Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 26.10.1999, Az.: 5 B 3239/99
Antrag auf vorläufige Gestattung zur Teilnahme am Unterricht der 11. Klasse; Zulässigkeit einer Vorwegnahme der Hauptsache im vorläufigen Rechtsschutzverfahren; Fehlen einer Befugnis des Gerichts zur uneingeschränkten Überprüfung der Bewertungen der Leistungen
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 26.10.1999
- Aktenzeichen
- 5 B 3239/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 31506
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:1999:1026.5B3239.99.0A
Rechtsgrundlage
- § 123 Abs. 1 VwGO
Fundstellen
- SchuR 2004, 117 (Volltext mit amtl. LS)
- SchuR 2003, 80-81
Verfahrensgegenstand
Versetzung - vorläufiger Rechtsschutz
Das Verwaltungsgericht Oldenburg - 5. Kammer - hat
am 26. Oktober 1999
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Der nach § 123 Abs. 1 VwGO zu beurteilende Antrag bleibt ohne Erfolg.
Nach dieser Vorschrift kann die Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nur ergehen, wenn die - hier nicht zweifelhafte - Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) und ein materiell-rechtlicher Anspruch auf die erstrebte Rechtsfolge (Anordnungsanspruch) glaubhaft gemacht wurden, §§ 123 Abs. 1, Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 ZPO.
Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.
Eine einstweilige Anordnung hat sich - wie sich bereits aus dem Wortlaut ergibt -grundsätzlich auf die Regelung eines vorläufigen Zustandes zu beschränken. Das Begehren der Antragstellerin, ihr vorläufig bis zum bestands- bzw. rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens oder eines etwaigen Klageverfahrens die Teilnahme am Unterricht der 11. Klasse des Antragsgegners zu gestatten, nimmt die Hauptsache vorweg, weil ihr damit - wenn auch nur vorläufig - bereits das ermöglicht würde, was sie bei einem Obsiegen in der Hauptsache erstreiten könnte. Wegen des verfassungsrechtlichen Gebots der Gewährung effektiven Rechtsschutzes ist allerdings auch eine Vorwegnahme der Hauptsache schon im vorläufigen Rechtsschutzverfahren dann zulässig und geboten, wenn neben der besonderen Dringlichkeit überwiegende Erfolgaussichten in der Hauptsache bestehen. Das ist hier nicht der Fall, die Entscheidung des Antragsgegners, die Antragstellerin nicht in die 11. Klasse nicht zu versetzen, wird nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich rechtlich nicht zu beanstanden sein.
Die Entscheidung der Klassenkonferenz vom 15. Juli 1999, die Antragstellerin nicht in die 11. Klasse zu versetzen, findet ihre Rechtsgrundlage in § 2 der Versetzungsverordnung vom 19. Juni 1995 (Nds.GVBl. 1995, Seite 184). Danach ist ein Schüler zu versetzen, wenn die Leistungen in allen Pflicht- und Wahlpflichtfächern mindestens mit "ausreichend" bewertet worden sind. Diese Voraussetzungen erfüllt die Antragstellerin nicht, denn ihre Leistungen wurden in den Fächern Geschichte, Mathematik und Physik mit "mangelhaft" bewertet. Die in § 4 der Versetzungsverordnung vorgesehenen Ausgleichsregelungen bei mangelhaften Leistungen in ein bzw. zwei Fächern greifen hier schon deshalb nicht zugunsten der Antragstellerin ein, weil ihre Leistungen in drei Fächern mit "mangelhaft" bewertet wurden. Durchgreifende formelle Mängel sind insoweit nicht ersichtlich. Insbesondere wurde die Versetzungskonferenz ausweislich des Protokolls vom 15. Juli 1999 ordnungsgemäß eingeladen und die Konferenz war beschlussfähig. Eines Eingehens auf die Vermutungen, Spekulationen und Unterstellungen des Vaters der Antragstellerin bedarf es danach nicht.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin gibt es auch keine Veranlassung für die Annahme, der Entscheidung der Versetzungskonferenz hätten keine ordnungsgemäß gebildeten Noten in den Fächern Geschichte und Erdkunde zugrundegelegen.
