Landgericht Aurich
Beschl. v. 08.10.2003, Az.: 4 T 147/03
Bibliographie
- Gericht
- LG Aurich
- Datum
- 08.10.2003
- Aktenzeichen
- 4 T 147/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48397
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG - 25.03.2003 - AZ: 2a XVII G 14
- LG - 10.04.2003 - AZ: 4 T 147/03
- nachfolgend
- OLG - 05.01.2004 - AZ: unbekannt
- LG - 24.02.2004 - AZ: 4 T 147/03
Tenor:
Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Leer vom 25. März 2003 dahingehend geändert, dass der Aufgabenkreis des Betreuers die Sorge für die Gesundheit und die Wahrnehmung der Interessen der Betroffenen bei der Entmüllung ihrer Wohnung umfasst.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht - auch was das Verfahren der weiteren Beschwerde angeht - gerichtsgebührenfrei. Auslagen der Betroffenen werden - auch für das Verfahren der weiteren Beschwerde - nicht erstattet.
Gründe
Für die Betroffene ist seit 1997 eine Betreuung eingerichtet für den Wirkungskreis „Wahrnehmung der Interessen bei der Entmüllung der Wohnung“. Durch Beschluss vom 25.03.2003 hat das Amtsgericht Leer die bisherige Betreuung verlängert sowie die Aufgaben des Betreuers um die Wirkungskreise „Sorge für die Gesundheit“ und „Wohnungsangelegenheiten“ erweitert. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Betroffenen, die geltend macht, dass sie mit einer Betreuung nicht einverstanden sei und sich deswegen gegen eine Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers wende. Wegen aller Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss, die Beschwerde vom 31.03.2003 sowie auf die fachärztlichen Gutachten vom 23.12.2002 und 09.03.2000 verwiesen.
Das Landgericht hat durch Beschluss vom 10.03.2003 die Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen. Durch Beschluss vom 29.05.2003 hat das Oberlandesgericht Oldenburg die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Das Beschwerdegericht hat die Betroffene und ihren Betreuer angehört, den Zeugen M. vom Ordnungsamt der Stadt Leer vernommen und als Sachverständigen Herrn L., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie, Leiter des sozialpsychiatrischen Dienstes beim Gesundheitsamt in Leer, angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschriften vom 27.03. 2003 und 19.09.2003 verwiesen.
Die sofortige Beschwerde der Betroffenen ist gemäß §§ 19, 20 FGG zulässig, jedoch im wesentlichen unbegründet. Das Amtsgericht hat nach Überzeugung des Beschwerdegerichts zu Recht eine Betreuung für den Wirkungskreis „Sorge für die Gesundheitheit“ eingerichtet und die Betreuung nicht auf einzelne Bereiche der Gesundheitsfürsorge, etwa die vorliegende geistige Erkrankung der Betroffenen, beschränkt. Die Betroffene leidet nach dem fachärztlichen Gutachten des Sachverständigen L. an den Folgen einer stark chronifizierten paranoid-halluzinatorischen Psychose mit Verfolgungsideen und Stimmenhören. An der Richtigkeit des Gutachtens besteht nach Überzeugung der Kammer kein Zweifel, denn Verfolgungsideen und Stimmenhören sind auch bei der Anhörung der Betroffenen durch das Beschwerdegericht deutlich geworden, als die Betroffene davon sprach, permanent, insbesondere nachts, von Nachbarn belästigt und angesprochen zu werden, so dass sie kaum noch zur Ruhe komme. Auch der in der letzten mündlichen Verhandlung erhobene Vorwurf der Betroffenen gegen ihren Betreuer, dieser habe am Nachmittag der Anhörung vor dem Beschwerdegericht am 23.07.2003 in der Nachbarschaft der Betroffenen Gerüchte über ihre Rente verbreitet, ist abwegig, denn der Betreuer konnte keinerlei Informationen über die Rente der Betroffenen haben. Ihren Rentenbescheid hat