühestens zum 31.12.2010 gekündigt werden können, wobei das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grunde unberührt bleibt.
Der Beklagte bat mit Schreiben vom 09. Juli 2008 die Klägerin, ihm künftig diverse Unterlagen wie Software-Tools, Werbematerialien, Datenerhebungsbögen, Mandantenordner etc. kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Zugleich bat er die Klägerin um nachträgliche Materialgutschrift in Höhe von 7.995,03 EUR.
Gemäß ____-Business-Center-Nutzungsvertrag "Software-Vorteilsangebot" beträgt der ____-Vorteils-Preis monatlich 80,00 EUR. Hinzu kommen weitere 20,00 EUR für die Nutzung durch den Büroinnendienst. Für die Weitergabe der ____-Kundenzeitschrift "Finanzplaner" werden dem Kläger pro Exemplar 2,15517 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer berechnet. Für einen Datenerhebungsbögen erhebt die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2,20 EUR vom Handelsvertreter.
Unter dem 23.07.2008 lehnte die Klägerin eine Kostenerstattung ab und erklärte, weiterhin die übliche Rechnungsstellung vornehmen zu wollen. Der Beklagte kündigte mit Schreiben vom 29.07.2008 eine außerordentliche Beendigung des Vertragsverhältnisses an.
Mit Schreiben vom 15.08.2008 erklärte die Klägerin, eine unentgeltliche Zurverfügungstellung der Software komme unter der Voraussetzung in Betracht, dass der Beklagte die Unkostenpauschale in Höhe von bis zu 95,00 EUR, die er nach Ziffer 4 des Handelsvertretervertrages beim Kunden für sog. Datenerhebungen und -auswertungen (Wirtschaftsbilanz) in Rechnung stellen und vereinnahmen könne, an sie herausgebe. Mit Schreiben vom 21. August 2008 erklärte der Beklagte diesen Vorschlag für inakzeptabel. Mit Schreiben vom 27.08.2008 teilte die Klägerin mit, die Forderungen des Beklagten nicht erfüllen zu wollen. Daraufhin erklärte der Beklagte die fristlose Kündigung des Vertragsverhältnisses mit Schreiben vom 01. September 2008. Die Klägerin teilte dem Beklagten mit, dass das Vertragsverhältnis zum 31.12.2010 ende.
Mit Schreiben vom 27.11.2008 bat die Klägerin den Beklagten um eine Stellungnahme zu seiner Tätigkeit für die Firma ____. Mit Anwaltschreiben vom 09.12.2008 forderte die Klägerin den Beklagten auf, hinsichtlich seiner konkurrierenden Tätigkeit für die Firma ____ eine strafbewehrte Unterlassungserklärung und Verpflichtungserklärung abzugeben sowie zur Auskunft über die für ____ vermittelten Geschäfte.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass das Vertragsverhältnis der Parteien nicht außerordentlich vom Beklagten unter dem 01.09.2008 beendet worden ist, sondern ordentlich bis zum 31.12.2010 fortbesteht, sowie die Einstellung seiner Konkurrenztätigkeit. Ferner verlangt sie im Wege der Stufenklage Auskunftüber die Konkurrenztätigkeit. Für die vorprozessuale Rechtsverfolgung fordert die Klägerin von dem Beklagten eine Erstattung von Anwaltskosten nach einem Gegenstandswert von 30.000,00 EUR in Höhe von 1.196,43 EUR.
Die Klägerin macht geltend, der Beklagte "suche" augenscheinlich lediglich nach einem Grund für die von ihm gewollte Herbeiführung des Vertragsendes. Ein derartiges Vorgehen sei rechtlich irrelevant. Sie habe den Provisionsanspruch des Beklagten nicht verkürzt.
