Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.07.2002, Az.: 1 LA 2816/01

Abhilfebescheid; Ausgangsbehörde; Ermessen; Ermessensfehler; Ermessensreduzierung auf Null; Nachbarwiderspruch; Rücknahme; Verwaltungsakt; Widerspruch; Widerspruchsbehörde

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.07.2002
Aktenzeichen
1 LA 2816/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43827
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 18.06.2001 - AZ: 4 A 1399/01

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Ausgangsbehörde hat auch nach Abgabe des Widerspruchsvorgangs an die Widerspruchsbehörde die Wahl, ob sie dem zulässigen und begründeten Nachbarwiderspruch gemäß § 72 VwGO abhilft oder den eigenen Bescheid gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 50 VwVfG zurücknimmt. Im letztgenannten Fall ist ihr Ermessen indes mit der Folge auf null reduziert, dass eventuelle Ermessensfehler nicht zum Vorteil des Bauherrn zum Tragen kommen.

Gründe

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit zweier Bescheide, mit denen die Beklagte auf Anregung der Bezirksregierung {E.} zwei Bescheide ihres Rechtsvorgängers, des Landkreises {E.}, über die Höhenfestsetzung im Grenzbereich zwischen den Grundstücken der Kläger und des Beigeladenen zu 1) sowie eine Nachtragsbaugenehmigung zurücknahm, mit der den Klägern unter anderem Dispens von der Pflicht zu nur eingeschossigem Bauen und zur Einhaltung eines Grenzabstandes von mindestens 3 m erteilt worden war.

2

Die Grundstücke der Kläger und der Beigeladenen liegen auf der Nordseite des {F.} im Geltungsbereich des Bebauungsplanes der Antragsgegnerin Nr. 6, der unter anderem eingeschossige, offene Bauweise festsetzt. Die Grundstücke sind so aufgereiht, dass das der Kläger im Osten von dem des Beigeladenen zu 1) und im Westen von dem des Beigeladenen zu 2) flankiert wird. Deren Grundstücke sind bebaut und genutzt. Auf dem Grundstück der Kläger steht dagegen nur ein Rohbau, der wegen der zwischen den Beteiligten geführten Nachbarstreitigkeiten nicht hat fortgeführt werden können. Diese nahmen ihren Ausgang in einem Zwist zwischen den Klägern und dem Beigeladenen zu 1). Der hat im Grenzbereich sein Grundstück aufgeschüttet und die Aufschüttung durch 1 m hohe, L-förmige Betonelemente gesichert. Die gerieten ins Wanken, als die Kläger auf ihrem Grundstück zur Herstellung eines Kellerabganges abgruben. Das hatte ab dem Jahre 1994 nicht nur umfangreiche zivilgerichtliche Auseinandersetzungen zur Folge, sondern unter anderem auch eine Vermessung des klägerischen Grundstücks durch Dr.-Ing. {G.}. Dabei stellte sich heraus, dass das von den Klägern (vermeintlich) in Ausnutzung der Baugenehmigung vom Januar 1993 errichtete Haus zum Grundstück des Beigeladenen zu 1) einen Abstand von nur 2,95 m bis 2,98 m und zum Grundstück des Beigeladenen zu 2) einen Abstand von 2,91 m bis 2,94 m einhielt. Der Landkreis {E.} erließ in der Folgezeit zwei dann angefochtene Bescheide. Unter dem 27. Dezember 1996 setzte er die Geländeoberfläche im Grenzbereich der Kläger und des Beigeladenen zu 1) auf 48 m über Normalnull (Straßenniveau ist 47 m über Normalnull) unter anderem deshalb fest, weil er dem Beigeladenen die Aufschüttung seines Geländes durch seinen Bescheid vom Februar 1995 gestattet habe. Hiergegen legte der Beigeladene zu 1) Ende Januar 1997 Widerspruch ein. Außerdem erteilte der Landkreis {E.} unter dem 7. September 1999 den Klägern eine neue Baugenehmigung, in der er von den Festsetzungen des Bebauungsplanes zum Vorteil einer zweigeschossigen Bebauung Befreiung erteilte und die Grenzunterschreitung genehmigte. Gleichzeitig gab er allerdings den Klägern auf, oberhalb 6 m Höhe bestimmte Rückbaumaßnahmen durchzuführen, um so einen Abstand von 3,20 m zum Grundstück des Beigeladenen zu 1) und von 4,34 m zum Grundstück des Beigeladenen zu 2) zu gewährleisten. Gegen diese Genehmigungen gingen beide Beigeladene mit dem Widerspruch vor.

