Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 03.12.2008, Az.: 2 A 306/07

Abstand; Baugenehmigung; Dorf; Dorfgebiet; Emission; Erhebliche Belästigung; Geruchsbelästigung; Geruchsimmission; Geruchsimmissionsrichtlinie; Gerüche; GIRL; Gülle; Hanglage; Kompostanlage; Lüftung; Nachbar; Schweinemast; Schweinestall; schädliche Umwelteinwirkung; Stalllüftung; TA Luft; Tierhaltung; VDI-Richtlinie 3771; Vorbelastung; Wohnbebauung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
03.12.2008
Aktenzeichen
2 A 306/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 54995
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Verfahrenskosten einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die für erstattungsfähig erklärt werden.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 15.000,- EUR festgesetzt.

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für einen Schweinemaststall.

2

Mit Datum vom 20.12.2006 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen, einem Landwirt aus F., eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Schweinemaststalls für 1200 Plätze mit Güllebehälter und Futtersilos. Der Stall soll im Außenbereich von G. am H. auf dem Flurstück I. der Flur J., Gemarkung G., entstehen.

3

Das Stallgebäude mit den Außenmaßen 41,67 m x 34,76 m ist in 8 Abteile mit je 144 bis 150 Mastplätzen sowie einem Kranken- und Resteabteil unterteilt. Ferner sind u.a. eine sog. Futterzentrale und ein Technikraum geplant. Die Schweine stehen nach den Bauvorlagen auf einem Betonspaltenboden, wobei ausweislich der Betriebsbeschreibung zu 50 % ein sog. Ökospaltenanteil mit geringem Schlitzanteil vorgesehen ist. Die Gülle wird unterhalb des Spaltenbodens abgeführt und über eine Vorgrube in einen Güllebehälter mit einem Fassungsvermögen von 1.221 cbm eingeleitet. Der Güllebehälter ist damit für eine Lagerung über 9,4 Monate ausgelegt; er hat keinen Deckel. Neben einem Zuluftsystem besitzt der Stall eine zentrale Unterdruck-Oberflurentlüftung. Die Luft wird über einen zentralen Abluftsammelkanal über dem Mittelgang abgesaugt. Auf dem First werden 9 Abluftschächte errichtet. Neben dem Stallgebäude sollen 3 Futtersilos entstehen.

4

Um den nach der VDI-Richtlinie 3471 "Emissionsminderung Tierhaltung - Schweine" (RL) notwendigen Mindestabstand zur nächstgelegenen Wohnbebauung zur ermitteln, wurde dem Bauantrag eine Berechnung der geruchsbezogenen Tierlebendmasse beigefügt. Danach ist bei einem Jahresdurchschnittsbestand von 1.200 Mastschweinen zwischen 25 und 105 kg von 144 geruchsäquivalenten Großvieheinheiten (GV) auszugehen. Eine von der Niedersächsischen Landgesellschaft (NLG) nach der RL durchgeführte Bewertung der Hauptfaktoren einer Tierhaltung, die die Entstehung und Verteilung luftverunreinigender Stoffe beeinflussen (Tabelle 4 der RL) ergab 75 Punkte. Nach dem Abstandsdiagramm der RL (Bild 21) beträgt der volle Abstand bei 144 GV und 75 Punkten 312 m. Der halbe Abstand, der nach Ziff. 3.2.3.2 RL gegenüber Dorfgebieten angenommen werden kann, liegt folglich bei 156 m.

5

Der Kläger ist Eigentümer eines Wohngrundstücks am südlichen Ortsrand von G.. Nach den Berechnungen des Katasteramtes Goslar beträgt die Entfernung von der geplanten Gebäudemitte des Stalls zur nächstliegenden Gebäudeecke seines Einfamilienhauses 459 m.

6

Den von ihm gegen die Baugenehmigung erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.10.2007 zurück.

7

Am 02.11.2007 hat der Kläger den Rechtsweg beschritten. Zur Begründung seiner Klage trägt er im Wesentlichen vor, die Entfernung zu seinem Grundstück betrage nicht 459 m, sondern bis zur Grundstücksgrenze 399 m. Der Garten diene der Wohnnutzung. Ferner sei von einer größeren Ausnutzung des Stalls auszugehen, da nach den Vorgaben in der Nds. Richtlinie zur Schweinehaltung nicht nur 18, sondern 21 Schweine je Bucht zulässig seien. Danach sei mit einer Auslastung von 1.344 Schweinen und infolgedessen mehr als 200 GV zu rechnen.

8

Die GV seien ohnehin falsch berechnet worden. Es sei von dem Faktor 0,15 auszugehen, da es sich um einen Stall mit "Rein-Raus-System" handele, für den die RL 0,15 vorsehe. Bei 1.200 Tieren ergäben sich 180 GV (bei 70 zusätzlichen Tieren in dem Kranken- und Resteabteil sogar 190,5 GV). Ferkel mit einem Gewicht von nur 25 kg dürften nicht auf 17 mm breiten Spalten gehalten werden. Diese Spaltenbreite sei erst ab 30 kg zulässig. Daher könne eine GV von 144 nicht stimmen. Auch sei ein Endgewicht von 105 kg nicht realistisch, da Schlachthöfe großen Wert auf ein Gewicht von möglichst 115 kg legten.

