Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.12.1991, Az.: 12 L 7069/91

Entziehung seiner Fahrerlaubnis; Fahrerlaubnis; Fahrerlaubnis auf Probe; Nachschulungskurs

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.12.1991
Aktenzeichen
12 L 7069/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1991, 13101
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1991:1209.12L7069.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 23.01.1991 - AZ: 6 A 61264/90
nachfolgend
BVerwG - 18.05.1994 - AZ: BVerwG 11 C 49.92

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 6. Kammer - vom 23. Januar 1991 geändert. Der Bescheid des Beklagten vom 2. März 1990 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 6. September 1990 werden aufgehoben, soweit mit ihnen die Fahrerlaubnis der Klasse 3 entzogen worden ist. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu zwei Dritteln, der Kläger zu einem Drittel; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen 1 b und 3.

2

Der am 19. Mai 1971 geborene Kläger erwarb am 27. Mai 1987 - für Leichtkrafträder - eine Fahrerlaubnis auf Probe der Klasse 1 b. Die zweijährige Probezeit (nach § 2 a Straßenverkehrsgesetz - StVG -) endete mit Ablauf des 27. Mai 1989. Bei einer am 9. Januar 1989 in Gifhorn durchgeführten Verkehrskontrolle wurde festgestellt, daß der Kläger an dem von ihm geführten Kleinkraftrad, Marke Zündapp, mit dem amtlichen Kennzeichen GF-AA 737 Veränderungen vorgenommen hatte, die zum Erlöschen der Betriebserlaubnis geführt hatten. Der Kläger hatte nämlich, um seinem Kraftrad ein sportlicheres Aussehen zu verleihen, einen Teil des hinteren Schutzbleches abgesägt und damit die Radabdeckung um 15 cm verkürzt; weiter hatte er einen Rennlenker (M-Lenker) montiert. Außerdem war der Auspuffkrümmer defekt. Der Beklagte erließ daher gegen den Kläger unter dem 14. Februar 1989 einen - seit dem 10. März 1989 bestandskräftigen - Bußgeldbescheid, mit dem eine Geldbuße in Höhe von 100,-- DM festgesetzt wurde. Außerdem forderte er - nach Eintragung der Entscheidung vom 14. Februar 1989 im Verkehrszentralregister - den Kläger unter Bezugnahme auf die am 9. Januar 1989 begangene Verkehrsordnungswidrigkeit mit Bescheid vom 10. Mai 1989 unter Hinweis auf § 2 a Abs. 2 Nr. 1 StVG auf, an einem Nachschulungskurs zur Verbesserung des Fahrverhaltens teilzunehmen und bis zum 10. August 1989 eine entsprechende Teilnahmebescheinigung vorzulegen. Der Kläger erhob hiergegen fristgerecht Widerspruch und begründete diesen damit, im Mai 1989 nach erfolgreichem Ablegen einer theoretischen und praktischen Fahrerlaubnisprüfung die Fahrerlaubnis der Klasse 3 erworben zu haben. Er habe damit letztlich die in § 2 a Abs. 2 Ziff. 2 StVG vorgeschriebene Befähigungsprüfung abgelegt; denn die von ihm gerade abgelegte Fahrerlaubnisprüfung stelle ein Minus gegenüber der in § 2 a Abs. 2 Ziff. 1 StVG vorgesehenen bloßen Nachschulung dar. Der Gesetzgeber habe mit Einfügung des § 2 a Abs. 2 StVG in das Straßenverkehrsgesetz keine Sanktion erlassen wollen. Vielmehr diene die Vorschrift allein dem Zweck, sicherzustellen, daß ein Fahranfänger erforderlichenfalls nachgeschult werden könne. Habe der Fahranfänger aber parallel und zeitnah seine Befähigung in einer (allgemeinen) Fahrerlaubnisprüfung unter Beweis gestellt, so sei der mit § 2 a Abs. 2 StVG verfolgte Zweck erfüllt mit der Folge, daß eine Nachschulungsmaßnahme unterbleiben müsse.