3

Der Landkreis {E.} half den Widersprüchen nicht ab und legte die Widerspruchsvorgänge der Bezirksregierung {E.} vor. Diese reichte den Vorgang über die Baugenehmigung vom September 1999 im Mai 2000 an die nunmehr zuständige Beklagte mit der Bemerkung zurück, ihrer Einschätzung nach sei die Unterschreitung des Grenzabstandes von 3 m rechtswidrig und den Widersprüchen daher insoweit stattzugeben. Sie gebe der Beklagten aber Gelegenheit, ihrer Entscheidung zuvor zu kommen und die Baugenehmigung zurückzunehmen. Das geschah dann mit dem Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2001, welchen die Kläger unmittelbar mit der Klage anfochten. Dasselbe geschah durch Bescheid vom 22. Februar 2001 hinsichtlich der Höhenfestsetzung. Diesem vorausgegangen war die Verfügung der Bezirksregierung {E.} vom 12./15. Januar 2001, in der sie der Beklagten mitteilte, ihrer Einschätzung zufolge sei auch dieser Widerspruch begründet. Sie bat die Beklagte, das in die beabsichtigte Entscheidung über die Rücknahme der Baugenehmigung einzubeziehen.

4

Das Verwaltungsgericht hat mit der angegriffenen Entscheidung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, der Klage teilweise stattgegeben und den Rücknahmebescheid der Beklagten vom 22. Februar 2001 betreffend die Höhenfestsetzung aufgehoben. Die Klage gegen die Rücknahme der Baugenehmigung vom 7. September 1999 hat das Verwaltungsgericht dagegen im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, eine Unterschreitung des Grenzmindestabstandes von 3 m sei nicht zu rechtfertigen. Beide Beigeladenen seien hierdurch in ihren Rechten verletzt. Diese dürften sich trotz der auf ihren Grundstücken durchgeführten Baumaßnahmen auf die Verletzung des Grenzabstandsrechts berufen. Die Unterschreitung der Grenzabstände sei zwar erheblich geringer, als die Beklagte wegen der ungerechtfertigten Aufhebung der Höhenfestsetzung angenommen habe. Das führe indes nicht zu einer Aufhebung des auf § 48 VwVfG gestützten Rücknahmebescheides wegen Ermessensfehlgebrauchs, weil das Ermessen in Fällen der Drittanfechtung auf null reduziert sei.

5

Dagegen richten sich die rechtzeitig gestellten Zulassungsanträge der Kläger, die sich auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO berufen und des Beigeladenen zu 1), der dieselben Zulassungsgründe anzieht. Die Beklagte äußert sich nicht; der Beigeladene zu 2) beantragt, beide Anträge abzulehnen.

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Beide Anträge haben keinen Erfolg.

7

Zu dem Zulassungsantrag der Kläger sind folgende Ausführungen veranlasst:

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Die angegriffene Entscheidung begegnet nicht ernstlichen Zweifeln im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Beschl. v. 31.7.1998 - 1 L 2696/98 -, NVwZ 1999, 431) erst dann der Fall, wenn für das vom Zulassungsantragsteller favorisierte Entscheidungsergebnis - auf dieses und nicht auf einzelne Begründungselemente kommt es dabei an - "die besseren Gründe sprechen", das heißt wenn ein Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen. Das ist hier nicht der Fall.

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Keinen ernstlichen Zweifeln begegnet die Auffassung des Verwaltungsgerichts, das durch § 48 Abs. 1 VwVfG eröffnete Ermessen sei hier auf null reduziert gewesen, eventuelle Ermessensfehler daher rechtlich irrelevant. Die dagegen vorgebrachten Einwendungen rechtfertigen weder vom Ansatz noch von der Anwendung im Einzelfall her die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat die Ausgangsbehörde die Wahl, ob sie einem zulässigen und begründeten Nachbarwiderspruch gemäß § 72 VwGO abhilft (und dann eine dem Widersprechenden günstige Kostengrundentscheidung zu treffen hat) oder den angegriffenen Bescheid wegen dieses Widerspruches gemäß § 48 VwVfG zurücknimmt (vgl. insbesondere BVerwG, Urt. v. 18.4.1996 - 4 C 6.95 -,

