Landgericht Bückeburg
Urt. v. 31.03.2006, Az.: 2 O 80/05

Streit um Schadenersatz wegen der Nichtausführung von Zahlungsanweisungen; Fehlende Herausforderung des Schädigers zur Stellung eines Insolvenzantrags durch den Geschädigten; Stellung eines Insolvenzantrags als eine ungewöhnliche und unangemessene Reaktion auf die Nichtausführung von Zahlungsanweisungen; Stellung eines Insolvenzantrags trotz vorhandener Liquidität

Bibliographie

Gericht
LG Bückeburg
Datum
31.03.2006
Aktenzeichen
2 O 80/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 34036
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBUECK:2006:0331.2O80.05.0A

Verfahrensgegenstand

Schadensersatz

In dem Rechtsstreit
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg
auf die mündliche Verhandlung vom 14.03.2006
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht xxx,
die Richterin am Landgericht xxx und
den Richter am Landgericht xxx
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Von den Kosten des Rechtstreits trägt der Kläger zu 1) 82%, die Klägerin zu 2) 18%.

  3. 3.

    Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

  4. 4.

    Der Streitwert wird auf 202.238.682,56 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger zu 1) wurde durch Beschluss vom 30.05.2001 zum vorläufigen Insolvenzverwalter und mit Beschluss vom 01.08.2001 zum Insolvenzverwalter der xxx KG ernannt.

3

Die Klägerin zu 2) ist mit einem Geschäftsanteil vom 60,1126% Mehrheitskommanditistin der xxx KG in Liquidation.

4

Seit Ende der 50er Jahre bestand zwischen der xxx KG und der Beklagten eine Geschäftsbeziehung. Ab Mitte der 80er Jahre führte der Ehemann der Klägerin zu 2), Herr xxx, die Geschäfte der KG zusammen mit Herrn xxx. Die KG erzielte im Spitzenjahr 1998 einen Umsatz von 612 Mio. DM.

5

Am 30.09.2000 schied xxx als technischer Geschäftsführer aus. Es wurde kein neuer technischer Geschäftsführer bestellt.

6

Neben der Klägerin zu 2) waren 14 Kommanditisten, der sog. xxx-Stamm, vorhanden. Der Geschäftsführer xxx war persönlich haftender Gesellschafter.

7

Die Konten der xxx KG wurden durch die Beklagte in deren Filiale in xxx geführt.

8

Zuletzt wurde der bei der Beklagten tätigte xxx 1999 in den Beirat der xxx KG aufgenommen.

9

Herr xxx war die rechte Hand des Geschäftsführers xxx. Er leitete als Direktor die Bereich Unternehmensplanung, Beteiligung, Controlling, Rechts- und Gesellschaftsangelegenheiten.

10

Auf Seiten der Beklagten handelte Herr xxx als zuständiges Vorstandsmitglied der Beklagten in xxx.

11

xxx leitete die zuständige Filiale der Beklagten in xxx.

12

Beiratsvorsitzender der xxx KG war seit dem 19.06.1998 xxx.

13

Zwischen der xxx KG und der Beklagten bestanden zahlreiche Einzelgeschäftsverbindungen. Neben langfristigen Krediten hatte die Beklagte der Kommanditgesellschaft verschiedene kurzfristige Kredite im Rahmen eines Kontokorrentverhältnisses für die laufenden Geschäftsaktivitäten zur Verfügung gestellt.

14

Die kurzfristigen Kredite setzten sich zusammen aus einem Stamm-Barkredit, Avalkredit sowie Diskontkredit. Das Kreditvolumen für die kurzfristigen Kredite im Rahmen des Stamm-Barkredites betrug ursprünglich 60 Mio. DM.

15

In den Jahren 1998 und 1999 sollte die Kreditlinie des Stamm-Barkredites in Höhe von 60 Mio. DM in zwei Schritten mit Wirkung vom 01.01.2000 auf 40 Mio. DM reduziert werden. Die Reduzierung von 50 auf 40 Mio DM wurde mit Schreiben der Beklagten vom 13.12.1999 ( Anlage K 3 ) angekündigt.