9

Ein 75-Punktestall sei nach den Antragsunterlagen nicht zu erreichen. Vielmehr sei von minus 20 Punkten auszugehen. Insbesondere sei die Vergabe von 30 Punkten für einen Güllebehälter mit geschlossener natürlicher Schwimmdecke nicht gerechtfertigt. Das Mastfutter von Schweinen enthalte üblicherweise nur einen Rohfaseranteil von 4-5%, so dass sich im Gegensatz zur Rinderhaltung keine natürliche Schwimmdecke bilden könne. Zum Futter enthalte der Antrag zudem keine Angaben. Das Verhalten des Beklagten bei der Überwachung eines in der Nähe liegenden Stalles lasse keine Durchsetzung der Baugenehmigung im Vollzug erwarten. Ein Deckel sei im Übrigen auch nach der TA Luft vorgeschrieben. Eine abweichende Punktebewertung hält der Kläger auch bei der Stalllüftung (Sommerluftrate und Austrittsgeschwindigkeit) für geboten. Punktabzüge seien für die Futtermittel und wegen negativer Standorteinflüsse vorzunehmen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Berechnung auf Bl. 39 BA F verwiesen.

10

Der Stand der Technik im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG verlange heute einen 100-Punkte-Stall. Die RL spiegele hingegen nicht den Stand der Technik wieder. Auch sei die TA Luft heranzuziehen.

11

Eine Halbierung des RL-Abstands wegen eines Dorfgebiets sei nicht zulässig. Er wohne in einem faktischen WA-Gebiet. In dem Flächennutzungsplan der Gemeinde F. sei dort eine Wohnbaufläche dargestellt.

12

Der Beklagte habe zudem eine besondere topographische Prüfung nach Ziff. 2.1.1 RL unterlassen. Der genehmigte Standort liege auf einer Kuppe an einem Hang oberhalb von G. in der Hauptwindrichtung. Der Wind komme ganz überwiegend von Süden und Südwesten. Das belege beispielsweise die nach Norden weisende Krümmung einer Birke in der Nähe des Standorts. Ortsbekannt seien die sogenannten Harhofschen Winde, benannt nach einer südlich gelegenen Revierförsterei. Der Wind werde von dem westlich gelegenen Höhenzug in Richtung Dorf gelenkt. Die Emissionen würden so direkt zum Rand der Wohnbebauung getragen. Die von dem Beklagten im Widerspruchsverfahren vorgenommene Orientierung an einer Windrose, welche die Windverhältnisse in Braunschweig-Völkenrode wiedergebe, sei abwegig.

13

Die erhöhte Lage - ca. 15 m oberhalb seines Grundstücks - führe auch bei Windstille zu einer Geruchsbelästigung aufgrund eines nächtlichen Kaltluftabflusses von der Mastanlage zum Dorf. Er verweise auf Bild 18, Darstellung 3, der RL. Ein Gefälle von hier ca. 3 - 4 % bei 15 m Höhenunterschied sei Anlass für eine Sonderprüfung. Eine Sonderbeurteilung sei auch nach der Orientierungshilfe zur Emissions- und Immissionsbewertung von Außenklimaställen für die Schweinehaltung, 1998 herausgegeben von den Bayerischen Landesanstalten für Landtechnik und Tierzucht sowie dem Bayerischen Landesamt für Umweltschutz, bei hügeligem Gelände durchzuführen.

14

Ferner sei die Vorbelastung der Grundstücke durch die Kompostierungsanlage im östlich gelegenen K. in einer Entfernung von ca. 800 Metern zu berücksichtigen. Von dort zöge häufig, d.h. an ca. 1,4 % der Jahresstunden, Ekel erregender Gestank nach G.. Eine weitere Vorbelastung leitet der Kläger aus der Schweinehaltung auf dem Hof des Landwirts L. in der Ortslage von G. (Südring 2) ab. Dort würden ca. 400 Schweine gehalten.

15

Insgesamt sei wegen der Kombination von ungünstigen Standortfaktoren, der Hauptwindrichtung und der Kumulierung von Vorbelastungen eine außergewöhnlich starke und häufige Geruchsbelastung an mehr als 150 Tagen im Jahr zu erwarten, die von ihm nicht hingenommen werden müsse.

16

Aus alledem folge, dass das Abstandsdiagramm der RL nicht anzuwenden sei. Ein Gutachten nach der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) sei geboten, aber bislang nicht eingeholt worden. Der Kläger hat eine Geruchsprognose des Dipl.-Ing. (FH) Forstwirtschaft M. vom 30.11.2008 vorgelegt. Die Prognose gelangt nach Anwendung der GIRL zu dem Ergebnis, ein Immissionswert von 0,15 sei für das klägerische Grundstück nicht einzuhalten. Sein Grundstück werde an mindestens 20,5 % der Jahresstunden einer Geruchsbelästigung ausgesetzt. Die Gesamtsituation müsse deshalb fachlich qualifiziert untersucht werden. Auf den Inhalt der Prognose wird verwiesen.

17

Darüber hinaus hat sich der Kläger auf verschiedene Punkte bezogen, die seiner Ansicht nach Mängel der geplanten baulichen Anlage darstellen und zu einer Beeinträchtigung seiner Nachbarrechte führen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Darstellung der Lüftung im Bauantrag, die Größe des Güllebehälters (Niederschlagswasser nicht eingerechnet), die Einzäunung des Baugrundstücks (Verbreitung von Krankheiten und Keimen über Nagetiere), den Brand- und Tierschutz, die Vorgaben des Flächennutzungsplans und der Wasserschutzbestimmungen, die Aufwendungen für den Straßenausbau, die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, das Orts- und Landschaftsbild und die Erschließung.

