Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.12.1996, Az.: XII 319/96
Abzugsfähigkeit von Aufwendungen eines Berufsschullehrers für einen Englischsprachkurs als Werbungskosten bei der Einkommensteuer; Abgrenzung zwischen Aufwendungen, die der Lebensführung des Steuerpflichtigen dienen und Aufwendungen, die der Förderung seines Berufes dienen; Verfolgung privater und beruflicher Interessen bei einer Sprachreise
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 06.12.1996
- Aktenzeichen
- XII 319/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 18716
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1996:1206.XII319.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 9 Abs. 1 S. 1 EStG
- § 12 Nr. 1 S. 2 EStG
Verfahrensgegenstand
Aufwendungen für einen Sprachkurs im engl. Seebad Worthing keine Werbungskosten
Einkommensteuer 1994
In dem Rechtstreit
hat der XII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
durch
den Richter am Finanzgericht ... als Berichterstatter
gemäß § 79 a Abs. 3, 4 FGO am 6. Dezember 1996,
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen
Die Kosten des Verfahrens bis zum Ergehen des Änderungsbescheids vom 15.07.1996 werden zu 87 v. H. dem Kläger und zu 13 v. H. dem Beklagten auferlegt. Die danach entstandenen Kosten werden in vollem Umfang dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der Kostenerstattung abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen eines Berufsschullehrers für einen Englischsprachkurs in einem englischen Seebad als Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 EStG abzugsfähig und damit steuermindernd zu berücksichtigen sind.
Streitjahr ist das Jahr 1994.
Der Kläger war im Streitjahr als Berufsschullehrer tätig. Er hatte sich um eine Weiterbildungsmaßnahme des Niedersächsischen Landesinstitutes für Lehrerfortbildung beworben, welche ihn zur Unterrichtung des Faches Englisch befähigen sollte. Zur Aufnahme in die Weiterbildungsmaßnahme mußte der Kläger am 07.10.1994 eine Prüfung zum Nachweis fundierter Englischkenntnisse ablegen. Vorab nahm der Kläger in den Sommerferien des Streitjahres in der Zeit vom 31.07. bis zum 13.08. an einem 14-tägigen Intensivsprachkurs (Englisch) im englischen Seebad Worthing teil. In der ersten Woche fand der Unterricht montags bis freitags von 10.00 Uhr bis 13.00 Uhr und von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr statt. In der zweiten Woche nahm der Kläger zusätzlich zu diesem Gruppenunterricht von montags bis donnerstags Einzelunterricht von zunächst zweimal 16.30 Uhr bis 17.30 Uhr und dann 16.30 Uhr bis 18.00 Uhr, der dem Kläger mit umgerechnet 342,00 DM gesondert in Rechnung gestellt wurde. Im übrigen handelte es sich um eine Pauschalreise, bei der die Unterrichtsgebühren, die Kosten der privaten Unterkunft bei Gasteltern und die Reiseleistungen in einem einheitlichen Reisepreis von 2.079,00 DM enthalten waren. In der Einkommensteuererklärung 1994 machte der Kläger in Zusammenhang mit der Sprachreise Aufwendungen in Höhe von insgesamt 2.563,40 DM als abzugsfähige Werbungskosten geltend. Der Beklagte (das Finanzamt - FA-) ließ im Rahmen des Einkommensteuerbescheides 1994 vom 04.09.1995 diesen gesamten Betrag nicht als Werbungskosten zum Abzug zu und ordnete ihn wegen des Auslandsaufenthaltes den nichtabzugsfähigen Ausgaben im Sinne des § 12 Nr. 1 EStG zu. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, welchen das FA mit Bescheid vom 11. April 1996 als unbegründet zurückwies.
Gegen diese Einspruchsentscheidung hat der Kläger Klage erhoben. Im Verlauf des Klageverfahrens hat das FA mit Bescheid vom 15.07.1996 die Aufwendungen des Klägers für den Einzelsprachunterricht in der Höhe von 342,00 DM als abzugsfähige Werbungskosten anerkannt. Der Kläger erklärte mit Schriftsatz vom 12.08.1996 gemäß § 68 FGO den geänderten Einkommensteuerbescheid 1994 zum Gegenstand des Verfahrens.