Die originäre Vertriebssoftware sei dem Beklagten unentgeltlich überlassen worden. Der Beklagte habe sich entschlossen,über sie Bürosoftware zu beziehen. Er habe insoweit Lizenzgebühren sparen wollen, denn durch die Bündelung der Software zu einem Paket sei es dem Beklagten gelungen, über den von ihr gegenüber den Lizenzgebern ausgehandelten Rabatt ein für ihn auch wirtschaftlich günstiges Softwareangebot zu erzielen. Das Vorteilsangebot habe auch noch andere Hilfsmittel einer modernen Bürokommunikation enthalten. Gleich den Leistungen eines Internet-Providers sei die Herstellung der Wählverbindung zum Internet Gegenstand des Vorteilsangebotes gewesen. Der Beklagte habe auch die Dienstleistungen und Serverkapazitäten der Klägerin im Hinblick auf die Unterhaltung eines E-Mail-Postfaches mit bis zu 60 MB Speicherplatz in Anspruch genommen. Die Vertriebssoftware selbst sei kostenneutral überlassen worden. Zudem sei auch zu berücksichtigen, dass sie auf freiwilliger Basis im Jahr 2007 einen Betrag in Höhe von 1.950,95 EUR zu den dem Beklagten entstandenen Bürokosten zugeschossen habe. Im ersten Halbjahr habe sich ihr freiwilliger Beitrag sogar auf 2.495,05 EUR belaufen.
Eine Datenerhebung beim Kunden werde allein dann durchgeführt, wenn der Kunde dies explizit wünsche. Im Gegenzug zu dem Preis von 2,20 EUR netto für den Datenerhebungsbogen habe sie dem Beklagten gestattet, zur Deckung seiner Unkosten eine Schutzgebühr beim Kunden in Höhe von 95,00 EUR zu erheben. Diese Schutzgebühr sei vom Beklagten vereinnahmt und nicht ihr abgeführt worden. Bei der Zeitschrift ____ Finanzplaner handele es sich nicht um eine Kundenzeitschrift, sondern um ein Wirtschafts- und Finanzmagazin, das auch am Kiosk erhältlich sei. Der Beklagte sei nicht verpflichtet, seinen Kunden die Zeitschrift zukommen zu lassen.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt, mit Ausnahme der Reduzierung bei den Zinsen von 8 auf 5 Prozentpunkte.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte macht geltend, die Klägerin habe sich ernsthaft und endgültig geweigert, den ihr nach zwingenden Bestimmungen des Handelsvertreterrechts obliegenden Leistungspflichten nachzukommen. Ein Festhalten am Vertrag bis zum 31. Dezember 2010 sei ihm nicht zuzumuten.
Die Dienstleistung einer unabhängigen Finanzoptimierung könnten die für die Klägerin tätigen Handelsvertreter nur erbringen, wenn sie die Software der Klägerin nutzen würden. Der Online-Zugang ermögliche die Berechnung von Angebot und Tarifen und die Antragserfassung. Die Erfüllung der Pflichten aus dem Handelsvertretervertrag wäre ohne das Kommunikations- und Datenverarbeitungssystem "____-Business-Center" absolut nicht möglich. Durch die vom Handelsvertreter vorgenommene Datenaufbereitung spare die Klägerin erhebliche Kosten ein, die im Falle der Übertragung der Daten aus der Papierform in das EDV-Format von ihr aufzuwenden wären. Durch die EDV-mäßige Aufbereitung der Daten nehme letztlich der Handelsvertreter Aufgaben wahr, die noch vor nicht allzu langer Zeit durch die Klägerin als vertretenes Unternehmen selbst vorzunehmen gewesen seien. Zu Unrecht vermittle die Klägerin den Eindruck, sie habe ihn durch die Sonderprovision Büro in besonderer Form unterstützt. Es handele sich vielmehr um Zahlungen, die allen Handelsvertretern der Klägerin gezahlt würden, sofern diese ein Antragsverfahren für die Genehmigung eines offiziellen Büros für die Klägerin erfolgreich durchlaufen hätten.
Die Datenerhebungen seien unerlässliche Bedingung für einen erfolgreichen Geschäftsabschluss. Wenn die Klägerin die Nutzung der Datenerhebungsbögen zur Bedingung der Beratungsdienstleistung und somit zur Grundvoraussetzung des Vertrages mache, so habe sie auch die Kosten hierfür selbst zu tragen.
Bei der von der Klägerin herausgegebenen Kundenzeitschrift "Finanzplaner" handele es sich um eine Werbedrucksache und damit ebenfalls um eine erforderliche Unterlage im Sinne der Vorschrift des § 86 a Abs. 1 HGB.
