Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 10.12.2008, Az.: 5 A 185/07

Rechtsgrundlage für die konkrete Anordnung über das Kenntlichmachen einer Anwendung von Sauerstoff in einer Druckbehandlung für Fleisch zum Zweck der vorübergehenden Farbstabilisierung; Beurteilung einer Angabe oder Aufmachung als irreführend aus der Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
10.12.2008
Aktenzeichen
5 A 185/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 30141
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2008:1210.5A185.07.0A

Verfahrensgegenstand

Lebensmittelrecht

Redaktioneller Leitsatz

Eine Anordnung der unteren Lebensmittelüberwachungsbehörde, wonach sauerstoffhochdruckbehandeltes, nicht verpacktes Fleisch, das an der Verkaufstheke in Fleischereifachabteilungen angeboten wird, eine Kennzeichnung über die Sauerstoffbehandlung zur Farbstabilisierung erhalten muss, ist rechtmäßig. Die Kennzeichnungspflicht folgt aus der Generalklausel des § 11 Abs. 1 S. 1 i.V.m. S. 2 Nr. 1 LFGB.

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 5. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2008
durch
die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Schlingmann-Wendenburg,
die Richterin am Verwaltungsgericht Düfer,
den Richter Röllig sowie
die ehrenamtlichen Richter Frau D. und Herr E.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob sauerstoffhochdruckbehandeltes, nicht verpacktes Fleisch, das an der Verkaufstheke in Fleischereifachabteilungen angeboten wird, eine Kennzeichnung über die unter Hochdruck mit dem Ziel einer zeitweisen Farbstabilisierung erfolgende Sauerstoffbehandlung enthalten muss.

2

Der Kläger betreibt einen Lebensmitteleinzelhandel mit einer Bedienungstheke, an der dem Verbraucher loses, nicht vorverpacktes Fleisch angeboten wird. Dabei handelt es sich auch um frisches Fleisch, das nach einem patentierten Verfahren der Firma F. unter Druck einer speziellen, mit reinem Sauerstoff angereicherten Gasatmosphäre behandelt worden ist.

3

Das Verfahren der Firma G. ist geeignet zur Farbstabilisierung von Rind-, Schweine-, Kalbs- und Lammfleisch. Bei dem Verfahren wird reiner Sauerstoff unter hohem Druck in einer geschlossenen Anlage in den Fleischmuskel eingebracht, was eine dauerhaft stabile Form des Fleischfarbstoffes Myoglobin erhalten soll. Die farbstabilisierende Wirkung der Behandlung mit Sauerstoff beruht auf der Erhöhung des Anteils an Oxymyoglobin in den Fleischstücken, welches ein Reaktionsprodukt (Umwandlungsprodukt des Fleischfarbstoffes Myoglobin mit dem zugeführten Sauerstoff) darstellt. Durch die hohe Sauerstoffkonzentration im gesamten Fleisch wird der Verbrauch des Restsauerstoffes bei offener Lagerung des Fleisches bis zu vier bis fünf Tage verzögert bzw. die Fleischfarbe über diesen Zeitraum stabilisiert. Das Verfahren ist damit geeignet, die optischen Eigenschaften von verkaufsfertig portioniertem Fleisch über einen Zeitraum von mindestens vier Tagen stabil zu halten, ohne zu einer Veränderung in der Zusammensetzung der Myoglobinpigmente zu führen, die über die natürliche biologische Schwankungsbreite von Rindfleisch hinausgeht. Verglichen mit frischem Fleisch, das dieser sauerstoffangereicherten Atmosphäre nicht ausgesetzt wurde, zeigt das sauerstoffdruckbehandelte Fleisch keine Tendenz zum "Vergrauen", sondern behält länger eine kräftige rote Farbe.

4

Am 05.06.2007 beanstandete der Lebensmittelkontrolleur des Beklagten im Rahmen einer amtlichen Veterinär- und Lebensmittelkontrolle in der Filiale des Klägers, dass dieser am Tresen sauerstoffbehandeltes Fleisch anbot, ohne den Verbraucher auf das Verfahren hinzuweisen (Ziff. 7 des Prüfprotokolls). Auf die Bitte des Klägers um Konkretisierung teilte ihm der Beklagte mit Verfügung vom 11.06.2007 mit, es handele sich bei frischem, mit Sauerstoffdruck behandeltem Fleisch um ein behandeltes Produkt und damit um eine Fleischzubereitung im Sinne von Anhang I Nr. 1.15 der Verordnung (EG) 853/2004. Die Veränderung des Produktcharakters müsse nach § 4 Abs. 1 der Lebensmittelkennzeichnungs-Verordnung (im Folgenden "LMKV" genannt) in geeigneter Weise mit der Verkehrsbezeichnung kenntlich gemacht werden. Die Anwendung von Sauerstoff in einer Druckbehandlung werde bei fehlender Kenntlichmachung als irreführend im Sinne von § 11 Abs. 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) beurteilt. Mit einer Rechtsmittelbelehrung war die Verfügung nicht versehen.

