Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.12.2000, Az.: L 4 KR 29/99

Beginn der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung; Feststellungsinteresse hinsichtlich des Bestehens eines Versicherungsverhältnisses; Versicherungspflicht trotz Nichtaufnahme der tatsächlichen Arbeit auf Grund Arbeitsunfähigkeit; Feststellungslast für die die Versicherungspflicht begründenden Tatsachen; Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen
Datum
19.12.2000
Aktenzeichen
L 4 KR 29/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 15430
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2000:1219.L4KR29.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Lüneburg - 19.01.1999 - AZ: S 9 KR 56/97

Fundstelle

  • SGb 2001, 502

Prozessführer

XXX

Prozessgegner

AOK-Die Gesundheitskasse für Hamburg, Pappelallee 22-26, 22089 Hamburg,

Sonstige Beteiligte

1. Deutsche Angestellten-Krankenkasse, Nagelsweg 27-35, 20097 Hamburg,

2. B... GmbH,

C...,

hat der 4. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle

ohne mündliche Verhandlung am 19. Dezember 2000

durch

die Richterin Schimmelpfeng-Schütte – Vorsitzende -,

den Richter Wolff und die Richterin Böhmer-Behr sowie

die ehrenamtlichen Richter Dr. Schein und Dumke

fürRecht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 19. Januar 1999 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Feststellung seiner Versicherungspflicht bei der Beklagten vom 1. April 1997 bis 25. April 1997.

2

Der am 13. August 1966 geborene Kläger war bis zum 30. März 1997 selbständiger Reinigungsunternehmer und privat versichert. Er war ua als Subunternehmer für die Beigeladene zu 2. tätig. Am 14. Februar 1997 schloss er mit der Beigeladenen zu 2., einer Firma, die ua Abluftkanäle reinigt, einen Arbeitsvertrag. Gemäß § 2 des Vertrages sollte der Kläger als Reinigungskraft ab 1. April 1997 bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich zu einem Monatslohn von 3.800,00 DM zuzüglich 30 % Nachtzuschlägen bei der Beigeladenen zu 2. beschäftigt werden. Am 15. März 1997 erlitt der Kläger einen Armbruch und war ausweislich der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes für Chirurgie D. vom 15. März 1997 bis zum 25. April 1997 arbeitsunfähig krank. Am 26. März 1997 übte er nach persönlicher Rücksprache mit einer Sachbearbeiterin der Beklagten das Wahlrecht zur Beklagten aus. Mit Schreiben vom 26. März 1997 bestätigte die Beklagte die Mitgliedschaft des Klägers und stellte eine Krankenversicherungskarte aus.

3

Vom 1. April bis 25. April 1997 stand der Kläger in Kontakt zu der Beigeladenen zu 2., nahm an Besprechungen teil und zeigte Mitarbeitern der Beigeladenen zu 2., die Anlagen von Kunden reinigten, die der Kläger als Subunternehmer betreut hatte, den Anlagenverlauf. Dafür erhielt er von der Beigeladenen zu 2. Provision.

4

Seit 28. April 1997 war der Kläger Mitglied der Beigeladenen zu 1..

5

Mit Schreiben vom 23. April 1997 und 14. Mai 1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine Mitgliedschaft bei ihr nicht zustande gekommen sei, da das zum 1. April 1997 vereinbarte Arbeitsverhältnis aus Gründen seiner Arbeitsunfähigkeit nicht aufgenommen worden sei. Den Widerspruch des Klägers vom 28. Mai 1997 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 1997 zurück. Sie führte zur Begründung aus, dass für den Beginn der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung außer der Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt auch der tatsächliche Eintritt in die Beschäftigung, dh die Aufnahme der Arbeit gegeben sein müsse. Versicherungspflicht und Mitgliedschaft begännen auch dann nicht, wenn die grundsätzlich erforderliche Arbeitsaufnahme allein daran scheitere, dass der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank sei. Die Ausstellung einer Mitgliedsbescheinigung und der Krankenversicherungskarte sei rechtlich nicht von Bedeutung. Die Mitteilung der Krankenkasse über die Mitgliedschaft stelle keinen Verwaltungsakt dar.