Der Kläger ist der Ansicht, seine bislang nicht anerkannten Aufwendungen für den Englischsprachkurs in England in Höhe von 2.221,40 DM seien als Fortbildungskosten abzugsfähige Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 EStG. Hierzu behauptet er, er habe sich mit dem Intensivsprachkurs gezielt auf die Aufnahmeprüfung für die Weiterbildungsmaßnahme vorbereitet und aufgrund des Sprachkurses die Prüfung erfolgreich bestanden. Der Kursort Worthing sei ausgewählt worden, weil für entsprechende Sprachkurse in Oxford und London kein Platz mehr zur Verfügung gestanden habe. Seine "freie" Zeit habe er überwiegend bei seinen Gasteltern verbracht, um einerseits den Unterrichtsstoff aufzuarbeiten bzw. die Aufgaben für den nächsten Unterrichtstag vorzubereiten und andererseits mit den Gasteltern mit dem Ziel der Verbesserung der Sprachkenntnisse Gespräche zu führen. Dementsprechend ist er der Ansicht, wegen der Zielsetzung des Intensivkurses und der zeitlichen Inanspruchnahme durch Unterricht einschließlich der Nach- und Vorbereitung lägen keine nichtabzugsfähigen Kosten der Lebensführung gemäß § 12 EStG vor.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 11.04.1996 und Änderung des Einkommensteuerbescheides 1994 in der Fassung vom 15.07.1996 weitere 2.221,40 DM als Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 EStG steuermindernd zu berücksichtigen und dementsprechend die Einkommensteuer 1994 neu festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es ist der Ansicht, die - über die gesondert nachgewiesenen Einzelsprachunterrichtskosten hinausgehenden Aufwendungen des Klägers für den Sprachkurs seien nicht als Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 EStG abzugsfähig, weil hierbei die Verfolgung privater Interessen durch den Kläger nicht von untergeordneter Bedeutung gewesen sei und daher insgesamt nichtabzugsfähige Kosten der privaten Lebensführung im Sinne des § 12 Nr. 1 EStG vorlägen. Dem Kläger sei angesichts des Kursprogramms noch in nennenswertem Umfang Freizeit für die Wahrnehmung privattouristischer Interessen verblieben. Die Urlaubskomponente ergebe sich aus den Umständen, daß der Kläger das touristisch attraktive Seebad Worthing als Kursort in einem touristisch interessanten Land zur Hauptreisezeit besucht habe. Im übrigen sei auch nicht feststellbar, daß ein Sprachkurs im Inland weniger Erfolg gehabt hätte. Außerdem betreffe das Erlernen einer Fremdsprache stets auch die allgemeine Lebensführung. Wegen des Pauschalpreises für die Reise könnten keine einzeln abgrenzbaren, ausschließlich und eindeutig beruflich veranlaßten Aufwendungen festgestellt werden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen im Einspruchs- und Klageverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die geltend gemachten Aufwendungen für die Sprachreise sind keine abzugsfähigen Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 EStG. Es handelt sich um nichtabzugsfähige gemischte, auch durch die private Lebensführung mitveranlaßte Aufwendungen im Sinne des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG.
Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dabei ist ausreichend, daß die Aufwendungen objektiv durch die spezifischen beruflichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen veranlaßt sind und subjektiv zur Förderung seines Berufs getätigt werden (BFH-Beschluß v. 27.11.1978, GrS 8/77, BStBl II 1979; BFH-Urteil v. 22.07.1993, VI R 103/92, BSTBl II 1993, 787). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall zwar grundsätzlich erfüllt, da der Kläger an dem Sprachkurs teilgenommen hat, um sich auf eine Aufnahmeprüfung für eine Berufsfortbildungsmaßnahme vorzubereiten, durch welche er die Lehrbefähigung im Unterrichtsfach Englisch erlangen wollte.
Allerdings besteht gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG ein Abzugsverbot für solche Aufwendungen, die der Lebensführung des Steuerpflichtigen dienen, auch wenn sie zur Förderung seines Berufes oder seiner Tätigkeit erfolgen. Diese Vorschrift beinhaltet damit eine gesetzliche Typisierung und ein gesetzliches Verbot der Aufteilung in den durch sie betroffenen Fällen (BFH-Beschluß vom 19.10.1970, GrS 2/70, BStBl II 1971, 1; BFH-Urteil vom 22.07.1993, VI R 103/92, BStBl II 1993, 77). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH - der sich das Gericht im Streitfall anschließt - liegen abziehbare Aufwendungen nur vor, wenn sie ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend im beruflichen Interesse getätigt werden, wenn also die Verfolgung privater Interessen nahezu ausgeschlossen ist (BFH-Beschluß vom 19.10.1970, GrS 2/70, BStBl II 1971, 1; v. 27.11.1978, GrS 8/77, BStBl II 1979, 23; BFH-Urteil v. 22.07.1993, VI R 103/92, BStBl II 1993, 77; v. 15.07.1994, VI R 69/93, BFH/NV 1995, 26; v. 21.08.1995, VI R 47/95, BStBl II 1996, 1). Diese Grundsätze gelten auch für die Kosten eines im Ausland abgehaltenen Sprachkurses (BFH-Urteil v. 31.07.1980, BStBl II 1980, 76; v. 22.07.1993, VI R 103/92, BStBl II 1993, 77; v. 15.07.1994, VI R 69/93, BFH/NV 1995, 26). Dabei kann unter anderem von Bedeutung sein, in welcher Gegend des besuchten Landes und in welcher Jahreszeit der Sprachkurs stattfindet und ob seitens der Teilnehmer die Möglichkeit besteht, in unterrichtsfreier Zeit allgemein interessierende Einrichtungen und Besonderheiten des Landes kennenzulernen. Ferner ist nicht unerheblich, ob der Sprachkurs auf die besonderen beruflichen Bedürfnisse des Teilnehmers zugeschnitten ist und ob der Besuch von Sprachkursen im Inland den gleichen Erfolg hätte haben können.