5

Gegen Ziff. 7 des Prüfberichts vom 05.06.2007 i.V.m. der Verfügung vom 11.06.2007 hat der Kläger am 13.07.2007 Klage erhoben.

6

Der Kläger ist der Ansicht, es gäbe keine gesetzliche Grundlage, die dem Beklagten im vorliegenden Fall ein Einschreiten ermögliche. In § 4 LMKV finde sich keine Ermächtigungsgrundlage, denn nach § 1 Abs. 1 LMKV gelte die Verordnung nur zur Kennzeichnung von Lebensmitteln in Fertigpackungen, die dazu bestimmt seien, an Verbraucher abgegeben zu werden. Da sich das vom Beklagten beanstandete Fleisch als lose Ware im Verkaufsbereich der Fleischtheke befinde, scheide eine Heranziehung von Vorschriften der LMKV aus. Die Regelung für die vorverpackte Ware erlaube allerdings einen Aufschluss über die Regelungsabsicht des Gesetzgebers. Dieser habe jüngst mit Wirkung zum 15.08.2007 eine Änderung der LMKV vorgenommen, wonach gem. § 4 Abs. 5 LMKV n.F. die Verkehrsbezeichnung durch die Angabe "aufgetaut" ergänzt worden sei, wenn das Lebensmittel zuvor gefroren gewesen und die Unterlassung einer solchen Angabe geeignet gewesen sei, beim Verbraucher einen Irrtum herbeizuführen. Dieser Änderung sei eine Diskussion im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens vorangegangen, wonach § 4 Abs. 5 LMKV zunächst nicht nur durch die Angabe "aufgetaut", sondern über den "physikalischen Zustand des Lebensmittels" ergänzt werden sollte und hierfür in der Begründung als Beispiele die Hinweise "aufgetaut", "tiefgekühlt", "pulverförmig", "gefriergetrocknet" und "konzentriert" gegeben worden seien. Daraus werde das Bewusstsein des Gesetzgebers dafür deutlich, dass Lebensmittel bestimmte physikalische Anwendungen erfahren, die vom Kennzeichnungsrecht nicht erfasst würden. Für den Bereich der fertig verpackten Ware (um die es vorliegend aber gar nicht gehe) habe der Gesetzgeber zwar einen Handlungsbedarf für die Kennzeichnung von bestimmten physikalischen Anwendungen erwogen, diesen dann aber mit Ausnahme des Auftauhinweises wieder verworfen. Dies zeige, dass er bewusst eine Regelung nicht habe einführen wollen. Ebenso komme schon bei fertig verpackter Ware eine Kennzeichnung des Sauerstoffs als Zutat ins Zutatenverzeichnis nach §§ 5 und 6 LMKV nicht in Betracht, denn beim Sauerstoff handele es sich um eine so genannte "flüchtige Zutat", durch die sich der Gewichtsanteil des Fleisches nicht erhöhe. Eine Kennzeichnungspflicht könne auch nicht aus der Richtlinienbestimmung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Europäischen Etikettierungs-Richtlinie 2000/13 EG hergeleitet werden. Diese Regelung sei bislang nicht in deutsches Recht umgesetzt worden und könne daher in Deutschland unmittelbare Rechtspflichten nicht begründen.

