Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 27.04.2011, Az.: 14 WF 85/11
Bewilligung von Prozesskostenhilfe im isolierten Familienverfahren bei formell wirksamen Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt vor Rechtskraft der Scheidung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 27.04.2011
- Aktenzeichen
- 14 WF 85/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 15222
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2011:0427.14WF85.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Nordenham - 22.03.2011 - AZ: 4 F 442/10 VKH2
Rechtsgrundlagen
- § 127a BGB
- § 1585c BGB
Fundstelle
- FuR 2011, 538-539
In der Familiensache
...
hat der 14. Zivilsenat - 5. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
den Richter am Oberlandesgericht Többen als Einzelrichter
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nordenham vom 22. März 2011 geändert.
Der Antragsgegnerin wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für die Folgesachen nachehelicher Unterhalt und Zugewinnausgleich für die erste Instanz bewilligt, soweit der Antragsteller für diese Folgesachen jeweils auf Auskunft im Verbundverfahren in Anspruch genommen wird.
Im Umfang der Bewilligung wird Rechtsanwalt Melchers aus Nordenham beigeordnet.
Gründe
Die nach § 113 Abs. 1 FamFG, § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als begründet. Der Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin kann jedenfalls im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht gänzlich abgesprochen werden.
1.
Weil das Familiengericht bislang über den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den auch von der Antragsgegnerin beabsichtigten Scheidungsantrag noch nicht entschieden hat, ist insoweit das Verfahren nicht beim Beschwerdegericht angefallen. Der Senat hatte mithin nur darüber zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Folgesachen nachehelicher Unterhalt und Zugewinnausgleich gegeben sind.
2.
Zutreffend legt das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung dar, dass die Beteiligten in der Unterhaltssache 4 F 36/10 UEUK AG Nordenham am 17. August 2010 wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichtet und Bestimmungen zum Güterrecht getroffen haben. Im Ansatz richtig trägt jedoch die Antragsgegnerin Argumente vor, die zumindest Zweifel hinsichtlich der uneingeschränkten Wirksamkeit des gesamten Regelwerks dieses gerichtlich geschlossenen Vergleichs in formeller Hinsicht zu rechtfertigen vermögen. Nach § 1585 c Satz 1 BGB können die Ehegatten zwar über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung Vereinbarungen treffen. Eine Vereinbarung, die vor der Rechtskraft der Scheidung getroffen wird, bedarf jedoch der notariellen Beurkundung (§ 1585 c Satz 2 BGB). § 127 a BGB findet auch auf eine Vereinbarung Anwendung, die in einem Verfahren in Ehesachen vor dem Prozessgericht protokolliert wird (§ 1585 c Satz 2 BGB). Bislang ist jedoch streitig, ob auch in isolierten Familienverfahren Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt vor Rechtskraft der Scheidung in der Form eines gerichtlichen Vergleichs (§ 127 a BGB) formwirksam abgeschlossen werden können (vgl. Nachweise der unterschiedlichen Auffassungen bei Steiniger/Viefhues, Rechtliche Probleme bei der Auslegung der Formbedürftigkeit von Unterhaltsregelungen nach § 1585 c BGB, FPR 2009, Seite 114 ff.). Soweit das Familiengericht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wirksamkeit güterrechtlicher Vereinbarungen im Anwendungsbereich von § 1378 Abs. 3 Satz 3 BGB verweist (BGH, FamRZ 1983, 157-160), erscheint zumindest zweifelhaft, ob diese Rechtsprechung auch auf die Problematik von Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt, die vor Rechtskraft der Scheidung getroffen werden, uneingeschränkt übertragen werden kann.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 3 Abs. 1 GG eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe darf dabei zwar von einer hinreichenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung abhängig gemacht werden. Jedoch darf nicht die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Prozesskostenhilfeverfahren verlagert werden und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten. Die Fachgerichte überschreiten den Ihnen zukommenden Entscheidungsspielraum insbesondere dann, wenn sie Prozesskostenhilfe verweigern, obwohl die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. zuletzt BVerfG, NJW 2010, 1129 [BVerfG 08.12.2009 - 1 BvR 2733/06]-1130).
So liegt der Fall auch hier. Weil vorliegend die Anforderungen an eine formell wirksame Vereinbarung zum nachehelichen Unterhalt vor Rechtskraft der Scheidung (§ 1585 c BGB) noch nicht hinreichend geklärt erscheinen, darf Verfahrenskostenhilfe nicht verweigert werden. Ob indes die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin zur Unwirksamkeit der geschlossenen Vereinbarung tatsächlich Vorzug verdient und für diesen Fall beim Antragsteller überhaupt eine Leistungsfähigkeit festzustellen ist, wird im Hauptsacheverfahren eingehend zu prüfen sein. Weil die von den Beteiligten in der Vereinbarung vom 17. August 2010 zum Güterrecht getroffenen Vereinbarungen in Verbindung stehen zum nachehelichen Unterhalt, erscheint jedenfalls im summarischen Verfahren auch unklar, in welcher Weise sich eine eventuelle Formunwirksamkeit auf die Gesamtvereinbarung auswirken kann. Deshalb war die Verfahrenskostenhilfe auch zu erstrecken auf die Folgesache Zugewinnausgleich.
3.
Obwohl das Familiengericht - aus seiner Sicht folgerichtig - die Bedürftigkeit der Antragsgegnerin noch nicht geprüft hat, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden. Denn der vollständig ausgefüllte Antrag der Antragsgegnerin zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen befindet sich in der Akte. Zwar gehören auch Ansprüche gegen Dritte zum Vermögen und beeinflussen die Bedürftigkeit im Rahmen der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Hierzu können auch Schadenersatzansprüche gegen Rechtsanwälte wegen einer objektiven Pflichtverletzung im Vorverfahren zählen. Soweit der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin im Verfahren 4 F 36/10 UEUK AG Nordenham nicht den sicheren Weg einer notariellen Vereinbarung zum nachehelichen Unterhalt empfohlen hat, mag darin auch ein objektiver Verstoß gegen seine vertraglichen Pflichten im Grundsatz zu erkennen sein (vgl. zu dieser Problematik BGH, NJW RR 1990, Seite 1241, 1242 mit weiteren Hinweisen). Diese Frage kann indes hier dahinstehen. Denn ersatzfähig ist ohnehin nur der Schaden, der durch das Vertrauen auf die Richtigkeit der anwaltlichen Empfehlung entstanden ist. Weil der möglicherweise geschuldete Hinweis auf den "sichersten Weg" vorliegend zweifellos zur notariell beurkundeten Vereinbarung geführt hätte, könnte in diesem Fall der Antragsgegnerin schon im Ansatz die jetzt von ihr behauptete Formunwirksamkeit nicht (mehr) zum Erfolg verhelfen.