Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 07.09.2009, Az.: 15 UF 211/08

Versorgungsausgleich nach Scheidung einer Ehe zwischen einem freiberuflich tätigen Versicherungskaufmann und einer bis zur Mutterschutzfrist tätigen Flugbegleiterin; Rechtfertigung eines Ausschlusses des Versorgungsausgleichs im Falle eines fehlenden Gleichgewichtes in der Aufgabenverteilung während einer Ehe

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
07.09.2009
Aktenzeichen
15 UF 211/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 38002
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2009:0907.15UF211.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Lehrte - 10.09.2008 - AZ: 8 F 8512/07

Fundstelle

  • FamRZ 2010, 471

In der Familiensache
...
hat der 15. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
die Richter am Oberlandesgericht ..., ... und ...
7. September 2009
beschlossen:

Tenor:

  1. I.

    Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Gifhorn 10. September 2008 geändert und wie folgt gefasst:

  2. II.

    Von dem Versicherungskonto Nr. ... der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund werden in Entgeltpunkte umzurechnende Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung von monatlich 91,33 EUR, bezogen auf den 30. September 2007 als Ende der Ehezeit, auf das Versicherungskonto Nr. ... des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover übertragen.

  3. III.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den Parteien gegeneinander aufgehoben.

  4. VI.

    Der Wert des Streitgegenstands des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000 EUR festgesetzt.

  5. V.

    Der Antragstellerin wird ratenlose Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R., ..., für das Beschwerdeverfahren beiwilligt. VII.

Gründe

1

1.

Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss in der aus dem Scheidungsverbund abgetrennten Folgesache Versorgungsausgleich festgestellt, dass dieser für die in der Ehezeit vom 1. Januar 1999 bis zum 30. September 2007 erworbenen Rentenanwartschaften gemäߧ 1587 c BGB nicht durchgeführt wird. Zur Begründung hat das Amtsgericht maßgeblich darauf abgestellt, dass der Antragsgegner eine für ihn bestehende private Rentenversicherung vor Ehezeitende aufgelöst und für eigene Zwecke verwendet habe, die Antragstellerin durch die Kinderbetreuung sowie Teilzeittätigkeiten überobligatorisch zum Familienunterhalt beigetragen habe und auf absehbare Zeit Unterhaltsansprüche für die Antragstellerin nicht zu realisieren seien.

2

Hiergegen richtet sich die Beschwerde, mit der der Antragsgegner geltend macht, drei Kapitallebensversicherungen zur Rückführung von Verbindlichkeiten aufgelöst zu haben. Darüber hinaus hätten beide Parteien in gleichem Maße zum Familienunterhalt beigetragen.

3

2.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

4

Die Begründung des Amtsgerichts im angefochtenen Beschluss trägt nach Auffassung des Senats vorliegend den Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit gemäß § 1587 c BGB nicht.

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Die am 13. Februar 1971 geborene Antragstellerin hat nach der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 9. April 2008 Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne von § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB von monatlich 187,30 EUR, entsprechend 7,1297 Entgeltpunkten, erworben. Davon entfallen 5,9976 Entgeltpunkte auf Zeiten der Kindererziehung, an die sich die (teilschichtige) Tätigkeit der Antragstellerin als Krankenschwester von Juli 2005 bis (hier maßgeblich) September 2007 anschloss.

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Anwartschaften aus der Zusatzversorgungskasse der Stadt H. hat die Antragstellerin nach deren Auskunft vom 21. Januar 2008 in der Ehezeit nicht erworben, während solche bei der Zusatzversorgungskasse der Ev.-Luth. Landeskirche H. nach deren Auskunft vom 22. Januar 2008 bei einer Beschäftigung seit dem

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1.Juli 2005 noch nicht unverfallbar sind.

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Der am 10. September 1969 geborene Antragsgegner hat nach der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover vom 20. Februar 2008 während der Ehezeit keine Rentenanwartschaften erworben. Nach seinen Angaben zum Versorgungsausgleich war er seit 1996 freiberuflich als Versicherungskaufmann tätig. Nach der Auskunft der C. Lebensversicherungs a.G. vom 23. Januar 2008 hat der Antragsgegner aus zwei fondsgebundenen Rentenversicherungen in der Ehezeit Guthaben von 518,37 EUR sowie 518,33 EUR erworben. Bei einem Gesamtbetrag von 1.036,70 EUR errechnet sich hieraus eine monatliche Anwartschaft von 4,64 EUR (x 0,0001704126 = 0,1767 EGP x 26,27).

