Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.12.1996, Az.: II 497/94
Grundrechtliche Garantie des einkommensteuerrechtlichen Existenzminimums ; Verfassungswidrigkeit des zu niedrigen Grundfreibetrages und Weitergetung bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung; Verpflichtung des Gesetzgebers zur Sicherstellung der steuerlichen Verschonung des existenznotwendigen Bedarfs ; Einräumung eines Einschätzungsspielraums bei der Ermittlung des nicht exakt vorgegebenen Betrages des Existenzminimums; Einbeziehung von steuerfreien Einnahmen, die zur Deckung des existenznotwendigen Bedarfs verwandt werden können und im zu versteuernden Einkommen nicht enthalten sind
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 11.12.1996
- Aktenzeichen
- II 497/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 16474
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1996:1211.II497.94.0A
Rechtsgrundlagen
- § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG a.F.
- § 32d EStG a.F.
- § 24a EStG a.F.
- § 20 Abs. 4 EStG a.F.
Verfahrensgegenstand
§ 32 d EStG ist individuelle Regelung; Hinzurechnungsbeträge jedenfalls teilweise verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Einkommensteuer 1993
Prozessführer
...
Prozessgegner
Finanzamt ...
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Ab dem Veranlagungszeitraum 1993 ist sicherzustellen, daß bei der Einkommensbesteuerung dem Steuerpflichtigen die Erwerbsbezüge belassen werden, die er zur Deckung eines existenznotwendigen Bedarfs benötigt. Bei der Ermittlung des nicht exakt vorgegebenen Betrages des Existenzminimums wurde dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum eingeräumt.
- 2.
Steuerfreie Einnahmen, Bezüge und Einkommensteile, die zur Deckung des existenznotwendigen Bedarfs verwandt werden können und im zu versteuernden Einkommen nicht enthalten sind, sind mit in die Erwerbsbezüge einzubeziehen.
In dem Rechtsstreit
hat der II. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 11. Dezember 1996,
an der mitgewirkt haben:
1. Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
2. Richter am Finanzgericht ...
3. Richter am Finanzgericht ...
4. ehrenamtlicher Richter ... Bezirksschornsteinfeger
5. ehrenamtlicher Richter ... Ingenieur
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist streitig, ob für die Klägerin (Kl'in.) für das Streitjahr 1993 eine Einkommensteuer festgesetzt werden durfte, insbesondere richtet sich die Klage gegen den nach Auffassung der Kl'in. zu niedrigen Grundfreibetrag gem. § 32 a Einkommensteuergesetz (EStG) und gegen die Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 25.09.1992 (2 BvL 5, 8, 14/91) durch die Einführung des § 32 d EStG.
In der Einkommensteuererklärung 1993 erklärte die im Streitjahr 69 Jahre alte Kl'in. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (VuV) in Höhe von 6.106 DM. Das zu versteuernde Einkommen betrug im Streitjahr unstreitig 8.170 DM. Die Kl'in. selbst ermittelte die Hinzurechnungen nach § 32 d EStG wie folgt:
steuerfrei bleibende Einkünfte durch § 20 Abs. 4 EStG (Sparer-Freibetrag) | 5.016 DM |
---|---|
steuerfrei bleibende Einkünfte durch § 24 a EStG (Altersentlastungsbetrag) | 2.443 DM |
Kapitalanteil von 1. Leibrente | 1.518 DM |
Kapitalanteil von 2. Leibrente | 2.098 DM |
Kapitalanteil von 3. Leibrente | 11.246 DM |
Kapitalanteil von 4. Leibrente | 3.144 DM |
Gesamtbetrag der Hinzurechnungen | 25.465. |
Bei dem Kapitalanteil der von der Kl'in. aufgeführten 3. Leibrente handelt es sich um eine Veräußerungsrente.
Das Finanzamt (FA) veranlagte die Kl'in. erklärungsgemäß zur Einkommensteuer und setzte die Einkommensteuer auf 482 DM fest.
