Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 02.04.2009, Az.: 6 U 118/08

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
02.04.2009
Aktenzeichen
6 U 118/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 50569
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - 12.11.2009 - AZ: V ZR 76/09

Tenor:

Das Versäumnisurteil des Senats vom 16. Dezember 2008 wird aufrechterhalten.

Die Beklagte trägt die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 127.861,70 € festgesetzt.

Gründe

A.

1

Der Kläger nimmt die Beklagte aus ungerechtfertigter Bereicherung in Anspruch.

2

Die am 19. Oktober 2000 verstorbene Mutter der Parteien Ingeborg B und ihr am 17. November 1986 vorverstorbener Ehemann Heinz-Joachim B, der Vater der Parteien, hatten als weiteres Kind die Tochter Christine S. Die Erblasserin hatte weiter den Sohn Bernd-Dieter G. Dieser verzichtete in notarieller Urkunde vom 8. Februar 1986 ihr gegenüber auf seinen Erb- und Pflichtteil. Durch Erbvertrag vom 15. April 1986 setzten die Eltern einander als alleinige Voll- und den Kläger als Erben des Überlebenden von ihnen vertragsmäßig ein. Außerdem vermachten sie, wie es heißt: „das bewegliche Vermögen wie Hausrat, Schmuck, Wertpapiere und Bargeld“ an ihre drei Kinder zu gleichen Teilen. In notarieller Urkunde vom selben Tage verzichteten die Beklagte und ihre Schwester Christine den Testierenden gegenüber zugunsten des Klägers auf ihren Erb- und Pflichtteil nach diesen. Der Kläger verpflichtete sich dafür zur Zahlung einer Abfindung von je 15.000 DM an seine Schwestern.

3

Am 2. Oktober 1990 erteilte die Erblasserin der Beklagten Vollmacht zur Erledigung der Grundstücksangelegenheiten M, Groß O und Neu H unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB. Die Erblasserin erhielt die vorbezeichneten enteigneten Grundstücke aufgrund von Ansprüchen nach dem Vermögensgesetz zu Eigentum. Aufgrund notarieller Verträge vom 25. Februar und 13. Mai 1993 übertrug die Beklagte sich die Grundstücke durch In-sich-Geschäft. Im Jahre 1994 veräußerte sie diese für insgesamt 875.200 DM. Die Beklagte verwandte auf die Grundstücke 124.972,73 DM.

4

Der Kläger hat 127.861,70 € nebst Zinsen geltend gemacht, nämlich ein Drittel aus der Differenz der vorbezeichneten Beträge. Er hat sich die Ansicht des Senats aus dem Prozess zwischen Christine S und der Beklagten (1 O 235/03 LG Lüneburg) zu eigen gemacht, die Grundstücke seien den drei Geschwistern zu gleichen Teilen vermacht gewesen. Der Kläger hat vorgetragen, er habe erst durch den Schriftwechsel Anfang 2003 von den seitens der Beklagten vereinnahmten Erlösen und deren Höhe erfahren. - Die Beklagte hat Abweisung der Klage erstrebt. Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben und behauptet, dem Kläger sei unmittelbar nach Anfall der Erbschaft an ihn im Jahre 2000 bekannt gewesen, dass die Erlöse nicht der Erblasserin zugeflossen, sondern bei ihr - der Beklagten - verblieben seien. Die Beklagte hat weitere Abzüge von 128.155,85 € geltend gemacht, darunter mindestens 100.000 DM, von denen sie behauptet, sie habe sie aus den Erlösen an die Erblasserin gezahlt.

5

Am 28. Dezember 2006 hat das Landgericht die Bekanntgabe des Antrags des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klage an die Beklagte veranlasst. Es hat die Parteien persönlich gehört und Zeugen vernommen zu der Frage, wann der Kläger erfahren hat, dass die Beklagte die Grundstücke für sich verwertet hat. Die Beklagte hat erklärt, sie habe dem Kläger zeitnah zu den Verkäufen berichtet, dass sie den Verkaufserlös erhalten habe. - Der Kläger hat erklärt, er habe von dem Verkauf, wie er glaube, 2002 erfahren; im Jahre 2001 sei besprochen worden, dass jedes der drei Geschwister 40.000 € aus dem Erlös erhalten solle, weil die Beklagte das Geld bei Anlagegeschäften verloren habe; dieses Gespräch könne auch im Jahre 2003 stattgefunden haben. - Die Tochter der Beklagten hat als Zeugin bekundet, bei dem 70. Geburtstag der Erblasserin 1995 sei das Thema „Geld“ angeschnitten worden, von wem, wisse sie nicht; wenn sie einen solchen Vorfall schildern solle, könne sie sagen, dass auf Geburtstagen gesprochen worden sei, wie es aussehe, wie die Lage sei, was das Geld mache. Der Ehemann der Beklagten hat als Zeuge ausgesagt, er habe dem Kläger gesagt, das alles verkauft und das Geld angelegt sei; mehr habe es nicht zu reden gegeben. Die Zeugin P hat bekundet, die Erblasserin habe ihr bis zu ihrem Tode erzählt, dass sich mit dem Geld, welches sie nach der Wende kriege, noch nichts ergeben habe. Die Schwester der Parteien hat als Zeugin ausgesagt, der Kläger habe sie am 15. Januar 2004 zu ihrem Geburtstag angerufen, als sie ihm erstmals berichtet habe, die Beklagte habe die Grundstücke verkauft; er sei „aus allen Wolken gefallen.“ - Wegen der weiteren Einzelheiten der Parteianhörung und der Beweisaufnahme verweist der Senat auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 19. Mai 2008 (Bl. 179 - 187 R d.A.).