6

Hiergegen hat der Kläger am 16. Juli 1997 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg erhoben und vorgetragen, dass er ab 1. April 1997 Mitglied der Beklagten geworden sei, obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch keine Arbeitsleistung habe erbringen können. Eine Arbeitsaufnahme sei nicht erforderlich, vielmehr genüge es, dass sich der Arbeitnehmer der Verfügungsmacht des Arbeitgebers unterstelle und dieser die Verfügungsmacht auch ausüben wolle.

7

Das SG Lüneburg hat nach Vernehmung des Zeugen E., des Mitgeschäftsführers der Beigeladenen zu 2., mit Urteil vom 19. Januar 1999 den Bescheid der Beklagten vom 23. April 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 1997 aufgehoben und die Versicherungspflicht bei der Beklagten für die Zeit ab 1. April 1997 bis 23. April 1997 festgestellt. Die Feststellungsklage sei gemäß § 55 Abs 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung habe, weil hiervon sein Anspruch auf Krankengeld und seine Mitgliedschaft bei der Beklagten oder aber der Beigeladenen zu 1. abhänge. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtswidrig. In der streitigen Zeit habe Versicherungspflicht des Klägers vorgelegen. Die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung scheitere nicht an der Rechtsfigur des missglückten Arbeitsversuchs, denn diese sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unter Geltung des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) nicht mehr anzuwenden. Die Voraussetzungen des § 186 Abs 1 SGB V hätten vorgelegen. Dazu sei erforderlich, dass der Arbeitnehmer nach Art des Arbeitsvertrages tatsächlich der Direktionsgewalt, der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers, unterstehe und dieser die Weisungsbefugnis auch ausüben könne. Dass die Weisungsbefugnis vorliege, sei von den Beteiligten nicht bestritten, wobei der Arbeitgeber es offensichtlich in Kauf genommen habe, dass der Kläger am 1. April 1997 wegen seines Armbruchs nicht in der Lage gewesen sei, die Tätigkeit als Reinigungskraft auszuüben. Nach der Rechtsprechung des BSG bestehe Versicherungspflicht, wenn der Arbeitnehmer ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis begründet habe und in die Beschäftigung eingetreten sei. Darunter sei regelmäßig die Aufnahme der vereinbarten Arbeit zu verstehen. Ausnahmsweise beginne die Versicherungspflicht trotz Nichtaufnahme der Arbeit ua auch bei nahtloser Überführung eines versicherungspflichtigen Ausbildungsverhältnisses in ein beim selben Arbeitgeber bestehendes reguläres und ebenfalls versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, zu dessen Beginn jedoch Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Hier könnte eine gewisse Vergleichbarkeit gegeben sein, weil der Kläger zuvor als Subunternehmer offensichtlich weitgehend bei dem jetzigen Arbeitgeber beschäftigt gewesen sei. Davon abgesehen sei das Gericht auf Grund der Aussage des Zeugen E., der telefonischen Angaben des weiteren Geschäftsführers und Gesellschafters und des Schreibens der Firma F. vom 25. Juni 1997 davon ausgegangen, dass auch eine Arbeitsaufnahme vorgelegen habe. Es sei jeweils bestätigt worden, dass der Kläger auch während seiner Krankheit an betrieblichen Besprechungen teilgenommen habe. Der Zeuge E. habe dies präzisiert und durchaus glaubhaft geschildert, dass der Kläger bei Kunden, die er bisher betreut habe, den Kollegen Erklärungen dazu abgegeben habe, wie die Arbeit zu verrichten sei. Das habe eine enge Beziehung zu der Tätigkeit gehabt, für die er eingestellt worden sei und könne daher als Arbeitsaufnahme gewertet werden. Die Versicherungspflicht hänge von den tatsächlichen Verhältnissen ab, nicht aber von der Anerkennung einer Versicherungspflicht durch Bescheinigungen der Krankenkasse oder durch Aushändigung der Versicherungskarte. Es komme für den vorliegenden Rechtsstreit nicht darauf an, dass der Kläger keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) gehabt habe. Nicht zu entscheiden sei in diesem Rechtsstreit, ob er ab 28. April 1997 bei der Beigeladenen zu 1. versichert sei oder ob durch das erstmals ausgeübte Wahlrecht gegenüber der Beklagten nunmehr zunächst ein weiteres Wahlrecht gem § 175 Abs 4 SGB V ausgeschlossen gewesen sei.