18

Der Kläger will mit der Klage verhindern, dass die Lebensqualität in G. weiter sinkt. Nach der ständigen Verschlechterung der Infrastruktur in den vergangenen Jahrzehnten seien nur noch eine intakte Natur und eine saubere Luft geblieben. Beides solle ihm nun auch noch genommen werden.

19

Der Kläger beantragt,

20

die Baugenehmigung des Beklagten vom 20.12.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 01.10.2007 aufzuheben.

21

Der Beklagte beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Er ist der Auffassung, die Baugenehmigung verletze keine Nachbarrechte des Klägers. Der Beklagte tritt dem Vorbringen des Klägers unter Verweis auch auf den Widerspruchsbescheid im Einzelnen entgegen. U. a. führt er aus, die genehmigte Besetzung bzw. Tierzahl sei maßgeblich. In dem Kranken- und Resteabteil würden keine zusätzlichen Tiere gehalten. Der Faktor 0,12 ergebe sich unter Berücksichtigung von Leerständen an Reinigungstagen. An insgesamt 26 Tagen jährlich (7 % der Zeit) sei der Stall rechnerisch leer. Insofern sei unerheblich, ob die Tiere im "Rein-Raus-Verfahren" oder kontinuierlich gehalten würden. 144 GV seien zutreffend. Tierschutzrechtlich gebe es nur eine Altersuntergrenze von 10 Monaten für die Einstallung auf Spaltenböden, nicht aber eine Gewichtsuntergrenze von 30 kg. Selbst bei einem Faktor von 0,15 würden die Mindestabstände der RL deutlich überschritten. Die Punktebewertung der NLG sei zutreffend. Die Ausbildung der Schwimmdecke sei problematisch, aber auch von vielen Faktoren abhängig. Der Beigeladene sei durch die Genehmigung verpflichtet, einen 75-Punkte-Stall zu gewährleisten. Er müsse ggf. Häckselstroh im Güllebehälter ausbringen, um die Geruchsemissionen einzudämmen.

24

G. sei insgesamt als Dorfgebiet zu qualifizieren. Dort gebe es fünf landwirtschaftliche Betriebe. Neben der Schweinemast des Betriebs L. betreibe ein Hof im Ort Rinderhaltung, auf anderen Höfen stünden Pferde. Seit Generationen werde in G. auf den Höfen im Dorf Landwirtschaft betrieben. Die Dorfstrukturen seien noch intakt. Es gebe sonst neben Wohnbebauung nur "Kleinstgewerbe". Der Beklagte verweist auf die Darstellung von landwirtschaftlichen Flächen in einer Karte des Liegenschaftskatasters (Bl. 50 BA F). Es gebe nur ein Neubaugebiet am nordöstlichen Rand des Dorfes.

25

Die Abstände würden nach Halbierung aufgrund des Dorfcharakters bei 75 Punkten um 303 m bzgl. des klägerischen Grundstücks überschritten. Selbst bei 190 GV und nur 25 Punkten seien die Abstände der RL noch zu erreichen (Hälfte von 450 m = 225 m).

26

Die RL habe sich bewährt. Sie enthalte bei den Abständen einen Sicherheitszuschlag von 100 %. Ein 100 Punkte-Stall sei rechtlich nicht zu fordern.

27

Eine Problemkonstellation, die nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Nds. OVG) ein Gutachten nach der GIRL erfordere, liege nicht vor. Die vorherrschende Windrichtung sei West/Westsüdwest (wie in BS-Völkenrode). Die Emissionen würden demnach an den klägerischen Grundstücken vorbei geführt. Von einer nennenswerten Hanglage könne angesichts der Höhendifferenz von 15 m nicht die Rede sein. Ein Luftmassenaufstau vor der äußeren Wohnbebauung sei nicht zu erwarten.

28

Einer Vorbelastung durch die Kompostanlage sei der Kläger nicht ausgesetzt. Das Werk liege östlich in einem Abstand von ca. 1.500 m zum Grundstück des Klägers. Ein Prognosegutachten der N. GmbH vom 29.12.2003, eingeholt vor der Genehmigung des Kompostwerks, habe für das Klägergrundstück lediglich eine Jahres-Geruchsstundenhäufigkeit von 0,69 % errechnet.

29

Eine Einzelfallbetrachtung sei auch nicht wegen der Schweinemast in dem Betrieb Koch erforderlich. Dort seien im Mai 2008 150 Schweine gehalten worden. Mehr als maximal 200 Tiere seien es in den letzten Jahren nicht gewesen, so dass eine Genehmigungspflicht nicht bestanden habe. Eine Genehmigung gebe es für die derzeitige Mast nicht. Der Stall sei zuletzt 1911 genehmigt worden. Er lasse allerdings eine Aufnahme von mehr als 300 Schweinen gar nicht zu. Der Abstand zu dem Klägergrundstück betrage ca. 330 m (in westlicher Richtung). Aus Richtung Ost wehe der Wind nur sehr selten.

30

Der Beigeladene hat im Erörterungstermin und im Termin zur Beweisaufnahme die Argumentation des Beklagten unterstützt. In einer Erklärung vom 01.12.2008 hat er sich verpflichtet, unabhängig von der Baugenehmigung für eine ordnungsgemäße Abdeckung des Güllebehälters zu sorgen, wenn sich keine natürliche Schwimmdecke bilden sollte. Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

31

Das Gericht hat Beweis erhoben zur Lage des vorgesehenen Standorts des genehmigten Schweinemaststalls im Hinblick auf eine Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks durch eine Inaugenscheinnahme seitens des Berichterstatters. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll des Termins vom 02.10.2008 Bezug genommen.

