Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.12.2000, Az.: L 4 KR 174/98

Sozialversicherungspflicht einer freien Dozentin; Abgrenzung selbständige Tätigkeit/ abhängige Beschäftigung; Mitgliedschaft in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen
Datum
19.12.2000
Aktenzeichen
L 4 KR 174/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 15429
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2000:1219.L4KR174.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - 17.06.1998 - AZ: S 6 KR 60006/97

Prozessführer

XXX

Prozessgegner

Deutsche Angestellten-Krankenkasse, Nagelsweg 27-35, 20097 Hamburg,

Sonstige Beteiligte

1. C...,

2. ...,

3. ...,

4. D...,

5. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,

6. Bundesanstalt für Arbeit,

den Präsidenten des Landesarbeitsamtes Niedersachsen-Bremen, Altenbekener Damm 82, 30173 Hannover.

hat der 4. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle

ohne mündliche Verhandlung am 19. Dezember 2000

durch

die Richterin Schimmelpfeng-Schütte - Vorsitzende -,

den Richter Wolff und die Richterin Kramer sowie

die ehrenamtlichen Richter Dr Schein und Dumke

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 17. Juni 1998 wird aufgehoben .

  2. 2.

    Die Klage wird abgewiesen.

  3. 3.

    Die Klägerin trägt die Kosten der Beigeladenen zu 1). Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin in der Zeit vom 16. August 1989 bis 31. August 1994 versicherungspflichtig in der Renten- und Krankenversicherung sowie beitragspflichtig zur Bundesanstalt für Arbeit war.

2

Die Beigeladene zu 1.), deren alleinige Gesellschafterin und Holding die E. ist, betreibt eine staatlich anerkannte Berufsfachschule ua für biologisch- und chemisch-technische Assistenten. Die Klägerin, eine Diplom-Chemikerin, war ausweislich des qualifizierten Zeugnisses der Beigeladenen zu 1.) vom 30. Mai 1995 in der Zeit vom 1. September 1986 (unterbrochen von einem Mutterschaftsurlaub in der Zeit vom 1. September 1988 bis zum 20. Mai 1989) bis 31. Juli 1994 zunächst in der Einrichtung der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1.) und sodann seit Mai 1989 aufgrund des Schulträgerwechsels zur Beigeladenen zu 1.) am Schulstandort F. als Dozentin tätig. Das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1.) endete ausweislich des abgeschlossenen Vergleichs vor dem Arbeitsgericht F. vom 9. Februar 1995 - 1 Ca 586/94 - aufgrund Befristung mit Ablauf des 31. August 1994.

3

Bis zum Schulträgerwechsel im Mai 1989 sowie bis zum Ablauf des Sommersemesters im August 1989 erteilte die Klägerin durchschnittlich 13 Wochenstunden, ab Wintersemester 1989 - beginnend am 4. September 1989 - erteilte die Klägerin jeweils mehr als 31 Wochenstunden theoretischen und praktischen Unterricht in den Fächern Biologie und Chemie. Zu den Aufgabenbereichen der Klägerin gehörte die Lehrtätigkeit im Fachbereich Chemie und Biologie sowie die Abnahme der praktischen und mündlichen Prüfungen einschließlich pädagogischer und psychologischer Betreuung der Schülerinnen und Schüler. Auf die zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1.) geschlossene Vereinbarung vom 11. September 1989 sowie die nahezu wortgleichen Vereinbarungen bzw Lehraufträge ab Sommersemester 1990 bis Sommersemester 1994 wird ausdrücklich verwiesen.

4

Gemäß Ziffer 2 der Vereinbarung vom 11. September 1989 verpflichtete sich die Klägerin, sich vor Semesterbeginn hinsichtlich des Ortes und der Zeit der vereinbarungsgemäß abzuhaltenden Unterrichtsstunden mit der Schulleitung und den übrigen Dozenten und Lehrkräften in Verbindung zu setzen, um eine Absprache in Form eines Stundenplanes zu treffen. Änderungen des Stundenplanes hinsichtlich des Ortes und der Zeit des Unterrichts waren auch im Verlauf des Semesters nach Absprache für den Dozenten und die Schule möglich. Bei Erkrankung oder sonstigen Verhinderungen hatte die Klägerin die Schule unverzüglich zu benachrichtigen. Die Teilnahme der Klägerin an Schul- oder Klassenkonferenzen sowie an Prüfungen und sonstigen Veranstaltungen der Schule erfolgte nach gesonderter Absprache.