7

Ein Rückgriff auf allgemeine Generaltatbestände wie § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB sei daher aus rechtssystematischen Erwägungen heraus unzulässig. Außer im Bereich der aufgetauten Ware und dort auch nur der verpackten Ware sei eine Kennzeichnungsverpflichtung vom Gesetzgeber nicht gewollt. Diese gesetzgeberische Zielsetzung werde unterlaufen, wenn Überwachungsbehörden, wie der Beklagte das abschließende und spezifisch ausformulierte Kennzeichnungsrecht "ausweiten" könnten. Dass das Kennzeichnungsrecht gerade für den Bereich der losen Ware abschließend geregelt sei, belege die Ausgestaltung von § 9 der Zusatzstoff-Zulassungsverordnung (im Folgenden ZZulV) in deren Absätzen 1-5 sich die einzigen Kennzeichnungspflichten finden würden, die einen Inverkehrbringer von loser Ware treffen. Selbst wenn man Sauerstoff als Zusatzstoff im Sinne der ZZulV ansehen würde, finde sich in § 9 ZZulV keine Regelung nach der die Kennzeichnung von Sauerstoff vorgeschrieben sei. Soweit § 9 Abs. 7 der ZZulV die Kennzeichnung des Einsatzes von Schutzgasatmosphären, die die Haltbarkeit von Lebensmitteln verlängern, verlange, gelte dies wiederum nur für Lebensmittel, die in Fertigpackungen verpackt seien. Hier würden im Rahmen der Kennzeichnungspflichten sogar die Schutzgasverpackungen privilegiert werden, denn dort genüge die Angabe "unter Schutzatomsphäre verpackt". Die Sauerstoffanwendung werde im Bereich der fertig verpackten Ware zwar gekennzeichnet, aber irreführend, weil der Verbraucher der Angabe "unter Schutzatmosphäre verpackt" nicht entnehmen könne, dass mit der Begasung durch reinen Sauerstoff farbstabilisierende Wirkungen wie beim H. -Verfahren verbunden seien. Im Gegenteil bemesse der Verbraucher der "Schutzatmosphäre" noch ein zusätzliches Leistungsplus des Verpackers bei, beispielsweise eine besondere mikrobiologische Qualität, die so nicht gegeben sei. Mit der Regelung in § 9 Abs. 7 ZZulV habe der Verordnungsgeber zum Ausdruck gebracht, dass er die Verlängerung der Aufrötung von frischem Fleisch kenne und eine Kenntlichmachung dieses Effekts gegenüber dem Verbraucher mit der Aussage "unter Schutzatomsphäre verpackt" für hinreichend halte, um die erforderliche Verbraucherinformation zu gewährleisten. Was im Bereich der fertig verpackten Ware gelte, müsse im Bereich der - mit Blick auf Kennzeichnungspflichten grundsätzlich privilegierten - losen Ware erst recht gelten. Im Unterschied zur fertig verpackten Ware werde der Verbraucher beim Kauf von loser Ware vom Verkaufspersonal über sämtliche relevanten Fakten zu dem angebotenen Erzeugnis informiert. Abgesehen davon, dass ein Rückgriff auf § 11 LFGB nicht möglich sei, weil es das differenzierte Kennzeichnungsrecht umgehen und aushebeln würde, liege hier auch eine Irreführung des Verbrauchers nicht vor. Nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 c LFGB sei es verboten, Lebensmittel, die geeignet seien, den Anschein einer besseren als der tatsächlichen Beschaffenheit zu erwecken, ohne ausreichende Kenntlichmachung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen. Diese Voraussetzung sei bei dem sauerstoffdruckbehandelten Fleisch nach dem H. -Verfahren nicht gegeben. Die Verbrauchererwartung sei insoweit von einer irrigen Grundannahme geprägt, nach der nur hellrot gefärbtes Fleisch von guter Qualität sei. Der Verbraucher von heute unterliege bei der optischen Beurteilung von frischem Fleisch einer grundlegenden Fehlvorstellung. Nachdem die oben genannten Schutzgasverpackungen auf Grund ihrer jahrzehntelangen Marktdominanz die Verbrauchererwartungen fehlgehend geprägt hätten, könne eine berechtigte Erwartung des Verbrauchers durch Produkte, die mittels des H. -Verfahrens hergestellt würden, nicht mehr enttäuscht werden. Eine Verbrauchererwartung, die selbst eine Fehlvorstellung darstelle, könne nicht Maßstab für die Beurteilung einer möglichen Irreführung sein. Sowohl für Schutzgasatmosphären im Sinne von § 9 Abs. 7 ZZulV als auch für das H. -Verfahren gelte, dass kein Farbton erzeugt werden könne, den frisches Fleisch nicht auch im Kontakt mit Umgebungsluft zeige, die Aufrötung durch die Zufuhr von reinem Sauerstoff jedoch länger halte, die Aufrötung vor Erreichen des Endes der Haltbarkeit verschwunden sei und keine Aufrötung bei solchem Fleisch herbeigeführt werden könne, das bereits Farbveränderungen durch die Bildung von Mitmyoglobin aufgewiesen habe. Schließlich mache auch ein Vergleich zur Allergenkennzeichnung die Unzulässigkeit des Vorgehens des Beklagten deutlich. In Anlage 3 zur LMKV finde sich eine gesetzlich normierte Aufzählung von Stoffen, die im Verdacht stehen, Allergien hervorzurufen. Wie sich jedoch aus § 9 ZZulV ergebe, habe es der Gesetzgeber nicht einmal bei diesen Stoffen für erforderlich gehalten, sie in die Pflichtangaben bei loser Ware aufzunehmen. Demzufolge könne die Kennzeichnung der für den Verbraucher weit weniger wichtigen Behandlung mit Sauerstoff erst recht nicht verlangt werden. Im Übrigen habe der Beklagte auch nicht deutlich gemacht, in welcher Weise der Kläger das von ihm angewandte Verfahren kenntlich zu machen habe. Damit würde sich die angegriffene Verfügung auch als zu unbestimmt erweisen.

