Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 08.10.2013, Az.: 2 A 6560/12

Familienzuschlag Stufe 1; Lebenspartnerschaft

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
08.10.2013
Aktenzeichen
2 A 6560/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64402
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der seit dem 03.12.2003 grundsätzlich bestehende unionsrechtliche Anspruch des Partners einer eingetragenen Lebensgemeinschaft auf Familienzuschlag setzt eine zeitnahe Geltendmachung vor. Dem steht der unionsrechtliche Grundsatz der Effektivität nicht entgegen.

Tenor:

Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt ¼, die Beklagte trägt ¾ der Verfahrenskosten; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin, die als D. im Dienst des Landes Niedersachsen steht, lebt seit dem 01.08.2003 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Sie begehrt die Zahlung des Familienzuschlages der Stufe 1 rückwirkend mit Beginn vom 01.12.2003 an.

Ausweislich der Besoldungsakten zeigte die Klägerin erstmals schriftlich unter dem 12.05.2005 ihren neuen Familienstand „Lebenspartnerschaft“ bei der Landesschulbehörde an und übersandte die Lebenspartnerschaftsurkunde. Mit Veränderungsanzeige vom 21.04.2006 wies sie nicht nur auf ihre neue Anschrift, sondern wiederholt auf das Eingehen der Lebenspartnerschaft hin, desgleichen nochmals unter dem 26.08.2008. Auf die letzte Anzeige hin übersandte die Beklagte der Klägerin einen Vordruck mit der Bitte, diesen auszufüllen, weil die Klägerin eventuell Anspruch auf Familienzuschlag der Stufe 1 habe. Nachdem die Klägerin die ausgefüllte Erklärung einschließlich der Gehaltsnachweise ihrer Lebenspartnerin übersandt hatte, entschied die Beklagte mit Bescheid vom 16.09.2008, dass der Klägerin der Familienzuschlag der Stufe 1 nicht zustehe, weil das Einkommen der im Arbeitsleben stehenden Partnerin die Grenze des sechsfachen Betrages der Stufe 1 des Familienzuschlages übersteige. Mit Bescheid vom 03.05.2010 gewährte die Beklagte der Klägerin aber den Familienzuschlag der Stufe 1 ab dem 01.03.2010 wegen nicht nur vorübergehender Aufnahme einer anderen Person in ihrer Wohnung. Dabei handelt es sich um den am 31.03.2010 geborenen Sohn der Klägerin.

Mit Schreiben vom 07.11.2010 beantragte die Klägerin die Gewährung des Familienzuschlages der Stufe 1 rückwirkend, und zwar ab dem Datum ihrer Verpartnerung am 01.08.2003. Sie berief sich dabei auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts. Der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der Anspruch der verpartnerten Beamtin auf den Familienzuschlag der Stufe 1 auf die Zeit ab dem 01.07.2009 beschränkt sei, könne nicht gefolgt werden. Mit Bescheid vom 17.11.2012 gewährte die Beklagte daraufhin der Klägerin den begehrten Familienzuschlag mit Wirkung vom 01.10.2010 wegen der eingegangenen Lebenspartnerschaft, stellte eine Entscheidung über den vorangegangenen Zeitraum jedoch zunächst zurück. Diese Entscheidung erging im Bescheid vom 18.05.2011, der auf der Grundlage eines Erlasses des Niedersächsischen Finanzministers vom 13.03.2011 die Stufe 1 des Familienzuschlages nunmehr mit Wirkung vom 01.07.2009 an gewährte. Eine Nachzahlung für vorangegangene Zeiträume komme nicht in Betracht, da das Bundesverwaltungsgericht entschieden habe, dass für die Zeit vor dem 01.07.2009 eine Diskriminierung von Lebenspartnern nicht vorliege.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 19.06.2012 eine Verfassungswidrigkeit der Ungleichbehandlung von verheirateten Beamten einerseits und in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft lebenden Beamten andererseits hinsichtlich der Gewährung des Familienzuschlages der Stufe 1 festgestellt hatte, entschied das Niedersächsische Finanzministerium mit Erlass vom 23.08.2012 (Nds. MBl. S. 681), dass eine Zahlung des Familienzuschlages der Stufe 1 für eingetragene Lebenspartner rückwirkend seit dem 01.08.2001 zu veranlassen sei, sofern die Anspruchsvoraussetzungen bereits in der Vergangenheit vorgelegen haben und der Antragsteller seine Ansprüche zeitnah geltend gemacht hat. Dafür reiche eine Übersendung der Lebenspartnerschaftsurkunde oder einer Veränderungsanzeige allerdings nicht aus. Auf dieser Grundlage wertete die Beklagte in ihrem Bescheid vom 18.10.2012 den Antrag der Klägerin vom 26.08.2008 als Antrag auf Familienzuschlag und bewilligte diesen in Höhe der Stufe 1 nunmehr rückwirkend mit Wirkung vom 01.01.2008 an. Eine weitergehende Rückwirkung lehnte die Beklagte ab, da die Klägerin ihren Antrag nicht zeitnäher geltend gemacht habe.