5

Bezüglich der Vergütung war gemäss Ziffer 5 der Vereinbarung vom 11. September 1989 geregelt, dass die Klägerin als Honorar für jede erteilte Unterrichtsstunde einschließlich der notwendigen Vorbereitung etc ein Honorar von 35,00 DM erhält. Eine gesonderte Vergütung für eine evtl mögliche Teilnahme an Konferenzen etc erfolgte nicht. Zur Abrechnung gelangten nur die von der Klägerin tatsächlich erteilten Unterrichtsstunden. Eine Honorarfortzahlung im Krankheitsfalle oder bei sonstiger Verhinderung erfolgte nicht. Bei Abwesenheit der Klasse, zB bei klinischen Praktika, bestand kein Anspruch auf Bezahlung. Am Monatsende musste von der Klägerin eine Abrechnung über die geleisteten Unterrichtsstunden vorgelegt und unterschrieben werden. Damit waren alle Ansprüche gegen die Schule abgegolten. Zur Abführung von Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge war die Schule nicht verpflichtet.

6

Nach Ziffer 6 der Vereinbarung vom 11. September 1989 war eine gleichzeitige Tätigkeit bei einer Schule gleicher Art in freier Trägerschaft anzuzeigen.

7

Ausweislich des qualifizierten Zeugnisses vom 30. Mai 1995 übernahm die Klägerin neben ihrer Lehrtätigkeit folgende Tätigkeiten in der Bildungseinrichtung der Beigeladenen zu 1.):

8

In den ersten Jahren ihrer Lehrtätigkeit war die Klägerin maßgeblich am Aufbau der praktischen Ausbildung im Bereich Chemie an den Berufsfachschulen chemisch- und biologisch-technische Assistenten beteiligt. Die Klägerin konzipierte, organisierte und leitete die Praktika "Organische Chemie für chemisch-technische Assistenten", "Analytische Chemie für Anfänger und Fortgeschrittene" und "Allgemeine Chemie für biologisch-technische Assistenten".

9

Seit Januar 1990 leitete die Klägerin den Fachbereich Chemie. Im Rahmen dieser Tätigkeit verfasste sie die Skripten "Allgemeine Chemie" und "Physik und physikalische Chemie" mit jeweils 200 bzw 300 Seiten, die im praktischen Unterricht als grundlegendes Unterrichtsmaterial an den Berufsfachschulen für chemisch-, biologisch- und pharmazeutisch-technische Assistenten genutzt wurden.

10

Im September 1992 wurde der Klägerin zusätzlich die Leitung des Fachbereiches Biologie übertragen.

11

Die Klägerin wurde im Oktober 1992 in den"Strategiekreis" der E. berufen. Als Mitglied des Strategiekreises schloss sie die Fortbildung zum Prozessmanager erfolgreich ab und nahm an mehreren mehrtägigen "Strategietreffen" teil.

12

Ab Januar 1993 übernahm die Klägerin die Tätigkeiten einer stellvertretenden Schulleiterin in den Berufsfachschulen F., deren Leiterin sie ab Januar bis Juli 1994 wegen beruflicher Abwesenheit des Schulleiters wurde. Neben den allgemeinen Aufgaben (zB Erstellung des Stundenplanes, Konzeption neuer Lehrgänge, Planung und Organisation staatlicher Prüfungen) führte die Klägerin Personalgespräche durch und hielt den Kontakt zu Industrie und Behörden.

13

Am 13. April 1994 vereinbarten die Klägerin und die Beigeladene zu 1.) ab 1. März 1994 einen monatlichen Pauschalbetrag iHv 700,00 DM für Schulleitungstätigkeiten, den die Klägerin selbst zu versteuern hatte.

14

Nachdem das Vertragsverhältnis nach Ablauf der Befristung endete, meldete sich die Klägerin arbeitslos und nahm ab 3. April 1995 die nach ihren Angaben selbständige bzw freiberufliche Tätigkeit als Geschäftsführerin in der Akademie für nichtärztliche Heilberufe in F. auf. Der von der Klägerin gestellte Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosengeld wurde mit Bescheid der Beigeladenen zu 3.) vom 4. September 1995 abgelehnt: Die Anwartschaftszeit werde nicht erfüllt, weil die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung nicht mindestens 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden habe. Der dagegen von der Klägerin eingelegte Widerspruch blieb bisher unbeschieden.

15

In den von der Beklagten vorgegebenen Vordrucken betr die Weiterführung der freiwilligen Mitgliedschaft und Erhebung der beitragspflichtigen Einnahmen gab die Klägerin bzgl ihrer Tätigkeiten ab WS 1989/90 an, ab 4. September 1989 auf Grund einer Lehrtätigkeit auf Honorarbasis selbständig freiberuflich tätig zu sein. Auf die Erklärungen der Klägerin betr die Tätigkeiten ab WS 1989/90 ohne Datum und 12. Dezember 1989, 6. Dezember 1990, 10. Januar 1991, 4. Dezember 1992 sowie 7. Februar 1994 wird Bezug genommen. Die Beklagte führte daraufhin antragsgemäß die freiwillige Versicherung der Klägerin durch. Die Klägerin versteuerte die Lehrvergütung nach ihren Angaben bei dem Finanzamt F..