8

Gegen das der Beklagten am 18. Februar 1999 zugestellte Urteil hat diese am 1. März 1999 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen eingelegt. Sie hat vorgetragen, dass Versicherungspflicht des Klägers für den streitigen Zeitraum nicht vorgelegen habe. Voraussetzung für die Versicherungspflicht als Arbeitnehmer sei die Ausübung einer Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt. In dem streitigen Zeitraum vom 1. April 1997 bis 23. April 1997 habe der Kläger jedoch keine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt. Er sei arbeitsunfähig krank gewesen und habe kein Entgelt erhalten. Seine Arbeitgeberin habe sich auf § 3 Abs 3 Entgeltfortzahlungsgesetz berufen, wonach der Anspruch auf Entgeltfortzahlung erst nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses entstehe. Zudem habe der Kläger die vereinbarte Beschäftigung krankheitsbedingt ohnehin nicht aufnehmen können. Nach den Aussagen des Geschäftsführers der Arbeitgeberin habe der Kläger zwar während der Arbeitsunfähigkeit Kontakt zu ihr gehabt. Dabei sei es aber vorrangig darum gegangen, ob der Kläger inzwischen arbeitsfähig gewesen sei oder nicht. Soweit er tatsächlich beratend tätig gewesen sei, sei dies allenfalls im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit als Subunternehmer zu sehen, im Rahmen derer er bereits für die Arbeitgeberin tätig gewesen sei. Sowohl der Kläger als auch die Arbeitgeberin seien sich darin einig gewesen, dass es sich insoweit gerade nicht um ein Beschäftigungsverhältnis gehandelt habe. Dies zeige auch der Umstand, dass der Kläger im Berufungsverfahren vorgetragen habe, dass die von ihm vermittelten Aufträge während seiner Krankheit auf Provisionsbasis abgerechnet worden seien. Dies erkläre auch, warum aus der Vergütung keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien. Folgte man den Ausführungen des SG, bedeutete dies, dass für den Kläger lediglich eine Krankengeldbezugszeit und damit eine Mitgliedschaft nach § 192 SGB V bestanden habe, ohne dass vorher oder hinterher oder auch nur für einen Tag eine tatsächliche Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt und damit eine Mitgliedschaft nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V vorhanden gewesen sei. Zudem sei die Begrenzung des streitbefangenen Zeitraums auf die Zeit bis zum 23. April 1997 nicht zulässig, da die hier zu klärende Rechtsfrage, ob überhaupt eine Mitgliedschaft bestehe, nur im Zusammenhang mit dem mutmaßlich die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis insgesamt beurteilt werden könne. Hätte ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, sei die Beklagte auch für die Durchführung der Krankenversicherung für die Zeit über den 23. April 1997 hinaus zuständig.

9

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 19. Januar 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

11

Die Beklagte habe das Eingeständnis seiner Versicherungszugehörigkeit bereits dadurch gegeben, dass sie zugelassen habe, dass er sich mit der von ihr ausgehändigten Versicherungskarte ärztlich habe behandeln lassen und die Kosten dieser Behandlung getragen habe. Während seiner Arbeitsunfähigkeit habe er sich der Verfügungsmacht seines Arbeitgebers unterstellt.