16

Mit Schreiben vom 23.03.2000 (Anlage B1) wandte sich die Beklagte an die Geschäftsleitung der Firma xxx und teilte mit, dass nun die Barkreditlinie mit Wirkung vom 01.04.2000 um 10 Mio. DM auf 40 Mio. DM reduziert werde. Die Laufzeit der vorgenannten Kredite sei bis auf weiteres befristet. Möglichst bis zum 30.06.2000 solle eine weitere Reduzierung der Barkreditlinie um mindestens 10 Mio. DM vorgenommen werden.

17

Die Geschäftsführung der xxx KG erwiderte mit Schreiben vom 12.05.2000 (Anlage B3) und teilte mit, dass eine weitere Reduzierung um 10 Mio. DM zum 30.06.2000 nur erreicht werden könne, wenn bis zu diesem Zeitpunkt von einer weiteren Geschäftsbank neben der xxx eine Barkreditlinie in mindestens gleicher Höhe eingeräumt werden würde. Eine Reduzierung auf 30 Mio. DM zum Ende des Jahres 2000 wurde in Aussicht gestellt.

18

Mit Schreiben vom 09.06.2000 (Anlage K 49) wandte sich Herr xxx an die Klägerin zu 2) und bat darum, weiterhin eine Verbreiterung der Bankverbindungen anzustreben.

19

Am 09.08.2000 kam es zu einem Gespräch zwischen den Eheleuten xxx und Herrn xxx.

20

Am 13.09.2000 folgte ein Gespräch zwischen der Unternehmensleitung der xxx KG und Herrn xxx von der Beklagten.

21

Mit Schreiben vom 14.09.2000 (Anlage B2) wandte sich die Beklagte an die Geschäftsleitung der xxx KG. Es wurde mitgeteilt, dass die kurzfristigen Kreditlinien nun wie folgt geregelt seien:

22

15.000.400 EUR Stamm-Barkredit

23

Laufzeit: bis auf weiteres. Man würde sich über den Kreditbedarf spätestens im November des Jahres erneut unterhalten.

24

2,5 Mio. EUR Zusatzbarkredit

25

Laufzeit: längstens bis zum 30.11.2000. Es wurde darauf hingewiesen, dass eine Prolongation über diesen Termin hinweg nicht erfolgen könne.

26

2 Mio. Avalkredit

27

Laufzeit: bis auf weiteres, analog der Stamm-Barkreditlinie.

28

400.000 EUR Diskontkredit

29

Laufzeit: bis auf weiteres, analog der Stamm-Barkreditlinie.

30

Mit Schreiben vom 18.09.2000 (Anlage K5) wandte sich der Geschäftsführer xxx an Herrn xxx und zwar wie folgt:

"Unser Finanzdirektor, Herr xxx, hat mich zwischenzeitlich darüber informiert, dass ihm von Herrn xxx mitgeteilt wurde, dass die xxx Bank kurzfristig ihr Kreditarrangement signifikant verringern wolle. Insbesondere soll die Barkreditlinie von derzeit 40.000.000 DM auf 30.000.000 DM sofort reduziert werden. Ein entsprechendes formelles Schreiben an uns wurde für die nächsten Tage avisiert.

Dies überrascht mich umso mehr, da ich weder nach dem zuletzt mit Ihnen geführten persönlichen Gespräch vom 9. August noch ihrem Anruf vom 11. September, noch nach dem letzten Gespräch bei Herrn xxx irgendwelche Anzeichen für einen solchen Schritt feststellen konnte. ...

Unter diesem Blickwinkel möchte ich Sie bitten, Ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken, da ich der Auffassung bin, dass unser Haus in dem gegebenen wirtschaftlichen Umfeld das Möglichste getan hat, um Ihren Wünschen zu entsprechen."

31

Mit einem weiteren Schreiben vom 13.10.2000 wandte sich Herr xxx an Herrn xxx (Anlage K6) und erklärte, dass es offensichtlich bei dem Telefonat vom 22. September zu einem Missverständnis gekommen sei. Er bat um Aufrechterhaltung der Barkreditlinie von 40 Mio. DM bis auf weiteres.

32

Herr xxx erwiderte mit Schreiben vom 18.10.2000 (Anlage K7) und teilte mit, dass sich eine Reduzierung der laufenden Barkreditlinie auf 35 Mio. sehr wohl realisieren lasse. Sofern es unerwarteterweise dennoch zu tageweisen Überziehungen käme, bliebe dann immer noch Raum für eine individuelle Abstimmung. Zu diesem Themenkomplex werde sich xxx noch mit ihm (Herrn xxx) in Verbindung setzen.

