Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 02.04.2009, Az.: 6 B 15/09

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
02.04.2009
Aktenzeichen
6 B 15/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 44287
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOSNAB:2009:0402.6B15.09.0A

Fundstelle

  • ZfWG 2009, 227

In der Verwaltungsrechtssache

...

Streitgegenstand: Vermittlung von Sportwetten

hat das Verwaltungsgericht Osnabrück - 6. Kammer - am 2. April 2009 beschlossen:

Tenor:

  1. Der Antrag wird abgelehnt.

  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

  3. Der Streitwert wird auf 7 500 € festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller betreibt in ... ein - am 08.12.2008 als Gewerbe angemeldetes - Internetcafe, in dem er u.a. Sportwetten vermittelt und dafür wirbt.

2

Mit Bescheid vom 25.02.2009 untersagte ihm der Antragsgegner gemäß § 22 Abs. 4 Satz 2 des Nds. Glücksspielgesetzes vom 17.12.2007 (Nds. GVBl. S. 756) unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10 000,- € für den Fall der Zuwiderhandlung die Vermittlung unerlaubter öffentlicher Glücksspiele sowie die Werbung hierfür.

3

Der Antragsteller hat dagegen Klage erhoben (6 A 39/09) und gleichzeitig um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Er macht - unter ausführlicher Darlegung seines Rechtsstandpunktes - geltend, dass der neue Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) und das dazu ergangene Ausführungsgesetz des Landes Niedersachsen (NGlüSpG) sowohl mit europäischem Gemeinschaftsrecht als auch mit innerstaatlichem Verfassungsrecht insbesondere mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG, unvereinbar seien, da die Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28.03.2006 (- 1 BvR 1054/06 -, NJW 2006, 1261 [BVerfG 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01]) für die Zulässigkeit eines staatlichen Sportwettenmonopols aufgestellt habe, vom Landesgesetzgeber nicht erfüllt worden seien.

4

Der Antragsteller beantragt,

  1. die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25.02.2009 anzuordnen.

5

Der Antragsgegner beantragt,

  1. den Antrag abzulehnen.

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Er ist der Auffassung, dass die seit dem 01.01.2008 geltenden Vorschriften des GlüStV und des NGlüSpG den verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an ein staatliches Wettmonopol genügten; durch diese Neuregelungen und die in diesem Zusammenhang im Land Niedersachsen eingeleiteten tatsächlichen Veränderungen werde nunmehr insgesamt eine konsistente und kohärente Glücksspielpolitik betrieben. Soweit es die in § 10 Abs. 3 GlüStV geforderte Begrenzung der Annahmestellen betreffe, habe der niedersächsische Gesetzgeber bestimmt, dass Anzahl und Einzugsgebiet der Annahmestellen an den Zielen des NGlüSpG auszurichten seien und nicht mehr Annahmestellen zugelassen werden dürften, als zur Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebotes erforderlich sei. Zur konkreten Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben in Form einer Verordnung habe er ihn (den Antragsgegner) ermächtigt; die entsprechende Verordnung sei zwischenzeitlich (am 13.12.2008) in Kraft getreten.

7

II.

Der zulässige Antrag ist nicht begründet.

8

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen Verwaltungsakt ganz oder teilweise anordnen, wenn diese - wie hier (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 9 Abs. 2 GlüStV) - kraft Gesetzes entfällt. Bei dieser Entscheidung bedarf es einer Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung einerseits und dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts andererseits, in die u.a. auch die bereits überschaubaren Erfolgsaussichten des im Hauptsacheverfahren eingelegten Rechtsbehelfs einzubeziehen sind. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt danach als offensichtlich rechtmäßig, verdient das an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung bestehende Interesse des Betroffenen grundsätzlich keinen Schutz. Demgegenüber hat das private Interesse, vorläufig vom Vollzug der Maßnahme verschont zu bleiben, Vorrang, wenn sich diese bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweist. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens weder in dem einen noch in dem anderen Sinne eindeutig, bedarf es einer Abwägung der wechselseitigen Interessen, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Gesetzgeber in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO dem öffentlichen Interesse an einer beschleunigten Umsetzung der davon erfassten Verwaltungsakte für den Regelfall den Vorrang eingeräumt hat. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Antrag keinen Erfolg.

