Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.07.2002, Az.: 7 KN 88/02

Jahrmarkt; Kindertag; Ladenschluss; Markt; Messe; Veranstaltung; Verkaufsstelle; Volksfest; Wohlfühltag; Öffnungszeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.07.2002
Aktenzeichen
7 KN 88/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43985
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zu den Anforderungen, die abweichend von den Vorschriften über den Ladenschluss an die zusätzliche Öffnung von Verkaufsstellen aus Anlass von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen zu stellen sind.

Tatbestand:

1

Die Antragstellerin begehrt die Nichtigerklärung der Verordnung der Antragsgegnerin über verkaufsoffene Sonntage und einen langen Samstag vom 28. Februar 2002. Sie ist als Verkäuferin im Wollhaus {E.}, {F.}, in {G.} beschäftigt. Nach einem von ihr vorgelegten Schreiben der Geschäftsinhaberin soll sie während der erweiterten Öffnungszeiten an den in der Verordnung bezeichneten Tagen eingesetzt werden.

2

Die auf Antrag der {H.} vom Rat der Antragsgegnerin am 28. Februar 2002 beschlossene Verordnung hat folgenden Wortlaut:

3

Aufgrund des § 14 Abs. 1 des Gesetzes über den Ladenschluss (LSchlG) vom 28.11.1956 (BGBl. I S. 875), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Ladenschluss und zur Neuregelung der Arbeitszeit in Bäckereien und Konditoreien vom 30.07.1996 (BGBl. I S. 1186), in Verbindung mit der Verordnung über die Regelung von Zuständigkeiten im Gewerbe- und Arbeitsschutzrecht sowie in anderen Rechtsgebieten vom 19.12.1990 (Nds. GVBl. S. 491) in der z.Z. gültigen Fassung sowie § 40 Abs. 1 Ziff. 4 der Niedersächsischen Gemeindeordnung in der Fassung vom 22.08.1996 (Nds. GVBl. S. 382) - zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.03.2001 (Nds. GVBl. S. 112) - hat der Rat der Stadt {G.} in seiner Sitzung am 28.02.2002 folgende Verordnung erlassen:

                                                               § 1

4

Abweichend von den Vorschriften des § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über den Landeschluss dürfen die Verkaufsstellen in der Innenstadt von {G.}, die

5

            -  im Norden durch {I.}-, {J.}- und {K.}

6

            -  im Westen durch {L.}, {M.}, Am {N.}, {O.}, {P.} und {Q.}

7

            -  im Süden durch {R.}, {S.}- und {T.}

8

            -  im Osten durch {U.}, {V.} und {W.}

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begrenzt wird, aus Anlass des als Jahrmarkt im Sinne von § 68 Gewerbeordnung festgesetzten {X.} Frühjahrsmarktes am Sonntag, dem 28. April 2002, aus Anlass des {X.} Oktoberfestes am Sonntag, dem 15. September 2002, und aus Anlass der 2. {Y.} am Sonntag, dem 13. Oktober 2002, in der Zeit von 12.00 Uhr bis 17.00 Uhr geöffnet sein.

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In dem im Absatz 1 beschriebenen Gebiet dürfen die Verkaufsstellen am Samstag, dem 27. Juli 2002, aus Anlass der 3. {Z.} bis 18.00 Uhr offen gehalten werden.

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Auf die Vorschriften der §§ 17 und 24 des Gesetzes über den Ladenschluss wird hingewiesen. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 LSchlG müssen die an Sonntagen geöffneten Verkaufsstellen am vorausgehenden Samstag ab 14.00 Uhr geschlossen sein.

§ 2

12

Diese Verordnung tritt am Tage nach der Bekanntmachung in Kraft.

13

{G.}, 28. Februar 2002

14

{AA.}

15

{AB.}, Oberbürgermeister

16

Die Verordnung wurde im Amtsblatt des Landkreises {G.} vom 25. März 2002, S. 64 f., bekannt gemacht.

