Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.12.1991, Az.: 4 L 69/90
Anstalt; Heim; Jugendheim; Sozialhilfe; Aufenthaltskosten; Arbeiterwohlfahrt
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 12.12.1991
- Aktenzeichen
- 4 L 69/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1991, 13111
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1991:1212.4L69.90.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig 05.04.1990 - AZ: 4 A 4270/89
- nachfolgend
- BVerwG - 24.02.1994 - AZ: BVerwG 5 C 24.92
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 4. Kammer - vom 5. April 1990 wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die im Jahre 1969 geborene Klägerin, die an einer Entwicklungsstörung mit depressiven Verstimmungen und Angstzuständen litt, hielt sich seit November 1987 in einer "Außenstelle des Sozialzentrums Querum, Heilpädagogisches Kinder- und Jugendheim" auf, deren Träger der Bezirksverband Braunschweig e. V. der Arbeiterwohlfahrt ist. Der Beklagte trug die Kosten des Aufenthalts für die Zeit bis zum 25. November 1988.
Den Antrag der Klägerin vom 13. November 1988, die Kosten weiter zu übernehmen, hat der Beklagte nicht beschieden.
Das Verwaltungsgericht hat der am 13. Juni 1989 erhobenen Klage mit Urteil vom 5. April 1990 stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin "Sozialhilfe gemäß § 72 BSHG durch Übernahme der Kosten ihrer Betreuung durch das Sozialzentrum Querum der Arbeiterwohlfahrt Braunschweig für den Zeitraum vom 1. 12. 1988 bis einschließlich zum 1. 11. 1989 zu gewähren".
Mit seiner Berufung macht der Beklagte geltend:
Die Klägerin habe in einer Wohngemeinschaft gelebt, die nicht als Einrichtung im Sinne von § 100 Abs. 1 Nr. 5 BSHG anzusehen sei. Auch sei die Betreuung, die die Klägerin erfahren habe, nicht so intensiv, daß sie der Betreuung, die ein Hilfesuchender in einer Einrichtung im Sinne von § 100 BSHG erhalte, gleichzusetzen sei.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichtes.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist nicht begründet.
Die Klägerin erhielt in der Zeit von Dezember 1988 bis Oktober 1989 Hilfe in einer Einrichtung im Sinne von § 100 Abs. 1 Nr. 5 BSHG (2.). Der Anspruch der Klägerin scheitert auch nicht daran, daß der Beklagte ihr Begehren nicht beschieden hat (1.).
1. Die Klage ist gemäß § 75 VwGO zulässig. Es handelt sich nicht - für einen Teil des hier streitigen Zeitraums - um eine "Untätigkeitsklage auf Vorrat" (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 13. Juni 1983 in BVerwGE 66, 342 = FEVS 32, 405). Der Senat meint, daß es nach den Interessen der Beteiligten darauf ankommt, daß der Beklagte sich ohne Rüge zur Sache eingelassen hat, mithin seine schriftlichen Einlassungen als Widerspruchsbescheid zu verstehen sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 15. Jan. 1982, BVerwGE 64, 325 m.w.N.). Hervorzuheben ist, daß sich der Beklagte nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin wegen Mangels an Personal außerstande gesehen hat, ihren Antrag zu bescheiden. Allerdings sind an diesem "Widerspruchsbescheid" nicht sozial erfahrene Personen im Sinne des § 114 Abs. 2 BSHG beteiligt worden. Das ändert nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (Urt. v. 6. Febr. 1986, FEVS 35, 309) und des Senats (Urt. v. 12. Juni 1991 - 4 OVG A 25/86 -) nichts daran, daß der Bescheid, wenn auch möglicherweise rechtswidrig, jedenfalls existent ist, so daß es nicht an dem erforderlichen Vorverfahren fehlt.
Wollte man diesen Erwägungen nicht folgen, so wäre die Klage gleichwohl gemäß § 75 VwGO zulässig. Die im Auftrage des Beklagten handelnde Stadt Braunschweig hat in diesem Hilfefall die Hilfe nicht Monat für Monat, sondern für ein ganzes Jahr zugesprochen (Bescheid der Stadt Braunschweig vom 30. November 1987). An diese Praxis ist der Beklagte gebunden, so daß jeweils streitbefangen die Hilfe für ein gesamtes Jahr ist (jedenfalls, soweit es um die Hilfe in Einrichtungen geht).