16

Mit Schreiben vom 24. August 1994 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass ihr Vertrag bei der Beigeladenen zu 1.) ab September 1994 nicht verlängert werde und beantragte die Überprüfung der Versicherungspflicht auf Grund ihrer Tätigkeit als Dozentin, Fachbereichsleiterin und stellvertretende bzw kommissarische Schulleiterin bei der Beigeladenen zu 1.).Die Beklagte zog daraufhin die Arbeitgeberauskünfte der G., die ebenso wie die Beigeladene zu 1) eine Tochter der E.und für die Personalverwaltung der Beigeladenen zu 1.) zuständig ist, vom 19. Oktober 1994 und der Beigeladenen zu 1.) vom 12. Februar 1996 und 14. März 1996 bei. Mit Bescheiden vom 13. September 1995 und 21. März 1996 stellte die Beklagte sodann gegenüber der Beigeladenen zu 1.) fest, dass die Klägerin in der Zeit vom 16. September 1989 bis 31. August 1994 in einem versicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe.

17

Auf den Widerspruch der Beigeladenen zu 1.) hob die Beklagte die vorgenannten Bescheide mit Bescheid vom 7. Juni 1996 auf.

18

Die Beklagte teilte der Klägerin mit Bescheid vom 10. Juni 1996 mit, dass sie von ihrer ursprünglichen versicherungsrechtlichen Beurteilung gegenüber der Beigeladenen zu 1.) abgerückt sei.

19

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 26. Juni 1996 und führte aus, dass sie in der Zeit vom 16. September 1989 bis 31. August 1994 als Lehrkraft in leitender Funktion versicherungspflichtig tätig gewesen sei. Die Beklagte sei als die zuständige Einzugsstelle verpflichtet, die versicherungsrechtliche Beurteilung zu treffen.

20

Mit weiterem Bescheid vom 24. Oktober 1996 stellte die Beklagte fest, dass sie für die Beurteilung der Versicherungspflicht zuständig sei. Die Klägerin sei in der Zeit vom 16. September 1989 bis 31. August 1994 aber selbständig tätig gewesen. Sie trage das der selbständigen Berufstätigkeit eigentümliche Unternehmerrisiko, weil der Erfolg ihres Einsatzes ungewiss sei. Der Honoraranspruch sei von der Durchführung der vereinbarten Unterrichtsstunden abhängig gewesen. Die vertretene Auffassung werde von der Wortwahl im Text des arbeitsgerichtlichen Vergleichs unterstützt, weil die Parteien nach Ziffer 1 nicht von einem Beschäftigungs- oder Arbeitsverhältnis, sondern von einem Vertragsverhältnis ausgegangen seien.

21

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein, den der Widerspruchsausschuss bei der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 7. Januar 1997 zurückwies. Die Klägerin sei in der Zeit vom 16. August 1989 bis 31. August 1994 bei der Beigeladenen zu 1.) als Honorarkraft selbständig tätig gewesen. Ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis sei nicht begründet worden.

22

Hiergegen hat die Klägerin am 10. Februar 1997 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben und unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt festzustellen, dass ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1.) in der Zeit vom 16. August 1989 bis zum 31. August 1994 der Versicherungspflicht in der Kranken- und Rentenversicherung sowie der Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit unterlag.

23

Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt: Grundlage ihrer Lehrtätigkeit seien die für den jeweiligen Semesterzeitraum inhaltsgleichen Honorarverträge. Daneben habe es zwischen ihr und der Beigeladenen zu 1.) eine Vereinbarung über eine ab 1. März 1994 monatlich zu zahlende Pauschale für die Schulleitungstätigkeit gegeben. Die in den Lehrverträgen verwendeten Bezeichnungen wie zB "selbständige Tätigkeit" oder "freier Mitarbeiter" seien für die hier streitige Abgrenzung nicht einschlägig. Maßgebend seien die tatsächlichen Verhältnisse, vor allem vor dem Hintergrund ihres besonderen Engagements. Von Seiten der Schulleitung sei ihr immer wieder eine Festanstellung in Aussicht gestellt worden. Deshalb habe sie die Lehrverträge jahrelang akzeptiert. Hinsichtlich des Ortes und der Zeit ihrer Tätigkeit habe die Klägerin im Übrigen den Weisungen der Beigeladenen zu 1.) zu folgen. Ein weiteres Merkmal für ihre persönliche Abhängigkeit sei die Eingliederung in die betriebliche Organisation der Beigeladenen zu 1.). Es habe eine Pflicht zur persönlichen Dienstleistung bestanden. Sie - die Klägerin - habe weder ein Unternehmerrisiko getragen noch über eigene Betriebsstätten verfügt. Schließlich habe sie unter Kontrolle gestanden, weil die Beigeladene zu 1.) das Recht besessen habe, von den Schulungsteilnehmern standardisierte Seminarbeurteilungen einzuholen, und hiervon auch Gebrauch gemacht habe.