33

Mit Schreiben vom 07.12.2000 wandte sich der Geschäftsführer xxx an Herrn xxx und bedankte sich für das Gespräch vom 22.11.2000 (Anlage K 9 ). Als Ergebnis stellte er dar, dass die Beklagte die Kreditlinien nicht weiter reduziere, jedoch bis zum 31.12.2001 eine nachhaltige Umstrukturierung der Gesellschaft erwarte.

34

Mit Schreiben vom 28.12. 2000 teilte die Beklagte der xxx KG mit, dass die kurzfristige Barkreditlinie noch 35 Mio. DM betrage (Anlage K10).

35

Der Zusatzbarkredit über 2.500.000 EUR wurde bis zum 30.04.2001 verlängert ( vgl. Schreiben der Beklagten vom 24.04.2001, Anlage B7). Der Barstammkredit wird in diesem Schreiben mit 15.400.000 EUR angegeben.

36

Mit Schreiben vom 22.05.2001 teilte die xxx Bank AG mit, dass sie dem avisierten Factoringkredit zustimme. Es sollte nicht mehr als 13 Mio. DM zur Rückführung von Barkrediten verwandt werden ( Anlage K 35 ).

37

Mit Schreiben vom 25.05.2001 (Anlage K 39 ) wandte sich die Beklagte u.a. wie folgt an den Geschäftsführer xxx:

"Sehr geehrter Herr xxx,

zurückkommend auf die mit Ihnen geführten Gespräche teilen wir Ihnen auch auf diesem Wege mit, dass unser Haus der Geschäftsführung der xxx Gruppe aus den Ihnen bekannten Gründen kein Vertrauen mehr entgegenbringt. Vor diesem Hintergrund dieser Situation stellen wir Ihnen auch kreditmäßige Konsequenzen in Aussicht.

Sie teilten uns mit, dass Sie zur Vermeidung dieser Konsequenzen unverzüglich aus der Geschäftsführung der xxx Gruppe ausscheiden werden, sobald ein neuer Geschäftsführer gefunden ist, mit dem sich auch unser Haus eine weitere kreditmäßige Begleitung der xxx Gruppe vorstellen kann. Diesbezüglich haben Sie bereits entsprechende Schritte eingeleitet; nach Ihren Aussagen finden Gespräche mit in Frage kommenden Kandidaten spätestens ab dem 31. Mai des Jahres statt. Bezüglich der konkreten Durchführung ist mit Ihrem Ausscheiden als persönlich haftendem Gesellschafter der xxx KG die Aufnahme einer GmbH als Komplementär angedacht, bei der die neue Persönlichkeit zunächst als Alleingeschäftsführer fungieren wird.

Sie sagten uns zu, diese Maßnahmen unverzüglich zu realisieren.

Zum Zeichen, dass wir den Sachverhalt korrekt wiedergegeben haben und Sie sich dem Inhalt dieses Schreibens unwiderruflich verpflichtet fühlen, bitten wir Sie der Einfachheit halber, eine Kopie dieses Schreibens von Ihnen unterzeichnet zurückzureichen. Wir weisen darauf hin, dass wir - sollte uns diese Gegenzeichnung nicht bis zum 28. Mai 2001 vorliegen - ab dem 29. Mai 2001 keine weiteren saldoerhöhenden Dispositionen mehr aufnehmen werden."

38

Am 21.05.2001 rief Herr xxx bei dem Geschäftsführer xxx an und fragte nach seiner Entscheidung über den Rücktritt nach. Neues Vertrauen könne nur in einen neuen Geschäftsführer gesetzt werden, der keine Alibifunktion haben dürfe ( Bd. I. Bl. 22 d.A.).

39

Die Klägerin zu 2) und der Geschäftsführer xxx wandten sich daraufhin mit Schreiben vom 25.05.2001 an die Beklagte (Anlage K 40). Herr xxx teilte mit, dass er entschlossen sei, die Geschäftsführung der xxx KG niederzulegen, sobald die neue Geschäftsführung auf der Ebene der als Komplementärin in die Gesellschaft aufzunehmenden Komplementär GmbH installiert sei. Es sei unabdingbar, dass die Geschäftsführung der Komplementär GmbH aus 2 Personen bestehe, der auch Herr xxx angehören solle.