8

Der Kläger beantragt,

Ziff. 7 des Prüfberichts des Beklagten vom 05.06.2007 i.V.m. seiner Verfügung vom 11.06.2007 aufzuheben.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Er erwidert:

11

Eine Kennzeichnung der Sauerstoffhochdruckbehandlung sei auch bei loser Abgabe von Fleisch zwingend erforderlich, weil sonst eine Verbrauchertäuschung nach § 11 LFGB vorliege.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

13

Die Klage ist zulässig. Auch der Beklagte geht davon aus, dass es sich bei seiner Anordnung im Protokoll über die amtliche Veterinär- und Lebensmittelkontrolle vom 05.06.2007 um einen Verwaltungsakt handelt. Da diesem Verwaltungsakt die Rechtsbehelfsbelehrung fehlt, verlängert sich die Frist für die Erhebung der Klage auf ein Jahr, so dass die Klage fristgerecht erhoben worden ist.

14

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Anordnung des Beklagten im Prüfprotokoll vom 05.06.2007 unter Ziffer 7, wonach der Verbraucher auf die Sauerstoffbehandlung des Fleisches hingewiesen werden muss, ist, nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, dass dies durch die Bezeichnung "mit Sauerstoff unter Hochdruck farbstabilisiert" erfolgen soll, rechtlich nicht zu beanstanden und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VWGO).

15

Die Zuständigkeit des Beklagten als untere Lebensmittelüberwachungsbehörde für den Erlass der angegriffenen Anordnung folgt aus § 39 Abs. 1 und 2 LFGB. Nach § 39 Abs. 1 LFGB ist die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des LFGB, der auf Grund des LFGB erlassenen Rechtsverordnungen und der unmittelbar geltenden Rechtsakte der EU im Anwendungsbereich des LFGB Aufgabe der örtlich zuständigen Behörden. Diese Behörden treffen nach § 39 Abs. 2 LFGB die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die entsprechend den Zwecken des Gesetzes - u.a. zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit oder vor Täuschung - erforderlich sind.

16

Rechtsgrundlage für die konkrete, hier streitgegenständliche Anordnung, dass die Anwendung von Sauerstoff in einer Druckbehandlung kenntlich zu machen sei, ist entgegen der ergänzenden Verfügung des Beklagten vom 11.06.2007 nicht § 4 Abs. 1 LMKV. Diese Verordnung ist nach § 1 Abs. 1 Satz 1 LMKV nur auf die Kennzeichnung von Lebensmitteln in Fertigpackungen, die in diesen Packungen an den Verbraucher zur Selbstbedienung abgegeben werden, nicht jedoch auf die hier in Rede stehenden losen Fleischwaren, die an einer Bedienungstheke den Verbraucher angeboten werden, anwendbar.

17

Rechtsgrundlage ist auch nicht Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2000/13/EG vom 20.03.2000 (ABl EGL109/29; so genannte "Etikettierungs-Richtlinie"). Darin wird zwar vorgeschrieben, dass die Verkehrsbezeichnung durch eine Angabe über den physikalischen Zustand des Lebensmittels oder über die besondere Behandlung, die es erfahren hat (z.B. pulverförmig, gefriergetrocknet, tiefgekühlt, konzentriert, geräuchert) ergänzt wird, sofern die Unterlassung einer solchen Angabe geeignet wäre, beim Käufer einen Irrtum herbeizuführen. Diese Richtlinie wurde jedoch bislang nicht in nationales Recht umgesetzt und findet daher keine unmittelbare Anwendung.

18

Eine Rechtsgrundlage für die Anordnung der Kenntlichmachung ergibt sich auch nicht aus § 9 ZZulV. Zwar schreibt § 9 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 ZZulV die Kenntlichmachung von Zusatzstoffen bei loser Ware ausdrücklich vor, aber nur wenn es sich um einen der unter § 9 Abs. 1 bis 5 ZZulV enumerativ aufgezählten Zusatzstoffe handelt, was beim Sauerstoff gerade nicht der Fall ist. § 9 Abs. 7 ZZulV, der bei Lebensmitteln in Fertigverpackungen, deren Haltbarkeit durch eine Schutzatmosphäre verlängert wird, einen entsprechenden Hinweis vorschreibt, ist hier ebenfalls nicht anwendbar, weil er sich nur auf verpackte Ware bezieht und die Haltbarkeit außerdem durch die Sauerstoffdruckbehandlung nicht verlängert wird.