Hiergegen legte die Kl'in. Einspruch ein. Sie habe ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 8.170 DM erzielt und damit das für 1993 gebotene Existenzminimum in Höhe von 12.000 DM unterschritten. Das zu versteuernde Einkommen liege unter dem verfassungsgemäß gebotenen Grundfreibetrag, so daß eine Einkommensteuerschuld für das Kalenderjahr 1993 unter Berücksichtigung der Aussage des BVerfG nicht habe entstehen können. Das FA habe bei der Ermittlung der Jahressteuer offensichtlich entsprechend § 32 d EStG steuerfrei zu belassende Einnahmen aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 4 EStG) und den Kapitalanteil von Leibrenten (§ 22 Nr. 1 EStG) zugerechnet. Diese als "Erwerbsbezüge" in § 32 d Abs. 2 EStG bezeichneten Zurechnungen führten zu einer Korrektur außerhalb der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens. Das Gesetz allerdings erläutere selbst den Begriff der "Erwerbsbezüge" nicht und sei deshalb widersprüchlich zu § 2 EStG i.V.m. § 3 EStG. Gem. § 2 Abs. 5 EStG sei das zu versteuernde Einkommen die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer.
Das BVerfG habe mit dem angeführten Beschluß dem Gesetzgeber aufgegeben, für die Grenzsteuerzahler ab Kalenderjahr 1993 eine Regelung zu treffen, die einem menschenwürdigen verfassungsmäßigen Grundfreibetrag entsprechen soll. Dieser Aufforderung werde der § 32 d EStG nicht gerecht, da die Vorschrift steuerfreie und nicht relevante einkommensbezogene Einnahmen in die Besteuerung einbeziehe. Mit der Schaffung des § 32 d EStG habe der Gesetzgeber nicht den Willen des BVerfG umgesetzt. Das BVerfG habe entschieden, daß die Unzulänglichkeit des Grundfreibetrages nicht dadurch ausgeglichen werde, daß das Einkommensteuergesetz in anderen Tatbeständen besondere Aufwendungen oder öffentliche Leistungen zur Deckung eines Sonderbedarfs von der Einkommensteuer entlaste. Dies bedeute, daß sich eine automatische Anrechnung anderer Einnahmen, die aus anderen Gründen steuerfrei seien, auf die Anrechnung des Existenzminimums und damit auf den Grundfreibetrag der Sache nach verbiete. Dieses ergebe sich auch aus den weiteren Ausführungen des Beschlusses des BVerfG.
Die Anrechnung anderer steuerfreier Einnahmen dürfe auch dann nicht vorgenommen werden, wenn diese zur Deckung eines besonderen Bedarfs bestimmt seien oder nur einzelne Gruppen von Steuerpflichtigen entlasten oder diese Befreiungen anderen steuerlichen Zweckbestimmungen dienten. Das BVerfG habe insbesondere ausgeführt, auch die weiteren von der Bundesregierung für anrechenbar gehaltenen steuerlichen Entlastungen, wie der Steuerfreibetrag und die Entlastungen für Alterseinkünfte, begünstigten nur bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen und dienten durchweg anderen, vom existenznotwendigen Bedarf unabhängigen Zwecken. Die Kl'in. sei deshalb durch die Zurechnung sowohl der steuerfrei belassenen Einkünfte aus Kapitalvermögen als auch durch die Anrechnung des steuerfreien Kapitalanteils aus Leibrenten beschwert. Derjenige, der über ein höheres zu versteuerndes Einkommen verfüge und sich nicht im Bereich der Grenzsteuerzahler bewege, erhalte per Gesetz seine Einnahmen aus Kapitalvermögen bis zu einem Betrag von 6.000 DM steuerfrei. Dieses sei mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht in Einklang zu bringen. Die Kl'in. sei in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt, denn sie müsse den sog. Grenzsteuerzahlern zugeordnet werden. Das BVerfG habe für diesen Kreis der Steuerpflichtigen eine sofortige Korrektur ab Kalenderjahr 1993 zugestanden. Die Neuregelung stelle jedoch einen Etikettenschwindel dar, da die gebotene Verbesserung verwässert werde, indem durch die Vorschrift des § 32 d EStG die gewährten Freibeträge zurückgerechnet würden.
Die Hinzurechnung des Kapitalanteils von Renten führe zu einem weiteren verfassungswidrigen Bruch des Einkommensteuersystems. Die Besteuerung von Privatvermögen sei der Einkommensteuer wesensfremd. Durch die Hintertür werde nun aber Privatvermögen, nämlich der Kapitalanteil einer Rente in die Besteuerung eingeführt. Festzustellen sei, daß es sich bei den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung um die Rückzahlung eigener Beitragsleistungen durch die Rentenversicherung handele. Deshalb würden diese Renten nicht voll versteuert, sondern nur mit dem Ertragsanteil. Es sei daher außerhalb jeglicher systematischer einkommensteuerrechtlicher Ordnung, wenn die Rückzahlung eines selbst eingezahlten Kapitals nun auf das Existenzminimum angerechnet werden solle.