Gegen diesen – ihr am 06.11.2012 zugestellten – Bescheid hat die Klägerin am 22.11.2012 Klage erhoben, mit der sie zunächst den Familienzuschlag der Stufe 1 für den Zeitraum des 03.12.2003 bis zum 31.12.2007 begehrte. Im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens hat die Beklagte die Klägerin erneut beschieden und sie für den Zeitraum 01.01.2005 bis 31.05.2007 klaglos gestellt. Die insoweit erfolgte Abhilfe beruht auf dem Erlass des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 27.03.2013, wonach jetzt bereits die bloße Übersendung der Lebenspartnerschaftsurkunde als hinreichend konkreter Antrag auf Gewährung des Familienzuschlages der Stufe 1 gewertet werden kann. Da die Klägerin die Lebenspartnerschaftsurkunde erstmals mit Schreiben vom 12.05.2005 vorgelegt hatte, wurde sie für den genannten Zeitraum klaglos gestellt. Im Umfang dieser Abhilfe haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.

Die Klägerin hat ihre Klage im Übrigen aufrechterhalten. Sie weist darauf hin, dass sie bereits im Juni 2003 die bevorstehende Eingehung der Lebenspartnerschaft ihrer Sachbearbeiterin bei der Landesschulbehörde, einer Frau E., telefonisch angezeigt habe. Die Sachbearbeiterin habe ihr die Auskunft erteilt, das Übersenden der Lebenspartnerschaftsurkunde sei nicht erforderlich. Eine heterogeschlechtliche Beamtin hätte damals die Auskunft erhalten, sie solle die Heiratsurkunde nachreichen. In diesem Falle wäre dann die Familienstandsänderung eingetragen worden und mit Beginn der Änderung des Familienstandes der Familienzuschlag für Ehegatten gewährt worden. Dass in ihrem Falle so nicht verfahren sei, begründe gerade ihre Ungleichbehandlung wegen sexueller Orientierung. Ihr Anspruch auf den vollen Familienzuschlag beginne deshalb mit dem Datum des Ablaufs der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Diese Richtlinie kenne das Erfordernis der rechtzeitigen Geltendmachung ihres Anspruches nicht. Die unionsrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen dürften durch das nationale Recht nicht eingeschränkt werden. Für die Auslegung der genannten Richtlinie sei allein der Europäische Gerichtshof zuständig, dessen Rechtsprechung das Gebot der zeitnahen Geltendmachung jedoch nicht kenne. Die Klägerin beantragt nunmehr noch,

die Beklagte zu verpflichten, ihr den Familienzuschlag der Stufe 1 für die Zeit ab 01.12.2003 bis zum 31.12.2004 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

weil es an dem Erfordernis rechtzeitiger Geltendmachung des Anspruchs fehle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Besoldungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

Das Verfahren ist einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit für den Zeitraum Januar 2005 bis Dezember 2007 übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, § 92 Abs. 3 VwGO in entsprechender Anwendung.

Streitbefangenen ist damit nur noch der Zeitraum, der zu Beginn des Monats (§ 41 Satz 1 BBesG) beginnt, in dem - am 03.12.2003 - die Umsetzungsfrist der Richtlinie 2000/78/EG abgelaufen ist und der zum Jahresende 2004 endet. Für diesen Zeitraum kann die Kammer jedoch einen Anspruch der Klägerin auf den geltend gemachten Familienzuschlag der Stufe 1 nicht erkennen.

Der Anspruch der Klägerin folgt zunächst nicht aus § 40 BBesG in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung vom 06.08.2002 (BGBl. I S. 3020). Der Gesetzgeber hatte damals den Familienzuschlag der Stufe 1 nur für verheiratete Beamte vorgesehen (§ 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG) sowie für Beamte, die eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen ist, wenn sie dem Lebenspartner Unterhalt gewähren und dessen Einkommen eine bestimmte Höhe nicht überschreitet (§ 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG). Der Bundesgesetzgeber hatte in diesem Zeitraum von einer Gleichstellung verheirateter Beamter mit solchen, die in einer Lebenspartnerschaft leben (vgl. § 17b BBesG in der Fassung des Gesetzes vom 14.11.2011, BGBl. S. 2219), bewusst abgesehen (BVerfG, Beschluss vom 06.05.2008 – 2 BvR 1830/06 -, NJW 2008, 2325).