24

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid berufen. Den Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1.) sei zu entnehmen, dass es der Wunsch der Vertragspartner gewesen sei, die Tätigkeit der Klägerin als freiberufliche selbständige Tätigkeit zu qualifizieren. Die Klägerin müsse sich vorhalten lassen, zu keinem Zeitpunkt vor Beendigung ihrer Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1.) um eine Überprüfung des Versicherungsverhältnisses gebeten zu haben. Die tatsächlichen Gegebenheiten sprächen für und nicht gegen eine selbständige Tätigkeit. Die Klägerin habe das volle Honorar- und Krankheitsrisiko getragen und keinen Anspruch auf weitere Sozialleistungen wie zB vertraglich vereinbarten Urlaub gehabt.

25

Das SG Oldenburg hat die private Bildungseinrichtung, an der die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum unterrichtete, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und die Bundesanstalt für Arbeit mit Beschluss vom 2. März 1998 beigeladen und der Klage mit Urteil vom 17. Juni 1998 antragsgemäß stattgegeben sowie festgestellt, dass die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1.) vom 16. August 1989 bis 31. August 1994 gesamtsozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist.

26

Zur Begründung hat das SG im wesentlichen ausgeführt: Das Gesamtbild der Tätigkeiten ergäbe vor dem Hintergrund der Fülle von Indizien, die die sozialgerichtliche Rechtsprechung zur Abgrenzung von abhängig Beschäftigten zu selbständig Tätigen getroffen habe, dass die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1.) abhängig beschäftigt gewesen sei. Hinsichtlich aller Dienstleistungen sei die Klägerin wie eine festangestellte Lehrerin anzusehen, weil Art, Zeit, Dauer und Ort der Arbeit nicht im Belieben der Klägerin gestanden hätten. Eine weisungsfreie, eigenschöpferische Gestaltung des Unterrichtsstoffes sei von vornherein nicht in Betracht gekommen. Die Klägerin habe zwar wie ein Unternehmer das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit getragen. Dies sei aber nur ein Aspekt im Rahmen der Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse, dem gegenüber den übrigen hier anzunehmenden Merkmalen einer abhängigen Beschäftigung keine durchgreifende Bedeutung zukäme.

27

Gegen das am 20. Juli 1998 abgesandte Urteil hat die Beigeladene zu 1.) am 19. August 1998 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen eingelegt. Zur Begründung hat die Beigeladene zu 1.) vorgetragen:

28

Das SG habe die Besonderheiten der versicherungsrechtlichen Beurteilung von Dozenten verkannt. Die Schulleitungstätigkeiten hätten der Selbständigkeit nicht entgegengestanden. Die Klägerin habe das wirtschaftliche Risiko ihrer Lehrtätigkeit getragen. Die Höhe der Vergütung pro Unterrichtsstunde spreche für die freie Mitarbeit der Klägerin. Festangestellte Lehrkräfte hätten durchschnittliche Stundensätze von 20,00 DM erhalten. Die Klägerin habe zudem ein Gewerbe mit dem Zweck "Arbeit als freie Dozentin" angemeldet. Zur Begründung beruft sich die Beigeladene zu 1.) auf die vorgelegte Kopie der Gewerbeanmeldung der Klägerin vom 17. Dezember 1990. Die Gewerbeanmeldung sei möglicherweise auch vor dem Hintergrund erfolgt, dass die Klägerin nebenher in der privaten Bildungseinrichtung ihres Ehemannes tätig gewesen sei. Der Klägerin seien auf ihren Wunsch hin freie Tage zur Entfaltung eigener weiterer selbständiger Tätigkeiten geblieben. Sie habe ihre Lehrtätigkeit nicht mit anderen Lehrkräften abstimmen müssen. Die Klägerin habe vor Abschluss der jeweiligen Lehraufträge ihre "Lehrplanwunschzettel"überreicht, die stets in vollem Umfang berücksichtigt worden seien. Ferner habe die Klägerin stets nur zu den Zeiten Unterrichtseinheiten übernommen, die ihren Wünschen entsprochen hätten. Sie habe ihren Unterricht frei gestalten können und nach ihren Vorstellungen Unterrichtsinhalte vermitteln können. Dies werde gerade im Bereich der Bewertung von Prüfungsleistungen deutlich. Anweisungen in Bezug auf die Benotung von Prüfungsleistungen habe es nicht gegeben. Im Rahmen der Schul- und Klassenkonferenzen sei die Klägerin nicht auf Weisung anwesend gewesen, sondern um die Interessen ihrer Schülerinnen und Schüler zu vertreten. Im Rahmen der Tätigkeiten als Vertreterin der Schulleitung habe die Klägerin lediglich Schülerprobleme zu klären gehabt, Elterngespräche geführt und sich um die Vertretung krankheitsbedingt ausfallender Unterrichtsstunden kümmern müssen. Ansonsten seien die wesentlichen kaufmännischen und technischen Aufgaben von der Geschäftsleitung geführt worden. Der Klägerin sei zu keinem Zeitpunkt eine Festanstellung in Aussicht gestellt worden.