Eine weitere Rente erhalte die Kl'in. aus der Veräußerung eines privaten Grundstücks. Diese Veräußerungsrente könne nicht den Erwerbsbezügen i.S.d. § 32 d EStG hinzugerechnet werden. Das BVerfG habe zudem den Grundfreibetrag für das Kalenderjahr 1992 auf ca. 12.000 bis 14.000 DM ermittelt, wobei es vermieden habe, eine feste Größe darzulegen. Für das Kalenderjahr 1993 sei somit ein Existenzminimum in Höhe von 13.000 bis 14.000 DM angemessen. Das Gesetz bestimme hingegen in § 32 d EStG ein Existenzminimum für 1993 in Höhe von 10.529 DM. Dieses sei verfassungsrechtlich zu beanstanden.
Im Einspruchsverfahren räumte das FA ein, daß der Kapitalanteil der Veräußerungsrente (Kapitalanteil 3. Leibrente in Höhe von 11.246 DM) nicht zu den Erwerbsbezügen gehöre. Dieses werde durch § 32 d Abs. 2 Nr. 6 EStG eindeutig geregelt. Eine Auswirkung auf die Einkommensteuerfestsetzung ergebe sich dadurch jedoch nicht. Die Erwerbsbezüge betrügen dann 22.389 DM (zu versteuerndes Einkommen von 8.170 DM zuzüglich der von der Kl'in. ermittelten Hinzurechnungen in Höhe von 14.219 DM). Sie lägen damit über der Grenze von 12.797 DM des § 32 d Abs. 1 Satz 2 EStG.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Kl'in. wiederholt das Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren.
Die Kl'in. beantragt,
die Einkommensteuer 1993 auf 0 DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Kl'in. vom 01.11., 07.11. und 20.04.1995 sowie auf den Schriftsatz des Beklagten vom 30.11.1994.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die Kl'in. hat ein Erwerbseinkommen von mindestens 15.629 DM. Ihr verbleibt damit auch nach Abzug der Steuern ein Existenzminimum in ausreichender Höhe. Über die Angemessenheit des Grundfreibetrages braucht der Senat nicht zu entscheiden, da nach dem Beschluß des BVerfG der Gesetzgeber erst verpflichtet ist, spätestens mit Wirkung zum 1. Jan. 1996 eine Neuregelung zu treffen.
1.
Das BVerfG hat durch Beschluß vom 25.09.1992 (2 BvL 5/91 u.a., BVerfGE 87, 153; BStBl II 1993, 413) die den Grundfreibetrag betreffende gesetzliche Regelung in § 32 a Abs. 1 Satz 2 EStG in den für die Veranlagungszeiträume 1978 bis 1984, 1986, 1988 und 1991 geltenden Fassung mit der grundrechtlichen Garantie des einkommensteuerrechtlichen Existenzminimums für unvereinbar erklärt. Die dabei als verfassungswidrig erkannten Regelungen bleiben aber bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung weiterhin anwendbar. Das BVerfG hat den Gesetzgeber verpflichtet, spätestens mit Wirkung vom 01.01.1996 eine Neuregelung zu treffen.