2. Die Klägerin hat gemäß § 72 BSHG Hilfe zur Überwindung sozialer Schwierigkeiten erhalten (der Senat geht auf die Einzelheiten nicht näher ein, weil die Beteiligten nicht darüber streiten, daß die Klägerin solche Hilfe erfahren mußte). Sie erhielt diese Hilfe in einer Einrichtung im Sinne von § 100 Abs. 1 Nr. 5 BSHG.
Was unter Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen zu verstehen ist, hat der Senat in einer Reihe von Entscheidungen entwickelt und jüngst in seinem Urteil vom 11. September 1991 (4 L 261/89) unter Hinweis auf die Erwägungen in seinem Urteil vom 15. November 1990 (4 L 122/89) zusammenfassend dargestellt:
"Anstalten und Heime sind nach ihrem Wortsinn und nach dem gesetzlichen Regelungszusammenhang Einrichtungen, in denen persönliche und sachliche Mittel zu Zwecken u.a. von Maßnahmen der Eingliederungshilfe zusammengefaßt sind. Ihre Ausstattung und ihr Betrieb sind bedingt durch die Intensität oder die Dauer der zweckentsprechenden Pflege- und Eingliederungsmaßnahmen. Das Bundesverwaltungsgericht hat Intensität und Dauer der Hilfsmaßnahmen als Merkmale von Bildungseinrichtungen für Blinde hervorgehoben (s. Urt. v. 22. Mai 1975 in FEVS Bd. 22 S. 403, 406; Urt. v. 26. Okt. 1978 in FEVS Bd. 27 S. 133 ff). Anstalten und Heime dienen im Gegensatz zu den teilstationären Einrichtungen der vollständigen Unterbringung und Versorgung sowie der Kontrolle, Beaufsichtigung oder sonstigen Betreuung der hilfsbedürftigen Personen bei Tag und Nacht. Betreuungspersonal ist ständig anwesend, die Versorgung der Insassen organisiert. Der Anstaltsbetrieb steht unter einer verantwortlichen Leitung. Von ihrem Zweck her sind Anstalten und Heime für einen individuell nicht festgelegten Personenkreis gedacht, für den Platz vorgehalten wird (s. Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 12. Aufl., RdNr. 40 ff zu § 103, RdNr. 21 zu § 100). Durch den organisatorischen, sachlichen und persönlichen Aufwand ist die Gründung, Unterhaltung und der Betrieb dieser Einrichtung im allgemeinen auf Dauer mit besonders hohen Kosten verbunden, die die meisten örtlichen Träger der Sozialhilfe nicht aufbringen können. Anstalten und Heime haben deshalb in der Regel einen überörtlichen Einzugsbereich. Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe festgelegt (Amtliche Begründung des Gesetzes, abgedruckt bei Jehle/Schmitt, BSHG, 1981, Anm. 1 zu § 100). Von diesem Motiv des Gesetzgebers ausgehend ist unter einer "gleichartigen Einrichtung" eine den Anstalten und Heimen nach Kostenaufwand und Betriebsform vergleichbare Einrichtung zu verstehen, in der Hilfsbedürftige vollstationär betreut werden. Dazu mögen spezielle Einrichtungen zur Rehabilitation von seelisch Behinderten gehören. Knopp/Fichtner (BSHG, 5. Aufl., RdNr. 13 zu § 103) führen beispielhaft Übergangsheime für seelisch Behinderte (Geisteskranke) an, und Schellhorn/Jirasek/Seipp (aaO) zählen dazu Ferienlager für Behinderte, die die Zielsetzung haben, zur psychischen und physischen Rehabilitation beizutragen, insbesondere ihr Selbstvertrauen in der Begegnung mit Nichtbehinderten zu stärken."