40

Mit Schreiben vom 28.05.2001 übersandte die xxx AG ein konkretes Angebot für einen Factoringkredit ( Anlage K 36 ).

41

Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 29.05.2001 (Anlage K 41) auf das Schreiben vom 25.05.2001 und teilte mit, dass mit dem Rücktritt verbundene Bedingungen nicht akzeptiert würden.

42

Am 29.05.2001 verweigerte die Beklagte die Zahlung der zum Monatsende ausstehenden Mitarbeitergehälter ( 2.463.081 EUR) sowie die Bezahlung der Energieversorger (529.336,56 EUR für Erdgas und 204.516,75 EUR an die Stadtwerke).

43

Am 30.05.2001 stellte der Geschäftsführer xxx um 16.05 Uhr bei dem zuständigen Amtsgericht den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über die xxx KG.

44

Für den 06.06.2001 war eine Bankensitzung, bei der über die Kredite der xxx KG verhandelt werden sollte, geplant. Anfang Juni 2001 sollten sich Bewerber für den Posten des Geschäftsführers vorstellen ( Bd. II Bl. 66 d.A.).

45

Die Kläger behaupten, Herr xxx habe anlässlich eines Gespräches am 22.11.2000 erklärt, die Kreditlinie von 40 Mio. DM werde bis zum 31.12.2001 aufrechterhalten (Band II, Bl. 13 d.A., Band III, Bl. 172 d.A.).

46

Der Zusatzbarkredit sei auch nach dem 30.04.2001 weiter gelaufen (Bd. III Bl. 75 d.A. und Anlage K 12 und K 34 ). Die Linienreduzierung sei erst am 23.05.2001 erfolgt ( Bd. III Bl. 75 d.A.).

47

Schon auf der Beiratssitzung vom 23.11.2000 sei mitgeteilt worden, dass eine Reduzierung der Kreditlinie auf 30 Mio. DM zum 30.11.2001 nicht realisierbar sei. Dort sei erklärt worden, der Kreditrahmen in Höhe von 40 Mio. DM werde bis zum Ende des Jahres 2001 geduldet. Auch in der Liquiditätsplanung (Anlage B10) sei dies berücksichtigt worden. Die xxx KG habe die Kreditlinie nicht ausgeschöpft. Die Auszahlung der Löhne in Höhe von insgesamt 2.463.081 EUR sowie 529.336,56 EUR für Erdgas und 204.516,75 EUR an die Stadtwerke hätten ausgeführt werden müssen. Bei Auszahlung dieser Beträge hätte sich eine Inanspruchnahme der kurzfristigen Kredite in Höhe von 18.635.719,31 EUR ergeben.

48

Die Beklagte sei hinreichend abgesichert gewesen ( Bd. I Bl. 38 d.A.).

49

Der Geschäftsführer xxx hätte das Schreiben der Beklagten vom 25.05.2001 ohnehin noch bis zum 30.05.2001 unterschreiben können. Die Beklagte habe nie erklärt, auch Herrn xxx nicht zu vertrauen.

50

Zur kurzfristigen Liquiditätsverbesserung hätte die KG eine nicht betriebsnotwendige Beteiligung an einem Joint Venture in xxx für DM 10-13 Mio. sowie an der xxx für DM 5-7 Mio. in den nächsten Wochen verkaufen können ( Bd. I Bl. 23 d.A.). Die Verkaufsaktivitäten seien bereits weit fortgeschritten gewesen. Im Übrigen hätte man stille Reserven veräußern können, mit denen man kurz- bis mittelfristig ca. DM 60 - 80 Mio. hätte erlösen können.

51

Am 20.05.2001 habe ein von der xxx-Bank genehmigter Factoring-Kredit mit einer Höchstgrenze von 30 Mio. DM vorgelegen, dem die Beklagte schon zugestimmt habe (Bd. III Bl. 106 d.A.).

52

Bei der xxx GmbH & Co. KG, einer Tochtergesellschaft der xxx KG, hätten seit längerer Zeit Festgelder in Höhe von 1.150.000 EUR auf Abruf bereitgelegen. Der Betrag hätte am 29.05.2001 von der Beklagten abgerufen werden können ( Bd. I Bl. 29 d.A.).

53

Auch hätte eine Kundenzahlung in Höhe von 1.600.000 EUR bei der xxx GmbH & Co KG berücksichtigt werden müssen ( Bd. I Bl. 29 d.A.).

