Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 20.03.2018, Az.: 14 U 96/17

Entbehrlichkeit eines Nacherfüllungsverlangens bei Leugnung von Mängeln durch den Auftragnehmer

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
20.03.2018
Aktenzeichen
14 U 96/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 21503
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 01.06.2017 - AZ: 4 O 333/13

Fundstellen

  • BauR 2018, 1445-1446
  • IBR 2018, 387
  • NJW-RR 2018, 1229-1231
  • NJW-Spezial 2018, 590
  • NZBau 2018, 671-672

Redaktioneller Leitsatz

Lässt sich ein Auftragnehmer gleichsam erst gerichtlich überführen, um anschließend Nacherfüllung anzubieten, so kann er das Vorschussbegehren des Auftraggebers nicht mit der Begründung zurückweisen, von ihm sei keine Nacherfüllung verlangt worden. Sein Verhalten dokumentiert vielmehr eindrucksvoll, dass er einem Nacherfüllungsverlangen nicht nachgekommen wäre.

In dem Rechtsstreit

A. H., ...,

Beklagter und Berufungskläger,

Prozessbevollmächtigte:

Anwaltsbüro S. ...,

gegen

1. C. F., ...,

2. K. F., ...,

Kläger und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:

Anwaltsbüro von B. ...,

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2018 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Landgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 1. Juni 2017 abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 77.700,00 € als Vorschuss nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 32.700,00 € seit dem 22. Januar 2014 und auf weitere 45.000,00 € seit dem 11. Oktober 2014 zu zahlen.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 4.618,02 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 13 % den Klägern und zu 87 % dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Kläger nehmen den Beklagten auf Zahlung eines Vorschusses zur Durchführung von Sanierungsarbeiten sowie auf Schadensersatz in Anspruch, nachdem der Beklagte für die Kläger einen Anbau in Holzrahmenbauweise inklusive Dacheindeckung errichtet hatte. Der Beklagte putzte den Altbau an den Neubau an. Den Außenputz führte ein Drittunternehmen, die Malerfirma H., aus.

Die Grundlage der Tätigkeiten des Beklagten bildete sein Angebot vom 16. Januar 2009 über 92.380,89 € (K1). Rund 3,5 Jahre nach Stellung der Schlussrechnung begann sich der Laminatboden in der Küche zu verziehen.

Der von den Klägern privat beauftragte Gutachter F. stellte in seinem Gutachten vom 24. September 2013 als Ursache für vorgefundene Bauteilfeuchtigkeit zum einen eine von den Arbeiten des Beklagten unabhängige Leckage sowie zum anderen Fehler des Beklagten bei der Errichtung der Außenwände fest (K3). Den Aufwand zur Sanierung der Außenwände bezifferte er auf ca. 54.500,00 € brutto (S. 37 der Anlage K3). Der Sachverständige stellte den Klägern für seine Tätigkeit 4.618,02 € in Rechnung.

Die Aufforderung der Kläger vom 31. Juli 2013 zur Beseitigung der Mängel binnen drei Wochen (K5) wies der Beklagte unter dem 20. August 2013 zurück (K6).

Die Kläger haben erstinstanzlich behauptet, der Beklagte habe abweichend von den angebotenen diffusionsoffenen DWD-Platten OSB-Platten verwendet, die wie eine Dampfbremse wirken und Feuchtigkeit sammeln würden. Zudem hätten die eingebauten Schwellhölzer aus Fichten oder Tannenholz nicht zur Anwendungen kommen dürfen. Fachgerecht wäre die Verwendung von Kiefer, Lärche oder Douglasie gewesen.

Zudem habe der Beklagte das Dachtragwerk, die Deckenkonstruktion und die Außenwände abweichend vom Standsicherheitsnachweis errichtet. Um dessen Anforderungen zu erfüllen seien weitere 35.000,00 € brutto erforderlich.

Die Kläger haben beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 89.383,00 € Vorschuss, der Vergütung des Sachverständigen sowie zur Feststellung der Ersatzpflicht, sämtliche Kosten zur Behebung der feststellten Mängel tragen zu müssen, zu verurteilen.

Der Beklagten hat die Abweisung der Klage beantragt.

Er hat Mängel der von ihm erbrachten Werkleistung in Abrede genommen. Drückendes Wasser sei für den Feuchtigkeitsschaden ursächlich. Die für eine ordnungsgemäße Außenabdichtung erforderlichen Arbeiten seien jedoch - insoweit unstreitig - nicht von ihm auszuführen gewesen. Der Beklagte hat behauptet, die OSB-Platten seien in Abstimmung mit dem Maler zur Ausführung gekommen, damit dieser darauf ein Wärmedämmverbundsystem (WDVS) hätte anbringen können (ein solches ist unstreitig beim Anbau nicht zur Ausführung gekommen). Die behaupteten Mängel der Dach- und Deckenkonstruktion hat der Beklagte nach der Beweisaufnahme unstreitig gestellt.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung zweier Gutachten des Sachverständigen Dr. N. vom 28. Juli 2014 sowie vom 5. April 2016 sowie durch dessen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 4. Mai 2017 (Bl. 201 ff. d. A.).