17

Am 25. April 2002 hat die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag gestellt und trägt zur Begründung vor: Die Verordnung sei nicht durch §§ 14, 16 des Gesetzes über den Ladenschluss (LSchlG) gedeckt. Bei den {AC.} und den {AD.} handele es sich weder um Messen noch Märkte im Sinne der Gewerbeordnung. Die beiden Veranstaltungen erfüllten auch nicht die Kriterien einer „ähnlichen Veranstaltung“. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass sie einen beträchtlichen Strom von Besuchern anziehen könnten, die sonst nicht in die {X.} Innenstadt kämen. Ferner sollten diese Veranstaltungen im Wesentlichen in den Verkaufsstellen selbst stattfinden. Sie seien demgemäß nicht Anlass für die Verlängerung der Ladenöffnungszeit, sondern sie würden erst durch den Anreiz längerer Öffnungszeiten ermöglicht und attraktiv. Beide Veranstaltungen verfügten auch nicht über eine gewisse Tradition, sondern seien in Verkennung der Verknüpfung von Anlass und Wirkung kreiert worden, um verlängerte Ladenöffnungszeiten allein wegen wirtschaftlicher Interessen der Geschäftsinhaber ermöglichen zu können. Hinsichtlich des Frühjahrsmarktes und des Oktoberfestes fehle es ebenfalls an den rechtlichen Voraussetzungen des § 14 LSchlG. Auch diese Veranstaltungen zögen keine außerordentlichen Besucherströme von außerhalb an; derartige Feste fänden heute in großer Zahl und vielerorts statt, so dass ihre Attraktivität im Vergleich zu früheren Zeiten deutlich nachgelassen habe. Die Besucher könnten ohne Probleme am Veranstaltungsort, den Sülzwiesen, selbst versorgt werden. Der typische Besucher eines Rummels haben kein besonderes Kaufinteresse, welches über die auf derartigen Veranstaltungen aufgebauten Verkaufsstände hinausgehe. Im Übrigen sei der Veranstaltungsort räumlich weit getrennt vom Innenstadtbezirk, der von der angegriffenen Verordnung erfasst werde und künstlich ausgedehnt worden sei. Deshalb könne nicht erwartet werden, dass die Besucher die Ladengeschäfte im räumlichen Geltungsbereich der Verordnung aufsuchten. Das vorrangige Bestreben der Antragsgegnerin bestehe darin, den Gewerbetreibenden in der Innenstadt die Vergünstigung verlängerter Ladenöffnungszeiten zu verschaffen, wobei die hierfür genannten Anlässe insgesamt nur als „Nebensache“ angesehen würden. Hinsichtlich der Ladenöffnung am Samstag, dem 27. Juli 2002, genüge die Verordnung auch formellen Anforderungen nicht; die einschlägige Rechtsgrundlage werde nicht zitiert.

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Die Antragstellerin beantragt,

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die Verordnung der Antragsgegnerin über verkaufsoffene Sonntage und einen langen Samstag in der Stadt {G.} vom 28. Februar 2002 für nichtig zu erklären.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Sie entgegnet: Frühjahrsmarkt und Oktoberfest würden seit vielen Jahren veranstaltet und von ihr als Jahrmarkt im Sinne der Gewerbeordnung festgesetzt. Die Jahrmärkte stellten die größten ihrer Art im Lüneburger Einzugsgebiet dar, welches heute im Osten bis vor die Tore von {AE.}, im Norden bis {AF.} und das südliche {AG.}, im Westen bis {AH.} und im Süden bis über {AI.} hinaus reiche. Sie seien auch mit entsprechender Qualität besetzt, mit anderen Veranstaltungen in diesem Raum nicht vergleichbar und zögen deshalb erhebliche Besucherströme von außerhalb an. Eine verlängerte Ladenöffnung sei bereits in den vergangenen Jahren praktiziert worden. Die {Y.} hätten als „ähnliche Veranstaltung“ qualifiziert werden können. Das Programm sehe zahlreiche Aktivitäten in jahrmarktähnlicher Form außerhalb der Verkaufsstellen des stehenden Gewerbes vor. Auch bei den {AJ.} stehe nicht die Offenhaltung der Verkaufsstellen, sondern die „marktähnliche“ Veranstaltung im Vordergrund. Die Verordnung beschränke sich örtlich auf die Teile des Stadtgebietes, in dem die Veranstaltungen stattfänden und auf die sie sich auswirkten.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der Antrag ist zulässig (1.) und teilweise begründet (2.).