In seinem Beschluß vom 15. August 1988, mit dem er der Klägerin für den ersten Rechtszug in vollem Umfang Prozeßkostenhilfe gewährt hat, hat der Senat hierzu dargelegt:
Hiervon ist die Wohngemeinschaft abzugrenzen, die - idealtypisch gesehen - eine sich selbst tragende unabhängige Gemeinschaft ist, die in ihrem Bestand, ihrer Zusammensetzung und der Regelung ihres Zusammenlebens von dritten, nicht zur Wohngemeinschaft zählenden Personen unabhängig ist und Art, Dauer und Inhalt sowie Ziel des gemeinschaftlichen Zusammenlebens durch mündliche oder schriftliche Vereinbarungen festlegt. Es handelt sich also um eine selbständige und von einem Dritten unabhängige Gruppe, die alle das Zusammenleben betreffenden Fragen eigenverantwortlich entscheidet und autonom über ihre Betreuung bestimmt sowie die gemeinsamen finanziellen Mittel eigenständig verwaltet.
Diese - wie erwähnt idealtypische - Definition erfährt in der Praxis der Träger der Sozialhilfe Abstriche, wie dem Senat bekannt ist. So verlangt beispielsweise die Mehrzahl der Träger der Sozialhilfe bei dem "betreuten Wohnen" die Hilfe eines Trägervereins, der die Wohnungen für die Hilfeempfänger mietet. Gleichwohl ist die genannte Definition nützlich, um die Wohngemeinschaft von anderen Formen des Zusammenlebens abzugrenzen. Nach der Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe vom 12. März 1987 (ZfF 1988, 78) ist unter der Wohngemeinschaft das Zusammenleben von mehreren Personen zu verstehen, die sich zu dieser Form des Zusammenlebens in Selbstverantwortung für die Regelung der eigenen Angelegenheiten zusammengeschlossen haben und die die Angelegenheiten des täglichen Lebens eigenverantwortlich regeln. Maßgebend wird im Einzelfall sein, in welchem Umfang das Mitglied einer Gemeinschaft sein Leben ohne den Einfluß Dritter gestalten darf. Die Empfehlung, auf deren Nr. I 6 und II 3. der Beklagte in dem Rundschreiben vom 9. Oktober 1987 (Nr. 17/87) Bezug nimmt, rechnet dagegen zutreffend (s.o.) die Außenstelle eines Heimes den Einrichtungen im Sinne von § 100 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 103 Abs. 4 BSHG zu und versteht darunter eine dem Heim organisatorisch zugeordnete betreute Wohneinrichtung des Heimes für regelmäßig mehrere Behinderte, die im Rahmen der Zweckbestimmung der Kerneinheit liegt und deren Bewohner das umfassende Förderungsangebot eines Wohnheims zwar auch regelmäßig und nicht nur gelegentlich, jedoch nur in Teilbereichen benötigen. Das Personal der Außenstelle stellt der Träger der Gesamteinrichtung; über die Aufnahme der Hilfeempfänger in die Außenstelle und ihre Entlassung entscheidet der Träger, der auch Zielsetzung und Durchführung der Unterbringung und Betreuung der Hilfeempfänger bestimmt.