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Da die Antragstellerin die höheren Anwartschaften erworben hat, ist sie gemäß § 1587 Abs. 1 BGB ausgleichspflichtig in Höhe der Hälfte des Wertunterschieds von 187,30 EUR - 4,64 EUR = 182,66 EUR : 2 = 91,33 EUR. Auch in Höhe dieses Betrages hält der Senat einen Ausgleich der Versorgungsanwartschaften nicht für grob unbillig i.S.v. § 1587c BGB.

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Gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB findet der Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe, grob unbillig wäre. Das ist nur ausnahmsweise der Fall. Die gesetzliche Regelung macht die gleichmäßige Verteilung der in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte grundsätzlich nicht davon abhängig, ob der Ausgleichsberechtigte zu seiner sozialen Absicherung auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs angewiesen ist. Ebenso wenig ist es von entscheidender Bedeutung, ob die auszugleichenden Anrechte im Verhältnis zu dem Vermögen und den Einkommensverhältnissen des Ausgleichsberechtigten eine ins Gewicht fallende Größe darstellen (BGH FamRZ 1999, 714, 715). Eine unbillige Härte im Sinne des § 1587c Nr. 1 BGB liegt nur vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten, in unerträglicher Weise widersprechen würde. Ein Härtegrund im Sinne des § 1587c Nr. 1 BGB kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann bestehen, wenn nicht nur der ausgleichsberechtigte Ehegatte über Vermögen verfügt, durch das seine Altersversorgung uneingeschränkt abgesichert ist, sondern außerdem der Verpflichtete auf die von ihm erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist (BGH FamRZ 1992, 47; 2005, 1238, 1239). Dabei muss im Rahmen der Prüfung einer groben Unbilligkeit wegen des Ausnahmecharakters des § 1587 c BGB im Einzelfall eine Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten erfolgen (vgl. BGH FamRZ 2006, 769, 770).

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Nach diesen strengen Maßstäben kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass der Versorgungsausgleich zwischen den Parteien uneingeschränkt durchzuführen ist.

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Die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien waren durch die freiberufliche Tätigkeit des Antragsgegners als Versicherungskaufmann, der bis zur Mutterschutzfrist ausgeübten Tätigkeit der Antragstellerin als Flugbegleiterin sowie mit der Geburt der gemeinsamen Kinder J. am 14. Mai 1999 sowie P. am 18. Dezember 2000 durch die Haushaltsführung und Kinderbetreuung durch die Antragstellerin geprägt. Darüber hinaus erzielte die Antragstellerin (nicht sozialversicherungspflichtige) Einkünfte aus der Tätigkeit als Tupper-Beraterin sowie ab Juli 2005 als Krankenschwester. Diese Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse durch Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit hatten die Parteien - auch unter Berücksichtigung des beiderseitigen Sachvortrags - im gegenseitigen Einvernehmen geregelt (§ 1356 Abs. 1 BGB). Aus diesem Grund haben sie die sich hieraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen nach der Ehescheidung gemeinsam zutragen. Für eine Versorgungslücke auf Seiten des Antragsgegners, die sich aus einer unzureichenden Altersvorsorge ergibt, hat die Antragstellerin mit einzustehen. Denn soweit die Parteien Einkünfte nicht auch für die Altersvorsorge des Antragsgegners (sicher) angelegt, sondern für ihren Lebensbedarf verwendet haben, hat die Antragstellerin hiervon wirtschaftlich ebenfalls profitiert. Soweit angespartes Vermögen aufgrund von - unstreitigen - Aktienspekulationen verloren ging, tragen beide Parteien dieses Risiko gemeinsam.

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Bei den vom Antragsgegner nach der Trennung realisierten Rückkaufswerten von insgesamt 16.877,58 EUR aus drei Versicherungen handelt es sich nach seinem Beschwerdevorbringen, dem die Antragstellerin nicht entgegen getreten ist, um fondsgebundene Kapitallebensversicherungen, die nicht in den Versorgungsausgleich fallen. Der Ausgleich der Parteien hinsichtlich der zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags noch vorhandenen oder zu berücksichtigenden Vermögenswerte erfolgt im Rahmen des Zugewinnausgleichs und rechtfertigt eine grobe Unbilligkeit i.S.v.§ 1587c BGB nicht.