Darüber hinaus hat das BVerfG dem Gesetzgeber allerdings den Auftrag erteilt, mit Wirkung ab Veranlagungszeitraum 1993 die steuerliche Verschonung des existenznotwendigen Bedarfs sicherzustellen. Danach ist ab Veranlagungszeitraum 1993 sicherzustellen, daß bei der Einkommensbesteuerung dem Steuerpflichtigen die Erwerbsbezüge belassen werden, die er zur Deckung eines nach den Grundsätzen dieser Entscheidung zu bestimmenden existenznotwendigen Bedarfs benötigt. Dabei hat das BVerfG dem Gesetzgeber ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, die Steuerpflichtigen "individuell" oder "generell" zu entlasten. Das BVerfG ist für das Jahr 1992 je nach Berechnungsmethode von einem durchschnittlichen Sozialhilfebetrag eines Alleinstehenden von rd. 12.000 DM oder rd. 14.000 DM ausgegangen. Nach einem Beschluß des BVerfG vom 14.06.1994 (1 BvR 1022/88, BStBl II 1994, 909) ist bei der Ermittlung des nicht exakt vorgegebenen Betrages des Existenzminimums dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum einzuräumen. Das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum darf jedenfalls den Mindestbedarf, den der Gesetzgeber im Sozialrecht festgelegt hat, nicht unterschreiten. Der jährlich Sozialhilfebedarf lasse sich jedoch nur annäherungsweise ermitteln, so daß demgemäß eine solche Berechnung nur ein Richtwert, nicht aber eine strikte Vorgabe für die Bemessung des Existenzminimums darstellen könne. Dem Gesetzgeber müsse daher bei der Festlegung des Entlastungsbetrages ein gewisser Einschätzungsspielraum zugebilligt werden.
2.
Mit der Übergangsregelung des § 32 d EStG wollte der Gesetzgeber der Anordnung des BVerfG nachkommen, dem Einkommensbezieher von seinen Erwerbsbezügen zumindest das zu belassen, was er dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zu Verfügung stellt. Soweit § 32 d EStG nicht greift, also für alle Steuerpflichtige mit höheren Erwerbsbezügen, ist die Verfassungswidrigkeit des Grundfreibetrags bis zur Neufassung des Einkommensteuergesetzes 1996 hinzunehmen (Beschluß des BVerfG vom 25.09.1992, a.a.O.; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32 d EStG, Anm. 4).
Die Vorschrift des § 32 d EStG ergänzt dabei den Einkommensteuertarif des § 32 a EStG durch Erhöhung des Grundfreibetrags und Milderung der Besteuerung in der unteren Proportionalzone bei geringem zu versteuerndem Einkommen (Kanzler, a.a.O., Anm. 8). Für das Streitjahr 1993 hat der Gesetzgeber in § 32 d Abs. 1 EStG sichergestellt, daß Erwerbsbezüge bis 10.529 DM überhaupt nicht besteuert werden. Dieses ergibt sich aus einem vom Gesetzgeber angenommenen Existenzminimum für Alleinstehende für das Jahr 1993 in Höhe von 10.500 DM. Die Vorschrift des § 32 d EStG enthält gleichzeitig eine Übergangsregelung für "Erwerbsbezüge" von 10.530 bis 12.797 DM, in denen die Steuerbelastung geringer ist als bisher. In Abs. 2 definiert der Gesetzgeber den Begriff der Erwerbsbezüge. Das BVerfG hat es in seiner Entscheidung unterlassen, diesen Begriff inhaltlich näher zu bestimmen. Nach dem Wortsinn ist dieser Begriff jedoch weiter als der Begriff des Einkommens i.S.d. § 2 Abs. 4 EStG. Steuerfreie Einnahmen, Bezüge und Einkommensteile, die zur Deckung des existenznotwendigen Bedarfs verwandt werden können und im zu versteuernden Einkommen nicht enthalten sind, sind nach den Grundsätzen des BVerfG mit in die Erwerbsbezüge einzubeziehen (Littmann, Kommentar zum EStG, § 32 d, Anm. 8). Das BVerfG hat allerdings entschieden, daß der Gesetzgeber steuerfreie Leistungen oder Einkommensteile, die von der Einkommensteuer freigestellt sind, bei einer generellen, das Existenzminimum für jeden Steuerpflichtigen typisierenden Freistellung nur dann anrechnen dürfe, wenn ihr Tatbestand einen existenzsichernden Aufwand erfasse und diese Entlastung allgemein gewährt werde. Der Gesetzgeber hat jedoch nicht zuletzt wegen haushaltsrechtlicher Überlegung der individuellen Entlastung den Vorzug gegeben (Lipsky/Adams, Zur Anwendung der Entlastungsregelung bei niedrigen Erwerbseinkommen, NWB Fach 3 Seite 8917, 8922).
3.
Mit den Erwerbsbezügen von wenigstens 15.269 DM vermindert um die Einkommensteuer von 432 DM verbleibt der Kl'in. ein Betrag, der über dem Existenzminimum liegt.
