Landgericht Aurich
Urt. v. 16.05.2003, Az.: 3 O 226/03

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
16.05.2003
Aktenzeichen
3 O 226/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48398
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Oldenburg - 30.10.2003 - AZ: 8 U 136/03

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.500,00 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 4.3.2003 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckungsfähigen Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Mit der am 4.3.2003 zugestellten Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz statt Leistung wegen nicht erbrachter Erfüllung aus einem Kaufvertrag in Anspruch.

Die Beklagte hatte am 27.11.2002 zwecks Durchführung einer Online-Auktion alte, handgeschnitzte chinesische Möbel, bestehend aus zwei Stühlen und einem Tisch, mit der Artikel-Nr. 123.. auf der eBay Website eingestellt zu einem Mindestgebot von 100 €. Dabei wurde die Bietzeit von der Beklagten festgelegt vom 27.11.2002 bis 7.12.2002, 0.00 Uhr. Der Kläger hat hierzu ein Gebot in Höhe von 100 € angegeben und ist nach Ablauf der Bietzeit am 7.12.2002, 0.00 Uhr meistbietend geblieben.

Mit e-Mail vom 10.12.2002 teilte die Beklagte dem Kläger folgendes mit:

„Es tut mir ja leid, aber da ist mir ein Fehler unterlaufen, du kannst die Möbel nicht für 100 € haben, die Besitzerin möchte 1.000 €.“ Durch anwaltliches Schreiben vom 14.1.2003 wurde die Beklagte letztmalig unter Fristsetzung bis zum 5.2.2003 zur Herausgabe der chinesischen Möbel Zug um Zug gegen Zahlung von 100 € aufgefordert. Dies lehnte die Beklagte ihrerseits mit Schreiben vom 16.1.2003 ausdrücklich ab.

Die handgeschnitzten chinesischen Möbel haben nach Auffassung beider Parteien einen Marktwert von 6.000 €.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.500 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, durch e-Mail vom 10.12.2002 den Kaufvertrag vom 7.12.2002 wegen Erklärungsirrtums wirksam angefochten zu haben, da sie versehentlich anstelle von „1000 €“ als Mindestgebot „100 €“ eingegeben habe. Zudem sei der Kaufvertrag wegen Wuchers sittenwidrig und damit nichtig.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Auf deren übereinstimmenden Antrag hat das Gericht gem. § 128 ZPO das schriftliche Vorverfahren angeordnet und bestimmt, dass Erklärungen zur Sache bis zum 30.4.2003 abgegeben werden konnten.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung aus § 281 BGB n. F. in Höhe von 5.500 € gegenüber der Beklagten zu.

Unstreitig ist zwischen den Parteien, nachdem der Kläger nach Ablauf der Bietzeit der Online-Auktion mit 100 € Meistbietender blieb, ein wirksamer Kaufvertrag über die handgeschnitzten alten chinesischen Möbel, bestehend aus 2 Stühlen und einem Tisch (Artikel-Nr. 123…) zustande gekommen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat sie diesen Vertrag nicht wirksam durch e-Mail vom 10.12.2002 wegen Erklärungsirrtums gem. §§ 143 Abs. 1, 142 Abs. 1, 119 Abs. 1 Fall 2 BGB angefochten. Diesem Schreiben läßt sich bereits nicht entnehmen, dass es sich überhaupt um eine Anfechtung handeln soll, da insoweit keine eindeutige Erkärung abgegeben worden ist. Vielmehr kann die Formulierung „du kannst die Möbel nicht für 100 € haben“ auch dahin zu verstehen sein, dass eine Auslieferung Zug um Zug gegen Zahlung von 100 € abgelehnt werde. Dies würde keine Anfechtung, sondern lediglich eine Leistungsverweigerung darstellen, durch welche sich die Beklagte nicht wirksam vom Vertrag lösen kann. Ungeachtet dessen ist der Mitteilung der Beklagten auch nicht zu entnehmen, dass ihr ein „Erklärungsirrtum“ unterlaufen ist, denn es wird nicht ersichtlich, worauf der ihr unterlaufende Fehler beruht. Der e-Mail vom 10.12.2002 kann nicht entnommen werden, dass die Beklagte sich bei Abgabe des Angebots, hier Festlegung des Mindestgebotes von 100 € vertan hat und tatsächlich ein 1000 € eingeben wollte. Vielmehr läßt die Mitteilung vom 10.12.2002 auch die Bedeutung zu, dass die Beklagte - womöglich in Erwartung einer regen Internet-Auktion - ein zu geringes Mindestgebot gewählt hat und daher die Erwartung der Besitzerin, sie möchte 1000 € erzielen, mangels einer ausreichenden Anzahl von Bietern verfehlt hat. Dann läge indes kein Erklärungsirrtum, sondern allenfalls ein unbeachtlicher Motivirrtum vor, der keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des geschlossenen Kaufvertrages hätte.

Soweit die Beklagte erstmalig mit Schreiben vom 21.12.2002 (Bl. 64 d. A.) darauf hinweist, ihr sei ein Zahlendreher unterlaufen, vermag das Gericht bereits nicht nachzuvollziehen, wie bei der Zahl 100 oder 1000 ein Zahlendreher unterlaufen kann, doch kommt es darauf nicht an, da das Schreiben vom 21.12.2002 jedenfalls nicht unverzüglich gem. § 121 BGB nach Kenntnis vom Anfechtungsgrund an den Kläger bzw. dessen Prozeßbevollmächtigten abgesandt worden ist.

Schließlich ist der geschlossene Kaufvertrag auch nicht wegen Wuchers gem. § 138 Abs. 2 BGB nichtig, da hierfür ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung allein nicht ausreicht. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in irgendeiner Form eine Zwangslage der Beklagten ausgenutzt haben könnte, sind nicht ersichtlich, zumal die Parteien über das Internet anonymisiert miteinander in Kontakt getreten sind.

Da die Beklagte die Vertragserfüllung verweigert, ist sie dem Kläger im erkannten Umfang zum Schadensersatz verpflichtet.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 284, 291 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.