12

Die Beigeladene zu 1. hat keinen Antrag gestellt. Sie ist der Auffassung, dass der Kläger erst zum 28. April 1997 in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis eingetreten sei. Zu diesem Zeitpunkt sei er ihr Mitglied geworden.

13

Die Beigeladene zu 2. hat keinen Antrag gestellt. Sie hat vorgetragen, dass der Kläger seit 1. April 1997 zu ihrer Verfügbarkeit gestanden habe. Von ihm ab 1. April 1997 vermittelte Aufträge seien auf Provisionsbasis abgerechnet worden.

14

Vor der Berichterstatterin des Senats hat am 14. November 2000 ein Erörterungstermin stattgefunden. Wegen des Ergebnisses wird auf die Niederschrift der Sitzung verwiesen.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte des ersten und zweiten Rechtszuges ergänzend Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

16

Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) entscheiden.

17

Die nach § 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und nach §§ 143 ff SGG statthafte Berufung ist zulässig.

18

Sie ist auch begründet.

19

Die am 16. Juli 1997 erhobene Klage ist zulässig.

20

Gem § 55 Abs 1 Nr 1 SGG kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Ein Rechtsverhältnis in diesem Sinne ist das Bestehen einer Versicherungspflicht oder eines Versicherungsverhältnisses (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, 1998 § 55 Rdnr 5a). Der Kläger hat ein Feststellungsinteresse, da von der Feststellung eines Versicherungsverhältnisses seine Mitgliedschaft bei der Beklagten oder der Beigeladenen und sein Anspruch auf Krankengeld abhängt.

21

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Der Kläger war in der Zeit vom 1. April bis 25. April 1997 nicht versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Voraussetzung für den erstmaligen Eintritt der Versicherungspflicht ist die Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V iVm § 7 Abs 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) und der Eintritt in die Beschäftigung nach § 186 Abs 1 SGB V in der hier noch anzuwendenden Fassung des Art 1 des Gesundheitsreformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I, 2477).

22

Nach der Rechtsprechung des BSG zu § 186 Abs 1 SGB V aF war dazu regelmäßig die tatsächliche Aufnahme der Arbeit erforderlich. Dies wurde mit dem Versicherungsprinzip begründet. Dazu, dass die Versicherung in der Regel erst mit der Arbeitsaufnahme beginne und erst danach bei Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Krankengeld begründen könne, stehe es in Widerspruch, eine Versicherung entstehen zu lassen, wenn die Arbeitsaufnahme an der Arbeitsunfähigkeit scheitere (BSGE 75, 278, 281 = SozR 3-2500 § 186 Nr 2 Seite 6). In seinem Urteil vom 14. Dezember 1997 (BSGE 81, 231, 238 = SozR 3-2500 § 5 Nr 37), in dem das BSG entschieden hat, dass die Rechtsfigur des missglückten Arbeitsversuchs seit Inkrafttreten des SGB V nicht mehr anzuwenden ist, hat es auch ausgeführt, dass Arbeitsfähigkeit in der Regel Grundlage der Beschäftigung und der Beschäftigungsversicherung sei und dem Entstehen der Beschäftigungsversicherung trotz Arbeitsunfähigkeit Grenzen gesetzt seien, weil der Eintritt in die Beschäftigung verlangt werde und darunter regelmäßig die Aufnahme der vereinbarten Arbeit zu verstehen sei (vgl BSG Urteil vom 10. Dezember 1998 – B 12 KR 7/98 R).