54

Mögliche Beteiligungsverkäufe hätten zusätzliche Liquidität von 42 Mio. DM gebracht (Bd. I Bl. 10 d.A.).

55

Lediglich infolge der Insolvenz seien Forderungen von Lieferanten vorzeitig fällig geworden.

56

Auf Aufforderung zur Unterzeichnung des Schreibens vom 25.05.2001 habe Herr xxx nicht nachkommen können, denn es hätten im Vorfeld gesellschaftsrechtliche Abläufe eingehalten werden müssen. Im Übrigen sei für ihn und die Klägerin zu 2) nicht erkennbar gewesen, wie es hätte weitergehen sollen. Darüber hinaus hätte das Risiko bestanden, dass aus der Kommanditgesellschaft eine OHG werde.

57

Der Geschäftsführer xxx habe keine andere Wahl gehabt, als zum Insolvenzgericht zu gehen. Er habe befürchtet, sich ansonsten wegen fortgesetzten Eingehungsbetruges schuldig zu machen ( Bd. III Bl. 124 d.A.).

58

Dem Kläger zu 1) stünden Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung des Kontokorrentvertrages, aus Nebenpflichtverletzungen, aus dem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu. Der Klägerin zu 2) stünden Ansprüche aus dem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, aus der Verletzung eines Mitgliedschaftsrechts als absolutes Recht, aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung sowie aus Verletzung eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte zu. Es sei folgender Schaden entstanden:

59

Es seien Forderungen in Höhe von 159.428.630,65 EUR zur Insolvenztabelle angemeldet worden. Hiervon seien derzeit 26.741.965,73 EUR bestritten worden. Im Hinblick auf die festgestellten Forderungen in Höhe von 132.686.664,92 EUR Seiten bereits 53.158.033,85 EUR ausgeschüttet worden.

60

Der Schaden der Gläubiger mit festgestellten Forderungen betrage daher 79.528.631,07 EUR und werde mit dem Zahlungsantrag I verfolgt. Ob darüber hinaus noch bestrittene Forderungen festgestellt werden würden, sei noch nicht sicher zu beurteilen. Es sei deshalb der Feststellungsantrag zu erheben. Die bisherigen Kosten des Verfahrens beliefen sich auf ca. 15.000.000 EUR, die aus den bisherigen Verwertungserlösen ausgeglichen worden seien. Mit dem Feststellungsantrag IV würden nur die weiteren noch entstehenden Kosten ersetzt verlangt.

61

Im Übrigen sei der Gesellschaft ein Schaden entstanden. Die Investmentabteilung der Beklagten, die xxx habe in einem Gutachten den Marktwert der xxx Gruppe im Oktober 1998 auf zwischen 173 Mio. und 224 Mio. DM geschätzt (Anlage K 75 ). Am 05.09.1998 habe die amerikanische Firma xxx einen Kaufpreis von 122.710.051,49 EUR gezahlt. Durch das schädigende Ereignis und die Eröffnung des Verfahrens sei der Wert der Gesellschaft und der Gesellschaftsanteile auf Null reduziert worden. Die Klägerin zu 2) mache einen entsprechenden Anteil von 60,11% des Gesellschaftsschadens geltend. Die Kläger beantragen:

  1. I.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1) 79.528.631,07 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

  2. II.

    Es wird festgestellt, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger zu 1) ein über den Klageantrag zu I. entstehenden Schaden zu tragen hat in Höhe des Betrages, der sich aus einer nachträglichen Anerkennung der bisher angemeldeten aber nicht festgestellten Insolvenzforderungen in Höhe von 26.741.965,73 EUR ergibt.

  3. III.

    Es wird festgestellt, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger zu 1) einen über den Klageantrag zu I. und II. entstehenden Schaden zu tragen hat in Höhe des Betrages, der sich aus einer nachträglichen Anmeldung bisher noch nicht angemeldeter Insolvenzforderungen ergibt, die noch zur Insolvenztabelle anerkannt werden.

  4. IV.

    Es wird festgestellt, dass die Beklagte an den Kläger zu 1.) die weiteren Kosten des Insolvenzverfahrens ab dem 01.04.2005 zu bezahlen hat.

  5. V.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1.) und die Klägerin zu 2.) 73.761.011,95 EUR als Gesamtgläubiger, sowie weitere 48.949.039,54 EUR an den Kläger zu 1.) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.