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1.a) Die Antragstellerin ist antragsbefugt, denn sie kann gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO geltend machen, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Da die Antragstellerin von ihrer Arbeitgeberin verpflichtet worden ist, während der verlängerten Ladenöffnungszeiten zu arbeiten, besteht eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit dafür, dass ihre Rechtsstellung infolge der Verordnung verschlechtert wird. Dabei steht ihrer Antragsbefugnis nicht entgegen, dass die Verordnung selbst nur die Offenhaltung von Verkaufsstellen zu bestimmten Zeiten ermöglicht, die unmittelbare Betroffenheit der Antragstellerin aber noch von der Entschließung der Geschäftsinhaberin abhängt, das Ladengeschäft während der durch die Norm ermöglichten Zeit tatsächlich offen zu halten und die Antragstellerin in dieser Zeit einzusetzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1998 - 1 CN 1.98 -, GewArch 1999, 168).

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b) Die Verordnung hat sich in ihrem Regelungsgehalt erledigt, soweit sie den Frühjahrsmarkt am 28. April 2002 betrifft. Insoweit muss deshalb außer der Möglichkeit der Rechtsverletzung ein berechtigtes Interesse an der Feststellung bestehen, dass die Verordnung ungültig war. Ein solches Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, wenn mit dem Erlass entsprechender normativer Regelungen auch künftig zu rechnen ist. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Antragsgegnerin hat bereits in den vergangenen Jahren eine verlängerte Ladenöffnung anlässlich des Frühjahrsmarktes ermöglicht. Ihrem Vorbringen ist unschwer zu entnehmen, dass sie beabsichtigt, an dieser Praxis festzuhalten.

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2. Der Antrag ist teilweise begründet.

28

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 LSchlG dürfen abweichend von der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (Ladenschluss an Sonn- und Feiertagen) Verkaufsstellen aus Anlass von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen an jährlich höchstens 4 Sonn- und Feiertagen geöffnet sein. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 LSchlG dürfen abweichend von der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 (Ladenschluss Samstags ab 16.00 Uhr) Verkaufsstellen aus Anlass von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen an jährlich höchstens 6 Werktagen bis spätestens 21.00 Uhr geöffnet sein. Diese Tage werden von den Gemeinden durch Rechtsverordnung freigegeben (§ 14 Abs. 1 Satz 3, § 16 Abs. 1 Satz 2 LSchlG, § 1 ZustVOGewAR 2001 iVm Nr. 4.5 der Anlage 2).

29

Der Umstand, dass eine Veranstaltung als Markt, etwa nach § 68 Abs. 2 GewO, festgesetzt worden ist, erlaubt nicht gleichsam automatisch die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 1, § 16 Abs. 1 Satz 1 LSchlG vorliegen. Die Festsetzung einer seit langem eingeführten Veranstaltung als Markt, die auch tatsächlich einem Markttyp der Gewerbeordnung entspricht, begründet allerdings eine gewisse Vermutung dafür, dass sie einen hinreichenden Anlass für eine verlängerte Öffnung der Verkaufsstellen bietet. Denn ein traditioneller Markt beachtlicher Größe gibt im allgemeinen Grund für die Annahme, dass er einen beträchtlichen Besucherandrang auslösen wird (enger Bay. VGH, Urteil vom 27.9.2001 - 22 N 01.1288 - , GewArch 2002, 87 [BayObLG 11.04.2001 - 2 Z BR 119/00]). Das schließt nicht aus, dass diese Vermutung im Einzelfall widerlegt werden kann.