23

Von dem Erfordernis der tatsächlichen Arbeitsaufnahme hat das BSG (vgl SozR 3-2500 § 186 Nr 2 S 5, SozR 3-2200 § 306 Nr 2 S 5) bestimmte Ausnahmen zugelassen und trotz Nichtaufnahme der tatsächliche Arbeit die Versicherungspflicht bejaht: Bei einem Unfall des Arbeitnehmers auf dem Weg zur erstmaligen Arbeitsaufnahme (BSGE 26, 124 [BSG 28.02.1967 - 3 RK 17/65] = SozR Nr 3 zu § 306 RVO), bei einem Gastarbeiter, der nach Aushändigung der Arbeitspapiere an den Arbeitgeber und nach Unterbringung auf dem Werksgelände einen Unfall erlitten hatte (BSGE 29, 30 [BSG 22.11.1968 - 3 RK 47/66] = SozR Nr 4 zu § 306 RVO), bei fristgerechter Kündigung durch den Arbeitgeber vor Arbeitsantritt und Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit bis zum Wirksamwerden der Kündigung (BSGE 36, 161, 164 [BSG 18.09.1973 - 12 RK 15/72] = SozR Nr 73 zu § 165 RVO) und bei nahtloser Überführung eines versicherungspflichtigen Ausbildungsverhältnisses in ein beim selben Arbeitgeber bestehendes reguläres und ebenfalls versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, zu dessen Beginn jedoch Arbeitsunfähigkeit bestand (BSGE 48, 235 [BSG 28.06.1979 - 8b/3 RK 80/77] = SozR 2200 § 306 Nr 5). In diesen Fällen reichte es aus, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich der Verfügungsmacht (Disposition-, Weisungsbefugnis) des Arbeitgebers unterstand.

24

Entgegen der Ansicht des SG liegt ein mit dem letztgenannten Ausnahmetatbestand vergleichbarer Sachverhalt hier nicht vor. Zwar war der Kläger vor Vertragsbeginn zum 1. April 1997, zu dessen Beginn Arbeitsunfähigkeit wegen des Armbruchs bestand, als Subunternehmer für die Beigeladene zu 2. tätig. Hierbei hat es sich jedoch gerade nicht um eine versicherungspflichtige Tätigkeit, die mit einem versicherungspflichtigen Ausbildungsverhältnis vergleichbar wäre, gehandelt, sondern um eine selbständige Tätigkeit. Der Kläger war vor dem 1. April 1997 nicht Betriebsangehöriger der Beigeladenen zu 2) und wie in dem vom BSG am 28. Juni 1976 (BSGE 48, 235) entschiedenen Fall dem Weisungsrecht seines Arbeitgebers unterstellt, so dass es hier nicht um die Fortsetzung einer Betriebszugehörigkeit ohne Unterbrechung ging.

25

Der Kläger hat hier am 1. April 1997 nicht tatsächlich die Arbeit in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis aufgenommen, er unterstand auch noch nicht der Verfügungsmacht der Beigeladenen zu 2.. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Vorbringen des Klägers in seinem Schreiben vom 16. April 1999 und seinen Ausführungen im Erörterungstermin vom 14. November 2000. An den Nachweis der Tatsachen, die die Versicherungspflicht begründen, sind nach der Rechtsprechung des BSG strenge Anforderungen zu stellen, zumal, wenn bei Beginn der Arbeitsaufnahme Arbeitsunfähigkeit besteht. Die Feststellungslast für die Tatsachen, die Versicherungspflicht begründen, trägt derjenige, der sich auf sie beruft (BSGE 81, 231, 239 = SozR 3-2500 § 5 Nr 37).