62

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

63

Sie trägt vor, die Überweisung hätte nicht ausgeführt zu werden brauchen, da die Kreditlinie der xxx KG ausgeschöpft gewesen sei. Wie sich aus den Anlagen B10 und K38 ergäbe, sei die Kommanditgesellschaft selbst von einer reduzierten Kreditlinie ausgegangen ( Bd. II Bl. 22 d.A.). Sie, die Beklagte, habe nur eine tageweise Überschreitung der Kreditlinien zugelassen (Bd. II Bl. 3 und Bl. 29 d.A.). Eine etwaige Duldung verpflichte sie nicht zur weiteren Duldung. Im Mai 2001 habe sie endgültig das Vertrauen in den Geschäftsführer xxx verloren (insoweit wird auf den Sachvortrag in Bd. II Bl. 31 bis 50 d.A. ergänzend Bezug genommen ).

64

Wegen des Verlustes der an sie zur Sicherheit abgetretenen Forderungen hätte sie dem xxx-Factoring nicht zugestimmt.

65

Es sei nicht erforderlich gewesen, am 30.05.2001 einen Insolvenzantrag zu stellen, eingedenk der Tatsache, dass in der ersten Juniwoche des Jahres 2001 Bankengespräche geplant waren, in denen die Neufinanzierung der Gemeinschuldnerin diskutiert werden sollte. Im Übrigen sei Anfang Juni eine Gesellschafterversammlung geplant gewesen, wo der Geschäftsführer xxx seinen bereits zugesagten Rücktritt hätte erklären sollen.

66

Der wahre Grund für den Insolvenzantrag sei auch nicht die Nichtausführung der Überweisung, sondern der Umstand, dass am 30.05.2001 Lieferantenverbindlichkeiten in Höhe von 3,5 Mio. EUR fällig wurden. Unter Berücksichtigung dieser Verbindlichkeiten wäre selbst der Kreditrahmen von 40 Mio. DM überzogen gewesen (vgl. dazu den Bericht des Klägers, Anlage B14). Im Übrigen treffe den Geschäftsführer xxx ein überwiegendes Mitverschulden, weil er das Schreiben vom 25.05.2001 nicht unterschrieben habe, sondern bereits am 30.05.2001 Insolvenzantrag stellte.

67

Der Schaden sei nicht substantiiert dargelegt. Der Wert des Unternehmens sei innerhalb der letzten Jahre erheblich geschmälert worden. Es habe z.B. wegen des xxx Formenbaus ein erheblicher Abschreibungsbedarf bestanden ( auf den Sachvortrag Bd. II 78f d.A. wird insoweit ergänzend Bezug genommen).

68

Den Gesellschaftern stünde kein eigener Schadensersatzanspruch wegen Verletzung eines Darlehensvertrages und aus Deliktsrecht zu.

69

Auch zu Herrn xxx, der rechten Hand des Geschäftsführers xxx, habe die Beklagte kein Vertrauen gehabt.

Entscheidungsgründe

70

Die zulässige Klage ist unbegründet.

71

Die Zuständigkeit des Landgerichts Bückeburg ergibt sich aus dem insoweit maßgeblichen Sachvortrag der Kläger aus § 32 ZPO. Die Kammer hat danach gleichwohl den Streit unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen ( vgl. BGH NJW 2003, 828 ). Eine ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld für diesen Rechtsstreit wurde durch Nr. 6 Abs. 2 AGB-Banken (Anlage B 17 ) nicht begründet. Diese Regelung ist jedenfalls nicht hinreichend bestimmt, denn sie bezieht sich nicht wie erforderlich auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis ( § 40 Abs. 1 ZPO ). Einer Vereinbarung, wonach alle Klagen aus dem Geschäftsverkehr von Parteien vor einem bestimmten Gericht zu verhandeln seien, kommt eine Wirksamkeit nicht zu ( vgl. Zöller, ZPO, 25. Auflage, 2005, Vollkommer, § 40 Rn 4; OLG Koblenz ZIP 1992, 1234 )). Im Übrigen erfassen Zuständigkeitsvereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zweifel nur vertragliche Ansprüche (vgl. Zöller, ZPO, 25. Auflage, 2005, Vollkommer, § 40 Rn. 4 ).

72

Den Klägern stehen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte nicht zu.