die Betroffene dem Gericht in der Anhörung am 23.07.2003 vorgelegt, von seinem Inhalt hat der Betreuer keine Kenntnis. Die behaupteten Belästigungen durch die Nachbarschaft haben nach den Bekundungen des Betreuers, des Zeugen M. und des Sachverständigen L., alles Personen, die die Wohnverhältnisse der Betroffenen kennen, keinen realen Hintergrund. Es ist nicht ausreichend, die Betreuung auf die psychische Erkrankung zu beschränken, denn mit dieser Erkrankung der Betroffenen einher geht das Verhalten der Betroffenen, sämtlichen Müll und Unrat in ihrer Wohnung einzusammeln, so dass er nach ihren eigenen Angaben vor dem Amtsgericht inzwischen 1 m hoch in ihrer Wohnung liegt und nach den glaubhaften Angaben des Betreuers, des Zeugen M. und des Sachverständigen L. bei einem Hausbesuch im letzten Herbst sich die Haustür nur noch so weit öffnen ließ, dass sich die Betroffene gerade herauszwängen konnte. Bei der letzten Entmüllungsaktion 1997 sind nach Auskunft des Leiters des Sozialpsychiatrischen Dienstes beim Gesundheitsamt in Leer totgelegene Ratten unter dem Bett der Betroffenen gefunden worden. Da der Müll nach den eigenen Angaben der Betroffenen inzwischen wieder 1 m hoch in der Wohnung liegt, sind ähnliche hygienischen Verhältnisse als bei der letzten Entmüllungsaktion zu vermuten, ebenso sprechen diese Verhältnisse dafür, dass die Betroffene auch an körperlichen Krankheiten leiden könnte, die behandlungsbedürftig sind. Die Betroffene macht zudem einen äußerst ungepflegten Eindruck und eine Anämie ist deutlich sichtbar. Da es der Betroffenen im Hinblick auf ihre unhygienischen Wohnverhältnisse an jeglicher Einsicht fehlt, ist es zum Wohle der Betroffenen notwendig, die Betreuung auf den gesamten Bereich der Gesundheitsfürsorge zu erweitern, damit der Betreuer gegebenenfalls die Möglichkeit hat, die Betroffene in jeder Richtung untersuchen zu lassen.
Hinsichtlich der Wohnungsangelegenheiten bedarf die Betroffene der Unterstützung bei der regelmäßigen Entmüllung der Wohnung. Die Betroffene mag sich noch um ihre sonstigen Wohnungsangelegenheiten kümmern können, zur Sauberhaltung und Entmüllung ihrer Wohnung ist sie nicht in der Lage. Andere Möglichkeiten sind nicht ersichtlich. Die Ordnungsbehörde kann nur aus dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr tätig werden. Da sich die Betroffene in ihrer Wohnung förmlich einigelt, dürften aus dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr regelmäßig notwendige Entmüllungsaktionen nicht zulässig sein. Hinzu kommt, dass die Betroffene auch über ein ausreichendes Einkommen verfügt, ihre Wohnung mit Hilfe Dritter sauber zu halten. Die Betroffene verhält sich insoweit lediglich völlig uneinsichtig. Da der Betreuer gegen ihren Willen Entmüllungsaktionen kaum durchführen kann, zumal er dafür auch die finanziellen Mittel der Betroffenen benötigt, wird das Amtsgericht zu prüfen haben, ob nicht zum Wohle der Betroffenen für diesen Wirkungskreis ein Einwilligungsvorbehalt anzuordnen ist und dem Betreuer die Möglichkeit verschafft werden muss, finanzielle Mittel der Betroffenen für regelmäßige Entmüllungen in Anspruch zu nehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 3 KostO, § 13 a Abs. 2 FGG.
Es ist nicht angemessen, der Staatskasse die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Betroffenen aufzuerlegen, weil das Beschwerdegericht den Wirkungskreis Wohnungsangelegenheiten auf die Wahrnehmung der Interessen bei der Entmüllung der Wohnung beschränkt hat, denn für alle Beteiligten war nie zweifelhaft, dass der Schwerpunkt der Tätigkeit des Betreuers bei der Wahrnehmung der Interessen bei der Entmüllung der Wohnung lag.