Hilfsweise mache er geltend, dass das Vertragsverhältnis jedenfalls durch ordentliche Kündigung zum 31. März 2009 beendet worden wäre. Die Freistellungsmöglichkeit im Zusatzvertrag für Führungskräfte betrage 3 Jahre und gehe somit deutlich über den im Zusammenhang mit nachvertraglichen Wettbewerbsabreden höchstens zulässigen Zeitraum von 2 Jahren hinaus. Schon aus diesem Grunde sei die Vereinbarung einer ordentlichen Kündigung frühestens zum 31.12.2010 unwirksam. Eine unangemessene Benachteiligung für ihn ergebe sich aus der Vereinbarung vom 13.12.2007. Die Regelung in Ziffer 2 der Vereinbarung nehme einen Zukunfts- bzw. Unternehmerbonus in Bezug. Damit werde suggeriert, dass seine Betriebstreue honoriert werde. Tatsächlich sei dies aber nicht der Fall, weil die Klägerin jederzeit das Versprochene einseitig entziehen könne, indem sie das Vertragsverhältnis zum 31.12.2010 oder später ordentlich kündige. Sie habe es jederzeit in der Hand, die Anspruchsvoraussetzungen zu vereiteln, indem sie den Vertrag kündige. Eine derartige Regelung, die ihn über Jahre binde, ohne ihm eine wirkliche Anwartschaft auf die versprochenen Leistungen in Gestalt des Zukunfts- und Unternehmerbonus einzuräumen, benachteilige den Handelsvertreter unangemessen im Sinne des § 307 BGB.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist, soweit über sie durch Teil-Urteil zu befinden ist, begründet.
Die Kündigung des Beklagten vom 01.09.2008 hat das Handelsvertreterverhältnis der Parteien in Ermangelung eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung nicht beendet, sondern dieses besteht ordentlich gekündigt bis zum 31.12.2010 fort. Dies ist gemäß dem Antrag der Klägerin festzustellen.
Durch seine Vermittlungstätigkeit für das Konkurrenzunternehmen ____ verstößt der Beklagte gegen das Konkurrenzverbot nach § 7.2 des Handelsvertretervertrages. Diese Tätigkeit hat der Beklagte bis zum ordentlichen Vertragsende zu unterlassen. Der Klägerin stehen wegen der Tätigkeit für das Konkurrenzunternehmen dem Grunde nach Schadensersatzansprüche zu. Deren Bezifferung dient der eingeklagte Auskunftsanspruch.
Der Anspruch auf Versicherung an Eides statt richtet sich nach dem Inhalt der erteilten Auskunft. Diesen hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung demgemäß noch nicht gestellt.
Die Kündigung des Beklagten vom 01.09.2008 aus wichtigem Grund wegen Verletzung der Bereitstellungspflicht greift nicht durch.
Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne von § 89 a HGB liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Vertragsfortsetzung bis zur vereinbarten Vertragsbeendigung oder bis zum Ablauf der Frist zur ordentlichen Kündigung nicht zugemutet werden kann. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes liegt bei dem Beklagten, weil er die Kündigung ausgesprochen hat.
Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter die zur Ausführung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen und dergleichen zur Verfügung zu stellen (§ 86 a HGB), was zwingendes Recht ist und - im Grundsatz - unentgeltlich zu geschehen hat. Das Gesetz nennt beispielhaft Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen und Geschäftsbedingungen. Die Unterlagen betreffen Gegenstände, die für die Anpreisung der Ware des Geschäftsherrn bei der Kundschaft erforderlich sind, vgl. Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Band I, 3. Auflage, Rz 608. Nach § 86 a Abs. 3 HGB ist jede Vereinbarung unwirksam, die diese Verpflichtung aus § 86 a Abs. 1 HGB beeinträchtigt. Von den grundsätzlich kostenfrei zu überlassenen Unterlagen sind abzugrenzen der allgemeine Geschäftsbedarf wie Büroeinrichtung und Büromaterial, für den der Vertreter als selbstständiger Gewerbetreibender selbst aufkommen muss.