Diese Überlegungen im Beschluß vom 15. August 1988 bedürfen der Weiterentwicklung und Ergänzung. Insoweit kann der Senat auf sein Urteil vom 10. Oktober 1990 - 4 OVG A 92/88 - zurückgreifen. Das bedeutet zunächst, daß die Begriffe "Heim, Anstalt" und "gleichartige Einrichtung" nichts unterschiedliches meinen, also dieselbe Bedeutung haben; § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG wiederholt die Begriffe autologisch und bekräftigend (Bräutigam in Knopp/Fichtner, BSHG, 6. Aufl. RdNr. 16 zu § 100; RdNr. 27 zu § 103), sie werden dort aber nicht (legal-)definiert. Das erfordert es, auf das Bild der Institution zurückzugreifen, wie es sich in der sozialen Wirklichkeit zeigt. Deshalb legt das Bundesverwaltungsgericht aus heutiger Sicht in seinem Urteil vom 22. Mai 1975 (BVerwGE 48, 228 = FEVS 22, 403) bei der Auslegung der Worte "Anstalt, Heim oder gleichartige Einrichtung" zu starkes Gewicht auf die "Aufnahme in ein Gebäude oder irgendeine andere Räumlichkeit". Dem ist entgegenzuhalten, daß das, was unter einem gesetzlichen Begriff zu verstehen ist, den sich wandelnden Anschauungen der Gesellschaft unterliegt (BVerwG, Urt. v. 5. Okt. 1972, BVerwGE 41, 26), und daß die hier zu betrachtenden Begriffe nicht ohne Bezug zu der Entwicklung bei der Betreuung des in § 100 BSHG genannten Personenkreises ausgelegt werden können. Aus diesem Grunde sind Vorstellungen, die an die Aufnahme in ein Krankenhaus (so das Bundesverwaltungsgericht aaO) anknüpfen, nicht mehr zeitgerecht. Das wird bereits aus der Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe vom 12. März 1987 (aaO) deutlich. Diese Empfehlung, die den Stand der Entwicklung aus der Sicht der Träger der Sozialhilfe wiedergibt, trennt sich bereits von der Auffassung, es könne entscheidend darauf abgestellt werden, die Aufnahme in eine Einrichtung im Sinne von § 100 Abs. 1 BSHG sei der Aufnahme in ein Krankenhaus gleichzusetzen. So sind in dieser Empfehlung bereits Außenstellen als dem Heim organisatorisch zugeordnete betreute Wohneinrichtungen genannt, die Teil eines Heimes sein können. Verstärkt wird diese Überlegung durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift (BT-Drucks. III/1799). Der Gesetzgeber hat nämlich die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe deshalb festgelegt, weil der Aufwand für Gründung, Unterhaltung und Betrieb dieser Einrichtungen im allgemeinen auf die Dauer mit besonders hohen Kosten verbunden ist, welche die meisten örtlichen Träger der Sozialhilfe nicht aufbringen können; Anstalten und Heime haben in der Regel einen überörtlichen Einzugsbereich. Der Entstehungsgeschichte des Zweiten Änderungsgesetzes zum Bundessozialhilfegesetz, das § 100 Abs. 1 Satz 1 BSHG auf "Einrichtungen zur teilstationären Betreuung" erweiterte, ist anderes nicht zu entnehmen. Mit dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber die Anstalten ohne geschlossenen Charakter berücksichtigen (BT-Drucks. V/3495), hingegen nicht den Begriff der Einrichtung definieren (auch der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge ist für eine funktionelle Betrachtung eingetreten, NDV 1966, 247). Legt man dies zugrunde, so ist der Begriff "Heim, Anstalt oder gleichartige Einrichtung" im Sinne von § 100 Abs. 1 BSHG dahin zu verstehen, daß es sich um eine Zusammenfassung von persönlichen und sachlichen Mitteln handeln muß, die auf eines der in § 100 Abs. 1 BSHG genannten Ziele ausgerichtet ist und innerhalb dieses Zieles für eine intensive Betreuung der ihr anvertrauten Personen sorgt. Eine räumliche Einheit, etwa im Sinne eines Krankenhauses oder einer Klinik, ist nicht erforderlich. Das Schwergewicht ist vielmehr in der organisatorischen Einheit zu sehen. Bedacht muß allerdings werden, daß der besondere institutionelle Charakter von Anstalten und Heimen (vgl. Kreikebohm, Die Einrichtungsbegriffe im Bundessozialhilfegesetz, RsDE Heft 6, S. 1 ff) noch eine räumliche Bezogenheit fordert. Ihr ist aber genügt, wenn die Räume, in denen sich der oder die Bewohner vornehmlich aufhalten, in der Sachherrschaft des Trägers der Einrichtung stehen. Zugleich ist damit gesagt, daß es entgegen der Auffassung des Bad.-Württ. Verwaltungsgerichtshofs (Beschl. v. 8. Juli 1988 - 6 S 1130/88 -) nicht erforderlich ist, daß der Hilfeempfänger ausschließlich in der Wohnung, in der er lebt, betreut wird; "Gruppenaktivitäten" dürfen auch in anderen Teilen der Einrichtung stattfinden. Auch kommt es nicht mehr auf eine "jederzeitige Rücknahmbarkeit" der Bewohner in das Stammhaus an, wie der Bad.-Württ. Verwaltungsgerichtshof (aaO) meint. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, daß nach Auffassung des Senates (vgl. Beschl. v. 15. Aug. 1988) § 103 Abs. 4 BSHG ohnehin nicht für die Auslegung von § 100 Abs. 1 BSHG heranzuziehen ist."