3

Der Beklagte half dem Widerspruch in der Weise ab, daß die Frist zur Beibringung einer Teilnahmebescheinigung über den weiterhin geforderten Nachschulungskurs zunächst bis zum 30. September 1989 und letztmalig bis zum 20. Februar 1990 verlängert wurde. Da der Kläger auch bis zum 20. Februar 1990 eine Teilnahmebescheinigung nicht vorlegte, entzog der Beklagte ihm nach vorheriger Einholung einer Weisung der Bezirksregierung Braunschweig zum Umfang einer möglichen Fahrerlaubnisentziehung mit Bescheid vom 2. März 1990 unter Hinweis auf § 2 a Abs. 3 StVG die Fahrerlaubnis sowohl der Klasse 1 b als auch der Klasse 3. Der Kläger erhob gegen die Entziehungsverfügung am 14. März 1991 unter Wiederholung seiner bereits vorgebrachten Argumente Widerspruch und wies lediglich ergänzend darauf hin, daß die nach seiner Auffassung sinnlose Teilnahme an einem Nachschulungskurs für ihn auch mit erheblichen Kosten in Höhe von 400,-- DM bis 500,-- DM verbunden sei; als Auszubildender, der sich in einer Ausbildung zum Großhandelskaufmann befinde, verfüge er aber nur über geringes Einkommen.

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Die Bezirksregierung Braunschweig wies den Widerspruch mit Bescheid vom 6. September 1990 - dem Kläger am 10. September 1990 zugestellt - zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt:

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Bei der Fahrerlaubnis auf Probe, die auch von Gesichtspunkten der Vorbeugung und Abschreckung gekennzeichnet werde, habe der Fahrerlaubnisinhaber einen Nachschulungskurs zu absolvieren, wenn er - wie hier der Kläger - in der zweijährigen Probezeit eine Verkehrszuwiderhandlung begehe, die unter den in Abschn. A der Anlage zu § 2 a StVG aufgeführten Katalog falle. Nach dem Willen des Gesetzgebers werde mit der Nachschulung gegenüber dem Fahranfänger eine Maßnahme getroffen, die nicht nur relativ frühzeitig einsetze, sondern die für diesen auch fühlbar sein solle. Daher sehe der Gesetzgeber zeitliche und finanzielle Belastungen, die auch für einen Auszubildenden tragbar seien, bewußt für diesen Personenkreis vor. Für den Kläger sei die Verpflichtung, an einer Nachschulung teilzunehmen auch nicht dadurch entfallen, daß er zwischenzeitlich erfolgreich die Fahrerlaubnisprüfung der Klasse 3 abgelegt habe. An eine Prüfung zur Erteilung einer Fahrerlaubnis würden nämlich, wie dies § 2 b Abs. 1 StVG zeige, andere Anforderungen gestellt als an eine Nachschulung; denn bei der Befähigungsprüfung zur Erteilung einer Fahrerlaubnis werde nur festgestellt, ob ausreichende Kenntnisse der gesetzlichen Vorschriften vorhanden seien und ob der Kandidat allgemein mit den Gefahren des Straßenverkehrs sowie mit den zu ihrer Abwehr erforderlichen Verhaltensweisen vertraut sei. Da sich der Kläger somit unberechtigterweise der Nachschulung widersetzt habe, sei die Straßenverkehrsbehörde nach § 2 a Abs. 3 StVG verpflichtet gewesen, die Fahrerlaubnis nicht nur der Klasse 1 b, sondern auch der Klasse 3 zu entziehen. Die Ausdehnung der Entziehung auch auf die Klasse 3 rechtfertige sich daraus, daß das Straßenverkehrsgesetz und die Straßenverkehrszulassungsordnung nur die Entziehung der Fahrerlaubnis im gesamten Umfange vorsähen. Nach § 4 StVG sei die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Inhaber der Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei. § 2 a StVG regele nur einen weiteren Entziehungsgrund, und zwar den der Nichtbewährung des Fahranfängers.