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BVerwGE 101, 64 = NVwZ 1997, 272 = DVBl. 1996, 1315 m.w.N.). Diese Befugnis steht ihr auch dann zu, wenn die Ausgangsbehörde (zunächst) dem Widerspruch nicht abgeholfen und den Vorgang mit der Folge des Devolutiveffektes an die Widerspruchsbehörde abgegeben hat. Auch in diesem Fall steht ihr nicht lediglich die Möglichkeit der Rücknahme gemäß § 48 VwVfG, sondern auch die Abhilfemöglichkeit nach § 72 VwGO zu Gebote (so zutreffend BVerwG, Urt. v. 27.9.1989 - 8 C 88.88 -, BVerwGE 82, 336 = NVwZ 1990, 651 = BayVBl. 1990, 98). Die gegenteilige Meinung (so z.B. Knoke, Rechtsfrage der Rücknahmen von Verwaltungsakten, 1989, S. 298) überzeugt nicht. § 72 VwGO enthält keinen Hinweis darauf, dass die Abhilfebefugnis der Ausgangsbehörde mit der Abgabe an die Widerspruchsbehörde enden solle (so zutreffend Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im öffentlichen Recht, 10. Aufl. 2000, § 25 Rdn. 6 f.). Dieses Wahlrecht darf im Interesse des Widerspruchsführers aber nur sachgerecht ausgeübt werden. Das schließt es nicht nur aus, die Wahl zwischen beiden gleichrangig eröffneten Möglichkeiten, einem erfolgreichen Nachbarwiderspruch zu entsprechen, allein nach den finanziellen Folgen zu treffen (s. nochmals BVerwG v. 18.4.1996, a.a.O.). Das schließt es vielmehr auch aus, dem Widerspruchsführer ohne tragfähigen Grund den Erfolg nur deshalb zu versagen, weil die Ausgangsbehörde § 48 VwVfG als Rechtsgrundlage für eine Entscheidung über den Nachbarwiderspruch wählt und das durch seinen Abs. 1 eröffnete Ermessen zum Nachteil des Widerspruchsführers ausübt. Ein Ermessen ist dementsprechend gemäß § 79 VwVfG i.V.m. § 72 VwGO nicht eröffnet, wenn der Nachbarwiderspruch zulässig und begründet ist und eine Auslegung des Bescheides der Ausgangsbehörde ergibt, dass diese durch Rücknahme ihres Bescheides einer stattgebenden Rechtsbehelfsentscheidung der Widerspruchsbehörde zuvorkommen und diese damit überflüssig machen wollte (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.11.2001 - 4 C 18.00 -, ZfBR 02, 364/371; OVG Münster, Urt. v. 13.7.1982 - 11 A 2432/81 -, BRS 39 Nr. 157; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 50 Rdn. 3; Knoke, a.a.O., S. 299/300).

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Ein solcher Fall ist hier gegeben. Nach dem vom Verwaltungsgericht im Tatbestand der angegriffenen Entscheidung zutreffend geschilderten Ablauf der Dinge hatte die Bezirksregierung {E.} den Vorgang ausdrücklich mit den Hinweisen zurückgegeben, sie halte die Widersprüche, soweit sich diese gegen die Unterschreitung des Mindestabstandes von 3 m richteten, für begründet und wolle der Beklagten als nunmehriger Ausgangsbehörde - insbesondere durch Rückgabe aller Bauakten - Gelegenheit geben, ihrer Widerspruchsentscheidung zuvorzukommen und die Baugenehmigung zurückzunehmen (Verfügung der Bezirksregierung vom 26. Mai 2000, Blatt 169 f. der Beiakte A). Dasselbe gilt im Hinblick auf den Widerspruch gegen die Höhenfestsetzung. In der Verfügung vom 12. Januar 2001 der Bezirksregierung {E.} heißt es dazu, nach Prüfung des Widerspruchs müsse sie feststellen, dass dieser begründet sei. Die daraufhin erlassenen, hier angegriffenen Bescheide der Beklagten vom 22. und 26. Februar 2001 nehmen ausdrücklich Bezug auf die von den Beigeladenen eingelegten Widersprüche und bringen zum Ausdruck, die damit genehmigten Maßnahmen verletzten diese in ihren Nachbarrechten. Anders konnten im Übrigen auch die Kläger diese Bescheide nicht auffassen. Denn sie folgten auf Anhörungsschreiben vom 28. Juli 2000 und vom 17. Januar 2001. Darin hatte die Beklagte nicht nur ausdrücklich auf die Widersprüche der Beigeladenen Bezug genommen, sondern auch angeführt, eine Überprüfung durch die Bezirksregierung {E.} habe ergeben, dass der Widerspruch des Beigeladenen zu 1) insgesamt und beider Beigeladenen zum Teil begründet seien. Letzteres solle in einem Gespräch erörtert werden.