Im Streitfall kann nicht davon ausgegangen werden, daß mit den Aufwendungen des Klägers die Verfolgung privater Interessen nahezu ausgeschlossen war. In der ersten Unterrichtswoche wurden lediglich 25 Zeitstunden, in der zweiten Unterrichtswoche zuzüglich der Einzelunterrichtsstunden lediglich 30 Zeitstunden Sprachunterricht abgehalten. Die Informationen im Prospekt des Sprachreiseveranstalters belegen imübrigen deutlich, daß die Sprachschule selbst davon ausging, daß den Sprachschülern neben der Teilnahme am Unterricht einschließlich Zu- und Abgang sowie der Nach- und Vorbereitung der Unterrichtsstunden noch genügend Zeit verbleiben würde, um die reizvolle Umgebung des Kursortes ("... die zu den schönsten Landschaften Südenglands gehört ...") zu erkunden, Freizeitaktivitäten nachzugehen ("... kann man am 8 km langen Kiesstrand Spazierengehen, joggen und im Sommer baden ...") sowie an dem angebotenen Freizeitprogramm ("Zu günstigen Preisen werden Exkursionen angeboten. Pro Monat stehen an 2 Tagen ganztägige Ausflüge z.B. nach London, Cambridge oder Oxford auf dem Programm") teilzunehmen. Ob der Kläger tatsächlich das angebotene Freizeitprogramm des Veranstalters wahrgenommen hat oder nicht, ist hier nicht entscheidend. Von Bedeutung ist nur, daß aufgrund der Werbung des Reiseveranstalters davon auszugehen ist, daß den Teilnehmern des Sprachkurses trotz des Unterrichts und der benötigten Zeit für die Vor- und Nachbereitung der Unterrichtsstunden auch eine ausreichende Zeit zur Wahrung rein touristischer Aktivitäten eingeräumt wird, d.h. eine Urlaubskomponente gegeben ist (vgl. FG Rheinland-Pfalz, EFG 1992, 122). Nicht unbedeutend ist in diesem Zusammenhang, daß der entsprechende Prospekt des Sprachreiseveranstalters auch bezüglich des betreffenden Intensivkurses darauf hinweist, daß es sich nicht um einen anerkannten Bildungsurlaub handelt. Das Vorbringen des Klägers, er habe den Kursort Worthing gewählt, weil in London und Oxford kein Platz mehr zur Verfügung gestanden habe, führt zu keiner anderen Beurteilung der Rechtslage. Letztere Städte sind nicht minder touristisch attraktiv als das Seebad Worthing. Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß der vom Kläger absolvierte Sprachkurs in dem touristisch attraktiven englischen Seebad Worthing zur Hauptreisezeit während der Sommermonate eine deutliche Urlaubskomponente aufwies, auch wenn bei der zeitlichen Festlegung berufliche Erfordernisse mitbestimmend gewesen sein mögen. Da bezüglich der - über die steuermindernd anerkannten Einzelunterrichtskosten hinausgehenden - Aufwendungen des Klägers für den Sprachkurs eine Trennung der eindeutig beruflich veranlaßten Aufwendungen von den durch die private Lebensführung mitveranlaßten Aufwendungen aufgrund des Reisepauschalpreises nicht möglich ist, sind die Aufwendungen insgesamt gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht als Werbungskosten abzugsfähig.
Nach alldem konnte die Klage keinen Erfolg haben. Eine Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, denn die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 136 Abs. 1 FGO. Das Gericht hält es für angebracht, die Kostenentscheidung nach Zeitabschnitten zu treffen (vgl. BFH-Urteil vom 06.06.1984, BStBl II 1985, 21). Für den Zeitabschnitt bis zum Ergehen des Änderungsbescheides vom 15.07.1996 waren die Kosten nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens aufzuteilen (§ 136 Abs. 1 FGO). Im übrigen waren die Kosten dem insoweit ganz unterliegenden Kläger aufzuerlegen (§ 135 Abs. 1 FGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3 i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.