Nach diesen Maßstäben hielt sich die Klägerin in dem zu betrachtenden Zeitraum in einer Einrichtung im Sinne von § 100 Abs. 1 BSHG auf. Bedacht muß allerdings werden, ob dem erforderlichen institutionellen Charakter im Hinblick auf die räumliche Einheit genügt ist. Dies ist der Fall. Die Wohnung, in der sich die Klägerin aufhielt, war Teil der Einrichtung "Sozialzentrum Querum". Insbesondere war die Wohnung der Einrichtung im Sinne der eben dargestellten Begriffsbestimmung "organisatorisch zugeordnet". Diese Zuordnung wird auch dadurch unterstrichen, daß die Einrichtung für die Reinigung der "Verkehrsräume" (Flur, Küche, Bad) sorgte. Der Sache nach führte das "Sozialzentrum Querum" in dem Hause (Braunschweig, Humboldtstraße 12) eine Außenwohngruppe; dem steht nicht entgegen, daß die räumliche Entfernung zwischen diesem Teil der Einrichtung und dem "Kern" der Einrichtung größer als in anderen Fällen sein mag, in denen Einrichtungen Außenwohngruppen haben. Insoweit fehlt der Einrichtung nicht das von dem Beklagten vermißte Element des "Stationären".
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klägerin in dem Teil der Einrichtung, in dem sie sich aufgehalten hat, intensiv betreut worden. Wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, hält sich täglich zwischen 14 und 20 Uhr ein Mitarbeiter des Sozialzentrums Querum in dem Haus in der Humboldtstraße auf. In den Abend- und Nachtstunden ist ein Mitarbeiter der Einrichtung rufbereit. Wie sich aus der plausiblen Aufstellung ergibt, die die Klägerin in der mündlichen Verhandlung dem Senat übergeben hat, hat sie neben der allgemeinen Betreuung im Monat eine nur auf sie ausgerichtete Betreuung von etwa 30 Stunden erhalten. Nach den Erfahrungen, die der Senat in einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten dieser Art gewonnen hat, ist die Betreuung auch in den Außenwohngruppen, die der Beklagte einer Einrichtung zuordnet, nicht intensiver.
Auch die übrigen Voraussetzungen, die § 100 BSHG verlangt, um die Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe zu begründen, sind erfüllt. Die Klägerin bedurfte der Hilfe in einer Anstalt, in einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung.
Dem Umstand, daß die Einrichtung, in der die Klägerin sich aufgehalten hat, eine Heimerlaubnis gemäß § 6 Heimgesetz nicht besessen hat, mißt der Senat eine den Erfolg der Klage hindernde Bedeutung nicht zu. Zum einen hat die Bezirksregierung Braunschweig die Voraussetzungen für als erfüllt angesehen, die Genehmigung gemäß §§ 78, 79 JWG für den Betrieb der Jugendhilfeeinrichtung "Sozialzentrum Querum" einschließlich der Außenwohnungen zu erteilen. Zum anderen bedarf die Arbeiterwohlfahrt gemäß § 6 Abs. 1 Heimgesetz einer Genehmigung nicht, da sie zu den in § 10 Abs. 1 BSHG genannten Verbänden der freien Wohlfahrtspflege zählt. Angezeigt aber hat der Bezirksverband Braunschweig e.V. der Arbeiterwohlfahrt das Betreiben dieser Einrichtung, da den beteiligten Heimaufsichtsbehörden seit langem bekannt ist, daß diese "Außenwohngruppe" besteht.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2, 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Senat läßt die Revision zugelassen, weil er von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. Mai 1975 (aaO) abgewichen ist und es von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung ist, wie der Begriff des "Heimes, der Anstalt oder einer gleichartigen Einrichtung" im Sinne von § 100 Abs. 1 BSHG auszulegen ist.
Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Jacobi ist in den Ruhestand getreten und kann nicht mehr unterschreiben
Zeisler
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