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Aus den vorstehenden Ausführungen folgt nicht nur, dass es sich bei den angegriffenen Bescheiden der Sache nach um Abhilfebescheide im Sinne des § 72 VwGO handelte und das Ermessen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG mit der Folge auf die eine, dem Widerspruch stattgebende Entscheidung geschrumpft war, dass sich Ermessensfehler nicht auswirken. Daraus folgt vielmehr auch, dass der Zulassungsangriff der Kläger nicht begründet ist, sie seien vor Erlass des Bescheides vom 26. Februar 2001 (dieser betrifft die Baugenehmigung des Landkreises vom 7. September 1999) nicht ausreichend angehört worden. § 28 Abs. 1 VwVfG ist bereits dann genügt, wenn die Behörde dem Adressaten verdeutlicht, eine ihm nachteilige Entscheidung komme in Betracht. Nach Lage der Dinge konnte das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 28. Juli 2000 den Klägern nur bedeuten, es komme auch und gerade in Betracht, die mit den Widersprüchen angegriffene Baugenehmigung vom 7. September 1999 sozusagen "nach beiden Seiten", das heißt wegen der Verletzung des Grenzabstandes zu den Grundstücken beider Beigeladenen aufzuheben. Denn beide Grundstücksnachbarn hatten Widerspruch gegen den Bescheid vom 7. September 1999 eingelegt, der die durch das Gutachten des Dr.-Ing. {G.} erwiesene Unterschreitung des Grenzabstandes legalisieren sollte. Dementsprechend war es Sache der Kläger, die Gesichtspunkte vorzutragen, welche dem Beklagten vom Vorhaben einer Aufhebung des Bauscheins vom 7. September 1999 ganz oder teilweise hätte abhalten sollen/können.

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Es sprechen auch die besseren Gründe für die - zur entsprechenden Anwendung des § 72 VwGO führenden - Annahme, mit den angegriffenen Bescheiden habe die Beklagte zulässigen und begründeten Nachbarwidersprüchen gegen die Baugenehmigung des Landkreises {E.} vom 7. September 1999 stattgegeben.

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Gegen die Rechtzeitigkeit der Widersprüche bestehen keine durchgreifenden Bedenken.

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Die besseren Gründe streiten auch für die Annahme, ihnen habe sachlich stattgegeben werden müssen. Die Niedersächsische Bauordnung bietet keine tragfähige Grundlage dafür, die hier geschehene Unterschreitung des Grenzmindestabstandes von beidseits 3 m zu legalisieren. Dass die §§ 7 a f. NBauO oder § 86 NBauO hierfür eine ausreichende Handhabe böten, macht das Zulassungsantragsvorbringen nicht geltend.

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Es sprechen aber auch die besseren Gründe für die Annahme, die auf Seite 5 f. der Zulassungsantragsschrift der Kläger aufgeführten Baumaßnahmen des Beigeladenen zu 1) hinderten diesen auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht, gegen den Bauschein vom 7. September 1999 Widerspruch zu führen. Richtig ist zwar, dass nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (s. u.a. Urt. v. 21.10.1986 - 1 A 180/85 -, Die Gemeinde 1987, 346, 347) einem Rechtsbehelf der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegenstehen kann und ihm daher mit der Folge nicht stattgegeben werden dürfte, dass ein dem § 72 VwGO vergleichbarer Fall hier nicht vorläge. Das gilt indes nur dann und insoweit, als der Bauherr mit dem nunmehr angegriffenen Vorhaben nur das verwirklichen will, was der einwendende Nachbar - sei es mit, sei es ohne Bauschein - auf seinem Grundstück in entsprechender Weise schon verwirklicht hat. Das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis ist nur dann mit der Folge der Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs gestört, wenn das nunmehr angegriffene Vorhaben dem entspricht, was der Nachbar bereits verwirklicht hat (Beschl. d. Sen. v. 30.3.1999