6

Im Schriftsatz vom 2. Juni 2008 nach Schluss der Verhandlung hat die Beklagte behauptet, der Kläger sei Ende 2001 in der Tankstelle ihres Schwiegersohnes - ihn benennt sie dafür als Zeugen - erschienen und habe sich lautstark dazu geäußert, dass die Grundstücke in M ja längst verkauft seien und das Geld weg sei.

7

Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ohne Berücksichtigung des Vorbringens in dem Schriftsatz vom 2. Juni 2008 hat das Landgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. - Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe der Senat sich zur näheren Sachdarstellung bezieht, wendet die Beklagte sich mit der Berufung, mit welcher sie nach Einspruch gegen das zu ihrem Nachteil ergangene Versäumnisurteil des Senats ihr Ziel weiterverfolgt. - Der Kläger begehrt Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils.

8

Wegen des weiteren Parteivorbringens verweist der Senat auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen.

B.

9

Die Berufung ist unbegründet.

10

Der Kläger hat als Alleinerbe der am 19. Oktober 2000 verstorbenen Mutter der Parteien Ingeborg B gegen die Beklagte dem Grunde nach Anspruch auf Ersatz eines Drittels deren Nettoerlöses aus der Veräußerung der Grundstücke in M, O und Neu H, welche die Erblasserin nach dem Vermögensgesetz zu Eigentum erhalten hatte, aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, § 818 Abs. 2 Fall 2, § 1922 Abs. 1 BGB).

11

1. Die Voraussetzungen dieses Anspruchs sind erfüllt.

12

a) Die Beklagte hat etwas erlangt. Sie hat das Eigentum an den drei Grundstücken erworben.

13

b) Dieses ist in sonstiger Weise auf Kosten der Erblasserin ohne rechtlichen Grund geschehen. Die Rechtsgeschäfte, welche der Übertragung der Grundstücke von der Erblasserin auf die Beklagte zugrunde liegen, sind wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig (§ 138 Abs. 1 BGB). Die Beklagte hat sich aufgrund der Vollmacht, welche die Erblasserin ihr am 2. Oktober 1990 unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt hatte, durch Einigung mit sich als Vertreterin der Erblasserin in deren Namen sich selbst gegenüber verpflichtet, sich die Grundstücke zu übertragen, ohne dass die Erblasserin damit einverstanden war. Deren Einverständnis lässt sich, anders als die Beklagte meint, der Erteilung der Vollmacht nicht entnehmen. Diese gab der Beklagten nur die rechtliche Möglichkeit, im Namen der Erblasserin sich selbst gegenüber Willenserklärungen abzugeben (§ 164 Abs. 1, § 181 BGB), nicht aber die rechtliche Befugnis dazu im Verhältnis zur Erblasserin, die sich allein nach demjenigen Rechtsverhältnis richtete, das der Erteilung der Vollmacht zugrunde lag und zu welchem die Beklagte mit Substanz nichts vorgetragen hat. Vielmehr geht aus dem Vorbringen der Beklagten nicht hervor, dass die Erblasserin der Beklagten die Grundstücke schenken, sondern, dass sie sie lediglich mit deren Verwertung für sich - die Erblasserin - beauftragen wollte. Die Beklagte hat persönlich vor dem Landgericht erklärt, die Erblasserin habe gewollt, dass sie - die Erblasserin - beim Verkauf das Geld bekomme. - Sie hat mit Anwaltsschreiben vom 4. April 2005 (Bl. 29 f. d.A. 1 O 235/03 LG Lüneburg) nur auf ihr Verkaufsgeschick verwiesen und Ersatz der ihr entstandenen Auslagen im Zusammenhang mit den Verkäufen von etwa 30.000 DM, aber keine Schenkung der Grundstücke durch die Erblasserin an sie geltend gemacht. Die Grundstücke sind auf sie übertragen nicht als Geschenk, sondern „im Wege der vorweggenommenen Erbfolge“, obwohl die Beklagte die Erbfolge nach der Erblasserin nicht antreten konnte. Durch Erbvertrag vom 15. April 1986 war der Kläger vertragsmäßig zum Alleinerben der Erblasserin bestimmt, in notarieller Urkunde vom selben Tage hatte die Beklagte auf Erb- und Pflichtteil nach der Erblasserin verzichtet. - Die Beklagte hat zugestanden, sie habe sich darum kümmern sollen, dass die Ansprüche der Erblasserin nach dem Vermögensgesetz nicht verfielen, und dementsprechend mindestens 100.000 DM aus dem Verkaufserlös an die Erblasserin abgeführt, wofür die Beklagte keinen Grund hatte, wenn die Erblasserin ihr die Grundstücke geschenkt hätte.