32

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

Entscheidungsgründe

33

Die zulässige Klage ist unbegründet.

34

Der Kläger hat keinen Abwehranspruch gegen den von dem Beigeladenen geplanten Schweinemaststall außerhalb von G.. Die Baugenehmigung des Beklagten vom 20.12.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 01.10.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

35

Vorschriften, welche den Kläger als Nachbarn schützen, werden durch die Baugenehmigung nicht verletzt. Im Rahmen seiner Drittanfechtungsklage kann sich der Kläger nur auf solche Normen und Rechtsgrundsätze berufen, die zumindest auch seinem Schutz zu dienen bestimmt sind. Anknüpfungspunkt für die rechtliche Prüfung ist für den hier im Außenbereich i.S.d. § 35 BauGB genehmigten Schweinemaststall der Begriff der "schädlichen Umwelteinwirkungen" in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB, der drittschützende Wirkung entfaltet (BVerwG, Beschl. v. 17.07.2003 - 4 B 55.03 - BRS 66 Nr. 167). Öffentliche und damit auch schützenswerte nachbarliche Belange werden danach beeinträchtigt, wenn das Bauvorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorruft. Eine Begriffsbestimmung der schädlichen Umwelteinwirkung enthält § 3 Abs. 1 BImSchG. Schädliche Umwelteinwirkungen werden dort als Immissionen definiert, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Im Fall von Geruchsbelästigungen, die hier geltend gemacht werden, sind "erhebliche Belästigungen" betroffen. Da bei Geruchsbelästigungen die Schwelle der Erheblichkeit nicht durch Gesetze, Verordnungen oder normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften (wie die TA Luft) bestimmt ist, kommt es darauf an, ob die Immissionen das nach der gegebenen Situation zumutbare Maß überschreiten. Die Zumutbarkeitsgrenze ist auf Grund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere der speziellen Schutzwürdigkeit des jeweils betroffenen Baugebiets im Sinne von § 1 Abs. 2 BauNVO zu bestimmen. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit der von Schweineställen verursachten Gerüche darf als "brauchbare Orientierungshilfe" auf die Abstandsregelungen der Richtlinie VDI-Richtlinie 3471 (RL, s.o.) zurückgegriffen werden (Nds. OVG, Beschl. v. 02.08.2005 - 4 B 41/05 - BRS 69 Nr. 102 sowie juris; zur Anwendbarkeit der VDI-Richtlinie 3471 schon BVerwG, Urt. v. 14.01.1993 - 4 C 19.90 - NVwZ 1993, 1184; Urt. v. 28.02.2002 - 4 CN 5.01 - NVwZ 2002, 1114).

36

Der nach der RL erforderliche Abstand zu dem Wohngrundstück des Klägers wird eingehalten. Um die Abstandsregelung nach Ziff. 3 RL anwenden zu können, sind in dem Abstandsdiagramm von Bild 21 die genehmigten GV der nach der Tabelle 4 ermittelten Punktzahl gegenüber zu stellen.

37

Der Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid 144 GV genehmigt. Daran hat sich der Beigeladene zu halten. Die Genehmigung ist für einen Jahresdurchschnittsbestand von 1200 Mastschweinen mit einem Gewicht von 25 bis 105 kg erteilt worden (s. Berechnungen, Bl. 37, 39 BA H). Dafür ist unter Berücksichtigung von reinigungsbedingten Leerständen (s.o. Tatbestand) ein GV-Faktor von 0,12 anzusetzen, so dass sich 144 GV ergeben (s. erneut Bl. B 37 BA H). Nach der Genehmigung ist mithin davon auszugehen, dass der Beigeladene auch Ferkel mit nur 25 - 30 kg einstallt (die weniger Emissionen verursachen als schwerere Tiere) und keine Mastschweine von mehr als 105 kg hält.

38

Ein den Klägern günstigeres Ergebnis ergibt sich aber auch nicht, wenn der Bauantrag insofern als unrealistisch angesehen wird, weil Mastschweine mit dem Idealgewicht von 115 kg zu den Schlachthöfen gebracht werden sollen. Ist dann der Faktor 0,15 einzusetzen, ergeben sich 180 GV (s.u. zu den notwendigen Abstände). In dem Kranken- und Resteabteil dürfen keine zusätzlichen Tiere gehalten werden. Soweit der Kläger dieses überhaupt noch befürchtet, geht die Kammer von einer Einhaltung der Baugenehmigung aus, weshalb nicht 190,5 GV anzunehmen sind.

39

Soweit der Beklagte selbst im Widerspruchsbescheid 156 GV zugrunde legt, weil er die Summe von 25 kg und 105 kg durch 1000 teilt und so zu dem Faktor 0,13 gelangt, der bei 1200 Schweinen 156 GV ergibt, führt auch dieser GV-Wert nicht zu einer Abstandsunterschreitung.