Das Gericht ist - soweit wie hier fachwissenschaftliche Fragen nicht zweifelhaft sind - nicht befugt, die Bewertungen ihrer Leistungen durch den Fachlehrer uneingeschränkt zu überprüfen, denn die Benotung der Schülerleistungen ist ein pädagogischer Vorgang, der aus der Natur der Sache heraus auf einer persönlichen Einschätzung und Wertung des Fachlehrers beruht, die gerichtlich nur daraufhin überprüft werden kann, ob der Beurteilungsspielraum überschritten wurde, in dem die Notenbildung nicht in einem ordnungsgemäßen Verfahren erfolgte, auf falschen Tatsachen oder der Missachtung allgemein anerkannter Bewertungsmaßstäbe bzw. sachfremder Erwägungen beruht, die die Notenbildung beeinflusst haben und sie mithin willkürlich erscheint. Fehler dieser Art sind nicht ersichtlich. Insbesondere kommt es nicht darauf an, wie der Vater der Antragstellerin Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Fachlehrers einschätzt, welche pädagogischen Vorstellungen er von der Art und Weise der Unterrichtserteilung einschließlich des didaktischen Konzepts und der Unterrichtsinhalte hat, oder wie er selbst die Leistungen seiner Tochter bewertet. Maßgeblich ist ausschließlich das Leistungsbild der Antragstellerin, wie es sich nach der Einschätzung des Fachlehrers darstellt. Danach wurde ihre Leistung im Fach Geschichte im ersten Halbjahr im schriftlichen und im mündlichen Bereich jeweils mit 4 - 5 bewertet und sie hat im ersten Halbjahr insgesamt ein schwaches "ausreichend" erzielt. Im zweiten Halbjahr hat die Antragstellerin eine mit "mangelhaft" bewertete schriftliche Arbeit angefertigt und ihre mündlichen Leistungen wurden mit 4 - 5 sowie mit 5 benotet. Der Fachlehrer hat dazu ausgeführt, die Leistungsbewertung sei unter Berücksichtigung der Geschichtsmappe erfolgt. Die Kammer sieht keinen Grund, hieran zu zweifeln. Allein die gegenteilige Behauptung der Antragstellerin, der Geschichtslehrer habe die Geschichtsmappe nicht abgezeichnet und daraus folge, dass er sie nicht eingesehen habe, reicht insoweit nicht aus, denn es ist ebenso denkbar, dass schlicht die Abzeichnung vergessen wurde. Auch die Behauptung, sie hätte mindestens befriedigende Leistungen erzielt, wenn - richtlinienkonform - die Geschichte des 20. Jahrhunderts gelehrt worden wäre, liegt ebenso neben der Sache, wie die bildungspolitischen Erwägungen ihres Vaters und dessen Angriffe gegen die fachliche Kompetenz des Lehrers.
Nach allem ist es durchaus nachvollziehbar und plausibel, dass der Fachlehrer aus den genannten Noten im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin nach dessen Einschätzung weder aus Eigeninitiative noch auf persönliche Ansprache oder Aufforderung persönliche Beiträge gezeigt habe, als Gesamtjahresnote ein "mangelhaft" gebildet hat. Die Einschätzung des Vaters der Antragstellerin, deren mündliche Leistungen könnten wegen der intensiven Vorbereitung nicht mangelhaft gewesen sein, ist nicht geeignet, Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Benotung zu begründen. Im Rahmen der oben näher dargelegten Prüfungskompetenz des Gerichts feststellbare Fehler sind daher nach allem nicht gegeben.
Gleiches gilt für die Ermittlung der Mathematik-Note. In diesem Fach hat die Antragstellerin in sechs schriftlichen Lernkontrollen dreimal "mangelhaft" und "dreimal" ausreichend erzielt, ihre mündlichen Leistungen wurden durch den Fachlehrer wegen sehr geringer Beteiligung, die zudem kaum weiterführende Gedanken habe erkennen lassen, zweimal mit "mangelhaft" beurteilt. Der daraus gebildeten Gesamtjahresnote "mangelhaft" ist die Antragstellerin nicht substantiiert entgegengetreten und das erkennende Gericht vermag auch insoweit keine Fehler der oben genannten Art bei der Notengebung festzustellen.
Da nach allem Mängel bei der Notenbildung nach der sich dem Gericht in diesem auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichteten Verfahren darbietenden Sachlage nicht feststellbar sind, kommt es auf die vielfältigen von der Antragstellerin gerügten formellen Mängel nicht mehr an, zumal nicht dargetan wurde, inwieweit diese auf die für die erstrebte Versetzung allein maßgebliche Leistungsbewertung von Einfluss gewesen sein sollten. Das Gericht sieht daher keine Veranlassung, beispielsweise auf die Frage der Ausstellung des Zeugnisses, des Erkenntnisstandes der nicht stimmberechtigten Mitglieder der Versetzungskonferenz über die Folge einer Nichtversetzung, die Vertraulichkeit der Zeugniskonferenz usw. näher einzugehen.
Das Begehren der Antragstellerin, ihr hilfsweise eine Nachprüfung nach der am 01. August 1999 in Kraft getretenen Fassung der Versetzungsverordnung zu ermöglichen, bleibt ebenfalls ohne Erfolg, denn die Voraussetzungen dafür sind, ungeachtet des Umstandes, dass diese Regelung erst für das Schuljahr 1999/2000 greift, auch deshalb nicht erfüllt, weil danach eine Nachprüfung für Schüler, die wie die Antragstellerin in drei Fächern mangelhafte Leistungen erbracht haben, nicht vorgesehen ist.
Nach allem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Wörl
Keiser