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Dass der Antragsgegner als freiberuflich tätiger Versicherungskaufmann eine unzureichende Altersvorsorge während der bestehenden Lebensgemeinschaft betrieben hat, hat die Antragstellerin auch im Schriftsatz vom 17. Dezember 2008 nicht vorgetragen. Diesem Umstand käme im Rahmen des § 1587 c BGB nur dann Bedeutung zu, wenn sein Verhalten als illoyal oder grob leichtfertig zu bewerten wäre (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 68. Aufl., § 1587c Rn. 23 m.w.Nw.). Die unstreitigen Aktienspekulationen des Antragsgegners und die dadurch entstandenen nicht unerhebliche Verluste erfüllen diese Voraussetzung nicht. Vielmehr haben beide Parteien die hieraus resultierenden Folgen gemeinsam zu tragen, so dass sie nicht dem Antragsgegner durch den Ausschluss des Versorgungsausgleichs allein auferlegt werden können. Dass der ausgleichsberechtigte Antragsgegner aktuell über erhebliches Vermögen verfügt, durch das seine Altersversorgung uneingeschränkt abgesichert ist, während die ausgleichspflichtige Antragstellerin auf die von ihm erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung ihrs Unterhalts dringend angewiesen ist (vgl. BGH FamRZ 1992, 47, 2005, 1238, 1239; 2007, 1084, 1086 f.), kann der Senat nicht feststellen.

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Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass die Ausgleichspflicht maßgeblich auf Kindererziehungszeiten beruht, rechtfertigt dies einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht (vgl. BGH FamRZ 2007, 1966). Durch die auf Kindererziehungszeiten begründeten Entgeltpunkte wird der (betreuende) Elternteil so gestellt, als wenn er während der Betreuung ein dem Durchschnitt aller Versicherten entsprechendes Einkommen bezogen und hierdurch Rentenversicherungsbeiträge

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gezahlt hätte. Eine Teilhabe des anderen (erwerbstätigen) Ehegatten an den insoweit erworbenen Rentenanwartschaften entspricht deshalb dem Zweck des Versorgungsausgleichs (vergl. Wick, Der Versorgungsausgleich, 2. Aufl., Rn. 250 m.w.Nw.; Senatsbeschluss vom 29. September 2004 - 15 UF 173/04 -; OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 890; OLG Brandenburg FamRZ 2000, 891; OLG Bremen FamRZ 2003,466). Darüber hinaus rechtfertigt nicht jedes Ungleichgewicht in der Aufgabenverteilung während der Ehe den Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Eine überobligatorische Belastung durch die Kinderbetreuung und die - zeitweise - daneben bestehende Tätigkeit als Tupper-Beraterin bzw. ab Juli 2005 als Krankenschwester kann der Senat nicht feststellen, zumal der Antragsgegner seinerseits erwerbstätig war. Nach dem Beschwerdevorbringen beider Parteien kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin im wesentlichen die Kosten der gemeinsamen Lebensführung allein getragen hat, weil unstreitig vom Antragsgegner die nicht unerheblichen Miet- und Nebenkosten übernommen wurden.

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Schließlich rechtfertigt der vom Amtsgericht angeführte Gesichtspunkt, die Antragstellerin werde Unterhaltsansprüche gemäß § 1570 BGB trotz Betreuung der gemeinsamen Kinder nicht realisieren können, den Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht. Denn zum einen stellt § 1587 c Nr. 3 BGB auf die gröbliche und über längere Zeit andauernde Verletzung der Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, ab, wodurch allein die Zeit bis zur Rechtskraft der Ehescheidung erfasst wird (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 68. Aufl., § 1587 c BGB Rn. 46). Zum anderen muss ein Unterhaltsanspruch rechtlich bestehen, dem sich der andere Ehegatte schuldhaft entzieht.

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In die Gesamtabwägung nach § 1587 c BGB ist auch einzubeziehen, dass die 38-jährige Antragstellerin und der noch 39-jährige Antragsgegner bis zum Erreichen der Regelaltergrenze auch bei Durchführung des Versorgungsausgleichs die Möglichkeit haben, eine ausreichende Altersversorgung aufzubauen.

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3.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 93a ZPO. Die Wertfestsetzung ergibt sich aus § 49 Nr. 3 GKG.