29

Die Beigeladene zu 1.) beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 17. Juni 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

30

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

31

Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen: Sie habe eine Vollzeittätigkeit in der Bildungseinrichtung der Beigeladenen zu 1.) ausgeübt. Die Tätigkeit eines Dozenten erschöpfe sich zudem nicht allein in der Erbringung der eigentlichen Unterrichtsleistung. Vorbereitungsmaßnahmen und Teilnahme an Konferenzen und Schülerbesprechungen nähmen einen erheblichen zeitlichen Umfang ein. Im streitbefangenen Zeitraum sei sie ausschließlich für die Beigeladene zu 1.) tätig gewesen. Sie habe seit 1990 erhebliche konzeptionelle und schulleiterische Tätigkeiten übernommen. Diese seien im einzelnen zwar nicht schriftlich vereinbart worden, aber zB durch Aufnahme in den "Strategiekreis" honoriert worden. Die Klägerin sei auf Grund ihres gesamten beruflichen Werdeganges keineswegs als typisch selbständig Tätige anzusehen.

32

Die Beklagte, die Beigeladene zu 2.) und die Beigeladene zu 3.) haben keine Prozessanträge gestellt.

33

Die Beklagte hat vorgetragen, nach wie vor Zweifel an der Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zu haben.

34

Die Beigeladene zu 2.) hat darauf hingewiesen, dass selbständig tätige Lehrer, die mehr als geringfügig tätig seien und keine Arbeitnehmer beschäftigten, der Rentenversicherungspflicht unterlägen. Auf das Schreiben der Beigeladenen zu 2.) vom 17. Februar 1999 wird verwiesen.

35

Im Rahmen des Erörterungstermins vor der Berichterstatterin des Senats sind der Zeuge H.zu Art und Umfang der Tätigkeiten der Klägerin in seiner privaten Bildungseinrichtung und die Zeugin I.zu Art und Umfang der Tätigkeiten der Klägerin bei der Beigeladenen zu 1.) - jeweils im streitbefangenen Zeitraum - gehört worden. Wegen des Ergebnisses des Erörterungstermins und der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26. September 2000 verwiesen.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte des ersten und zweiten Rechtszuges (2 Bände), die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten (zu Krankenversicherten-Nummer 045 299 401/10) sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beigeladenen zu 3.) (zu Stamm-Nummer 434 690) verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung ohne mündliche Verhandlung des Senats gewesen sind.

Entscheidungsgründe

37

Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden.

38

Die gem § 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gem §§ 143 f statthafte Berufung ist zulässig.

39

Das Rechtsmittel ist auch begründet.

40

Die Klage ist zulässig.

41

Das gilt auch für die erhobene Feststellungsklage. Nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Ein Rechtsverhältnis in diesem Sinne ist das Bestehen einer Versicherungspflicht oder eines Versicherungsverhältnisses (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl 1998, § 55 Rdnr 5a).

42

Die Klage ist unbegründet.

43

Das Urteil des SG Oldenburg vom 17. Juni 1998 ist aufzuheben, weil die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum bei der Beigeladenen zu 1) nicht abhängig beschäftigt gewesen ist.

44

Die Klägerin war im vorgenannten Zeitraum als selbständige Mitarbeiterin und nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses bei der Beigeladenen zu 1.) tätig und unterlag deshalb nicht der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 2 Abs 1 Nr 1 des Angestellten-Versicherungsgesetzes (AVG) in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung bzw § 1 Abs 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung und der Beitragspflicht nach § 168 Abs 1 Nr 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden und hier anzuwendenden Fassung. In der Zeit vom 16. August 1989 bis 31. Juli 1994 war die Klägerin selbständig tätige Dozentin und unterlag nicht der Versicherungs- und Beitragspflicht. Das gleiche gilt für die Zeit vom 1. bis 31. August 1994, in der die Klägerin nicht mehr bei der Beigeladenen zu 1.) tätig war.

45

Beurteilungsmaßstab einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) in der vom 1. Juli 1977 bis 31. Dezember 1997 geltenden Fassung (BGBl I 3845). Nach § 7 Abs 1 SGB IV aF ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der Begründung zum Entwurf eines SGB IV (BT-Drucks 7/4122, Seite 31) liegt eine Beschäftigung dann vor, wenn eine Arbeit unselbständig, dh mit dem Weisungsrecht eines Arbeitgebers ausgeübt wird. Eine Beschäftigung ist insbesondere dann gegeben, wenn nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen ein Arbeitsverhältnis besteht; dabei kommt es nicht darauf an, ob ein wirksamer Arbeitsvertrag geschlossen worden ist. Das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ist mit dem eines Beschäftigungsverhältnisses nicht vollkommen identisch (Gesetzesbegründung zu § 7 SGB IV, aaO).

46

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in dem Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag (BSGE 45, 199, 200 ff = SozR 2200 § 1227 Nr 8; SozR 3-2400 § 7 Nr 13, jeweils mwN; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung BVerfG, SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

47

Ob Lehrbeauftragte bzw Dozenten als Angestellte versicherungspflichtig sind, richtet sich mithin danach, ob sie die Stellung persönlich abhängiger Arbeitnehmer inne haben. Dozenten oder Lehrbeauftragte an Universitäten, Hoch- und Fachhochschulen, Fachschulen, Volkshochschulen sowie an sonstigen - auch privaten - Bildungseinrichtungen stehen regelmäßig nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu diesen Schulungseinrichtungen, wenn sie mit einer von vornherein zeitlich und sachlich beschränkten Lehrverpflichtung betraut sind, weitere Pflichten nicht zu übernehmen haben und sich dadurch von den festangestellten Lehrkräften erheblich unterscheiden (BSG, SozR 2200 § 165 Nr 45; vgl auch "Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vom 16. Juni 1999 betreffend ergänzende Hinweise zur versicherungsrechtlichen Beurteilung scheinselbständiger Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnlicher Selbständiger", NZS 1999, Seiten 384 f mwN).

48

Ausnahmsweise stehen demgegenüber Lehrer, die insbesondere durch Übernahme weiterer Nebenpflichten in den Schulbetrieb eingegliedert werden und nicht nur stundenweise Unterricht erteilen, in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis (BSG, SozR 2200 § 165 Nr 45). Maßgebend sind neben den vertraglichen Vereinbarungen insbesondere die tatsächlichen Verhältnisse im Alltag der jeweiligen Bildungseinrichtung. Weichen die tatsächlichen Gegebenheiten von den vertraglichen Ausgestaltungen ab, haben die tatsächlichen Verhältnisse ausschlaggebende Bedeutung.

49

Für die Frage der Versicherungspflicht der Klägerin ist entscheidend, ob sie die Stellung einer persönlich abhängigen Arbeitnehmerin inne hatte (BSG, SozR 2200 § 165 Nr 45). Dabei ist das Verhältnis zwischen Klägerin und Beigeladener zu 1.) umfassend zu würdigen, wobei zunächst unwesentliche Äußerlichkeiten und die wesentlichen Abgrenzungsmerkmale entsprechend ihrer jeweiligen Bedeutung zu gewichten sind (LSG Niedersachsen, Urteil vom 29. Mai 1996 - L 4 Kr 14/93 - mwN). Weist die Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Unabhängigkeit hinweisen, ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, SozR 2100 § 7 Nr 7).

50

Die Anwendung der vorgenannten Grundsätze ergibt im vorliegenden Fall, dass die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum nicht derart in den Betrieb der Bildungseinrichtung der Beigeladenen zu 1) eingegliedert war, dass von einer persönlichen Abhängigkeit in der für Arbeitnehmer typischen Gestalt der Weisungsunterworfenheit unter das Direktionsrecht eines Arbeitgebers auszugehen war.

51

Dass die Klägerin hinsichtlich Zeit, Ort und Dauer ihrer Lehrtätigkeit gebunden war, ist kein Gesichtspunkt, der ihre Tätigkeit als persönlich abhängige erscheinen lässt. Ähnlich wie an einer Volkshochschule oder dem Betrieb an einer Hochschule kann auch der Betrieb an einer privaten Bildungseinrichtung nur dann sinnvoll organisiert werden, wenn die vielfältigen Lehrveranstaltungen in einem Gesamtplan räumlich und zeitlich aufeinander abgestimmt werden. Dabei liegt es auf der Hand, dass der einzelne Unterrichtende dann nicht mehr selbst bestimmen kann, wann und wo er seine Unterrichtsleistung erbringt. Aus dieser geminderten "Autonomie" der Dozenten kann indessen nicht schon auf den abhängigen Charakter ihrer Tätigkeit geschlossen werden, wenn sie sich gegenüber ihrem Vertragspartner verpflichtet haben, sich zur Erledigung der von ihnen noch zu bestimmenden Tätigkeit bereit zu halten und lediglich im Vertrag niedergelegte und abschließend definierte Pflichten zu erfüllen versprochen haben (BSG, SozR 2200 § 165 Nr 45). Hieran ist auch im Falle der Klägerin festzuhalten.

52

Auch aus der Tatsache, dass die Klägerin an Konferenzen und Prüfungen mitwirkte und sich bei der Gestaltung ihres Unterrichts an Prüfungserfordernissen ausrichten musste, kann nicht auf ihre Weisungsgebundenheit geschlossen werden. Eine Tätigkeit gilt als weisungsgebunden, wenn sie in ihrer gesamten Durchführung vom Weisungsberechtigten bestimmt werden kann (BSGE 8, 278, 282 f; 11, 257, 257 f; 13, 130, 132 f; 35, 20, 24). Dagegen sind weisungsfrei solche Tätigkeiten, bei denen einem Beschäftigten zwar die Ziele seiner Tätigkeit vorgegeben sind, jedoch die Art und Weise der Bestimmung, wie diese zu erreichen sind, seiner eigenen Entscheidung überlassen bleibt (BSGE 36, 7, 10 f). Selbständige und abhängige Beschäftigungen unterscheiden sich also nicht darin, dass erstere im Gegensatz zu diesen frei von jeglicher Bindung wären. Auch Selbständige sind in ihren Handlungsmöglichkeiten begrenzt, allerdings nicht durch Einzelanordnungen, sondern durch Regeln oder Normen, die die Grenzen ihrer Handlungsfreiheit eher in generell-abstrakter Weise umschreiben. Dies traf für die Klägerin zu, die ihre Lehrveranstaltungen und Praktika in einer Weise zu gestalten hatte, dass ihre Schülerinnen und Schüler befähigt werden, den Prüfungsanforderungen zu genügen. Diese Verpflichtung wurde ihr jedoch nicht durch Einzelweisungen der Beigeladenen zu 1) auferlegt, sondern ergab sich aus der allgemeinen pädagogisch-didaktischen Zielsetzung der Lehrtätigkeit.

53

Gegen die Eingliederung der Klägerin in die Bildungseinrichtung der Beigeladenen zu 1) spricht auch der Umstand, dass sie nur semesterweise mit Lehrverpflichtungen betraut wurde. Die Vergabe von Lehraufträgen für einen bestimmten Zeitraum verdeutlicht, dass die Dozenten regelmäßig nur eine zeitlich und sachlich begrenzte Dienstleistung für den Bildungsträger zu erbringen haben. Gegenstand ihrer Tätigkeit an der Bildungseinrichtung ist allein die Erteilung akademischen Unterrichts für ein sach- und thematisch begrenztes Gebiet.

54

Dass die Klägerin nicht dem Leitbild eines berufsmäßigen, auf die Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesenen und deshalb in dem Betrieb des Arbeitsgebers eingegliederten Arbeitnehmers entspricht, ergibt sich weiter daraus, dass sie selbst die Skripten für den Unterrichtsbetrieb in der Bildungseinrichtung der Beigeladenen zu 1) entworfen hat. Der Gegenstand des theoretischen Unterrichts im Einzelnen war damit nicht von der Beigeladenen zu 1) vorgegeben, sondern beruhte auf der von der Klägerin entworfenen Konzeption. Darüber hinaus war die Klägerin nicht zu wechselndem Unterricht eingeteilt und musste keine Vertretungspflichten für die festangestellten Kollegen übernehmen. Die Klägerin hat die Zeit ihrer Lehrtätigkeiten vielmehr mit der Einrichtung der Beigeladenen zu 1) abgesprochen und war wunschgemäß an bestimmten Tagen von der Erteilung von Unterricht freigestellt. Der Senat folgt diesbezüglich den schlüssigen und widerspruchsfreien Bekundungen der Zeugin J..

55

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin zunächst unentgeltliche und sodann ab 1. März 1994 entgeltliche Leitungstätigkeiten für die Beigeladene zu 1) übernommen hatte. Denn Schwerpunkt der Tätigkeiten der Klägerin war nach wie vor die Dozententätigkeit für die Bildungseinrichtung der Beigeladenen zu 1). Gegenüber dem Honoraranspruch für die tatsächlich erteilten Stunden ist die gewährte Pauschale in Höhe von 700,00 DM monatlich von untergeordneter Bedeutung.

56

Für die Selbständigkeit der Klägerin spricht ferner, dass sie ein Unternehmerrisiko zu tragen hatte.

57

Gegen die Stellung von Dozenten oder Lehrbeauftragten als Selbständige kann nicht eingewandt werden, sie würden kein Unternehmerrisiko tragen. Dieser Einwand wäre nur berechtigt, wenn das Unternehmerrisiko mit einem Kapitalrisiko gleich zu setzen wäre, wie es für gewerbliche Unternehmer kennzeichnend ist. Eine solche Betrachtungsweise würde indessen den vielen freiberuflichen Tätigkeiten nicht gerecht werden, die von Selbständigen ausgeübt werden, deren Leistung nicht oder nicht wesentlich im Einsatz von Geldkapital, sondern von Wissen, Fertigkeiten oder geistigem Können besteht (LSG Niedersachsen, aaO mwN). Der Tätige trägt vielmehr schon dann ein Unternehmerrisiko, wenn der Erfolg des Einsatzes seiner Arbeitskraft ungewiss ist. Das Risiko, das der Selbständige in solchen Fällen trägt, betrifft die Verwertbarkeit seiner Arbeitskraft (LSG Niedersachsen, aaO). Das gilt namentlich, wenn dem Tätigen - wie im vorliegenden Fall - kein Mindesteinkommen garantiert ist. Das Risiko, das der Selbständige in derartigen Fällen trägt, betrifft die Verwertbarkeit seiner Arbeitskraft. Er kann eine Vergütung nur dann beanspruchen, wenn er eine bestimmte Leistung auch erbringt. Dem abhängig Beschäftigten steht demgegenüber ein Lohnanspruch schon dann zu, wenn er sich arbeitsbereit hält. Aus den zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) vereinbarten Vergütungsregelungen ergibt sich, dass dieser ein Anspruch auf Bezahlung nur zustehen sollte, wenn ihre Lehrveranstaltung oder das Praktikum überhaupt zustande kam und die jeweilige Unterrichtsstunde auch tatsächlich erteilt worden ist. Das bloße Anbieten, zur Erteilung von Unterricht bereit zu sein, reichte somit noch nicht aus, um einen Vergütungsanspruch zu begründen. Die Klägerin musste ihre Lehrtätigkeit tatsächlich ausüben, um ihr Honorar zu erhalten. In diesem Sinne trug sie ein Unternehmerrisiko. Das Gleiche galt auch für die Vergütung der Klägerin für ihre Anwesenheit im Rahmen des "Tages der offenen Tür". Hierfür erhielt die Klägerin ein Honorar auf der Basis des vertraglich vereinbarten Stundensatzes, ebenso für die Abgeltung der Tätigkeiten der Klägerin im Rahmen der Treffen des "Strategiekreises". Auch hierfür hat sie den vertraglich vereinbarten Stundensatz als Honorar erhalten.