Typische unterschiedliche Lebensverhältnisse, auf denen sich das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 01.09.2005 – 2 C 24.04 – (Buchholz 240, § 40 BBesG Nr. 33 Randziffer 21) noch berufen hatte, können allerdings seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 07.07.2009 (1 BvR 1164/07 – BVerfG E 124, 99) nicht mehr herangezogen werden, um die normative Vergleichbarkeit der Situation von Ehegatten und Lebenspartnern in Bezug auf den Familienzuschlag der Stufe 1 nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG zu verneinen. An dieser Aussage des Bundesverfassungsgerichts sind die Verwaltungen und Gerichte gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden, sodass die unterschiedliche Behandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft seitdem nicht mehr als sachlich gerechtfertigt angesehen werden kann. Ist die normative Vergleichbarkeit auf der Grundlage des Bundesbesoldungsgesetzes aber auch erst durch den genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts seit dem 07.07.2009 hergestellt, so befinden sich die Angehörige beider Gruppen in Bezug auf die Leistungen des Familienzuschlages doch schon zuvor in einer vergleichbaren Situation im Sinne des Artikel 2 Abs. 2 Buchstabe A der Richtlinie 2000/78/EG. Der vom Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 28.10.2010 – 2 C 10/09 - , NJW 2011, 1466) gezogenen Folgerung, dass Leistungen des Familienzuschlags deshalb auch erst seit dem 07.07.2009 dem Anwendungsbereich der genannten Richtlinie unterfallen, ist das Bundesverfassungsgericht deshalb nicht gefolgt. Es hat vielmehr entschieden (Beschluss vom 19.06.2012 - 2 BvR 1397/09 - BVerfGE 131, 239), dass § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG verfassungswidrig ist, weil in den Grundstrukturen zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft seit 2001 nur wenige Unterschiede bestehen und sachliche Gründe für eine Differenzierung nicht vorliegen. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb die Norm für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt und den Gesetzgeber zur Beseitigung des festgestellten Verfassungsverstoßes rückwirkend mit Wirkung vom 01.08.2001 für diejenigen Beamten verpflichtet, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben und ihren Anspruch auf Auszahlung des Familienzuschlages der Stufe 1 zeitnah geltend gemacht haben.

Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin kann deshalb nur die Richtlinie 2000/78/EG sein, für die die Umsetzungsfrist des nationalen Gesetzgebers seit dem 03.12.2003 abgelaufen ist. Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft haben deshalb von diesem Zeitpunkt an grundsätzlich einen unionsrechtlich begründeten Anspruch auf Zahlung des Familienzuschlages der Stufe 1. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kann sich nämlich der einzelne Bürger in allen Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Mitgliedsstaat auf diese Bestimmungen berufen, wenn und solange der nationale Gesetzgeber die Unionsrichtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat. Danach besteht der klägerische Anspruch hier grundsätzlich. Die Richtlinie ist nämlich im Hinblick auf die Voraussetzung für die Gewährung des Familienzuschlages nicht innerhalb der Umsetzungsfrist vollständig in deutsches Recht umgesetzt worden, wie oben dargelegt wurde. Die Art. 1 bis 3 und 16 der Richtlinie sind auch geeignet, unmittelbare Rechtswirkungen zu entfalten, weil sie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind (ebenso BVerwG, Urteil vom 28.10.2010 – 2 C 10/09 -, NJW 2011, 1466). Die Mitgliedstaaten sind gemäß Art. 16 Buchstabe a der Richtlinie verpflichtet, alle dem unionsrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung zuwiderlaufenden Rechtsvorschriften aufzuheben oder sie zu ändern. Das Unterlassen des Gesetzgebers hat ab dem 03.12.2003 zur Folge, dass die Regelungen in Art. 1 bis 3 der Richtlinie für die Gewährung des Familienzuschlages unmittelbar Anwendung finden und § 40 BBesG insoweit unanwendbar ist, als diese Vorschrift mit Unionsrecht nicht im Einklang steht. Wenn also diese Vorschrift als Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch so anzuwenden ist, dass sie nicht zu einer Diskriminierung einer Beamtin führt, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt (und sich deshalb in einer mit Eheleuten vergleichbaren Situation befindet), so muss die verpartnerte Beamtin so behandelt werden, als sei sie verheiratet. Dieser unionsrechtlich gebotenen Auslegung steht der besoldungsrechtliche Gesetzesvorbehalt in § 5 Abs. 1 BBesG nicht entgegen, weil er, wie das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden hat, nicht an den Verfassungsgrundsätzen teilnimmt, die den Anwendungsvorrang des Unionsrechts in Frage stellen könnten (BVerfG, Urteil vom 30.06.2009 – 2 BvE 2/08 – BVerfGE 123, 267; Beschluss vom 06.07.2010 – 2 BvR 2661/06 -, DVBl. 2010, 1229).