19

Mangels spezialgesetzlicher Regelung ist daher als Ermächtigungsgrundlage für die hier geforderte Kenntlichmachung auf die Generalklausel des § 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 1 LFGB zurückzugreifen. § 11 Abs. 1 Satz 1 LFGB verbietet, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen (...). Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB liegt eine Irreführung insbesondere dann vor, wenn bei einem Lebensmittel zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen (...) verwendet werden.

20

Die Kammer hält die Generalklausel hier für anwendbar und teilt die Bedenken des Klägers, das Kennzeichnungsrecht sei in der ZZulV für lose Ware und in der LMKV für verpackte Ware abschließend und speziell geregelt und verbiete deshalb einen Rückgriff auf Generaltatbestände, nicht. Dass die in § 9 ZZulV vorgeschriebene Kenntlichmachung von Zusatzstoffen keine abschließende Regelung ist, ergibt sich bereits aus § 1 Abs. 2 ZZulV, der klarstellt, dass Rechtsvorschriften, die eine Kenntlichmachung abweichend von der ZZulV regeln, unberührt bleiben (vgl. Zipfel/Rathke, Band 3, C 120, § 1 ZZulV Rn. 37 f.).

21

Auch ist die Kennzeichnung nach der LMKV unabhängig von einer Kenntlichmachung nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 LFGB, und nicht jeder Verstoß gegen die LMKV begründet eine Zuwiderhandlung gegen § 11 Abs. 1 LFGB (Zipfel/Rathke, Band 2, C 110, Vorb LMKV Rn. 9). Dies ist auf die frühere begriffliche Unterscheidung zwischen Kennzeichnung und Kenntlichmachung im deutschen Lebensmittelrecht zurückzuführen. Der Begriff der Kenntlichmachung bezeichnete die Angaben, die den Verbraucher über die Abweichungen der tatsächlichen Beschaffenheit eines Lebensmittels von der Beschaffenheit, die nach allgemeiner Verkehrsauffassung mit der Bezeichnung verbunden war, informieren sollten. Dagegen war unter Kennzeichnung die gesetzliche, u.a. in der LMKV vorgeschriebene Pflichtkennzeichnung zu verstehen. Da die Rechtsprechung des EuGH aber nicht zwischen beiden Begriffen unterscheidet, schließt auch im Sprachgebrauch des deutschen Lebensmittelrechts der Begriff Kennzeichnung mittlerweile solche Angaben ein, die ursprünglich als Kenntlichmachung bezeichnet wurden (vgl. ausführlich: Zipfel/Rathke, Band 2, C102 § 11 LFGB, Rn. 225 ff.). Damit stehen die Regelungen über Kennzeichnung und Kenntlichmachung grundsätzlich nebeneinander und ergänzen sich. § 11 LFGB kommt nur dann nicht zur Anwendung, wenn die vom Beklagten geforderte Kenntlichmachung durch ein spezielleres Gesetz ausgeschlossen wird. Dies ist hier nicht der Fall.

22

Die in Rede stehende Behandlungsmethode mit Sauerstoffdruck zu dem alleinigen Zweck der vorübergehenden Farbstabilisierung wird weder in der LMKV noch in der ZZulV oder an einer anderen Stelle (z.B. der Verordnung über Fleisch und Fleischerzeugnisse) ausdrücklich genannt. Insbesondere gibt es keine Regelung über die Kennzeichnung/ Kenntlichmachung der Sauerstoffdruckbehandlung im Zusammenhang mit vorverpackter Selbstbedienungsware/Fleisch in Fertigverpackungen, die den Umkehrschluss zulassen würde, der Gesetzgeber habe insoweit das lose, unverpackte Fleisch, das an der Bedientheke durch Fachpersonal an den Verbraucher abgegeben werde, privilegieren wollen und deshalb eine Kenntlichmachung der Behandlung nicht für erforderlich gehalten.

23

§ 4 Abs. 5 LMKV schreibt zwar vor, dass die Verkehrsbezeichnung eines Lebensmittels durch die Angabe "aufgetaut" zu ergänzen ist, wenn das Lebensmittel gefroren war und die Unterlassung einer solchen Angabe geeignet wäre, beim Verbraucher einen Irrtum hervorzurufen. Diese Regelung bezieht sich aber nur auf zuvor gefrorene Lebensmittel und ist als Folge der Anpassung an das gemeinschaftliche Hygienerecht am 08.08.2007 an § 4 LMKV angefügt worden (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Band 2, Loseblatt, Stand: Juli 2008, § 4 LMKV Rn. 15a).