73

Dabei kann offen bleiben, ob xxx dem Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin am 22.11.2000 erklärt hatte, die Kreditlinie von 40 Mio. DM werde bis zum 31.12.2001 aufrechterhalten. Offen bleiben kann auch, ob der Zusatzkredit über 2,5 Mio. EUR über den 30.04.2001 hinaus fortbestanden hatte.

74

Selbst wenn der Sachvortrag der Kläger insoweit zutreffend wäre, würde dies ihrer Klage nicht zum Erfolg verhelfen, denn die in diesem Rechtsstreit reklamierten Schäden sind nicht von der Beklagten verursacht worden. Es mangelt nach dem Sachvortrag der Kläger an der notwendigen Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und den behaupteten Schäden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte durch die Nichtausführung der Zahlungsanweisungen nicht unmittelbar in die Rechtsgüter der Kläger eingegriffen hat. Erst die Entscheidung des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin, am 30.05.2001 beim Amtsgericht Bückeburg einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der xxx KG zu stellen, hat zu der weiteren Entwicklung geführt. Nach der ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ( vgl. BGH NJW 1971,1980; NJW 1981, 570; NJW 1995, 127 [BGH 04.07.1994 - II ZR 126/93]; NJW 1995, 451 [BGH 20.10.1994 - IX ZR 116/93]; NJW 2001, 512 ) ist in Fällen, in denen ein Schaden nach einer freien Entscheidung des Geschädigten selbst eintritt, maßgebend, ob der Schädiger den Geschädigten zu diesem Verhalten, das nicht eine ungewöhnliche oder unangemessene Reaktion darstellen darf, herausgefordert hat, obwohl der Schädiger dies nicht nur voraussehen, sondern nach den Umständen auch bei der Einrichtung seines eigenen Verhaltens hätte berücksichtigen müssen. Darauf abstellend hat der Bundesgerichtshof z.B. einem ohne Fahrtausweis reisenden Benutzer der Bahn den Schaden zugerechnet, der dem Kontrolleur bei der Verfolgung des Flüchtenden entstanden war. In den Gründen wird ausgeführt: "Der durch das Verhalten des Beklagten verursachte Verletzungserfolg ist auch im übrigen,..., dem Beklagten im Rechtssinne zurechenbar. Hierfür ist entscheidend, dass der Beklagte für ihn erkennbar, durch sein Weglaufen ohne Notwendigkeit in zurechenbarerweise eine Lage erhöhter Verletzungsgefahr für den Kläger geschaffen hat, indem er die mit dem Gesetz in Einklang stehende Verfolgung durch den Kläger herausforderte, obwohl er die nicht unerhebliche Gefährdung voraussehen und vermeiden konnte."

75

An diesen Voraussetzungen mangelt es hier. Die Beklagte hat den Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin nicht dazu herausgefordert, den Insolvenzantrag zu stellen. Dass der Geschäftsführer sich in dieser Weise verhielt, stellt eine ungewöhnliche und unangemessene Reaktion dar, die auch die Beklagte bei ihrer Entscheidung, die Zahlungsanweisungen nicht auszuführen, nicht voraussehen konnte.

76

Ungewöhnlich ist zum einen, dass der Geschäftsführer den Insolvenzantrag bereits am 30.05.2001 gestellt hat, nur einen Tag nachdem die Beklagte die Ausführung der Zahlungsanweisungen verweigert hatte. In dieser Situation wäre zu erwarten gewesen, dass er Verhandlungen anstrebt, um zusätzliche Geldmittel zu erlangen und damit den Negativsaldo des Kontos unter die kritische Marge zu drücken, so dass Zahlungen von der Beklagen wieder ausgeführt worden wären. Nach dem eigenen Sachvortrag der Kläger wäre dies ein Leichtes gewesen. Danach standen in den nächsten Wochen zur kurzfristigen Liquiditätsverbesserung eine nicht betriebsnotwendige Beteiligung an einem Joint Venture in xxx für DM 10-13 Mio. sowie an der xxx für DM 5-7 Mio. zum Verkauf. Durch den weiteren Verkauf stiller Reserven war kurz- bis mittelfristig ein Erlös von ca. DM 60 - 80 Mio. zu erlösen. Bereits seit dem 20.05.2001 stand ein von der xxx-Bank genehmigter Factoring-Kredit über maximal 30 Mio. DM zur Verfügung. Bei der xxx GmbH & Co. KG, einer Tochtergesellschaft der xxx KG, lagen seit längerer Zeit Festgelder in Höhe von 1.150.000 EUR auf Abruf bereit. Im Übrigen war auch eine an die xxx GmbH & Co KG gerichtete Zahlung eines Kunden über 1.600.000 EUR vorhanden (Bd. I Bl. 29 d.A.). Mögliche Beteiligungsverkäufe hätten sogar noch eine zusätzliche Liquidität von 42 Mio. DM gebracht.