Gleichwohl kann die Kammer die Klageforderung nicht zusprechen, weil die Klägerin ihren Anspruch zeitnah hätte geltend machen müssen, sie dies aber erst im Jahre 2005 getan hat.

Der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung ist vom Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Vollstreckungsanordnung bei nicht amtsangemessener Alimentation kinderreicher Beamter entwickelt und vom Bundesverwaltungsgericht aufgegriffen worden. Der Grundsatz besagt inhaltlich, dass Ansprüche, die über die gesetzlich vorgesehene Besoldung hinausgehen, von Beamten stets zeitnah, mithin spätestens bis zum Ende des laufenden Haushaltsjahres geltend zu machen sind, damit der Dienstherr sich darauf einstellen kann. Zur Begründung hat das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 28.06.2011 – 2 C 40/10 - juris) ausgeführt, das genannte Erfordernis folge aus dem gegenseitigen Treueverhältnis zwischen Beamten und Dienstherrn, auf dessen berechtigte Belange Rücksicht zu nehmen sei. Da die Alimentation einen gegenwärtigen Bedarf decken solle, könne der Beamte nicht erwarten, Besoldungsleistungen für zurückliegende Haushaltsjahre zu erhalten, in denen er sich mit der gesetzlich festgelegten Alimentation zufrieden gegeben habe. Bei verspäteter Geltendmachung können die Ansprüche nämlich nicht mehr aus Haushaltsmitteln des betreffenden Jahres gedeckt werden. Auch im vorliegenden Falle zielt der Anspruch der Klägerin, der auf den Gleichbehandlungsgrundsatz wegen sexueller Diskriminierung gestützt ist, auf eine höhere, gerade nicht in einem Besoldungsgesetz festgelegte Besoldung. Ihr Anspruch ist weder dem Zeitraum nach noch was seine Höhe angeht aus dem nationalen Recht, dem Bundesbesoldungsgesetz herleitbar. Er gründet sich gerade, wie bei den Familienzuschlägen für kinderreiche Beamte auch, aus einer Unteralimentation, die aufgrund einer Auslegung des Unionsrechts festzustellen ist. Die Kammer folgt deshalb der Rechtsprechung des OVG Magdeburg (Urteil vom 11.12.2012 – 1 L 118/11 – juris) und des VGH Kassel (Urteil vom 28.09.2011– 1 A 2381/11 – juris), nach der der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung hier zumindest in entsprechender Anwendung heranzuziehen ist (anderer Ansicht: VGH Mannheim, Urteil vom 06.11.2012 – 4 S 797/12 – juris). Sie sieht eine Parallele zu nationalrechtlichen Ausgleichsansprüchen, die nicht im Gesetz geregelt sind und bei denen es einer Geltendmachung im Sinne einer Rügeobliegenheit oder Hinweispflicht des Beamten bedarf.

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des EuGH vom 10.05.2011 (C 147/08 – NJW 2011, 2187). Der Gerichtshof hat dort entschieden, dass ein Einzelner das Recht auf Gleichbehandlung frühestens ab Ablauf der Umsetzungspflicht für die Richtlinie, dem 03.12.2003 geltend machen kann und dabei nicht abzuwarten braucht, bis der nationale Gesetzgeber diese Bestimmung mit dem Unionsrecht in Einklang bringt. Diese Entscheidung bedeutet aber nur, dass eine fehlende nationale gesetzliche Grundlage dem Anspruch auf Gleichbehandlung nach Unionsrecht nicht entgegengehalten werden kann. Bei diesem hier vertretenem Verständnis ist damit nicht ausgeschlossen, dass ein Anspruch auf Gewährung zusätzlicher, nicht gesetzlich festgelegter Alimentation aus den o.g. Gründen nur dann erfolgreich geltend gemacht werden kann, wenn dies zeitnah im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts geschieht. Von diesem Verständnis ist auch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19.06.2012 (a.a.O.) geprägt, der das Erfordernis einer zeitnahen Geltendmachung im Leitsatz (Nr. 5b) seines Beschlusses aufführt und als Begründung (Randziffer 81 f. bei juris) dazu ausführt, dass wegen der Besonderheiten der Beamtenalimentation eine rückwirkende Heilung des Verstoßes gegen den Alimentationsgrundsatz sich auf diejenigen Beamten beschränken kann, welche den ihnen zustehenden Alimentationsanspruch, der sich nicht aus dem Besoldungsrecht ergibt, während des jeweils laufenden Haushaltsjahres (gerichtlich) geltend gemacht haben.