24

§ 9 Abs. 7 ZZulV verpflichtet bei Abgabe von Lebensmitteln in Fertigverpackungen zur Angabe des Hinweises "unter Schutzatmosphäre verpackt", wenn die Schutzatmosphäre eine Verlängerung der Haltbarkeit der Lebensmittel bewirkt. Unter einer Schutzatmosphäre ist keine Sauerstoffdruckbehandlung, sondern der Einsatz von Schutzgasen, wie z.B. Kohlendioxid oder Stickstoff für die Verpackung von Lebensmitteln zu verstehen (vgl. Zipfel/Rathke, Band 3, § 9 ZZulV Rn. 45, 50). Die Vorschrift greift auch nur, wenn die Behandlung die Verlängerung der Haltbarkeit des Lebensmittels bewirkt, was bei der Sauerstoffdruckbehandlung gerade nicht der Fall ist.

25

Ist nach alledem eine Verpflichtung zur Kennzeichnung einer Sauerstoffdruckbehandlung bei verpacktem Fleisch spezialgesetzlich nicht geregelt, folgt daraus entgegen der Auffassung des Klägers nicht, dass der Gesetzgeber eine Kennzeichnung erst recht bei losem Fleisch für nicht erforderlich gehalten hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er nicht alle Möglichkeiten der Behandlung von losem wie von verpacktem Fleisch bzw. sonstigen Lebensmitteln einzeln regeln wollte, sondern den Schutz des Verbrauchers vor Irreführung jeder Art durch die Möglichkeit des Rückgriffs auf die lebensmittelrechtliche Generalklausel des § 11 LFGB für vorrangig aber auch ausreichend gehalten hat. Dafür spricht zum einen, dass andernfalls die Generalklausel und die den unteren Lebensmittelbehörden über § 39 Abs. 2 LFGB eingeräumten Befugnisse angesichts vielfältiger Spezialregelungen im Lebensmittelrecht letztlich leer laufen und damit bedeutungslos würden. Zum anderen handelt es sich bei der Sauerstoffdruckbehandlung durch das "H. -Verfahren" um eine relativ neue Behandlungsmethode von Fleisch, die bislang nicht so verbreitet sein dürfte, dass der Gesetzgeber einen konkreten Regelungsbedarf gesehen hat. So wie in anderen Rechtsgebieten der Anwendungsbereich einer Generalklausel dann eröffnet sein soll, wenn auf bislang nicht bekannte Situationen reagiert werden muss, die der Gesetzgeber noch nicht hat typisieren können (z.B. bei der polizeirechtlichen Generalklausel des § 11 Nds. SOG für bislang unbekannte Gefahrenlagen; vgl. dazu: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Auflage 2007, Ziff. F 785 ), ist auch im Lebensmittelrecht im Hinblick auf ständig neu entwickelte Technologien und Behandlungsmethoden, die für den Gesetzgeber nicht alle bekannt bzw. absehbar sein können, der Rückgriff auf die Generalklausel eröffnet.

26

Die Anwendung des allgemeinen Irreführungsverbots nach § 11 LFGB bei der Sauerstoffdruckbehandlung von losem Fleisch steht schließlich inhaltlich auch nicht im Widerspruch zu den sonstigen Regelungen in der ZZulV. Vielmehr verweist § 7 Abs. 2 ZZulV ausdrücklich selbst auf das Verbot der Irreführung, indem er vorschreibt, dass Zusatzstoffe für Lebensmittel, die in den Anlagen "quantum satis (qs)" zugelassen sind, nach der guten Herstellungspraxis nur in der Menge verwendet werden dürfen, die erforderlich ist, um die gewünschte Wirkung zu erzielen, und unter den Voraussetzungen, dass der Verbraucher nicht irregeführt wird. Damit ist nochmals klargestellt, dass die Anwendung des Irreführungsverbotes nach § 11 LFGB durch die Vorschriften der ZZulV nicht ausgeschlossen wird (so auch Zipfel/Rathke, Band 3, C 120 § 7 ZZulV Rn. 12).

27

Die Klarstellung in § 7 Abs. 2 ZZulV umfasst schließlich auch die hier streitgegenständliche Sauerstoffdruckbehandlung. Sauerstoff ist ein nach Anlage 3 zu § 5 Abs. 1 ZZulV unter der E-Nummer E 948 allgemein zugelassener Zusatzstoff, dessen Höchstmenge "qs (quantum satis)" ist. Seine Zulassung dient dem technologischen Zweck als "Stabilisator" (vgl. Anlage 7 zu § 5 Abs. 1 ZZulV, Ziffer 22).

28

Ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Satz 1 LFGB liegt vor. Das Inverkehrbringen von Frischfleisch, das nach einer Sauerstoffdruckbehandlung für 4 bis 5 Tage farbstabilisiert ist, kann ohne ausreichende Kenntlichmachung zu einer Täuschung/Irreführung des Verbrauchers führen.