Der Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 28. Juli 2014 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Außenwände tauwassergefährdet errichtet worden seien, weil der Beklagte die Außenwände mit OSB-Platten beplankt und innenseitig keine Dampfbremse eingebaut habe und weil diese in unzulässiger Weise mit Außenputz verputzt worden seien. Zudem sei der - nicht vom Beklagten ausgeführte - Haussockel nicht dauerhaft feuchtedicht. Es fehlten die Sockelausbildung, der erhöhte Feuchteschutz sowie der untere Randabschluss der OSB-Platten und des Dünnputzes.

Im Ergänzungsgutachten vom 5. April 2016 kam er insbesondere zu dem Ergebnis, dass die Verwendung der OSB-Platten als äußere Verkleidung der Holzrahmen als Putzträger eine Fehlplanung darstelle. Grundsätzlich handele es sich bei den Feuchteschäden um eindiffundierte Feuchte aus der Raumluft (S. 7). Mangels Vorliegens einer Planung hätte der Beklagte als Hauptunternehmer mit dem Nachfolgegewerk (Maler) die Details absprechen müssen (S. 8).

Die von den Klägern behaupteten Mängel des Dachtragwerks, der Deckenkonstruktion und der Außenwände hat der Sachverständige überwiegend bestätigt (S. 8 - 10) und die erforderlichen Kosten zur Sanierung insgesamt auf 80.000,00 € bis 90.000,00 € brutto geschätzt (S. 10).

Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 89.000,00 € sowie zur Zahlung der Kosten des Sachverständigen von 4.618,02 € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der das Urteil zur vollständigen Überprüfung durch den Senat stellt. Die Kläger müssten sich ein Mitverschulden anrechnen lassen, weil schon die von den Klägern eingeholte Planung eines Ingenieurbüros fehlerhaft gewesen sei. Fehler bei der Ausgestaltung des Sockelschutzes seien ihm nicht unterlaufen; insbesondere habe er nicht den Maler instruieren müssen.

Die vom Landgericht feststellen Mängel der Dach- und Deckenkonstruktion greift der Beklagte nicht an. Insoweit fehle es aber an einer Nachfristsetzung. In der mündlichen Verhandlung habe er die Nachbesserung angeboten. Schließlich beruhe der vom Landgericht zugesprochene Betrag lediglich auf einer Schätzung des Sachverständigen. So werde das Insolvenzrisiko in unzulässiger Weise auf den Beklagten verlagert.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Stade vom 1. Juni 2017 - 4 O 333/13 - teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 20. November 2017 (Bl. 270 f. d. A.) durch Anhörung des Sachverständigen Dr. N. Wegen des Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 277 ff. d. A.) verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nur teilweise begründet. Die Kläger haben einen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 77.700,00 € aus §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB und auf Zahlung von Schadensersatz aus §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB in Höhe von 4.618,02 € gegen den Beklagten.

1. Das Werk des Beklagten ist nach den Feststellungen des Landgerichts mangelhaft. Hieran ist der Senat gebunden, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Es besteht keine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit dieser Feststellungen, welche der Beklagte mit der Berufung auch nicht angreift und hinsichtlich der Dach- und Deckenkonstruktion sogar unstreitig gestellt hat.

Im Bereich der bewohnten Räume liegt der Schwerpunkt des Werkmangels in der fehlenden Dampfdurchlässigkeit der Wandkonstruktion. Mangels Einbaus einer Dampfbremse dringt die warme Luft aus den Wohnräumen in die kühle Wandkonstruktion, so dass sich dort Kondensationsfeuchtigkeit niederschlägt, die wiederum der vom Sachverständigen festgestellten Schimmel- und Fäulnisbildung Vorschub leistet.

Ein Auftragnehmer hat seine Leistung so zu erbringen, dass sie eine geeignete Grundlage für die darauf aufzubauende weitere Leistung ist (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 14. Aufl., Rn. 2050). Der Beklagte musste also die Holzarbeiten so erbringen, dass eine Außenabdichtung möglich ist. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. N. vor dem Senat hat es der Beklagte unterlassen, die Bitumenschicht, die sich zwischen der Bodenplatte und der Holzkonstruktion befindet, 30 cm weiter nach außen zu führen, damit sie anschließend zur Feuchtigkeitsabdichtung nach oben hätte geführt werden können. Nachdem er diese Ausführung der Bitumenschicht unterlassen hatte, musste er die Kläger auf die Schutzbedürftigkeit des Sockels vor Feuchtigkeit hinweisen. Ein solcher Hinweis ist nicht vorgetragen, weshalb der Beklagte auch für die Folgen der unterbliebenen Außenabdichtung haftet.