40

Die Kammer geht von einer Bewertung des beantragten Stalls mit 55 Punkten nach Tabelle 4 der RL aus. Zu den umstrittenen Punkten ist im Einzelnen auszuführen:

41

Sofern der Kläger meint, eine natürliche Schwimmdecke könne sich auf dem Güllebehälter bei der modernen Schweinemast kaum bilden und der Beklagte diese Zweifel im Grundsatz teilt, ist darauf zu verweisen, dass es dem Beigeladenen obliegt, durch den Einsatz von Futter mit ausreichend hohem Rohfaseranteil oder das Ausstreuen von Häckselstroh auf der Gülle eine geruchsbindende Decke zu erreichen. Daneben bestehen andere Möglichkeiten, die mit der Zufuhr zum Behälter oder dem Beifügen von Feststoffen zum Flüssigmist in Zusammenhang stehen. Der Güllebehälter ist antragsgemäß, also mit einer geschlossenen natürlichen Schwimmdecke nach Kriterium A 3) der Tabelle 4 genehmigt worden (s. die mit grünen Stempeln versehenen Blätter 39 und 40 des Bauantrags in BA H: "75 Punkte" ). Diese emissionsmindernde Betriebsweise ist von dem Beigeladenen einzuhalten. Der Beklagte hat den Betrieb (auch) insofern zu überwachen und bei Verstößen einzuschreiten, um die Baugenehmigung ggf. mit der Auflage einer geschlossenen Abdeckung mit Druckausgleich zu versehen. Der Beigeladene hat indessen unter dem 01.12.2008 erklärt, ggf. freiwillig für eine ordnungsgemäße Abdeckung zu sorgen. Aus der Überwachung eines anderen Stalls (O., P.) kann der Kläger für sein Verfahren nichts herleiten. Bezüglich der Güllelagerung sind also 30 Punkte in Ansatz zu bringen.

42

Hinsichtlich der Stalllüftung folgt die Kammer der Stallklimaberechnung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) vom 13.09.2007 (Bl. 51 BA F), einer mit Fachkunde versehenen Einrichtung, was dem Gericht aus anderen Verfahren bekannt ist. Insbesondere ist es nachvollziehbar, von einem mittleren Gewicht der aufgenommenen Tiere auszugehen. So gelangt die LWK auf der Grundlage von durchschnittlich 65 kg zu einem anderen Ergebnis als der Kläger mit einem - nicht näher erläuterten - Gewicht von 100 kg (s. die Punktebewertung des Klägers). Die Sommerluftrate von < 2 K Temperaturdifferenz ist hier mit einer Oberflurentlüftung mit handelsüblichen Geräten erreichbar (s. Widerspruchsbescheid zu.II. 1.3). Hier bleibt es bei 10 Punkten.

43

Entsprechend ist auch eine Austrittsgeschwindigkeit von > 7 m/s erreichbar. Insoweit wird ebenfalls auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Auch für dieses Kriterium ergeben sich 10 Punkte.

44

Ein Abzug von 25 Punkten für die Verwendung von minderwertigem Futter ist nicht gerechtfertigt. Der Kläger hat angegeben, die Fütterungsautomaten mit Tr-Futter, zweiphasig RAM, befüllen zu wollen (Bl. B 33 BA H). Nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Beklagten (s. Widerspruchsbescheid) handelt es sich dabei um ein zugelassenes, qualifiziertes Futter mit ausreichender Energiedichte. Minderwertiges Futter sei nicht wirtschaftlich, weil die Keimfreiheit nicht zu garantieren sei. Die Verabreichung von Abfällen sei nicht genehmigt und technisch im genehmigten Stall nicht möglich.

45

Ein Abzug von 20 Punkten wegen besonderer Standorteinflüsse kommt in Betracht, ändert aber zugunsten der Kläger nichts. Als besondere Standorteinflüsse nennt Ziff. 3.2.1 RL beispielhaft Berg-, Hang- und Tallagen, Gewässernähe, spezielle Witterungsverhältnisse, Eingrünungen oder Waldnähe. Wegen der erhöhten Lage des Standorts und - das Vorbringen des Klägers unterstellt - häufiger Winde aus Süd/Südwest könnte die Immissionssituation so ungünstig beeinflusst werden, dass ein Punktabzug dieser Lage Rechnung trägt. Eine Ausbreitungsbeurteilung zum begründeten Nachweis, den die RL fordert, muss die Kammer nicht einholen. Denn auch 55 Punkte genügen zur Genehmigungserteilung.

46

Bei 144 GV und 55 Punkten ist ein Abstand von ca. 355 m zu wahren. Bei 180 GV und 55 Punkten beträgt der Mindestabstand ca. 378 m (geringe Ungenauigkeiten aufgrund der Strichbreiten des Diagramms). Schon danach kommt es nicht darauf an, ob bei der Entfernung auf die Grundstücksgrenze oder das Gebäude abzustellen ist.