77

Berücksichtigt man weiter, dass bereits für den 06.06.2001 eine Bankensitzung anberaumt war, auf der die Kredite der xxx KG verhandelt werden sollten, wird unter Berücksichtigung allein der finanziellen Lage der Gesellschaft völlig unverständlich, warum der Geschäftsführer am 30.05.2001 den Gang zum Insolvenzgericht antrat. Unter Berücksichtigung der vorhandenen Liquidität, der angegebenen Werte und der anstehenden Verhandlung kann auch der Sachvortrag der Kläger nicht nachvollzogen werden, der Geschäftsführer xxx habe den Insolvenzantrag bereits am 30.05.2001 stellen müssen, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, sich des Betruges schuldig zu machen. Der Geschäftsführer konnte nach seinem eigenen Sachvortrag darauf vertrauen, Forderungen bei Fälligkeit ausgleichen zu können.

78

Was den Geschäftsführer xxx tatsächlich zu dieser Entscheidung bewogen hat, weiß die Kammer nicht. Seine Entscheidung könnte aber im Zusammenhang mit seiner Verärgerung darüber stehen, dass die Beklagten nicht nur mit ihm nicht mehr zusammenarbeiten wollte, sondern auch nicht mit dem Direktor xxx, wie zuletzt im Schreiben der Beklagten vom 29.05.2001 (Anlage K 41 ) mitgeteilt. Das Schreiben des Geschäftsführers xxx vom 25.05.2001 (Anlage K 40 ) deutet darauf hin, dass ihm die Bestellung xxx als zweiter Geschäftsführer so wichtig war, dass er trotz der mit Schreiben der Beklagten vom 25.05.2001 (Anlage K 39 ) angekündigten ernsten Konsequenzen auf dieser Bedingung für seinen Rücktritt beharrte.

79

Auch unter Berücksichtigung dieser möglichen Motivation des Geschäftsführers wäre sein Verhalten der Beklagten jedoch nicht zuzurechnen. Insoweit stellt sich sein Verhalten nicht als angemessene Reaktion auf die Entscheidung der Beklagten dar, sondern eher als eine Trotzreaktion eines Geschäftsführers, der für sich und seinen Vertrauten keine Möglichkeit mehr sah, weiter die Geschicke der Gesellschaft bestimmen.

80

Auch die Beklagte konnte nicht voraussehen, dass der Geschäftsführer sich in der angegebenen Weise verhalten würde. Sie konnte, nachdem der Geschäftsführer xxx seinen Rücktritt bereits angekündigt hatte, annehmen, dass er dies auch mit seiner Unterschrift unter das Schreiben vom 25.05.2001 in aus gesellschaftsrechtlicher Sicht nicht relevanter Weise bestätigen würde. Dies galt auch noch, nachdem mit Schreiben vom 25.05.2001 Bedingungen hierfür formuliert worden waren, die die Beklagte mit Schreiben vom 29.05.2001 zurückgewiesen hatte. Die Beklagte konnte annehmen, dass auf der für den 06.06.2001 geplanten Bankensitzung die Finanzierung der KG erörtert werden würde.

81

Sollte man entgegen der Einschätzung der Kammer die Kausalität zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und dem Schaden bejahen wollen, stünde der Forderung der Kläger im Ergebnis jedenfalls ein ihnen zurechenbares überwiegendes Mitverschulden des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin, der -wie oben dargelegt-, ohne nachvollziehbaren und angemessenen Grund vorschnell Insolvenzantrag stellte, entgegen. Dass unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände und unter der Prämisse pflichtwidrigen Handelns allenfalls als gering zu bewertende Verschulden der Beklagten, würde jedenfalls hinter diesem groben Verschulden völlig zurücktreten.

82

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 100 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 202.238.682,56 EUR festgesetzt.