Im konkreten Fall der Klägerin steht dem gefundenen Ergebnis auch nicht der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz hinsichtlich der Durchsetzung ihrer Ansprüche aus dem Unionsrecht entgegen. Dieser besagt (EuGH, Urteil vom 08.07.2010 -  C-246/09 - NJW 2010, 2713 [EuGH 08.07.2010 - Rs. C-246/09]), dass Verfahrensmodalitäten nicht so ausgestaltet sein dürfen, dass sie es der Klägerin praktisch unmöglich machen oder es für sie übermäßig erschweren, ihre durch die Gemeinschaftsrechtsordnung eingeräumten Rechte zu verwirklichen. Die Klägerin hatte hier die Möglichkeit, ihre Ansprüche auf Familienzuschlag durch eine Rüge beim Dienstherrn zu sichern und den Anspruch auch gerichtlich geltend zu machen. Sie hat diese Rüge im Jahre 2005 auch erhoben. Die Klägerin ist von ihrem Dienstherrn auch nicht davon abgehalten worden, ihre Rechte zeitlich früher geltend zu machen. Dieser Einschätzung legt das Gericht den Vortrag der Klägerin zugrunde, sie habe bereits im Juni 2003 bei der für sie zuständigen Sachbearbeiterin der Landesschulbehörde angerufen und ihr telefonisch mitgeteilt, ihr Familienstand werde sich durch Eingehen einer Lebenspartnerschaft alsbald ändern. Ihr sei daraufhin mitgeteilt worden, die Übersendung der Lebenspartnerschaftsurkunde sei nicht erforderlich. Dieses – hier unterstellte – Verhalten einer Amtswalterin des Dienstherrn ist nicht ursächlich dafür geworden, dass die Klägerin ihre besoldungsrechtlichen Ansprüche nicht frühzeitiger geltend machen konnte. In dem Zeitpunkt des Telefonats im Juni 2003 war die Auskunft der Sachbearbeiterin zutreffend. Eine Übersendung der Lebenspartnerschaftsurkunde hätte nämlich ein zeitnahes Geltendmachen des Anspruchs auf Familienzuschlag der Stufe 1 nicht begründet. Dies gilt auch in Ansehung der später erfolgten Erlassregelung, wonach im Übersenden der Lebenspartnerschaftsurkunde das Geltendmachen des besoldungsrechtlichen Anspruches zu sehen ist. Im Juni 2003 gab es nämlich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt für Beamte in einer Lebenspartnerschaft einen Anspruch auf einen Familienzuschlag der Stufe 1. Eine solche Regelung sah damals, wie oben ausgeführt, weder das Besoldungsrecht vor, noch konnte sich die Klägerin damals auf Unionsrecht berufen. Die Umsetzungsfrist für die Richtlinie war noch nicht abgelaufen, sie endete erst sechs Monate später. Auch wenn die Klägerin alsbald nach Eingehen der Lebenspartnerschaft die Urkunde übersandt und einen Anspruch auf Familienzuschlag geltend gemacht hätte, hätte ein solches Begehren nur abgelehnt werden können. Ein rein vorsorgliches Geltendmachen eines gesetzlich nicht geregelten Besoldungsanspruchs ist ebenfalls nicht geeignet, Rechte aus einem erst später entstehenden Anspruch zu wahren. Für den hier noch streitigen Zeitraum war deshalb nach alldem die Klage abzuweisen.

Die einheitlich zu treffende Kostenentscheidung führt dazu, dass die Klägerin die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen hat, soweit ihre Klage abzuweisen war. Im Übrigen entspricht es Billigkeitsgrundsätzen gemäß § 161 Abs. 2 VwGO, die Beklagte mit den Verfahrenskosten zu belasten. Sie hat für einen Zeitraum, der etwa drei Viertel der ursprünglichen Klageforderung umfasst, die Klägerin klaglos gestellt und sich damit in die Rolle eines Unterlegenen begeben, ohne dass sich im Verlaufe des Rechtsstreits die Sach- oder Rechtslage geändert hätte. Aus diesen Erwägungen folgt die ausgesprochene Kostenverteilung. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 167 VwGO.