47

Diese Abstände können nach Ziff. 3.2.3.2 RL bis auf die Hälfte verringert werden, weil der Teil von G., in dem der Kläger lebt, einem Dorfgebiet nach § 34 Abs. 2 i.V.m. § 5 BauNVO entspricht. Jedenfalls der Bereich westlich der Kreisstraße K 4, also im wesentlichen das alte Dorfgebiet, ist aufgrund der großen landwirtschaftlich genutzten Flächen als Dorfgebiet zu qualifizieren. Dort gibt es fünf landwirtschaftliche Hofstellen. Im Ort werden auf dem Hof Koch Schweine gemästet, ein anderer Landwirt hält Rinder. Die landwirtschaftlich genutzten Flächen wechseln sich mit den der Wohnnutzung oder dem Gewerbe vorbehaltenen Flächen ab, was die dem Widerspruchsbescheid angefügte Karte des Liegenschaftskatasters belegt (Bl. 50 BA F). Der südwestliche Teil von G. mit dem klägerischen Grundstück, der wohl nach dem Krieg zum Dorf hinzukam, kann aufgrund seiner geringen Größe nicht von dem übrigen Dorfgebiet getrennt werden. Der Kläger wohnt nur drei Grundstücke vom nächsten Hof in östlicher Richtung entfernt. Die Darstellung von Wohnbauflächen im Flächennutzungsplan hat hier keine Bedeutung, da es für die Gebietstypisierung nach der BauNVO auf die tatsächlich vorhandene Nutzung ankommt. Davon ist auch nach dem Wortlaut von Ziff. 3.2.3.2 RL auszugehen (wie in § 34 Abs. 2 BauGB: "Eigenart" und "entspricht"). Allein eine Nutzung, die in der Örtlichkeit ihren Niederschlag gefunden hat, kann bei der Genehmigungserteilung für einen Schweinestall eine Begünstigung in Form von geringeren Abständen rechtfertigen.

48

Mit einem halben Abstand von 177,5 m bzw. 189 m sind die RL-Abstände deutlich eingehalten. Auch hier wird der Mindestabstand auch bei einer Distanz von 399 m (Klägerangabe) eingehalten.

49

Eine Sonderbeurteilung nach der GIRL war nicht erforderlich. Als Entscheidungshilfe für die Beurteilung von Geruchsimmissionen aus der Schweinehaltung ist grundsätzlich und zunächst auf die RL zurückzugreifen. Erst bei Nichteinhaltung der Abstände sowie bei in der Praxis auftretenden Problemkonstellationen ist eine Prüfung nach der GIRL vorzunehmen (Nds. OVG, Beschl. v. 27.06.2007 - 12 LA 14/07 - juris, Beschl. v. 03.08.2007 - 12 LA 60/07 - juris). In dem Gemeinsamen Runderlass niedersächsischer Ministerien vom 30.05.2006 (Nds. MBl. 2006, Nr. 24, S. 657) zur Einführung der Neufassung der GIRL von 2004 wird ausgeführt, im Bereich der Landwirtschaft seien zunächst die TA Luft und die VDI-Richtlinien 3471 und 3472 (Hühnerhaltung) anzuwenden. Falls sich damit in der Praxis auftretende Problemkonstellationen nicht lösen lassen würden, kämen die weiteren Verfahrensschritte der GIRL zur Anwendung. Die GIRL selbst benennt in Ziff. 1 als besondere Umstände des Einzelfalls beispielhaft besondere topografische Verhältnisse und Geruchsvorbelastungen. Nach Ziff. 3.2.3.4 RL ist eine Sonderbeurteilung bei Unterschreitung der Mindestabstände nach dem Abstandsdiagramm und im Nahbereich von unter 100 m erforderlich.

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Nach Überzeugung der Kammer liegt hier keine Problemkonstellation vor, die eine über die RL hinausgehende Prüfung erfordert. Das gilt auch für die topografische Lage und die Windverhältnisse.

51

In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass sich die Topografie von G. und dem sich südlich anschließenden Gelände, auf dem die Anlage errichtet werden soll, sich nach den Fotos, Karten und der gerichtlichen Ortsbesichtigung nicht so darstellt, wie etwa auf den Zeichnungen 3 oder 4 des Bildes 18 der RL. Weder liegt G. in einer Mulde noch am Fuße eines steilen Hangs. Richtig ist allerdings, dass der Stall oberhalb des Dorfes an einem Hang am Rande eines westlich verlaufenden Höhezuges gebaut werden soll. Bei einem Abstand von 459 m zu dem klägerischen Grundstück ergibt sich aufgrund der Höhedifferenz von ca. 15 m (178 m über N.N. zu 193 m über N.N., s. Widerspruchsbescheid) eine Steigung von ca. 3,27 %. Eine etwaig dadurch begünstigte nächtliche Kaltluftströmung im Sinne von Ziff. 2.1.1 RL wird aber schon mit dem Abzug von 20 Punkten berücksichtigt.

52

Zu den Windverhältnissen ist zu bemerken: Wenn zum Vergleich einige der von dem Kläger vorgelegten Windrosen herangezogen werden, ist ein Südwind nur in ca. 12 % (Wernigerode, mit Südwest - SW- ca. 24 %), ca. 15 % (Northeim-Stöckheim, mit SW ca. 20 %) bzw. ca. 11 % (Bad Grund, mit SW ca. 16 %) der Jahresstunden festzustellen (Bl. 98, 99, 102 oben GA). Dass an allen Tagen mit Süd-/Südwestwind störende Gerüche wahrzunehmen sind, ist damit aber nicht belegt und wegen der deutlich eingehaltenen Abstände unrealistisch. Die RL-Abstände werden nämlich um mehr als das Doppelte überschritten. Das Abstandsdiagramm der RL enthält selbst noch einen Sicherheitszuschlag von 100 % (BayVGH, Beschl. v. 29.03.2004 - 15 CS 03.2891 - juris - unter Verweis auf Ziff. 3.2.1 RL). Dem Beklagten ist auch darin zuzustimmen, dass sich die RL seit mehr als 20 Jahren in der Praxis bewährt hat. Daher ist nur bei "besonderen" Einzelfallsituationen und nicht - wie hier - bei geringfügigen Besonderheiten des Einzelfalls davon abzuweichen.