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- 1 M 897/99 -, BauR 99, 1163). Die besseren Gründe sprechen hier für die Annahme, dass das nicht der Fall ist. Selbst wenn die Terrasse und das Grundstück des Beigeladenen zu 1) insgesamt zu hoch gestaltet, der auf der Terrasse errichtete Zaun damit das nach § 12 a NBauO zulässige Maß überschritte und der Beigeladene zu 1) zudem auf seiner Terrasse ein Holzhaus errichtet hätte, wären alle diese Maßnahmen nicht annähernd mit dem Vorhaben der Kläger, das Einfamilienhaus, das in voller Breite dem Grundstück des Beigeladenen auf weniger als 3 m Abstand näher rückt, zu vergleichen.

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Nur ergänzend ist daher darauf zu verweisen, dass dem Einwand unzulässiger Rechtsausübung auch entgegenstehen dürfte, dass die in der Zulassungsantragsschrift erhobenen Einwände zu nicht unwesentlichen Teilen auf der Einschätzung beruhen, der Beigeladene zu 1) habe sein Grundstück zu Unrecht so weit aufgeschüttet. Das ist indes ein Umstand, der erst die mit der angegriffenen Entscheidung wiederhergestellte Höhenfestsetzung trug. Diese aber stand gerade im Interesse der Kläger, um die Unterschreitung der Grenzmindestabstände zu minimieren.

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Nach den vorstehenden Ausführungen ist damit auch nicht mehr ernstlich zweifelhaft, dass es auf die in der Zulassungsantragsschrift aufgemachte Rechnung der Kosten, welche ein Rückbau des im Rohbau erstellten Vorhabens verursachte, nicht ankommt. Das sind Gesichtspunkte, welche allenfalls bei einer Ermessensausübung zu berücksichtigen wären. Ermessen ist hier indes nicht auszuüben, da dieses auf null reduziert ist. Die Geringfügigkeit, in der die Grenzmindestabstände unterschritten werden, und die zur Beseitigung dieser Grenzabstandsverletzung aufzuwendenden Kosten wären allenfalls von Interesse bei der Frage, ob die Beklagte bei einem ungenehmigten Fortbau des klägerischen Wohnhauses im Interesse der Beigeladenen einzuschreiten verpflichtet wäre. Das ist indes nicht Gegenstand dieses Streitverfahrens. Dementsprechend war das Verwaltungsgericht auch nicht in einer die Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigenden Weise verpflichtet gewesen, diesen - im Übrigen jedenfalls in ihrer Größenordnung auf der Hand liegenden wirtschaftlichen - Folgen durch Aufklärung weiter nachzugehen.

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Aber auch aus sonstigen Gründen besteht nach den vorstehenden Ausführungen keine Möglichkeit, die Berufung der Kläger auf der Grundlage von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, welche die Zulassung rechtfertigen, weist eine Sache nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. z.B. Beschl. v. 31.8.1998 - 1 L 3914/98 -, NdsRpfl. 1999, 44 = NuR 2000, 389 = NdsVBl. 1999, 95) erst auf, wenn das Zulassungsantragsvorbringen schwierige Fragen stellt, welche sich im Zulassungsverfahren nicht ohne weiteres beantworten lassen. Das ist hier nach den vorstehenden Ausführungen indes zum Nachteil der Kläger der Fall. Die dort aufgeworfenen Fragen lassen sich auf der Grundlage der bereits existierenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten. Diese enthält bereits die Antwort zu der auf Seite 8 oben der Zulassungsantragsschrift als grundsätzlich bedeutsam bezeichneten Frage, so dass auch insoweit eine Berufungszulassung auf der Grundlage des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht in Betracht kommt. Das Zulassungsantragsvorbringen enthält keine Ausführungen, welche die grundsätzliche Bedeutung dieser in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworteten Frage erneut begründete.