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Das Kennzeichen der den Märkten und Messen gleichgestellten "ähnlichen Veranstaltungen" ist (ebenfalls), dass sie einen beträchtlichen Besucherstrom anziehen und aus diesem Grunde Anlass bieten, die Offenhaltung von Verkaufsstellen abweichend von § 3 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 und 3 LSchlG freizugeben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.12.1989 - 1 B 153.89 -, GewArch 1990, 143 unter Bezugnahme auf Wortlaut und Entstehungsgeschichte, BR-Drs. 310/54, S. 23 f; ferner Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit, BT-Drs. 2/2810, S. 5). Der angezogene Besucherstrom muss durch die Veranstaltung als solche ausgelöst werden. Es genügt nicht, dass die Besucher erst durch die Offenhaltung von Verkaufsstellen angelockt werden und die Veranstaltungen "begleitend" durchgeführt werden. Deshalb scheiden Veranstaltungen zur Einführung allgemeiner Verkaufssonntage und vergleichbare Veranstaltungen von lokaler Bedeutung aus, die den Zweck des Ereignisses erst begründen. Dies ist der Hintergrund, wenn in Zweifelsfällen mit Merkmalen wie "Tradition" oder "überörtliche Bedeutung" Definitionshilfen gegeben werden. Das bedeutet andererseits nicht, dass nur seit Jahren durchgeführte Traditionsveranstaltungen zu den "ähnlichen Veranstaltungen" zu rechnen sind. Denn der Zweck der §§ 14, 16 LSchlG besteht darin, den Bedürfnissen eines aus anderem anerkannten Anlass resultierenden beträchtlichen Besucherstroms Rechnung zu tragen und dem Einzelhandel durch die Einbeziehung der Verkaufsstellen in die Veranstaltung die Möglichkeit zu geben, den Besucherandrang geschäftlich zu nutzen. Insbesondere bei Märkten und Messen dient die Regelung damit zugleich der Gleichbehandlung von örtlichen Verkaufsstellen und Veranstaltungsbeschickern. Darüber hinaus soll dem Versorgungsbedürfnis der auswärtigen Besucher des Veranstaltungsortes Rechnung getragen werden. Die Belange des Schutzes des Verkaufspersonals kommen in der zeitlichen und gegenständlichen Beschränkung und der Höchstzahl der freigabefähigen Tage zum Ausdruck (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 21.3.2001 - 7 K 707/00 -, GewArch 2001, 259 [BVerwG 06.09.1999 - BVerwG 4 B 74/99]; OVG Bremen, Urt. v. 4.9.2001 - 1 D 307/01 -, GewArch 2001, 472 [OVG Bremen 04.09.2001 - 1 D 307/00] m.w.N.).

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Gemessen an diesen Voraussetzungen ist die angegriffene Verordnung insoweit mit den Bestimmungen des Ladenschlussgesetzes unvereinbar, als die Öffnung der Verkaufsstellen am Samstag, dem 27. Juli, nach 16.00 Uhr und am Sonntag, dem 13. Oktober, also anlässlich der Kinder- und der Wohlfühltage zugelassen wird (a). Im übrigen ist die Verordnung, soweit sie Frühjahrsmarkt und Oktoberfest zum Anlass für die Freigabe nimmt, rechtmäßig (b).

32

a) § 1 Abs. 2 der Verordnung, der die verlängerte Öffnung der Verkaufsstellen am Samstag, dem 27.Juli, aus Anlass der 3. {Z.} betrifft, ist schon nicht ordnungsgemäß erlassen worden. Die Verordnung lässt nicht erkennen, auf welche Ermächtigung sich diese Vorschrift stützt. § 16 LSchlG wird ebenso wenig wie § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LSchG genannt. Damit verstößt die Verordnung insoweit gegen das Zitiergebot des Art.  80 Abs. 1 Satz 3 GG.

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Sie hält sich zudem nicht im Rahmen der Ermächtigung, auf der sie (inhaltlich) beruht. Bei den "Kindertagen" handelt es sich weder um einen Markt oder eine Messe noch um eine ähnliche Veranstaltung im Sinne des § 16 Abs.1 Satz 1 LSchlG. Es fehlt an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die Veranstaltung als solche von so eigenständiger und erheblicher Bedeutung ist, dass sie bei objektiver Betrachtung geeignet erscheint, einen starken Besucherstrom und ein entsprechendes Bedürfnis nach verlängerten Ladenöffnungszeiten hervorzurufen. Die nach der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Programmbeschreibung vorgesehenen Aktionen in mehreren Straßen der Innenstadt sind nach Art und Umfang für sich genommen nicht von solchem Gewicht, dass sie unabhängig von einer Öffnung der Verkaufsstellen eine ins Gewicht fallende Zahl von Besuchern auch aus dem Umland erwarten lassen und es deshalb gerechtfertigt wäre, sämtlichen Verkaufsstellen in der Innenstadt die Möglichkeit der verlängerten Öffnung zu geben. Vielmehr sollen die Spiele und Aktionen offenkundig die Offenhaltung der Verkaufsstellen begleiten und Besucher in die Geschäfte locken. Dass die verlängerte Offenhaltung der Verkaufsstellen in Vordergrund steht, zeigt sich auch daran, dass zahlreiche Aktionen in den Läden selbst stattfinden sollen.