53

Die Vorbelastungen sind ebenfalls nicht geeignet, eine Sonderprüfung einzuleiten. Der Schweinemastbetrieb L. am Südring liegt östlich des klägerischen Wohngebäudes. Wegen des selten auftretenden Ostwindes und wegen des verhältnismäßig geringen Tierbesatzes (max. 200 Schweine) ist diese Vorbelastung zu vernachlässigen. Das Kompostwerk liegt ebenfalls in östlicher Richtung und zwar ca. 1.500 m vom Klägergrundstück entfernt, so dass hieraus ebenfalls keine die Sonderbeurteilung rechtfertigende Vorbelastung resultiert. Dem Kläger ist zwar abzunehmen, dass er an einigen Tagen einen als sehr unangenehm empfundenen Gestank wahrnimmt (s. etwa Prot. Erörterungstermin vom 05.09.2008: "2008 schon an 10 Tagen"). Diese Wahrnehmung hat er aber nicht so detailliert untermauert (etwa nach Geruchsstunden), dass deshalb weitere Ermittlungen veranlasst sind. Auch spricht das von dem Beklagten vorgelegte Prognosegutachten der Q. vom 29.12.2003 (Anl. 4 zum Schriftsatz vom 21.12.2007) entscheidend dagegen, weil es für die Rasterfläche des Klägergrundstücks nur eine Wahrnehmungshäufigkeit von 0,69 % der Jahresstunden auswirft (s. Anhang B).

54

Die von dem Kläger vorgelegte Geruchsprognose des Dipl.-Ing. (FH) R. vom 30.11.2008 gibt der Kammer keinen Grund zu weiteren Ermittlungen. Denn diese Ausarbeitung spricht gerade nicht für eine Überschreitung des Immissionswertes von 0,15 nach Tabelle 1 zu Ziff. 3.1 der GIRL, der hier für ein Dorfgebiet heranzuziehen ist.

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Für das klägerische Grundstück wird zwar eine Belastung von insgesamt 21,5 % relativer Geruchsstundenhäufigkeiten berechnet. Davon sind aber 4,4 % für die Gülleausbringung abzuziehen. Als Zusatzbelastung sind in einer GIRL-Bewertung nur Emissionen aus Anlagen zu berücksichtigen (s. Ziff. 2: "…durch Anlage verursachte vorhandene Belastung…"). Nach Ziff. 3.1 Abs. 1 GIRL ist eine Geruchsimmission nach der Richtlinie zu beurteilen, wenn sie … nach ihrer Herkunft aus Anlagen erkennbar, d.h. abgrenzbar ist gegenüber Gerüchen aus dem Kraftfahrzeugverkehr, dem Hausbrandbereich, der Vegetation, landwirtschaftlichen Düngemaßnahmen oder ähnlichem. Vorliegend kann der Einsatz von Dünger aus dem beantragten Stall auf landwirtschaftlichen Flächen südlich von G. der geplanten Anlage nicht zugerechnet werden. Wie der Kläger vorträgt, bringt der Beigeladene nämlich schon heute Dünger in Form von Hühnertrockenkot und - im August 2008 Schweinegülle - auf, der dann eventuell durch die Gülle aus dem Stall ersetzt würde. Der Beigeladene könnte die Gülle aber auch auf anderen Flächen verteilen. Ein zwingender Zusammenhang der dadurch in Ortsnähe entstehenden Immissionen mit der genehmigten baulichen Anlage besteht nicht. Die Kammer vermag nach den Darlegungen des Klägers in den einzelnen Gerichtsterminen und nach der Geruchsprognose auch keine besondere Häufigkeit und Intensität der Geruchsimmissionen aus der Gülleaufbringung, also keine Abweichung vom Normalfall einer Düngung, festzustellen (s. Ziff. 3.4.2 der Geruchsprognose). Eine Berücksichtigung wäre nach der GIRL mithin auch nicht im Rahmen einer Einzelfallbeurteilung nach Ziff. 5 Abs. 1 a) GIRL angezeigt. Die Gülleaufbringung ist damit weder als vorhandene Belastung noch als Zusatzbelastung zu berücksichtigen.

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Im Gegensatz zur Geruchsprognose sind für die Zusatzbelastung Kompostanlage nur gerundet 0,75 % relativer Geruchsstundenhäufigkeit anzunehmen. Diesen Wert und nicht 1,4 % sieht die Rasterflächenberechnung nach Anlage B des Q. -Gutachtens für das klägerische Grundstück vor.

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Bei bloßer Addition dieses Wertes mit der windinduzierten Belastung in Höhe von 8 % und dem Kaltluftabfluss in Höhe von 6,7 % ergibt sich dann eine Gesamtbelastung von 15,45%.

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Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass Herr R. der Ausbreitungsberechnung für die windinduzierte Belastung für den Kläger günstige Parameter zugrunde gelegt hat. So wird der Betrieb L. mit 300 statt mit 200 Schweinen sowie mit horizontaler Entlüftung eingestellt und ein GV-Faktor von 0,15 angenommen (Zif. 2.3). Für das Klägergrundstück wird der höchste Rasterflächenwert des Anhangs 10 herausgegriffen (geringster Wert 7,6 %).

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Die Berechnung der Zusatzbelastung durch Kaltluftabflüsse (immerhin 6,7 %) geht ebenfalls von dem Kläger günstigen Annahmen aus. So werden 73 "Strahlungsnächte" geschätzt (Ziff. 3.4.1). Dieser Wert kann ebenso gut deutlich geringer liegen.