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Der Zulassungsantrag des Beigeladenen zu 1) ist ebenfalls rechtzeitig gestellt worden, kann aber gleichfalls keinen Erfolg haben. Das Ergebnis der angegriffenen Entscheidung wird hinsichtlich des Teils, mit dem darin der Klage stattgegeben worden ist (Höhenfestsetzung), durch das Zulassungsantragsvorbringen nicht im Sinne der oben zitierten Grundsätze im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ernstlich in Zweifel gezogen. Diese beruht auf der Erwägung, die Bauaufsichtsbehörde dürfe gleichsam erst recht nach § 16 Abs. 2 NBauO das festsetzen, was sich aus einer Anwendung des § 16 Abs. 1 Satz 2 NBauO ergebe. Da der Beigeladene zu 1) nach den im Zivilprozess getroffenen Feststellungen sein Grundstück insgesamt sogar um bis zu 2,20 m aufgeschüttet habe und die Differenz zum Straßenniveau (47 m über Normalnull) bis zu 1,5 m betrage, sei die auf § 16 Abs. 2 NBauO gestützte Anpassung der Geländehöhe im Bereich der gemeinsamen Grenze auf 1 m über Straßenniveau selbst dann nicht zu beanstanden, wenn der Nachbar, hier also die Kläger, eine Angleichung derzeit tatsächlich nicht beabsichtige. Der Beigeladene zu 1) habe selbst durch sein Tun erst die Zweifel an der zutreffenden Geländeoberfläche gesät, welche dann durch den angegriffenen Bescheid vom 27. Dezember 1996 vom Landkreis {E.} geklärt worden seien. Seine Interessen würden damit aus zwei selbständig tragenden Gründen nicht unzumutbar beeinträchtigt. Zum einen ermögliche ihm die Aufschüttung, die Fläche westlich seines Wohnhauses im Anschluss an seine Terrasse bis zum {H.} im Wesentlichen ohne Höhenunterschied zu nutzen. Zum anderen ermöglichte ihm die Höhenbestimmung, die veränderten Grenzabstände zu seinen Gunsten auszunutzen.

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All das wird durch das Zulassungsantragsvorbringen nicht ernstlich in Zweifel gezogen. Gegen den rechtlichen Anknüpfungspunkt enthält dieses keine Angriffe. Der Zulassungsangriff, die Aufschüttung dieses Umfanges sei von ihm, dem Beigeladenen zu 1), nicht von vornherein geplant gewesen, trifft nicht den Kern. Nicht hinweg zu diskutierende Tatsache ist, dass der Beigeladene zu 1) diese Aufschüttung nicht nur durchgeführt, sondern entgegen seiner Darstellung in der Zulassungsantragsschrift (S. 3 Mitte: vorgebliche Beseitigungsbereitschaft) durch seine zivilrechtlichen Auseinandersetzungen zu erhalten getrachtet hat. Die weitere Darstellung, die Aufschüttung sei lediglich eine Abwehrmaßnahme gegen das Vorhaben der Klägerseite gewesen, trifft zum einen nicht die Argumentation des Verwaltungsgerichts, für die es allein auf das Vorhanden- und bislang Nichtbeseitigtsein der Aufschüttung ankommt. Sie steht zum anderen im Widerspruch zu den Ausführungen der Beigeladenenseite im Schriftsatz vom 7. Mai 2001 und kann von daher ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ebenfalls nicht säen. Denn danach kam es zu den zivilgerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Klägern und dem Beigeladenen zu 1) erst, nachdem im Zuge der klägerischen Baumaßnahmen die Stützmauern beschädigt worden waren, welche die Aufschüttung auf dem Gelände des Beigeladenen zu 1) hielten. Diese war also schon vorher da. Der vorgegebene Grund - Abwehr der Folgen der Höhe des klägerischen Gebäudes - erweist sich damit als nicht tragfähig. Es kommt hinzu, dass er allenfalls dann von Belang wäre, wenn sich der Beigeladene zu 1) mit dem klägerischen Vorhaben abgefunden und dieses nicht attackiert hätte. Das erst könnte auf dem Boden seiner Darstellungen einen Grund darstellen, die tatsächlich hergestellte Geländehöhe behalten zu können, ohne eine Anpassung gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 NBauO hinnehmen zu müssen.