29

Rechtsgrundlage ist hier § 11 Abs. 1 LFGB und nicht § 11 Abs. 2 Nr. 2c LFGB. Nach § 11 Abs. 2 Nr. 2c LFGB ist verboten, Lebensmittel, die geeignet sind, den Anschein einer besseren als der tatsächlichen Beschaffenheit zu erwecken, ohne ausreichende Kenntlichmachung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen. Obgleich die zeitweise Farbstabilisierung den Anschein größerer Frische als tatsächlich vorhanden und damit den Anschein einer besseren Beschaffenheit vermitteln kann, hat das Verbot des § 11 Abs. 1 LFGB den Vorrang. Von § 11 Abs. 2 Nr. 2c LFGB sollen nur solche Lebensmittel erfasst werden, die nicht bereits unter Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Nr. 2a oder b fallen. Dies gilt etwa für Lebensmittel, die schon in ihrem Wert oder Ihrer Brauchbarkeit gemindert sind, und denen zusätzlich der Anschein einer besseren Beschaffenheit, etwa durch Färben gegeben wird. Abs. 2 Nr. 2c erfasst "normale" Lebensmittel, die weder in ihrem Wert noch in ihrer Brauchbarkeit gemindert sind, denen aber der Anschein einer höheren Qualität als tatsächlich vorhanden gegeben wird (z.B. Vortäuschen eines höheren Eigehaltes bei Eierteigwaren durch Gelbfärbung mit nicht zulassungsbedürftigen Stoffen). Auch wird von Abs. 2 Nr. 2c nur die Vortäuschung einer besseren Beschaffenheit durch Einwirkung auf die "Substanz" eines Lebensmittels erfasst. Dies kann durch Änderung des Aussehens, zum Beispiel der Farbe oder der Konsistenz oder durch Aufbesserung des Geruchs oder des Geschmacks, zum Beispiel durch künstliche Verstärkung des Aromas oder Vortäuschen des Vorhandenseins eines natürlichen Bestandteils durch Zusatz eines naturidentischen Aromas bewirkt werden. Enthält das Lebensmittel durch eine Änderung des Aussehens den Anschein einer besseren als der tatsächlichen Beschaffenheit, so greift das vorrangige Verbot des Abs. 1 ein, denn das Aussehen des Lebensmittels gehört zu seiner Aufmachung, die, wenn irreführend, dem Verbot des Abs. 1 unterliegt (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., C 102 § 11 LFGB Rn. 376 f.). Dies ist hier der Fall. Auch die Farbe einer Ware gehört zu ihrer Aufmachung (Zipfel/Rathke, a.a.O. C 102 Rn. 11 LFGB Rn. 81). Da das sauerstoffbehandelte Fleisch auch nach 3 bis 4 Tagen der Lagerung in der Bedientheke dieselbe rote Farbe wie am 1. Tag der Lagerung behält, ist die durch den Sauerstoffdruck bewirkte vorübergehende Farbstabilisierung zur Täuschung der Verbraucher und damit zur Irreführung geeignet.

30

Zur Beurteilung, ob eine Angabe oder Aufmachung irreführend ist, ist nach der Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG von der Sicht des "durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers" auszugehen (EuGH, Urteil vom 13.01.2000, C-220/98-, zitiert nach [...]; BVerwG, Beschluss vom 18.10.2000 - 1 B 45/00 -, zitiert nach [...]; vgl. auch Zipfel/Rathke, a.a.O. C 102 § 11 LFGB Rn. 61). Dabei kann die erkennende Kammer aus eigener Sachkunde die Eignung zur Täuschung feststellen, insbesondere bedarf es im vorliegenden Fall keiner Feststellung der Verbrauchererwartung durch ein Umfragegutachten.

31

Der EuGH (Urteil vom 13.01.2000, a.a.O.) hat entschieden, dass die Gerichte in der Regel selbst beurteilen können, ob eine Bezeichnung , Abbildung oder Aufmachung für den genannten Durchschnittsverbraucher irreführend ist; nur bei besonderen Schwierigkeiten kommt danach die Ermittlung durch ein Sachverständigengutachten oder eine Verbraucherbefragung in Betracht kann (vgl. auch VGH München, Urteil vom 17.05.2000 - 25 B 97.3555 -, zitiert nach [...]; VG Osnabrück, Urteil vom 23.08.2007 - 4 A 119/06 -, "www.dbovg.niedersachsen.de", jew. m.w.N.). Derartige Schwierigkeiten liegen hier nicht vor.