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Das Anliegen der Antragsgegnerin, Wirtschaftsförderung zu betreiben und den Einzelhandel zu unterstützen, kommt noch deutlicher bei der Freigabe der Sonntagsöffnung anlässlich der 2. {Y.} zum Ausdruck. Diese Veranstaltung erfüllt ebenfalls nicht die Voraussetzungen eines Marktes, einer Messe oder einer "ähnlichen Veranstaltung" im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 LSchlG. Nach der Programmbeschreibung wird bei dieser Gelegenheit "{G.} seine Kunden verwöhnen, begeistern und zeigen, dass {G.} die Serviceoase in der Servicewüste Deutschland ist. Geschäfte in der Innenstadt zeigen den Kunden ihre Leistungen, präsentieren ihren Service und bieten zusätzliche Aktionen an." Die Öffnung der Verkaufsstellen (auch) an dem fraglichen Sonntag ist mithin zentraler Zweck der "Wohlfühltage". Ohne die Angebote und Aktionen in den Geschäften ergäbe die Veranstaltung keinen Sinn und könnte zu einem wesentlichen Teil überhaupt nicht durchgeführt werden. Die sogenannte „Thüringen-Präsentation“, Weinstraße und Modenschau sind Begleitprogramm und von untergeordneter Bedeutung und bieten als solche keinen anzuerkennenden Anlass, die Öffnung der Verkaufsstellen zuzulassen. Damit wird auch in diesem Fall das gesetzliche Anlass-Folge-Verhältnis in sein Gegenteil verkehrt. Ein (beträchtlicher) Besucherandrang wird erst durch die Offenhaltung der Verkaufsstellen bewirkt.

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b) Soweit die Verordnung die Öffnung der Verkaufsstellen aus Anlass des Frühjahrsmarktes und des Oktoberfestes gestattet, ist die Verordnung von ihrer Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Der Senat hält allerdings die gewerberechtliche Klassifizierung dieser Veranstaltungen durch die Antragsgegnerin als Jahrmärkte für zweifelhaft. "Jahrmarkt" ist eine im Allgemeinen regelmäßig in größeren Zeitabständen wiederkehrende, zeitlich begrenzte Veranstaltung, auf der eine Vielzahl von Anbietern Waren aller Art feilbietet (§ 68 Abs. 2 GewO). In dem Feilbieten von Waren erschöpfen sich Frühjahrsmarkt und Oktoberfest jedoch nicht. Vielmehr besteht ein Schwerpunkt jeweils in zahlreichen Fahrgeschäften, Schießbetrieben, Wurfbuden und ähnlichen Belustigungen, die als klassische Tätigkeiten der Schausteller oder jedenfalls nach Schaustellerart anzusehen sind. Frühjahrsmarkt und Oktoberfest erfüllen deshalb eher die Merkmale eines Volksfestes, wie sie in § 60 b Abs. 1 GewO aufgeführt sind. Danach ist ein Volksfest eine im Allgemeinen regelmäßig wiederkehrende, zeitlich begrenzte Veranstaltung, auf der eine Vielzahl von Anbietern unterhaltende Tätigkeiten im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 ausübt und Waren feilbietet, die üblicherweise auf Veranstaltungen dieser Art angeboten werden. Auf Volksfeste sind bestimmte Vorschriften des Marktrechts entsprechend anwendbar (§ 60 b Abs. 2 GewO). Es kann dahingestellt bleiben, ob (nur) Volksfeste, die nach § 69 Abs. 1 Satz 1 GewO festgesetzt worden sind, wie Märkte im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 LSchlG zu behandeln sind, und bei fehlender - ihrem Typus entsprechender - Festsetzung nur eine Freigabe als "ähnliche Veranstaltung" in Betracht kommt (so Stober (Hg.), LSchlG, 4 Auflage, Rn. 14 zu § 14). Jedenfalls handelt es sich bei Frühjahrsmarkt und Oktoberfest um marktähnliche Veranstaltungen im Sinne des § 14 Abs.1 Satz 1 LSchlG. Beide Veranstaltungen sind über viele Jahre und Jahrzehnte gewachsen. Sie finden auf dem traditionellen Festplatz der Antragsgegnerin statt und üben angesichts ihrer Größe und der Breite des Angebots (ca. 85 Beschicker, darunter Groß- und Kinderfahrgeschäfte, Schieß- und Wurfbetriebe, Spielbuden, Imbiss- und Ausschankstände, Verlosungen, "Händlerstraße") eine besondere, überörtliche Anziehungskraft aus. Anders wäre auch nicht zu erklären, dass - wie die Antragsgegnerin glaubhaft versichert hat - jeweils etwa zweihundert (Oktoberfest) bis dreihundert Bewerber (Frühjahrsmarkt) den Wunsch haben, an den Veranstaltungen teilzunehmen. Dies alles erlaubt die Annahme, dass diese Veranstaltungen - wie dem Senat im übrigen auch aus eigener Kenntnis der örtlichen Verhältnisse geläufig ist - einen starken Besucherstrom nicht nur aus {G.} und der engeren Umgebung auslösen und aus diesem Grunde Anlass bieten, die Öffnung der Verkaufsstellen freizugeben.