6

Der Kläger, der zunächst im Juni 1990 eine Feststellungsklage - 6 A 6049/90 - erhoben hatte, diese aber auf einen gerichtlichen Hinweis auf ihre Unzulässigkeit am 15. März 1990 wieder zurückgenommen hatte, hat am 10. Oktober 1990 gegen die Entziehungsverfügung Klage erhoben und zu deren Begründung vorgetragen:

7

Er sei nur am 9. Januar 1989 mit einer Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr aufgefallen. Seit diesem Vorfall habe er sich nichts mehr zuschulden kommen lassen. Schon von daher lägen die Voraussetzungen für eine Entziehung seiner Fahrerlaubnis nicht vor. Im übrigen sei es sinnwidrig, ihm auch die Fahrerlaubnis der Klasse 3 zu entziehen, die er erst wesentlich später aufgrund einer besonderen Prüfung erworben habe.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 2. März 1990 sowie den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 6. September 1990 aufzuheben.

10

Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid vom 6. September 1990 beantragt,

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die Klage abzuweisen.

12

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 23. Januar 1991 die Klage abgewiesen und hierzu unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid vom 6. September 1990 im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich bis zum 20. Februar 1990 der geforderten Nachschulung zu unterziehen und hierüber eine Teilnahmebescheinigung vorzulegen. Da er dies nicht getan habe, habe der Beklagte ihm nach der speziellen und insoweit zwingenden Vorschrift des § 2 a Abs. 3 StVG die Fahrerlaubnis der Klassen 1 b und 3 entziehen müssen. Hiervon habe auch nicht mit Rücksicht auf die vom Kläger im Mai 1989 erfolgreich abgelegte Fahrerlaubnisprüfung der Klasse 3 abgesehen werden können. Wie im Widerspruchsbescheid zutreffend dargelegt worden sei, diene der Nachschulungskurs nicht lediglich dazu, die Kenntnisse und Fähigkeiten aufzufrischen, die allgemein zum Erwerb einer Fahrerlaubnis notwendig seien. Vielmehr verfolge der Nachschulungskurs insbesondere den Zweck, die Einstellung des während der Probezeit verkehrsauffällig gewordenen Fahranfängers gegenüber den Belangen des Straßenverkehrs zu ändern, sein Risikobewußtsein zu fördern sowie die Gefahrenerkennung zu verbessern. Im übrigen hätte der Kläger nach § 2 b Abs. 1 StVG im Rahmen der Nachschulung eine Fahrprobe mit einem Fahrzeug der Klasse 1 b ableisten müssen, die durch eine Fahrprüfung der Fahrerlaubnisklasse 3 nicht ersetzt werde. Wie auch die Bestimmung des § 2 a Abs. 6 StVG verdeutliche, komme der Regelung über die Nachschulung entgegen der Auffassung des Klägers Sanktionscharakter zu; auch hierdurch unterscheide sich die Nachschulung von der (allgemeinen) Befähigungsprüfung zum Erwerb einer Fahrerlaubnis. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit werde schließlich auch nicht dadurch verletzt, daß die Teilnahme an einem Nachschulungskurs für einen Fahranfänger regelmäßig mit finanziellen und zeitlichen Belastungen verbunden sei; denn die Anordnung zur Teilnahme an einem Nachschulungskurs diene der Erhöhung der Verkehrssicherheit.

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Der Kläger hat gegen das ihm am 18. Februar 1991 zugestellte Urteil am 18. März 1991 Berufung eingelegt und in Ergänzung seines bisherigen Vorbringens vorgetragen:

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Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 2 a StVG widerspreche der Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck der Vorschrift. Im übrigen verstoße die Auslegung gegen das Übermaßverbot. Maßnahmen nach § 2 a Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 StVG seien in der Weise abgestuft, daß die Befähigungsprüfung (§ 2 a Abs. 2 Nr. 2 StVG) die weitergehende Maßnahme darstelle. Das Verwaltungsgericht gehe daher bei seiner Argumentation von der - falschen - Voraussetzung aus, daß die Anordnung eines Nachschulungskurses inhaltlich über die Anforderungen hinausgehe, die an eine Befähigungsprüfung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 StVG zu stellen seien. Vielmehr sei das Verhältnis beider Vorschriften so, daß nur dann die Ablegung einer Befähigungsprüfung vorgesehen sei, wenn zuvor eine Maßnahme nach § 2 a Abs. 2 Nr. 1 StVG angeordnet gewesen sei. Er - der Kläger - habe aber sogar eine Befähigungsprüfung im Rahmen seiner Fahrerlaubnisprüfung im Mai 1989 abgelegt. Bei dieser Prüfung und bei der zu ihr führenden Ausbildung habe er sämtliche Kenntnisse erworben bzw. deren Beherrschung unter Beweis gestellt, die er anläßlich der Nachschulung hätte erwerben können. Die Entscheidung, ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen, sei schließlich auch deswegen rechtswidrig, weil er erst geraume Zeit nach dem Vorfall, der Anlaß für die Anordnung zur Nachschulung gewesen sei, und zwar am 19. Mai 1989 die Fahrerlaubnis - auf Probe - der Klasse 3 erworben habe. Die auflagenfreie Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse 3 lasse einen Rückgriff auf Umstände, die vor der Fahrprüfung vom 19. Mai 1989 lägen, nicht zu.