26

Zwar war der Kläger nach seiner Auskunft im Erörterungstermin vom 14. November 2000 für die Beigeladene zu 2. tätig. Hierbei handelte es sich jedoch nicht um die Arbeit als Reinigungskraft, für die er nach dem Anstellungsvertrag vom 15. Februar 1997 eingestellt war. Bei dieser Tätigkeit geht es nach den Angaben des Klägers am 14. November 2000 um die praktische Tätigkeit der Reinigung von Industrieanlagen. Während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 1. April bis 25. April 1997 hat der Kläger nach seinen Angaben den Mitarbeitern der Firma F., die Anlagen (Raumabluft-, Fettabluftkanäle) für Unternehmen reinigen sollten, die der Kläger zuvor als Subunternehmer betreut hatte bzw die er angeworben hatte, gezeigt, wie die Anlagen verlaufen. Ausgeführt haben die Reinigungsarbeiten dann die Mitarbeiter der Firma F.. Der Kläger hatte nach seinen Angaben vorher telefonisch die Reinigungstermine gemacht, Preise abgesprochen, das Geld kassiert und für seine Tätigkeit von der Beigeladenen zu 2. Provision erhalten. Der Kläger war demnach in dem streitigen Zeitraum für die Beigeladene zu 2. beratend und nach wie vor weiter in der Funktion und nach Art eines Subunternehmers tätig. Diese Tätigkeit ist noch im engen Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit als selbstständiger Reinigungsunternehmer zu sehen.

27

Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus der telefonischen Auskunft des Geschäftsführers der Beigeladenen zu 2. vom 14. Januar 1998, dem Schreiben der Beigeladenen zu 2. an die Beklagte vom 25. Juni 1997 oder der Aussage des Zeugen E.. Aus dem Gesprächsvermerküber das Gespräch mit dem Geschäftsführer der Beigeladenen zu 2. vom 14. Januar 1998 ergibt sich lediglich, dass der Kläger bei technischen Gesprächen nach dem 1. April 1997 in der Firma gewesen sei. In dem Schreiben vom 25. Juni 1997 heißt es, dass der Kläger seit dem 1. April 1997 an betrieblichen Besprechungen teilgenommen habe und erst seit dem 28. April 1997 aktiv für die Beigeladene zu 2) tätig sei. Auch der Zeuge E. hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG Lüneburg am 19. Januar 1999 bestätigt, dass während der Krankheit des Klägers telefonischer und persönlicher Kontakt zu ihm bestanden habe. Die Beigeladene zu 2. hätte für ihre Planungen wissen müssen, wann sie mit dem Kläger habe rechnen können, so dass sie ständig im Kontakt mit ihm gewesen sei, um zu erfahren, ob er wieder zum Einsatz kommen könne. Aus allem ergibt sich nicht, dass der Kläger bereits am 1. April 1997 in das Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft bei der Beigeladenen eingetreten ist. Vielmehr haben die Kontakte noch im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Subunternehmer für die Beigeladene zu 2. bestanden. Dies folgt auch aus der weiteren Aussage des Zeugen E., der angegeben hat, Inhalt der technischen Besprechungen sei gewesen, dass der Kläger bei Kunden, die er bisher betreut hatte, den Kollegen Erklärungen abgegeben habe, wie die Arbeit auszuführen gewesen sei.

28

Für diese Einschätzung spricht auch, dass der Kläger für die von ihm während seiner Arbeitsunfähigkeit ausgeführten Tätigkeiten für die Beigeladene zu 2. kein Arbeitsentgelt, von dem Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden sind, sondern Provisionen erhalten hat.

29

Entgegen der Ansicht des Klägers, hängt die Versicherungspflicht von den tatsächlichen Verhältnissen ab, nicht aber von der Anerkennung einer Versicherungspflicht durch Bescheinigungen der Krankenkasse oder durch Aushändigung der Versichertenkarte. Das Schreiben einer Krankenkasse, mit dem dem Mitglied der Beginn seiner Mitgliedschaft mitgeteilt wird, stellt keinen Verwaltungsakt dar, mit dem die Versicherungspflicht festgestellt wird (BSG SozR 3-2500 § 306 Nr 2).

