Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 20.08.1997, Az.: 2 U 143/97
Sinn und Zweck der Aufklärungspflicht der Versicherung über die Folgen falscher Angaben
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 20.08.1997
- Aktenzeichen
- 2 U 143/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 21728
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1997:0820.2U143.97.0A
Amtlicher Leitsatz
Fahrzeugversicherung: Bei Aufnahme der Schadenanzeige durch Versicherungsagenten für Leistungsfreiheit bei folgenloser Aufklärungspflichtverletz und regelmäßig schriftliche Belehrung des VN im Formular.
Gründe
Schließlich ist auch die im Fall einer folgenlosen vorsätzlichen Verletzung der Aufklärungspflicht für die Leistungsfreiheit des Versicherers notwendige Belehrung (vgl. z.B. BGH VersR 1976, 383; Senat VersR 1996, 1533) erfolgt. Auf der vom Geschäftsführer der Klägerin unterschriebenen Schadenanzeige befindet sich auf der letzten Seite unmittelbar über der Zeile für die Unterschrift durch Fettdruck deutlich hervorgehoben der Hinweis, dass bewusst unwahre oder unvollständige Angaben den Verlust des Versicherungsschutzes zur Folge haben, und zwar auch dann, wenn sie für die Schadenfeststellung folgenlos geblieben sind und wenn hierdurch dem Versicherer kein Nachteil entsteht.
Allerdings wird die Auffassung vertreten, dass bei einer Aufnahme der Schadenanzeige durch den Versicherungsagenten eine schriftliche Belehrung nicht ausreichend sei, sondern es der ausdrücklichen Belehrung durch den Agenten selbst bedürfe (OLG München VersR 1976, 674; Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 16. Aufl., § 7 Rdnr. 134). Der Senat folgt dieser Ansicht in dieser Allgemeinheit jedoch nicht (vgl. auch OLG Hamm r+s 1996, 128). Der Sinn und Zweck der Belehrungspflicht besteht darin, eine gerechte Abwägung der schutzwürdigen Interessen beider Vertragsteile herbeizuführen. Der Versicherer ist im allgemeinen dem Versicherungsnehmer geschäftlich und versicherungstechnisch überlegen, sodass der Versicherungsnehmer wegen seiner geringen Vertrautheit mit dem Versicherungswesen erfahrungsgemäß Gefahr läuft, den Versicherungsschutz zu verlieren. Dies rechtfertigt es, dem Versicherer die Pflicht aufzuerlegen, den Versicherungsnehmer über die Folgen falscher Angaben ausdrücklich und umfassend zu warnen. Diese Warnfunktion ist vorliegend trotz der Tatsache, dass ein Agent der Beklagten die Ausfüllung der Fragen im Formular übernommen hatte, durch den schriftlichen Hinweis über der Unterschrift des Geschäftsführers der Klägerin erfüllt. Der Hinweis ist drucktechnisch derart deutlich hervorgehoben, dass zur Überzeugung des Senats ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer - und folglich auch der Geschäftsführer der Klägerin - die kurze Belehrung im Rahmen der Unterschriftsleistung nicht übersehen kann, sondern - auch inhaltlich - wahrnimmt. Eine andere Bewertung kann gerechtfertigt sein, wenn das Wahrnehmungsvermögen eines Versicherungsnehmers ungewöhnlich eingeschränkt ist. Dies kommt etwa bei mangelnden Sprachkenntnissen in Betracht (Senat OLGR 1997, 128). Für derartige besondere Umstände ist nichts dargetan oder ersichtlich.