Die ___-Vertriebssoftware ist für das Produktangebot der Klägerin und nicht zuletzt in ihrem eigenen Interesse entwickelt; sie kann nicht auf handelsüblichem Wege von jedermann erworben werden. Derartige Software ist zwingend kostenfrei zu überlassen. Hiergegen verstößt die Klägerin. Sie kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf stützen, mit dem Vorteilspaket werde zugleich auch handelsübliche Software überlassen. Die Überlassung erfolgt vielmehr unter Bedingungen, die das Gesetz nicht vorsieht und die die zwingende Verpflichtung unzulässig beschränkt. Der Handelsvertreter wird zum Bezug von handelsüblicher Software gezwungen, für die er nicht freiwillig monatlich 100,00 EUR entrichten würde. Es handelt sich um Software, die kostenfrei aus dem Internet heruntergeladen oder gegen geringes Entgelt einmalig käuflich erworben werden kann. Wenn die Klägerin dem Handelsvertreter wirksam die Verwendung bestimmter Software vorschreiben wollte, müsste dies auch kostenfrei geschehen. Der vorliegende Gestaltungsmissbrauch der Klägerin ist nicht beachtlich. Anderweitige Provisionen oder Kostenbeteiligungen führen nicht zu einer Kostenneutralisierung.
Die Kundenzeitschrift Finanzplaner stellte keine Unterlage im Sinne des § 86 a Abs. 1 HGB dar.
Zu den nach § 86 a Abs. 1 HGB dem Handelsvertreter kostenfrei zu überlassenen Unterlagen sind wie oben erwähnt die Gegenstände zu rechnen, die notwendig sind, damit der Vertreter das Produkt bei der Kundschaft anpreisen kann. Der Handelsvertreter benötigt die Zeitschrift für die Kundenberatung indes nicht. Diese kann im Zeitschriftenhandel frei gekauft oder bestellt werden. Es ist auch keine Verpflichtung ersichtlich, wonach der Beklagte für die Kundenberatung die Zeitung zu beziehen hätte.
Ob der Datenerhebungsbogen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden muss, erscheint fraglich. Zu erwägen ist eine Kompensation durch die Möglichkeit, dem Kunden eine Kostenpauschale von bis zu 95,00 EUR in Rechnung zu stellen. Die Kammer ist aber letztlich nicht gehalten, diese Frage abschließend zu klären, weil die Verletzung der Bereitstellungspflicht hinsichtlich der Vertriebssoftware und des Datenerhebungsbogens keinen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung des Vertragsverhältnisses durch den Handelsvertreter darstellt.
Wesentliche Vertragsverletzungen, die zu Provisionsverlusten führen, können zwar grundsätzlich eine fristlose Kündigung rechtfertigen, sofern dem Handelsvertreter ein Zuwarten bis zum regulären Vertragsende nicht zumutbar ist.
Soweit die Abrechnung in der Vergangenheit betroffen ist, kommt eine Kündigung aus wichtigem Grunde von vornherein nicht in Betracht. Der Beklagte hatte die Abrechnungsweise der Klägerin jahrelang akzeptiert. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung kann sich vielmehr nur daraus ergeben, dass die Klägerin es ernsthaft ablehnt, in Zukunft ihre Abrechnungspraxis umzustellen, insbesondere dem Kläger nicht die ____-Vertriebssoftware ohne die handelsüblichen Zusatzprogramme kostenfrei anzubieten. Ein Abrechnungsbetrug seitens der Klägerin würde einen wichtigen Grund für die Kündigung vermitteln. Es steht jedoch nicht fest, dass bereits in einer anderen Rechtsstreitigkeit zu Lasten der Klägerin ein Gestaltungsmissbrauch hinsichtlich der ____-Vertriebssoftware rechtskräftig festgestellt worden wäre. Die Klägerin vertritt vielmehr einen bestimmten Rechtsstandpunkt, der nicht als völlig abwegig abqualifiziert werden kann. Die Klägerin verweist vielmehr auf die Kostenneutralität im Hinblick auf die zur Verfügung gestellte handelsübliche Software, die Möglichkeit der Vereinnahmung einer Gebühr von bis zu 95,00 EUR und die Bürobeihilfen. Die Einnahme eines vertretbaren Rechtsstandpunktes im Zuge streitiger rechtlicher Auseinandersetzungen ist jedoch nicht geeignet, einen wichtigen Grund abzugeben, und rechtfertigt nicht die Kündigung mit der Folge, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar wäre. Dass die Klägerin bei entsprechender rechtskräftiger Feststellung danach weiterhin im Paket ihre Vertriebsoftware kostenpflichtig anbieten würde, kann ihr nicht unterstellt werden.