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Die Gesamtbelastung wird daher voraussichtlich unter 15 % der Jahresstunden liegen. Die Addition von vorhandenen Belastungen (Kompostanlage) und Zusatzbelastungen durch eine beantragte Anlage zur Ermittlung der Gesamtbelastung ist zudem eine Vereinfachung (Fußnote zu Ziff. 4.6 der GIRL). Außerdem sind in Dorfgebieten geringe Überschreitungen des Immissionswertes zulässig. Dieser stellt keine starre Grenze für die Feststellung erheblicher Belästigungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG dar. So ist nach dem Gemeinsamen Runderlass vom 30.05.2006 (a.a.O.) in Dorfgebieten auf die Belange der landwirtschaftlichen Betriebe Rücksicht zu nehmen. Bei überwiegend landwirtschaftlicher Nutzung können Immissionswerte von bis zu 20 % zugelassen werden. Danach sind hier zumindest etwas höhere Immissionswerte vertretbar.

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Nach allem bleibt es bei einer Anwendung der RL, die vorliegend für den Kläger keine unzumutbare Umwelteinwirkung erwarten lässt.

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Ergänzend ist zu bemerken, dass Ziff. 2.1.1 RL keine eigenständige "topografische Prüfung" vorsieht. Dieser Abschnitt der RL gibt Hinweise für die Suche nach einem geeigneten Standort. Die Sonderbeurteilung nach Ziff. 3.2.3.4 RL betrifft die Unterschreitung der Mindestabstände des Abstandsdiagramms und den Nahbereich von unter 100 m.

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Die Orientierungshilfen zur Emissions- und Immissionsbewertung bayerischer Behörden sind nicht geeignet, eine Sonderbeurteilung durch ein GIRL-Gutachten zu begründen. Die dort in Ziff. 4.4.1 genannten Standorteinflüsse wie Kaltluftabfluss, ungünstige Windverhältnisse und Hanglage finden über den Abzug von 20 Punkten Eingang in die Bewertung der Immissionslage nach der RL. Sie wurden auch bei der zuvor genannten Geruchsprognose berücksichtigt. Außerdem setzen die bayerischen Empfehlungen zu den Standorteinflüssen Kaltluftabfluss und Hanglage eine Hanglänge von mindestens 500 m voraus, die hier nicht erreicht wird.

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Auf die TA Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft v. 24.07.2002 - GMBl. S. 511) kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen, da in dieser Verwaltungsvorschrift nicht der Schutz, sondern nur die Vorsorge vor schädlichen Umwelteinwirkungen geregelt wird (s. Ziff. 1 zum Anwendungsbereich). Allerdings stellt die Erfüllung der Vorsorgepflicht, die nicht der Abwehr konkreter Gefahren dient, sondern bereits im Vorfeld Wirkungen entfaltet, ein starkes Indiz dafür dar, dass auch der Schutzpflicht Genüge getan ist (Nds. OVG, Beschl. v. 28.03.2006 - 7 M E 159/04 - NVwZ-RR 2006, 682 [OVG Niedersachsen 28.03.2006 - 7 ME 159/04], sowie juris). Die Mindestabstandskurve für Schweine nach Abbildung 1 zu Ziff. 5.4. 7.1. TA Luft schreibt einen Mindestabstand vor, mit dem im Wege der Vorsorge jegliche Gerüche ausgeschlossen werden (VG Ansbach, Urt. v. 13.12.2007 - AN 18 K 04.00408 - juris). Die Kurve ist nahezu identisch mit der 100-Punkte Kurve der RL (BayVGH, Beschl. v. 29.03.2004, a.a.O.). Deshalb ist hier ein weitergehender Schutz für den Kläger auch nach der TA Luft nicht möglich.

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Das weitere Vorbringen der Kläger trägt keine Verletzung nachbarschützender Vorschriften in diesem Verfahren.

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Ein Windgutachten oder ein Gutachten über den Stand der Technik bzgl. der Lüftungsanlage sind danach ebenfalls nicht geboten (s. Beweisantrag, Prot. mündliche Verhandlung). Für den Kläger günstige Windsituationen werden zu seinen Gunsten unterstellt (s.o.). Der technische Standard des Stalls findet Eingang in die RL-Punktewertung. Für die vorliegende Nachbarklage ist nicht maßgeblich, ob der Schweinemaststall des Beigeladenen dem Stand der Technik im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG nicht gerecht wird, weil er nicht 100 Punkte nach der RL erreicht. Die Kammer lässt offen, ob dieses Verständnis der Betreiberpflichten des § 22 BImSchG zutrifft. Der Kläger kann mit seiner Klage jedenfalls nur Erfolg haben, wenn er durch das Bauvorhaben in seiner genehmigten Ausgestaltung unzumutbaren schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB ausgesetzt wird, was nach den vorstehenden Ausführungen nicht der Fall ist. Der in einem Dorf lebende Kläger muss hinnehmen, dass es aufgrund einer Erweiterung der landwirtschaftlichen Nutzung zu einer höheren Geruchsbelästigung kommt.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind gem. § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären.

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Der Streitwert ist in Anwendung des § 52 Abs. 1 GKG festgesetzt worden. Die Kammer wendet einen Mittelwert des Rahmens an, den der Streitwertkatalog der Bausenate des Nds. OVG (NdsVBl. 2002, 192 f. zu Ziff. 8 a)) für Nachbarklagen wegen der Beeinträchtigung eines Einfamilienhauses vorsieht (4.000,- bis 30.000,- EUR).