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Der Kläger beantragt,

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das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und nach dem in erster Instanz gestellten Klageantrag zu entscheiden.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er erwidert:

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Wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil bereits zutreffend festgestellt habe, verfolgten der Nachschulungskurs und die (allgemeine) Fahrerlaubnisausbildung und -prüfung unterschiedliche Ziele. Der spätere Erwerb einer Fahrerlaubnis der Klasse 3 habe daher nicht die erforderte Nachschulung beim Kläger entbehrlich machen können. Der Entzug der Fahrerlaubnis der Klassen 1 b und 3 sei auch verhältnismäßig. Es sei beim Entzug nicht etwa - wie der Kläger behaupte - nur an seine "Jugendsünde", nämlich an die Manipulation an einem Leichtkraftrad, die zum Erlöschen der Betriebserlaubnis für dieses Rad geführt habe, angeknüpft worden. Ausschlaggebend sei vielmehr die Weigerung des Klägers gewesen, einen Nachschulungskurs zu besuchen.

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Zur weiteren Sachdarstellung und zur Darstellung des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten A) und der Bezirksregierung Braunschweig (Beiakten C) Bezug genommen; diese sind Gegenstand der Verhandlung und Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist hinsichtlich des Entzugs der Fahrerlaubnis der Klasse 1 b unbegründet, sie hat jedoch hinsichtlich des ebenfalls angefochtenen Entzuges der Fahrerlaubnis der Klasse 3 Erfolg.

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Die Entziehungsverfügung des Beklagten vom 2. März 1990 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 6. September 1990) hält einer verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung stand, soweit mit ihr dem Kläger die Fahrerlaubnis - auf Probe - der Klasse 1 b entzogen worden ist.

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1. Der Kläger hat während der erst mit Ablauf des 27. Mai 1989 beendeten Probezeit des § 2 a Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. Straßenverkehrsgesetz (vom 19. 12. 1952, BGBl I S. 837, zuletzt geändert durch Gesetz vom 30. 4. 1990, BGBl I S. 826 - StVG -) eine Verkehrsordnungswidrigkeit nach den §§ 18 Abs. 3, 19 Abs. 2, 69 a Straßenverkehrszulassungsordnung (idF d. Bekanntmachung vom 28. 9. 1988, BGBl I S. 1793, zuletzt geändert durch Verordnung vom 24. 7. 1989, BGBl I S. 1510 - StVZO -) i.V.m. § 24 Abs. 1 StVG (Manipulationen an Radabdeckung und Lenker) begangen, die in Abschnitt A, Tz 2.2 der Anlage zu § 2 a StVG aufgeführt ist. Damit wäre er gemäß § 2 a Abs. 2 Nr. 1 StVG verpflichtet gewesen, innerhalb der vom Beklagten gesetzten Frist, d.h. bis zum 20. Februar 1990, an einem Nachschulungskurs für verkehrsauffällig gewordene Fahranfänger teilzunehmen. Da er dies nicht getan hat, war der Beklagte nach § 2 a Abs. 3 StVG verpflichtet, dem Kläger die Fahrerlaubnis der Klasse 1 b zu entziehen.

25

Die Verpflichtung des Klägers zur Teilnahme an dem Nachschulungskurs entfiel entgegen seiner Ansicht auch nicht deshalb - mit der Folge, daß eine Entziehung nach § 2 a Abs. 3 StVG nicht hätte erfolgen dürfen -, weil er während der Probezeit an einer Ausbildung zum Erwerb der Fahrerlaubnis der Klasse 3 teilgenommen und die für den Erwerb dieser Fahrerlaubnis erforderliche Prüfung am 19. Mai 1989 - nach Begehen der Verkehrsordnungswidrigkeit vom 9. Januar 1989 und nach Erlaß der Teilnahmeanordnung vom 10. Mai 1989 - erfolgreich abgelegt hat. Wie bereits im Widerspruchsbescheid vom 6. September 1990 und im angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichtes zutreffend dargelegt worden ist, worauf der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 117 Abs. 5 i.V.m. § 125 Abs. 1 VwGO sowie nach § 130 b VwGO Bezug nimmt, kann die (erfolgreich abgelegte) Fahrerlaubnisprüfung der Klasse 3, mag sie auch wie hier erst nach der Teilnahmeanordnung bestanden worden sein, die Teilnahme an einem Nachschulungskurs für verkehrsauffällig gewordene Fahranfänger nicht ersetzen (ebenso Bay.VGH, Urt. v. 23. 10. 1990 - 11 B 89.2836 -, DAR 1991, 235). Ergänzend ist hierzu lediglich zu bemerken, daß auch der erkennende Senat die Auffassung vertritt, daß die Neuschulung nach § 12 Abs. 2 StVZO zum Erwerb einer Fahrerlaubnis - hier der Klasse 3 - und die von auffällig gewordenen Fahranfängern gemäß § 2 a Abs. 2 Nr. 1 StVG zu absolvierende Nachschulung einander nicht entsprechen. Dies ergibt sich eindeutig aus den Gesetzesmaterialien zu § 2 a StVG (vgl. den Entwurf der Bundesregierung zu einem Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und des Fahrlehrergesetzes vom 5. Dezember 1985, BT-Drucks. 10/4490). Hiernach werden mit der Nachschulung andere Ziele - zum Beispiel die Sensibilisierung für die Gefahrenanbahnung und die Betonung einer rücksichtsvollen Einstellung zum Verkehr - als mit der Ausbildung zum Erwerb einer Fahrerlaubnis verfolgt (vgl. BT-Drucks. 10/4490, S. 14 f.). In der amtlichen Begründung (aaO, S. 15) wird daher besonders hervorgehoben, daß die Nachschulung nicht etwa lediglich einen verlängerten oder erneut zu besuchenden (theoretischen) Fahrerlaubnisunterricht darstellen darf. Auch die besondere Ausgestaltung der Nachschulung (s. § 2 b StVG und § 12 f StVZO) zeigt hinreichend deutlich, daß die Nachschulung nicht als (erneute) allgemeine Fahrschulausbildung aufgebaut, sondern anders ausgerichtet ist. Dem Kläger wären daher anläßlich des von ihm geforderten Besuchs des Nachschulungskurses nicht die zuvor erworbenen allgemeinen Kenntnisse und Fähigkeiten wie beim Erwerb der Fahrerlaubnis der Klasse 3 (erneut) vermittelt worden. Vielmehr hätten ihm - bezogen auf die von ihm begangene Verkehrsordnungswidrigkeit - im Nachschulungskurs besondere Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden sollen, wobei die Spezialität dieser Schulung auch an der mit einem Leichtkraftrad durchgeführten Fahrprobe (s. § 12 f Abs. 1 StVZO) zutage getreten wäre.

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Wenn der Kläger demgegenüber auf das zwischen den Ziff. 1 und 2 des § 2 a Abs. 2 StVG bestehende Stufenverhältnis verweist, so kann dies zu keiner anderen Beurteilung führen. Richtig ist, daß sich der Gesetzgeber, um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen, bei Fahranfängern, denen nur ein einmaliges Fehlverhalten in der Probezeit vorzuhalten ist, damit begnügt hat, lediglich eine Nachschulungsmaßnahme vorzusehen, während bei mehrmaligen Fehlverhalten die Befähigungsprüfung vom Fahranfänger wiederholt werden muß (vgl. § 2 a Abs. 2 Nr. 1 und 2 StVG). Diese nach der Häufigkeit der Verfehlungen (abgestufte) Regelung im Gesetz läßt aber keinesfalls den Schluß zu, eine (später erfolgreich abgelegte) Fahrerlaubnisprüfung könne die nach § 2 a Abs. 2 Nr. 1 StVG angeordneten Nachschulung ersetzen. Dies ergibt sich nämlich schon daraus, daß - wie bereits dargelegt - Neuschulung und Nachschulung nicht miteinander zu vergleichen sind. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers besteht vielmehr für denjenigen, der (später) eine Fahrerlaubnisprüfung einer anderen Fahrerlaubnisklasse bestanden hat - weiterhin - ein Nachschulungsbedarf hinsichtlich der Vermittlung eines auf eine frühere Verfehlung bezogenen Gefahrenbewußtseins.

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Es kann schließlich - bezogen auf die Fahrerlaubnis der Klasse 1 b - auch nicht als unverhältnismäßig angesehen werden, daß dem Kläger, wollte er nicht den Verlust dieser Fahrerlaubnis nach § 2 a Abs. 3 StVG riskieren, die kosten- und zeitaufwendige Pflicht zur Teilnahme an einem Nachschulungskurs auferlegt worden ist. Gerade (junge) Fahranfänger waren vor Schaffung der §§ 2 a - e StVG seit vielen Jahren überproportional am Unfallgeschehen, insbesondere an schweren Unfällen mit Personenschäden beteiligt. Sie stellten die mit Abstand bedeutsamste Risikogruppe im motorisierten Straßenverkehr dar; denn ihre erhebliche Verwicklung in schwerwiegende Unfälle beruhte auf ihre Unerfahrenheit und ihrer fehlenden Fahrpraxis, gepaart mit gesteigerter Risikobereitschaft (vgl. die amtliche Begründung, aaO, S. 13 und Bouska, DAR 1986, 333). Es kann daher nicht als verfassungswidrig angesehen werden, daß der Gesetzgeber, um diesen gerade von jungen Fahranfängern ausgehenden schwerwiegenden Gefahren wirksam begegnen zu können, für eine zweijährige Übergangszeit die von den Fahranfängern erworbenen Fahrerlaubnisse einem besonderen, im Vergleich zum sonstigen Fahrerlaubnisrecht verschärften Reglement, der Fahrerlaubnis auf Probe, unterworfen hat. Gerade die von jungen Fahranfängern ausgehende besondere Gefährlichkeit rechtfertigt es, diesen in Gestalt von Nachschulungskursen und Wiederholungsprüfungen Belastungen aufzuerlegen, wenn die Fahranfänger durch die Begehung bestimmter Verkehrszuwiderhandlungen unter Beweis gestellt haben, daß sie zu seiner Gruppe von Verkehrsteilnehmern gehören, von denen besondere Gefahren für die übrigen Verkehrsteilnehmer ausgehen. Diese besondere Gefährdungslage, die sich schon in der Begehung bestimmter Verkehrszuwiderhandlungen manifestiert hat, rechtfertigt es, den verkehrsauffällig gewordenen Fahranfängern im Interesse der Verkehrssicherheit besondere Opfer auch finanzieller Art aufzuerlegen, mögen die jungen Fahranfänger - meist als Berufsanfänger mit geringem Einkommen - auch hierdurch mehr als ältere Kraftfahrer betroffen sein.