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Keinen Erfolg kann der Zulassungsantrag auch mit dem Angriff haben, er, der Beigeladene zu 1), wolle gar nicht die Vorteile ausnutzen, welche (auch) ihm aus der Höhenfestsetzung im Hinblick auf gesteigerte Gebäudehöhen erwüchsen. Erstens kommt es auf die Absicht, dies zu tun, nicht an. Schon die Möglichkeit, das zu erreichen, ist ein Vorteil. Zweitens ist dies nur eine der tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts. Die andere, für sich allein tragende Erwägung (vgl. S. 9 UA), der Beigeladene zu 1) könne aufgrund der Höhenfestsetzung die Terrasse und das umgebende Gelände im Wesentlichen ohne hinderliche Höhenunterschiede nutzen, greift der Beigeladene zu 1) in seinem Antrag nicht mit zulässigen Erwägungen an.

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Die Höhe der Kosten, welche die Aufschüttungsmaßnahme nach Darstellung des Beigeladenen zu 1) verursacht hat, ist nicht entscheidungserheblich. Die behauptete Wertminderung (I.4. und II.4. der Zulassungsantragsschrift) kann dem Zulassungsantrag ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Der Hinweis auf eine Wertminderung des Grundstücks vermag für sich allein eine Verletzung öffentlichen Nachbarrechts oder unangemessener Hintanstellung nachbarlicher Interessen nicht zu begründen. Nur wenn diese eine Folge des Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme darstellt - was hier zu verneinen ist -, ist sie nach dem öffentlichen Baurecht von Belang (vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 14.4.1978 - 4 C 96 und 97.76 -, DVBl. 1978, 614 = BauR 1978, 289; Beschl. v. 24.4.1992 - 4 B 60.92 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 109; Beschl. v. 6.12.1996

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- 4 B 215.96 -, BRS 58 Nr. 164).

27

Mit den Ausführungen zu II.2. der Zulassungsantragsschrift des Beigeladenen zu 1) werden ebenfalls keine ernstlichen Zweifel gesät. Die mit der angegriffenen Gerichtsentscheidung "wiederhergestellte" Höhenfestsetzung vom 27. Dezember 1996 trifft keine Entscheidung darüber, ob/dass die Kläger abweichend von den planerischen Festsetzungen zwei Vollgeschosse verwirklichen dürfen.

28

Die daran anschließenden Ausführungen zum tatsächlichen Baugeschehen auf dem Grundstück der Kläger (II.2. der Zulassungsantragsschrift vom 10. August 2001) gehen fehl. In diesem Verfahren geht es allein um die Frage, ob die Maßnahmen der Kläger bauaufsichtsbehördlich hatten genehmigt werden können (das ist oben zum Vorteil des Beigeladenen zu 1) behandelt worden) und ob die Höhenfestsetzungen des Landkreises {E.} vom 27. Dezember 1996 zu beanstanden sind. Dafür ist das tatsächliche Baugeschehen, namentlich eine Nutzung bereits fertig gestellter Räume ebenso ohne rechtliche Aussagekraft wie die auf Seite 5 unten der Zulassungsantragsschrift aufgeworfene Frage, ob die Kläger der Genehmigung zuwider gehandelt und sich ordnungswidrig verhalten haben.

29

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die Berufung auch nicht auf der Grundlage von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen werden kann. Denn entscheidungserhebliche Fragen, welche sich im Zulassungsverfahren nicht ohne weiteres beantworten ließen, wirft das Zulassungsantragsvorbringen des Beigeladenen zu 1) nicht auf. Eine Frage grundsätzlicher Bedeutsamkeit hat der Beigeladene zu 1) entgegen der Ankündigung auf Seite 2 oben der Zulassungsantragsschrift vom 10. August 2001, sein Zulassungsbegehren auch auf § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO stützen zu wollen, in der Zulassungsantragsschrift nicht formuliert. Eine solche wird auch durch die allein auf seinen Einzelfall zugeschnittene Schlussbemerkung nicht begründet, er müsse alle Rechtsbehelfe ergreifen, um sich die Möglichkeit von Schadenersatzbegehren zu erhalten.

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Die Festsetzung des Streitwertes folgt den zutreffenden Gründen, mit denen das Verwaltungsgericht ihn festgesetzt hat. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 155 Abs. 1 Satz 1 letzte Alt., 159 Sätze 1 und 2, 162 Abs. 3 VwGO sowie § 100 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat lediglich Anspruch auf Ersatz der Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten, weil sie in der Sache hinsichtlich der Höhenfestsetzung unterliegt. Der Beigeladene zu 2) kann ebenfalls nur die Erstattung der Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten verlangen, weil er hinsichtlich der Höhenfestsetzung nicht in eigenen Rechten berührt wird.