Das Vertragsverhältnis ist nicht ordentlich bereits zum 31. März 2009 beendet worden.
Die Parteien habe in der Vereinbarung vom 13.12.2007 einvernehmlich niedergelegt, dass das Vertragsverhältnis ordentlich erst zum 31.12.2010 gekündigt werden kann. Hieran muss sich der Beklagte festhalten lassen. Diese Laufzeit ist jedenfalls für einen hauptberuflichen Handelsvertreter wirksam vereinbart. Die Kündigungsdauer ist auch für beide Seiten gleich lang.
Etwas anderes folgt nicht aus dem Zusatzvertrag zu Ziffer 4.3 - Teilkündigung -. Die Suspendierungsmöglichkeit steht nicht im Zusammenhang mit einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, das für die Dauer von maximal 2 Jahren nach Vertragsbeendigung vereinbart werden kann. Die Klägerin selbst hat eine Kündigungsmöglichkeit nach Ziffer 4.3 des Zusatzvertrages nicht für sich reklamiert und auch hiervon keinen Gebrauch gemacht. Es braucht deshalb nicht entschieden zu werden, ob ihr ein wichtiger Grund zur Suspendierung zur Verfügung stehen würde. Allenfalls könnte Ziffer 4.3 des Zusatzvertrages der Inhaltskontrolle nicht standhalten. Dies würde aber nicht zu einer Unwirksamkeit der Vereinbarung der Kündigungsfrist führen. Entsprechendes gilt für die Regelung zu dem in Aussicht gestellten Zukunftsbonus und Unternehmerbonus für den Zeitraum ab dem 01.01.2011. Die Klägerin hat dem Beklagten nicht durch ihr Verhalten eine entsprechende Anwartschaft entzogen. Denn vorliegend hat der Beklagte selbst die außerordentliche Kündigung ausgesprochen.
Der Beklagte hat durch seine Tätigkeit für das Konkurrenzunternehmen ____ in erheblicher Weise gegen seine Vertragspflichten aus dem Vertragsverhältnis mit der Klägerin verstoßen. Er hätte sich auch nach der von ihm ausgesprochenen fristlosen Kündigung bis zur rechtswirksamen ordentlichen Beendigung des Vertrages jeden Wettbewerbs enthalten müssen, der geeignet war, die Interessen der Klägerin zu beeinträchtigen. Er führt jedoch unter derselben Adresse nunmehr sein Vertriebsbüro für das Konkurrenzunternehmen ____. Nach Ziffer 7.2 des Handelsvertretervertrages ist der Beklagte nicht berechtigt gewesen, für Wettbewerber der Klägerin oder der Partnergesellschaften tätig zu werden oder sich in einem Konkurrenzunternehmen direkt oder indirekt, mittelbar oder unmittelbar zu beteiligen oder es sonst in irgendeiner Weise zu unterstützen. Dem Handelsvertreter ist vielmehr ausdrücklich jegliche Konkurrenztätigkeit untersagt. Damit hat der Beklagte in erheblichem Maße gegen die Treuepflichten verstoßen. Dies hat der Beklagte künftig bis zum ordentlichen Vertragsende 31.12.2010 strafbewehrt zu unterlassen.
Hinsichtlich der Stufenklage ist dem Auskunftsanspruch auf der ersten Stufe stattzugeben. Ein Auskunftsanspruch ergibt sich, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechtes im Ungewissen ist, und wenn der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen, vgl. BGH NJW 2002, 3771. Soll die begehrte Auskunft einen vertraglichen Schadensersatzanspruch belegen, muss dieser nach allgemeiner Meinung nicht bereits feststehen; vielmehr reicht schon der begründete Verdacht einer Vertragsverletzung aus. Unstreitig ist der Beklagte nunmehr für das Konkurrenzunternehmen ____ tätig. Es ist damit von einer Vertragsverletzung des Beklagten auszugehen.