Im Streitfall ist dabei jedenfalls die Kl'in. auch nicht durch die Hinzurechnungsbeträge des § 32 d Abs. 2 EStG in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise getroffen. Der Senat kann es dabei dahingestellt sein lassen, ob sämtliche vom Gesetzgeber definierten Zurechnungsbeträge, so insbesondere die den Ertragsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG übersteigenden Teile von Leibrenten, dem Willen des BVerfG in seinem Beschluß vom 25.09.1992 entsprechen. Das BVerfG hat in seinem Beschluß allerdings nur Bedenken gegen die Zurechnung bislang von der Einkommensteuer freigestellter Leistungen und Einkommensteile angemeldet, soweit der Gesetzgeber eine generelle, das Existenzminimum für jeden Steuerpflichtigen typisierende Freistellung regelt. Der Gesetzgeber hat jedoch mit § 32 d EStG vielmehr eine individuelle Regelung geschaffen. Das übersieht die Kl'in. offensichtlich. Er hat dabei in den Katalog der Erwerbsbezüge steuerfreie Einnahmen, Bezüge und Einkommensteile aufgenommen, die zur Deckung des existenznotwendigen Bedarfs verwendet werden können und im zu versteuernden Einkommen nicht enthalten sind. Demnach wird wie im BSHG weitgehend die tatsächliche finanzielle Situation der Steuerpflichtigen berücksichtigt. Die Ermittlung der Erwerbsbezüge erfolgt dabei ausschließlich zu dem Zweck festzustellen, ob im Einzelfall ein Steuerpflichtiger mit Erwerbsbezügen neben seinen steuerpflichtigen Einkünften genauso entlastet wird wie ein Steuerpflichtiger ohne solche Nebeneinkünfte. Diese Prüfung führt deshalb in keinem Fall zu einer steuerlichen Mehrbelastung, sondern allenfalls zum Ausschluß oder zur Minderung der zusätzlichen Entlastung. Die Hinzurechnungen führen nicht zu einer Besteuerung der hinzugerechneten Beträge. Sie bewirken insbesondere niemals eine höhere als die tarifliche Steuerbelastung nach § 32 a EStG.
Der Senat hat allerdings keine Bedenken, den Altersentlastungsbetrag gem. § 24 a EStG (im Streitfall 2.443 DM) sowie die nach § 20 Abs. IV EStG steuerfrei belassenen Einkünfte aus Kapitalvermögen (im Streitfall 5.016 DM) als "Erwerbsbezüge" zu erfassen. Auch Zinseinkünfte unterhalb des Sparer-Freibetrages erhöhen zwar nicht das zu versteuernde Einkommen, tragen aber gleichwohl mit zur Sicherung des Lebensunterhalts bei. Mit der Aufzählung der Erwerbsbezüge gem. § 32 d EStG werden deshalb nun nicht zuvor steuerfrei gebliebene Beträge steuerbar, sie dienen vielmehr lediglich der Berechnung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen. Dieses ist jedenfalls für eine Übergangszeit nicht zu beanstanden, da das BVerfG insbesondere erreichen wollte, daß einem Steuerbürger zumindest diejenigen Bezüge verbleiben, die einem Sozialhilfeempfänger von der öffentlichen Hand zu seiner Existenzsicherung zur Verfügung gestellt werden. Das BVerfG hat in seinem Beschluß vom 25.09.1992 (a.a.O.) auch lediglich ausgeführt, daß der Altersentlastungsbetrag und der Sparerfreibetrag bei einer generellen Regelung des Grundfreibetrags nicht auf das Existenzminimum angerechnet werden dürfen. Hier erfolgt durch die Hinzurechnungen nach § 32 d EStG aber gerade keine Anrechnung auf das Existenzminimum. Der Gesetzgeber hat lediglich bestimmt, daß im Bereich der Grenzsteuerzahler die über entsprechende Erwerbsbezüge verfügen, die Steuer bis zu einem Erwerbseinkommen im Streitjahr von 12.797 DM geringer festzusetzen ist als bei einer Versteuerung nach § 32 a EStG.
Die Erwerbsbezüge der Kl'in. betragen nach den vom Senat verfassungsrechtlich für unbedenklich gehaltenen Hinzurechnungen jedenfalls mindestens 15.629 DM. Die Kl'in. fällt deshalb auch nicht unter die sog. "Grenzsteuerzahler" i.S.d. § 32 d EStG.
Die Klage war abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.