Die Aufforderung vom 31. Juli 2013 zur Beseitigung der zunächst gerügten Mängel binnen drei Wochen (K5) wies der Beklagte unter dem 20. August 2013 zurück (K6). Hinsichtlich der Dach- und Deckenkonstruktion können die Kläger einen Kostenvorschuss verlangen, obwohl sie insoweit keine Nacherfüllung verlangt haben. Denn der Beklagte hat zum einen auch insoweit die Abweisung der erweiterten Klage beantragt und zum anderen diese Mängel zunächst bestritten. Erst nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung der vom Beklagten im Schriftsatz vom 27. Mai 2015 beantragten Anhörung des Sachverständigen stellte er die Mängel unstreitig und bot Nacherfüllung an. Lässt sich ein Auftragnehmer gleichsam erst gerichtlich überführen, um anschließend Nacherfüllung anzubieten, kann er das Vorschussbegehren seines Auftraggebers nicht mit der Begründung zurückweisen, von ihm sei keine Nacherfüllung verlangt worden. Das Verhalten dokumentiert vielmehr eindrucksvoll, dass der Beklagte einem Nacherfüllungsverlangen nicht nachgekommen wäre.

Die Kläger müssen sich kein Mitverschulden anspruchsmindernd anrechnen lassen. Der Beklagte ist von der ihm vorgelegten Planung abgewichen. Auf etwaige Nachteile wies er unstreitig nicht hin. Vor diesem Hintergrund können die Kläger auch nicht darauf verwiesen werden, dass sie etwaige Planungsmängel hätte erkennen müssen. Unabhängig davon scheidet ein Mitverschulden grundsätzlich aus, wenn Fehler eines Architekten oder Sonderfachmanns ins Auge springen (Werner/Pastor, a. a. O., Rn. 2043). So lag der Fall hier: Die Dampfsperre sollte nach der vom Planungsbüro erstellten Planung von außen gesehen hinter der DWD-Platte eingebaut werden. Schon einem bautechnisch bewanderten Laien leuchtet ein, dass bei diesem Aufbau die Dampfdurchlässigkeit der DWD-Platte ihre Funktion verliert. Auch der Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass diese fehlerhafte Planung einem Handwerker auffallen müsse (vgl. S. 5 des Protokolls vom 4. Mai 2017, Bl. 205 d. A.).

Die Kläger haben nur einen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 77.700,00 €. Grundsätzlich kann die Höhe des Vorschusses bei Vorliegen greifbarer Voraussetzungen geschätzt werden (Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., § 637 Rn. 9). Die Kostenermittlung des Sachverständigen N. ist daher grundsätzlich als Schätzgrundlage geeignet und ausreichend. Allerdings ist der Beklagte ausweislich der Anlage K1 nicht mit der seitlichen Abdichtung des Sockels beauftragt worden. Die Kostenermittlung des Sachverständigen auf Seite 10 des Gutachtens vom 28. Juli 2014 enthält unter dem ersten Spiegelstrich den Hinweis auf eine Sockelausführung nach den Sockelrichtlinien. Nach der Anhörung des Sachverständigen steht fest, dass er insoweit Kosten berücksichtigt hat, die für eine mangelfreie Erstellung von Beginn an erforderlich gewesen wären (Sowieso-Kosten). Er hat erläutert, dass für die fachgerechte Außenabdichtung die Weiterführung der auf der Bodenplatte verlegten Bitumenbahn nach außen hin nötig gewesen wäre und diese Maßnahme Kosten von 300,00 € verursacht hätte. Hinzu kämen 1.000,00 € für Roste, die als Spritzschutz nötig gewesen wären sowie weitere 10.000,00 € für die Anfertigung der Außenabdichtung (jeweils Blatt 279 d. A.). Von den vom Landgericht zutreffend als erforderlich angesehenen 89.000,00 € sind daher 11.300,00 € abzuziehen, sodass 77.300,00 € verbleiben.

Im Rahmen der Vorschussklage hat der Auftragnehmer auch die noch nicht angefallene Umsatzsteuer zu zahlen (Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 6. Teil, Rn. 217, OLG Düsseldorf, 22 U 164/15, Rn. 74 - juris, OLG Celle 7 U 201/09 = NZBau 2010, 503, Voit in BeckOK BGB, § 637, Rn. 12).

2. Des Weiteren haben die Kläger einen Anspruch auf Zahlung von 4.618,02 € aus §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB. Diese Kosten waren für die Einholung des privaten Sachverständigengutachtens erforderlich und angemessen.

3. Die Kosten- und die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 ZPO.