32

Die Kammer ist davon überzeugt, dass einem Durchschnittsverbraucher beim Anblick von sauerstoffdruckbehandeltem Frischfleisch, das etwa drei bis vier Tage in der Bedientheke gelegen hat, der Eindruck vermittelt wird, es handele sich um ganz frisches Fleisch, das sich seit höchstens einem Tag in der Fleischtheke befindet, denn das sauerstoffdruckbehandelte Fleisch sieht frischer aus als es tatsächlich ist. Normalerweise beginnt lose gelagertes Fleisch schnell zu ergrauen und hat schon am zweiten Tag der Lagerung seine frische rote Farbe verloren. Im Gegensatz zum Verbraucher von verpackter Ware geht der Verbraucher an der Frischfleischtheke bei einem Stück losen, rohen Fleisches regelmäßig nicht davon aus, dass es behandelt worden ist, Auch wenn Verkehrsauffassungen einem zeitlichen Wandel unterliegen (vgl. VG Osnabrück, a.a.O.), kann von einem durchschnittlich informierten Verbraucher nicht erwartet werden, dass ihm das "H. "-Verfahren und die dadurch im Ergebnis erzielten Eigenschaften des Fleisches bekannt sind. Der Durchschnittsverbraucher geht vielmehr weiterhin davon aus, dass die Farbe von losem Fleisch an der Bedientheke Auskunft über den Frischezustand gibt und hält rotes Fleisch für ganz frisch.

33

Der Irrtum, dem der Verbraucher unterliegen kann, ist auch rechtserheblich, denn er ist für seinen Kaufentschluss relevant (vgl. zur Relevanz für den Kaufentschluss: Zipfel/Rathke, a.a.O. C 102 § 11 LFGB Rn. 75). Da sich der Verbraucher als Anhaltspunkt für die Beurteilung der Frische von Fleisch nur an der Farbe und dem Geruch des Fleisches orientieren kann, der Geruch aber hinter der Verkaufstheke nicht sofort feststellbar ist, kommt der Farbe des Fleisches für den Kaufentschluss eine ganz entscheidende Bedeutung bei. Die nach allgemeiner Verkehrsauffassung bestehende Erwartung, Fleisch mit kräftiger, roter Farbe sei frisch und befinde sich nicht länger als einen Tag in der Fleischtheke, wird bei sauerstoffdruckbehandeltem Fleisch nicht erfüllt.

34

Der Kläger kann dem nicht entgegen halten, dass der Durchschnittsverbraucher von heute der Fehlvorstellung unterliege, lose angebotenes Fleisch mit natürlichen und völlig unschädlichen Vergrauungen sei unattraktiv und sogar qualitätsgemindert. Selbst wenn die Verkehrsauffassung zu Unrecht von einer Qualitätsminderung bei angegrautem Fleisch ausgeht, führt dies hier nicht zum Ausschluss des Verbots der Irreführung. Es geht hier nicht darum, ob der Durchschnittsverbraucher bei seinem Kaufentschluss der Fehlvorstellung unterliegt, frisches Fleisch sei qualitativ höherwertig. Maßgeblich ist der Umstand, dass der durchschnittliche Verbraucher rotes Fleisch für frischer hält als Fleisch, das an den Schnittstellen beginnt zu ergrauen, und dass er sich im Zweifel bei einer Auswahl zwischen diesen beiden Fleischfarben für das Stück Fleisch mit der kräftigeren Farbe entscheidet. Hält er es für frischer als es tatsächlich ist bzw. für frischer als das danebenliegende angegraute Fleischstück gleichen Alters, so unterliegt er einem Irrtum.

35

Da eine Korrektur der Fehlvorstellung des Verbrauchers auch nicht durch andere Umstände eintritt, ist zur Vermeidung einer Irreführung über die Abweichung des Erzeugnisses von den Verbrauchererwartungen ausreichend zu informieren (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., C102 § 11 LFGB Rn. 239). Die vom Beklagten nach alledem zu Recht geforderte Kenntlichmachung muss als Teil der Gesamtaufmachung des Lebensmittels für den Verbraucher deutlich erkennbar sein und ihn durch entsprechende Beschilderung in die Lage versetzen, nachzuvollziehen, dass das Fleisch durch die Druckbehandlung mit Sauerstoff seine Farbe länger behält als unbehandeltes Fleisch. Diese Voraussetzungen erfüllt die Anordnung des Beklagten, nachdem er in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, dass er unter ausreichender Kenntlichmachung zur Vermeidung einer Irreführung nach § 11 LFGB eine Beschilderung des Inhalts "mit Sauerstoff unter Hochdruck farbstabilisiert" versteht.

36

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

37

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG

38

Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt.

Schlingmann-Wendenburg
Düfer
Ri Röllig, der an der Entscheidungsfindung mitgewirkt hat, ist durch Abordnung an der Unterschrift gehindert. Schlingmann-Wendenburg