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Der Senat teilt die Bedenken der Antragstellerin gegen die räumliche Abgrenzung des Verordnungsgebietes nicht. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 LSchlG kann die Offenhaltung auf bestimmte Bezirke beschränkt werden. Das der Antragsgegnerin damit eröffnete Ermessen findet seine Grenzen insbesondere im Gleichbehandlungsgebot. Das Gesetz trägt dem Gedanken Rechnung, dass örtliche Veranstaltungen häufig nicht auf das gesamte Gemeindegebiet ausstrahlen, sondern nur bestimmte Bereiche betreffen. In diesem Fall ist ein Beschränkung der Offenhaltung auf bestimmte Bezirke sachlich gerechtfertigt und mit dem Gleichheitssatz vereinbar (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 24.3.1981 - 6 S 2371/80 -, GewArch 1981, 204; Stober, a.a.O., Rn. 19 zu § 14). Die Entscheidung der Antragsgegnerin über die örtliche Begrenzung des Gebiets wäre nur dann rechtswidrig, wenn sie sachfremd wäre, es dafür also keine sachlich einleuchtenden Gründe gäbe. Es ist indessen nicht geboten, die Freigabe von Verkaufssonntagen ausschließlich auf den engeren Bezirk zu beschränken, in dem sich der Veranstaltungsplatz befindet. Es können auch solche Bereiche rechtsfehlerfrei einbezogen werden, die räumlich mit dem Ort der Veranstaltung zusammenhängen oder auf die die Veranstaltung ausstrahlt.

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Hiernach durfte die Antragsgegnerin nicht nur den unmittelbar an die Veranstaltungsflächen östlich angrenzenden Bereich, sondern (auch) das als Innenstadt in der Verordnung bezeichnete Gebiet insgesamt in die Freigabe einbeziehen. Die Entfernung zwischen dem westlich der Innenstadt gelegenen Veranstaltungsgelände und dem zentralen innerstädtischen Einkaufsbereich ist nicht so groß, dass die Ausstrahlungswirkung von Frühjahrsmarkt und Oktoberfest vor der engeren Innenstadt endete. Die Ladenlokale in der Innenstadt sind vom Festplatz zu Fuß in wenigen Minuten erreichbar. Flächen am Veranstaltungsgelände dienen zudem das ganze Jahr über als Parkplätze für Besucher der Innenstadt. Die Rüge der Antragstellerin, der räumliche Bereich der Verordnung sei künstlich nach Westen auf innenstadtferne Gebiete ausgedehnt worden, ist unbegründet, weil für diese dem Veranstaltungsgelände noch näher gelegenen Bezirke ein räumlicher Zusammenhang erst recht nicht verneint werden kann.

Sonstiger Langtext

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Beschluss

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Der Streitwert wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG).