Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 06.04.2011, Az.: 13 WF 42/11
Einigungsgebühren für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs sind auch bei vorheriger Verständigung über den Ausschluss fällig; Voraussetzungen für ein Erfallen der Einigungsgebühr bei Ausschluss des Versorgungsausgleichs
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 06.04.2011
- Aktenzeichen
- 13 WF 42/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 14034
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2011:0406.13WF42.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Meppen - 28.02.2011 - AZ: 16 F 243/10 S
Rechtsgrundlagen
- § 6 VersAusglG
- Nr. 1000 VV RVG
Fundstellen
- FF 2011, 333
- FPR 2011, 6
- FamFR 2011, 250
- FamRZ 2011, 1814
- JurBüro 2011, 416-417
- NJW 2011, 8
- NJW-RR 2011, 1570-1571
Amtlicher Leitsatz
Beim Abschluss einer Vereinbarung über den Versorgungsausgleich fällt die Einigungsgebühr auch dann an, wenn sich die Beteiligten schon bei Einreichung des Scheidungsantrags auf einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs verständigt haben.
Tenor:
Die Beschwerde der Bezirksrevisorin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meppen vom 28. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Landeskasse wendet sich mit der durch das Amtsgericht zugelassenen Beschwerde gegen die Festsetzung einer Einigungsgebühr für die der Antragstellerin in einem Scheidungsverfahren beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte.
Die Beteiligten haben am 30. Januar 1998 die Ehe geschlossen, aus der ein Kind hervorgegangen ist. Mit ihrem am 5. November 2010 eingegangenen Scheidungsantrag hat die Antragstellerin mitgeteilt, die Eheleute hätten die Scheidungsfolgen geklärt und vereinbart, dass ein Versorgungsausgleich wechselseitig ausgeschlossen werden soll. Eine entsprechende Vereinbarung solle gemäß § 127a BGB vor Gericht protokolliert werden. Wirksamkeits und Durchsetzungshindernisse für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs bestünden nicht. Der Antragsgegner hat dem Gericht am 6. Dezember 2010 mitgeteilt, dass seinerseits auf den Versorgungsausgleich verzichtet werde. Im Verhandlungstermin vom 23. Dezember 2010 wurde ein Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs erörtert. Die Beteiligten gaben dabei an, übereinstimmend davon auszugehen, dass sie in etwa gleiche Anwartschaften erworben hätten. Es sei während der Ehe so gewesen, dass beide zeitweilig wegen der Betreuung des gemeinsamen Kindes nicht berufstätig gewesen seien. Daraufhin wurde als ´Vergleich´ protokolliert, dass der öffentlichrechtliche Versorgungsausgleich nicht durchgeführt werden solle. Der Antragsgegner war beim Abschluss des Vergleichs im Verhandlungstermin anwaltlich vertreten.
Auskünfte zu den Versorgungsanwartschaften der Beteiligten sind nicht eingeholt worden.
Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin beantragte die Festsetzung ihrer Vergütung als beigeordnete Anwältin und machte dabei u.a. eine Einigungsgebühr nach dem für den Versorgungsausgleich festgesetzten Wert geltend. Der Kostenbeamte setzte die Einigungsgebühr in Höhe von 85 € zuzüglich Mehrwertsteuer ab. Dagegen legte die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin Erinnerung ein. Die Bezirksrevisorin nahm zur Erinnerung Stellung. Eine Einigungsgebühr sei nicht entstanden, da lediglich ein Verzicht erklärt worden sei. Die Entscheidung des Senats vom 1. Juli 2010 (Oberlandesgericht Oldenburg - 13 WF 90/10), wonach eine Einigungsgebühr entstehen könne, wenn keine Auskünfte der Rentenversicherungen vorlägen und die Eheleute auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichteten, könne keine Anwendung finden, weil der Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs bereits mit der Antragsschrift erklärt worden sei. Außerdem sei nicht erkennbar, dass eine Mitwirkung der Anwältin beim Abschluss des Vertrags erfolgt sei. Der Antragsgegner habe dem Gericht bereits am 6. Dezember 2010 mitgeteilt, dass er auf den Versorgungsausgleich verzichte. Durch Beschluss vom 28. Februar 2011 gab das Amtsgericht der Erinnerung statt und setzte die Einigungsgebühr antragsgemäß fest. Es sei unerheblich, dass sich die Eheleute bereits außergerichtlich darauf verständigt hätten, den Versorgungsausgleich nicht durchzuführen. Die rechtsverbindliche Einigung sei erst im Termin zustande gekommen.
Mit der dagegen gerichteten Beschwerde wiederholt die Bezirksrevisorin ihr Vorbringen. Es sei unerheblich gewesen, welcher Ehegatte ausgleichspflichtig sei. Da von Anfang an auf den Versorgungsausgleich verzichtet worden sei, hätten Auskünfte nicht eingeholt zu werden brauchen.
II. Das gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 2 RVG auf Grund ihrer Zulassung durch das Amtsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Das Familiengericht hat die Einigungsgebühr zu Recht festgesetzt. Bei einer Vereinbarung über den wechselseitigen Verzicht auf Durchführung des Versorgungsausgleichs fällt die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VVRVG an, wenn Auskünfte der Versorgungsträger nicht eingeholt worden sind und deshalb nicht feststeht, in welcher Höhe die jeweiligen Anwartschaften der Ehegatten ausgleichspflichtig sind.
Durch Beschluss vom 01 Juli 2010 (13 WF 90/10 -) hat der Senat unter Hinweis auf die überwiegende Auffassung in Literatur und Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1463. OLG Stuttgart FamRZ 2008, 1010. OLG Köln FamRZ 2008, 1010 sowie 2009, 237. OLG Karlsruhe FamRZ 2009, 2111. OLG Zweibrücken MDR 2009, 1314. OLG Celle FamRZ 2007, 201. Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., Nr. 1000 VVRVG Rdnr. 5 und 26, jeweils m.w.N.. a.A. noch OLG Karlsruhe, FamRZ 2007, 843. OLG Stuttgart, FamRZ 2007, 232) ausgeführt, dass bei einer Vereinbarung über den wechselseitigen Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs die Einigungsgebühr jedenfalls dann anfällt, wenn Auskünfte der Versorgungsträger nicht eingeholt worden sind und die Person des Ausgleichspflichtigen nicht feststeht.
Voraussetzung für das Entstehen der Einigungsgebühr ist gemäß Nr. 1000 VV RVG´die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht´. Der Abschluss eines Prozessvergleiches wird angesichts der weiten Formulierung ebenso wenig gefordert wie ein gegenseitiges Nachgeben (vgl. Beschlüsse des Senats vom 31.03.2008 - 13 WF 44/08 = 19 F 106/07 AG Lingen sowie vom 01.09.2008 - 13 WF 165/08 = 19 F 32/08 AG Lingen. vgl. allerdings OLG Celle FamRZ 2009, 715 zur Frage der Entstehung einer Einigungsgebühr im isolierten Sorgerechtsverfahren). Vorliegend waren die Auskünfte der Rentenversicherungsträger noch nicht eingeholt. Deshalb bestand Ungewissheit über die Durchführung des gesetzlichen Versorgungsausgleichs.
Allerdings reichen ein Anerkenntnis oder Verzicht nicht aus, um einen ´Vertrag´ im Sinne von Nr. 1000 VV RVG anzunehmen. Die Vereinbarung der Parteien erschöpft sich jedoch nicht in einem bloßen Verzicht. Nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung soll die Bereitschaft zur einvernehmlichen Beilegung eines Rechtsstreits gefördert werden. Deshalb reicht bereits ein geringes Entgegenkommen aus, um das negative Tatbestandsmerkmal der Beschränkung des Vertrages auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht zu beseitigen. Im Übrigen sind sowohl Anerkenntnis als auch Verzicht einseitige Erklärungen. Daran fehlte es bereits nach dem bis zum 31. August 2009 anzuwendenden Versorgungsausgleichsrecht, wenn nicht feststand, welche Partei auf einen zu seinen Gunsten durchzuführenden Versorgungsausgleich verzichtet. Zutreffend hat das Oberlandesgericht Düsseldorf darauf hingewiesen, dass der durch beide Parteien erklärte Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs bei verständiger Würdigung nur dahingehend verstanden werden könne, dass jede Partei für den Fall, dass sich ein Ausgleichsanspruch zu Ihren Gunsten ergeben würde, auf einen Ausgleich verzichte und die Wertung als einseitiger Verzicht dieser zweiseitigen Vereinbarung nicht gerecht werde (OLG Düsseldorf, FamRZ 2008, 1463 ff., jurisRz. 6). Nach dem ab dem 01. September 2009 anzuwendenden Versorgungsausgleichsrecht stellt sich der Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs erst recht nicht als einseitiger Verzicht dar: Mit der Aufgabe des Prinzips des Einmalausgleichs ist jedes Anrecht einzeln auszugleichen, so dass in Bezug auf jede einzelne Anwartschaft des eines Ehegatten der andere Ehegatte ausgleichsberechtigt ist. Schließen die Ehegatten durch Vereinbarung den Versorgungsausgleich aus, führt das notwendigerweise zu einem wechselseitigen, je nach Anzahl der Anrechte auch mehrfachen Verzicht beider Ehegatten.
Dem Amtsgericht ist darin beizupflichten, dass es dem Entstehen einer Einigungsgebühr nicht entgegensteht, dass die Beteiligten schon bei der Einreichung des Scheidungsantrags mitteilten, der Versorgungsausgleich solle nicht durchgeführt werden. Eine wirksame Einigung, die eine Einigungsgebühr entstehen ließ, lag erst mit dem Abschluss des gerichtlich protokollierten Vergleichs vor, an dem die Verfahrensbevollmächtigte mitgewirkt hat. Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich bedürfen nach § 7 Abs. 1 VersAusglG der notariellen Beurkundung. Eine - wie im vorliegenden Fall - nicht in notarieller Form geschlossene Vereinbarung der Ehegatten ist formunwirksam und bindet die Ehegatten nicht. Erst die Protokollierung der Vereinbarung durch das Gericht konnte im vorliegenden Fall eine wirksame Regelung des Versorgungsausgleichs herbeiführen. Gemäß § 7 Abs. 2 VersAusglG ist § 127a BGB entsprechend anwendbar, wonach die notarielle Beurkundung durch die Aufnahme der Erklärungen in ein nach der Verfahrensordnung ordnungsgemäß errichtetes gerichtliches Protokoll ersetzt wird. Daraus folgt zugleich, dass die Einigungsgebühr der Anwältin erst durch die Mitwirkung an dem gerichtlich protokollierten Vergleich entstehen konnte. Eine (form) unwirksame Vereinbarung löst nicht das Entstehen einer Einigungsgebühr aus (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., 1000 VV Rn. 53, 59). Die Gebühr entsteht nach Nr. 1000 VV RVG für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird. Eine solche Wirkung kann nur ein Vertrag entfalten, der rechtswirksam ist.