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c) Der Anspruch des Klägers ist auf Wertersatz in Geld gerichtet. Der Beklagten ist nicht möglich, die Grundstücke auf den Kläger zu übertragen. Sie hat sie veräußert.

15

d) Die Verpflichtung zum Wertersatz ist nicht aus dem Grunde ausgeschlossen, dass die Beklagte nicht mehr bereichert ist (§ 818 Abs. 3 BGB). Sie hat nur Anspruch auf Ersatz ihrer notwendigen Verwendungen für die Grundstücke (§ 994 Abs. 1 Satz 1, § 292 Abs. 2, § 819 Abs. 1 Fall 1 BGB), welcher den Anspruch des Klägers - unter Einschluss dessen, was sie zu dessen Erfüllung bereits an die Erblasserin geleistet zu haben behauptet, und desjenigen Drittels, das ihr als Vermächtnis der Erblasserin zu ihren Gunsten verbleiben muss - nicht erschöpft. Die Beklagte kannte den Mangel des rechtlichen Grundes, als sie sich die Grundstücke übertrug. Das ergibt ihr eigenes Vorbringen, das entgegen ihrer rechtsirrigen Ansicht, die ihre Kenntnis der allein maßgeblichen Tatsachen nicht ausschließt, keine Rechtfertigung für die Übertragung enthält.

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2. Die Beklagte ist nicht aufgrund der von ihr erhobenen Einrede der Verjährung berechtigt, die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB). Verjährung des Anspruchs, den der Kläger geltend macht, ist nicht eingetreten. Die Veranlassung der Bekanntgabe des von dem Kläger gestellten Antrags, ihm Prozesskostenhilfe für die Klage zu bewilligen, an die Beklagte durch das Landgericht am 28. Dezember 2006 hat die Verjährung gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 14 Halbs. 1 BGB). Die dreijährige Verjährung (§ 199 Abs. 1 BGB), welche am 1. Januar 2002 die dreißigjährige Verjährung (§ 195 BGB a.F.) abgelöst hat (Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB), die am 15. Februar und 23. Mai 1993 begann, als mit Übertragung der Grundstücke auf die Beklagte der Bereicherungsanspruch der Erblasserin entstand, hat nicht vor Jahresende 2003 begonnen. Die Beklagte hat nicht bewiesen, dass der Kläger bereits zu einem früheren Zeitpunkt als im Jahre 2003 Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen erlangt hat (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

17

a) Sowohl die Parteien als auch die Zeugen Katy L und Reinhard W haben zum Zeitpunkt der ersten Kenntnis des Klägers von der Veräußerung der Grundstücke entweder widersprüchliche oder derart vage Angaben gemacht, dass diesen keine Überzeugungskraft zukommt. Allein die Zeugin Christine S hat konkret bekundet, sie habe dem Kläger am 15. Januar 2004 am Telefon vom Verkauf der Grundstücke berichtet, worauf dieser „aus allen Wolken gefallen“ sei.

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b) Der Zeuge Frank L ist nicht zu der Behauptung der Beklagten zu vernehmen, der Kläger habe sich ihm - dem Zeugen - gegenüber Ende 2001 in dessen Tankstelle lautstark dazu geäußert, dass die Grundstücke in Magdeburg längst verkauft seien und das Geld weg sei. Dieses im Berufungsverfahren neue Verteidigungsmittel ist nicht zuzulassen (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Die Beklagte hat es aus Nachlässigkeit im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht, sondern erst nach Schluss der Verhandlung dort. Ihr hätten bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die in das Wissen des Zeugen Frank L gestellten Tatsachen vor Schluss der Verhandlung vor dem Landgericht bekannt sein müssen. Zu einer sorgfältigen Prozessführung hätte gehört, nicht nur ihre Tochter, sondern auch ihren Schwiegersohn zu fragen, ob er von Äußerungen des Klägers wisse, die auf dessen Kenntnis von der Übertragung der Grundstücke auf sie - die Beklagte - schließen ließen, und wann sie gefallen seien. Das Vorbringen der Beklagten, ihr Schwiegersohn habe mit den Grundstücksangelegenheiten nichts zu tun gehabt, enthob sie nicht der Obliegenheit, außer ihrer Tochter auch ihn zu befragen. Da er nicht anders als die Tochter der Beklagten Familienmitglied war, bestand bei ihm genauso wie bei der Tochter der Beklagten die Möglichkeit, dass der Kläger sich zu dem Erwerb der Grundstücke durch die Beklagte ihm gegenüber geäußert hatte.

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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, § 711 Satz 1, 2 ZPO. - Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) nicht vorliegen.