Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.04.2009, Az.: 22 W 14/09
Übertragung der persönlichen Anhörung des Abzuschiebenden auf den ersuchten Richter
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 28.04.2009
- Aktenzeichen
- 22 W 14/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 17647
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2009:0428.22W14.09.0A
Rechtsgrundlage
- § 5 Abs. 1 FreihEntzG
Fundstellen
- FGPrax 2009, 188
- OLGR Celle 2009, 612
Amtlicher Leitsatz
Die nach § 5 Abs. 1 FreihEntzG gebotene persönliche Anhörung kann jedenfalls dann auf einen ersuchten Richter übertragen werden, wenn der Betroffene aus Anlass der kurz bevor stehenden Abschiebung bereits in eine mehrere hundert Kilometer entfernt belegene, grenznahe Vollzugsanstalt überstellt worden ist.
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F. aus H. wird abgelehnt.
Die weitere sofortige Beschwerde der Betroffenen wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Betroffene trägt die Kosten des weiteren Beschwerdeverfahrens.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
1. Die - zwischenzeitlich aus der Haft entlassene - Betroffene wendet sich mit ihrer weiteren sofortigen Beschwerde gegen einen Beschluss des Landgerichts H., mit dem die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ha. vom 26. November 2008 zurückgewiesen wurde. Die Betroffene rügt einen Verstoß gegen den in Haftsachen zu beachtenden Beschleunigungsgrundsatz sowie einen Verstoß gegen die Pflicht zur persönlichen Anhörung nach Maßgabe von § 5 Abs. 1 FreihEntzG.
2. Das mit dem Feststellungsbegehren weiter verfolgte Rechtsmittel der weiteren sofortigen Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nach § 27 Abs. 1 FGG stand. Die Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes. Das Landgericht ist aufgrund der getroffenen Feststellungen frei von Rechtsfehlern zu dem Ergebnis gelangt, dass die vom Amtsgericht angeordnete Abschiebungshaft verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und auch sonst aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist. Entsprechendes gilt für die angefochtene Entscheidung des Landgerichts. Das Vorbringen der weiteren sofortigen Beschwerde greift demgegenüber nicht durch.
a) Dies gilt zunächst, soweit die Betroffene rügt, das Landgericht habe sich entgegen der Vorschrift des § 5 Abs. 1 FreihEntzG keinen persönlichen Eindruck von der Betroffenen verschafft, sondern durch einen ersuchten Richter am Amtsgericht D. anhören lassen. Die Betroffene bemüht für ihre Auffassung die Kommentierung in Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl., § 5 FreihEntzG Rn. 2. Hiernach ist eine Anhörung durch einen ersuchten Richter "in aller Regel" ausgeschlossen. Auch die dort zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt (FGPrax 95, 167 [OLG Frankfurt am Main 17.02.1995 - 20 W 61/95]) führt hierzu aus, es sei in Abschiebungshaftverfahren "im allgemeinen" rechtsfehlerhaft, in Ausnahmefällen aber nicht verboten, den Betroffenen durch den ersuchten Richter anzuhören. Dies bedeutet, dass Ausnahmen vom Regelfall der persönlichen Anhörung möglich und zulässig sind. Nach Auffassung des Senats gilt eine solche Ausnahme jedenfalls dann, wenn wie vorliegend die Betroffene aus Anlass der kurz bevor stehenden Abschiebung bereits in eine mehrere hundert Kilometer vom Gericht entfernt belegene, grenznahe Vollzugsanstalt verschubt worden ist. In einem solchen Fall wäre sogar zu erwägen, ob von der an sich gebotenen persönlichen Anhörung nach § 5 Abs. 3 Satz 3 FreihEntzG hätte abgesehen werden können, weil diese nicht ohne erhebliche Verzögerung oder nicht unverhältnismäßige Kosten möglich ist. Das Beauftragen eines ersuchten Richters durch das Landgericht war hiernach nicht nur nicht rechtsfehlerhaft, sondern schon aus Gründen der stets gebotenen Beschleunigung des Verfahrens vielmehr ausgesprochen sachgerecht.
b) Ohne Erfolg bleibt das Rechtsmittel auch, soweit die Betroffene einen Verstoß gegen das in Haftsachen zu beachtende Beschleunigungsgebot rügt. Die Betroffene hat den getroffenen Feststellungen zufolge bereits während des noch laufenden Asylanerkennungsverfahrens vor dem Bundesamt ein Wiederaufnahmeersuchen an die tschechischen Behörden gerichtet, so dass bei dessen Beendigung am 30. Dezember 2008 die Rücküberstellungszusage der tschechischen Behörden bereits vorlag. Auch das nachfolgende Verfahren lässt durchgreifende Verzögerungen nicht erkennen. Soweit die Betroffene in diesem Zusammenhang rügt, ihr Gesundheitszustand sei den tschechischen Behörden nicht rechtzeitig mitgeteilt worden, handelt es sich hierbei zunächst um beschlussfremden und im revisionsähnlich ausgestalteten Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde daher grundsätzlich unbeachtlichen neuen Tatsachenvortrag. Vor allem aber kann die Betroffene hiermit auch im Rahmen einer - als solcher indessen nicht erhobenen - Aufklärungsrüge kein Gehör finden. Denn den getroffenen Feststellungen zufolge hat eine erneute Untersuchung durch den Anstaltsarzt der JVA D. zu dem Ergebnis geführt, dass die Betroffene aus medizinischer Sicht reisefähig ist und der Abschiebung gesundheitliche Probleme nicht entgegen stehen. Weshalb das Landgericht sich vor dem Hintergrund dieses Erkenntnisstandes zu weiteren Ermittlungen zum Gesundheitszustand der Betroffenen nach Maßgabe von § 12 FGG hätte gedrängt sehen müssen, wird nicht ersichtlich. Das von der Betroffenen im Rahmen der weiteren sofortigen Beschwerde ohne weitere Ausführungen vorgelegte Gutachten beruht auf einer im Februar 2009 erst durchgeführten Untersuchung und konnte dem Landgericht bei Treffen seiner Entscheidung nicht bekannt gewesen sein.
3. Prozesskostenhilfe war mangels Erfolgsaussicht nicht zu bewilligen. Im Übrigen fehlt es an der Vorlage der erforderlichen Unterlagen betreffend die wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 13 a Abs. 2 FGG, 14, 15 FreihEntzG.