30

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Neufassung des § 186 SGB V. Durch Art 3 Nr 3 des Gesetzes zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelung vom 6. April 1998 (BGBl I, 688) ist in § 186 Abs 1 SGB V"die Beschäftigung" durch "das Beschäftigungsverhältnis" ersetzt worden. Nach der Gesetzesbegründung soll dieses klar stellen, dass eine Mitgliedschaft auch dann zustande kommt, wenn der Arbeitnehmer zu Beginn des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses auf Grund einer Vereinbarung nach Art 1 Nr 1 des Gesetzesentwurfs von der Arbeitsleistung freigestellt ist und daher die Beschäftigung erst zu einem späteren Zeitpunkt aufnimmt. Die Mitgliedschaft beginne in diesem Fall mit dem Tag, an dem das entgeltliche Beschäftigungsverhältnis beginne. Die Vorschrift bewirke darüber hinaus, dass eine Mitgliedschaft in der GKV – ebenso wie die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung – auch dann beginne, wenn die Beschäftigung wegen einer Krankheit nicht zu dem im Arbeitsvertrag vorgesehenen Zeitpunkt aufgenommen werden könne, sofern der Arbeitnehmer Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts habe. Diese Klarstellung sei auch nach den Urteilen des BSG vom 15. Dezember 1994 (12 RK 17/92, 12 RK 7/93) und vom 8. August 1995 (1 RK 28/94) erforderlich geworden (BT-Drucksache 13/9741 Seite 12 – zitiert nach Peters, Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band I, Stand: 1. August 2000).

31

Diese Änderung ist am 1. Januar 1998 in Kraft getreten (Art 12 des Gesetzes) und nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 10. Dezember 1998– B 12 RK 7/98 R) für davor liegende Zeiträume– also auf den vorliegenden Fall - noch nicht anzuwenden.

32

Darüber hinaus beginnt nach der Gesetzesbegründung eine Mitgliedschaft in der GKV, wenn die Beschäftigung wegen einer Erkrankung nicht zu dem im Arbeitsvertrag vorgesehen Zeitpunkt aufgenommen werden kann, auch nur dann, wenn der Arbeitnehmer Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts hat (vgl. so auch Peters, KassKomm, § 186 Rdnr 8). Dies war hier jedoch gerade nicht der Fall. Nach übereinstimmenden Auskünften der Beteiligten hat ein Anspruch des Klägers auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nicht bestanden, da die Voraussetzungen des § 3 Abs 3 EFZG nicht vorgelegen haben.

33

Der Kläger kann auch die Feststellung der Versicherungspflicht und der Mitgliedschaft nicht nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verlangen. Dieser Anspruch geht auf Vornahme der notwendigen Amtshandlungen zur Herstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger die ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis erwachsenen Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (Seewald, in Kasseler Kommentar, aaO, vor §§ 38 bis 47 SGB I Rdnr 30 ff). Der Herstellungsanspruch als sozialrechtliche Naturalrestitution ist auf Herstellung des Zustandes gerichtet, der ohne Pflichtverletzung der Verwaltung mutmaßlich bestehen würde. Er setzt aber voraus, dass dieser Zustand durch eine zulässige Amtshandlung hergestellt werden kann. Der Kläger hat vorgetragen, er habe die Sachbearbeiterin der Beklagten in der Geschäftsstelle G. am 26. März 1997 persönlich aufgesucht und darauf aufmerksam gemacht, dass er auf Grund des gebrochenen Armes über den mit dem Arbeitgeber vereinbarten Einstellungstermin hinaus arbeitsunfähig sein werde. Gleichwohl habe ihn die Mitarbeiterin die Wahlrechtserklärung unterschreiben lassen und eine Mitgliedsbescheinigung ausgestellt. Zunächst ist bereits fraglich, ob eine Pflichtverletzung vorliegt, da die Sachbearbeiterin auf Grund der Auskunft des Klägers (vgl Vermerk der Beklagten vom 30. Mai 1997) davon ausging, dass der Kläger Entgeltfortzahlung erhalten werde. Selbst wenn eine Pflichtverletzung vorliegen würde, wäre die Rechtsfolge einer richtigen Beratung durch die Sachbearbeiterin aber gerade nicht die Feststellung der Mitgliedschaft, sondern ihre Ablehnung.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.