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Auch wenn die Klägerin aufgrund der Bekundungen des Zeugen K.tatsächlich keine weiteren Lehrverpflichtungen bei anderen Bildungseinrichtungen als der der Beigeladenen zu 1) übernommen hatte, spricht für ihre Selbständigkeit, dass sie ausweislich der Regelungen in den Lehrverträgen berechtigt war, außerhalb ihrer Tätigkeiten für die Beigeladene zu 1) weitere Lehrverpflichtungen anzunehmen. Sie unterlag damit nicht einem für Arbeitnehmer typischen Wettbewerbsverbot (zum Wettbewerbsverbot in bestehenden Arbeitsverhältnissen vgl zB Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 9. Auflage 2000, § 56 Rdnr 2 f).

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Ein weiteres Merkmal für die Selbständigkeit der Klägerin ergibt sich aus dem Umstand, dass die Tätigkeiten der Klägerin nach den schriftlichen Lehraufträgen und dem Honorarvertrag für die Schulleitungstätigkeit die einer freiberuflich und zeitlich begrenzten Nebentätigkeit zur Beigeladenen zu 1) sein sollte. Durch Regelungen der vorgenannten Art kann zwar eine eindeutig selbständige nicht zu einer abhängigen oder umgekehrt eine eindeutig abhängige nicht zu einer selbständigen Tätigkeit gemacht werden (BSG SozR 2200 § 165, Nr 32, BSGE 35, 20, 21 f). Die Beteiligten eines Rechtsverhältnisses haben aber grundsätzlich die Befugnis, dieses als abhängiges oder selbständiges auszugestalten. Hiervon ist auch die Klägerin jahrelang selbst ausgegangen, die gegenüber der Beklagten in den Verfahren betreffend die Feststellung einer freiwilligen Mitgliedschaft stets angegeben hat, sie sei selbständig tätig und erziele Arbeitseinkommen aus selbständiger/freiberuflicher Tätigkeit. Auf die eingangs skizzierten Angaben der Klägerin gegenüber der Beklagten wird Bezug genommen. Das gegenüber festangestellten Lehrkräften deutlich höhere vertraglich vereinbarte Stundenhonorar sowie der Verzicht auf Sozialleistungen, wie zB Urlaubsanspruch oder die Abführung von Sozialversicherungsbeitragen, sind weitere Anhaltspunkte, die für die Selbständigkeit der Klägerin sprechen.

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Das Gleiche gilt für die Bezeichnung der Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) im arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 9. Februar 1995 und die Tatsache, dass die Klägerin ab 1. Januar 1991 ein Gewerbe anmeldete. Zu den angemeldeten Tätigkeiten gehörte ua die "Arbeit als freie Dozentin". Auf die von der Beigeladenen zu 1) vorgelegte Kopie der Gewerbeanmeldung vom 17. Dezember 1990 wird Bezug genommen.

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Die Klägerin war hiernach bei Würdigung des Gesamtbildes ihrer Lehr- und Nebentätigkeiten im streitbefangenen Zeitraum nicht abhängig beschäftigte Angestellte und deshalb nicht versicherungs- bzw beitragspflichtig in den einschlägigen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung.

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Ob die Klägerin als selbständige Lehrerin der Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Nr 3 AVG (jetzt: § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI) unterlag, wie die Beigeladene zu 2) im Schriftsatz vom 17. Februar 1999 vorgetragen hat, gehört nicht zum Streitgegenstand eines Verfahrens betreffend die Versicherungspflicht als abhängig beschäftigte Dozentin (BSG SozR 2200 § 165 Nr 45). Die Beklagte wäre zudem in ihrer Eigenschaft als Einzugsstelle für entsprechende Feststellungen nicht zuständig, vgl §§ 28 h Abs 2 Satz 1 und § 28 a SGB IV idF des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2330).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 4 Satz 1 SGG.