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2. Kann somit der Entzug der Fahrerlaubnis der Klasse 1 b nach § 2 a Abs. 3 StVG nicht beanstandet werden, so trifft dies für den vom Beklagten ebenfalls verfügten Entzug der erst am 19. Mai 1989 erworbenen Fahrerlaubnis - auf Probe - der Klasse 3 nicht zu. Eine verfassungskonforme (s. dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983, S. 325 ff.) Auslegung des § 2 a Abs. 3 StVG muß nämlich dazu führen, daß nach der Sondervorschrift des § 2 a Abs. 3 StVG nur diejenige Fahrerlaubnis (auf Probe) entzogen werden kann, die auch Veranlassung zu der - vom Fahrerlaubnisinhaber verweigerten - Nachschulung gegeben hat. Wollte man - wie dies der Beklagte getan hat - die Wirkung des § 2 a Abs. 3 StVG auf alle vom Fahrerlaubnisinhaber erworbenen Fahrerlaubnisse (auf Probe) erstrecken, so wäre dies übermäßig und verstieße gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Für die im Wege der verfassungskonformen Auslegung gefundene Begrenzung des Umfanges der nach § 2 a Abs. 3 StVG zulässigen Wirkung der Entziehungsentscheidung spricht nach Auffassung des Senats die Erwägung, daß die Nachschulung - wie bereits zur Frage des Entzugs der Fahrerlaubnis der Klasse 1 b eingehend dargelegt - auf bestimmte Verkehrszuwiderhandlungen und insbesondere auf bestimmte Fahrerlaubnisklassen ausgerichtet ist (vgl. § 12 f Abs. 1 StVZO). Lediglich dann, wenn der Fahrerlaubnisinhaber eine Teilnahme an dieser speziellen Nachschulung verweigert, soll ihm nach dem Willen des Gesetzgebers (§ 2 a Abs. 3 StVG) die Fahrerlaubnis entzogen werden, die dem Fahrerlaubnisinhaber im übrigen erst nach Besuch dieses Nachschulungskurses wiedererteilt werden kann (§ 2 a Abs. 5 Satz 1 StVG). Damit wird beim Entzug der Fahrerlaubnis nach § 2 a Abs. 3 StVG nach Auffassung des Senates nicht generell an die Ungeeignetheit des Fahrerlaubnisinhabers wie bei der allgemeinen Regelung des § 4 Abs. 1 StVG angeknüpft. Vielmehr wird in der Sondervorschrift des § 2 a StVG auf die besondere Situation des Fahranfängers (s. oben) und die von ihm begangene, als besonders gefährlich eingestufte Verkehrszuwiderhandlung abgestellt. Nur diese besondere Sachlage (Fahranfänger/besondere Verkehrszuwiderhandlung) rechtfertigt es, den Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe einem besonders belastenden Sanktionskatalog - Anordnung einer Nachschulung oder erneuten Ablegung einer Befähigungsprüfung (§ 2 a Abs. 2 StVG)/Ausschluß des Suspensiveffektes (§ 2 a Abs. 6 StVG)/Verlust der Fahrerlaubnis bei Weigerung (§ 2 a Abs. 3 StVG) - zu unterwerfen. Die Notwendigkeit von derart einschneidenden Maßnahmen besteht aber weder bei einer nach der Probezeit erworbenen (allgemeinen) Fahrerlaubnis noch einer nicht im Zusammenhang mit der Verkehrszuwiderhandlung erworbenen Fahrerlaubnis auf Probe. Besonders der Fall des Klägers zeigt deutlich, daß der bloße Umstand, daß eine (zusätzliche) Fahrerlaubnis noch zufällig während der Probezeit erworben wurde, nicht auch zum Verlust der zusätzlichen Fahrerlaubnis nach § 2 a Abs. 3 StVG führen kann. Hätte der Kläger nämlich nur neun Tage später die Fahrerlaubnis der Klasse 3 erworben, so hätte ihm diese nur nach § 4 Abs. 1 StVG, nicht aber nach § 2 a Abs. 3 StVG entzogen werden können. Auch diese Überlegung zeigt, daß die vom Gesetzgeber in § 2 a Abs. 3 StVG vorgesehene Sanktion nur dann gerechtfertigt ist, wenn die die Nachschulung auslösende Verkehrszuwiderhandlung mit der zu entziehenden Fahrerlaubnisklasse begangen worden ist.

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Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO sowie aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

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Der Senat hat die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen, weil sowohl hinsichtlich des Umfanges der Fahrerlaubnisentziehung nach § 2 a Abs. 3 StVG als auch hinsichtlich des Erfordernisses einer Nachschulung bei nachfolgendem Erwerb einer zusätzlichen Fahrerlaubnis Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen werden, die durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bisher noch nicht geklärt worden sind.

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Dr. Hamann

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Richter am Oberverwaltungsgericht Radke ist wegen eines Urlaubs gehindert zu unterschreiben.

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Dr. Hamann

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Petersen