9

Nach derzeitigem Erkenntnisstand sind die Erfolgsaussichten der vom Antragsteller im Hauptsacheverfahren erhobenen Klage als offen anzusehen. Dies gilt zum einen hinsichtlich der Frage, ob die am 13.12.2008 in Kraft getretenen Nds. Glücksspielverordnung (NGlüSpVO) vom 28.11.2008 (Nds. GVBl.S. 383) den verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG für eine konsistente und kohärente Glücksspielpolitik, insbesondere hinsichtlich der gebotenen Begrenzung der Annahmestellen, genügt. Zum anderen bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Untersagungsverfügung insofern, als möglicherweise unter gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten (Art. 43, 45 SGV) eine Gesamtbetrachtung aller unterschiedlichen Bereiche des Glücksspiels oder zumindest solcher Bereiche, die von ihrem Gefahrenpotential her vergleichbar sind, geboten ist eine solche vergleichende Betrachtung möglicherweise ergibt, dass die derzeit existierenden unterschiedlichen Regelungen für (dem staatlichen Wettmonopol unterworfene) Sportwetten bzw. Lotterien einerseits und (auch von privaten Gewerbetreibenden betriebene) Geldspielautomaten andererseits dem Kohärenzgebot widersprechen. Insoweit macht sich die Kammer die diesbezüglichen - dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers und dem Antragsgegner bekannten - Ausführungen im Beschluss des OVG Lüneburg vom 08.07.2008 (- 11 MC 71/08 -, www.dbovg.niedersachsen.de; in der Folgezeit mehrfach bestätigt, u.a. durch B. v. 07.10.2008 - 11 ME 317/08 -; B. v. 17.02.2009 - 11 ME 368/08 -; B. v. 18.02.2009 - 11 ME 370/08 - ) zu eigen.

10

Vor diesem Hintergrund bedarf es einer von den Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren losgelösten Abwägung der widerstreitenden Interessen, die hier zulasten des Antragstellers ausfällt. Dazu hat das OVG Lüneburg in seinem - dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers und dem Antragsgegner ebenfalls bekannten - Beschluss vom

11

18.02.2009 (- 11 ME 370/08 -; ähnlich bereits im Beschluss vom 08.07.2008 - 11 MC 71/08 -, aaO) u.a. Folgendes ausgeführt:

"... Zu Lasten des Antragstellers ist dabei zu berücksichtigen, dass er seine Vermittlungstätigkeit trotz des Bewusstseins aufgenommen hat, dass wegen des bestehenden staatlichen Sportwettenmonopols keine Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten für ausländische Wettveranstalter erteilt werden kann bzw. dass er sein Gewerbe zumindest während einer äußerst unklaren rechtlichen Situation begründet hat. Wenn er unter Inkaufnahme des mit dieser Betätigung verbundenen Risikos gleichwohl eine Wettannahmestelle eröffnet, kann er sich für die Fortsetzung dieser Betätigung nicht auf besonderen Vertrauensschutz berufen.

Für das öffentliche Interesse spricht der Zweck der gesetzlichen Regelungen, nämlich so weit wie möglich Suchtprävention sowie Jugend- und Spielerschutz zu gewähren. Hier bietet ein Staatsmonopol auch nach Auffassung des Senats grundsätzlich eher die Möglichkeit, Wettleidenschaft systematisch zu bekämpfen. Weiteres Ziel der gesetzlichen Bestimmungen ist der Schulz vor Manipulationen im Wettbereich, vor unzulässiger Einflussnahme auf sportliche Ergebnisse und vor damit im Zusammenhang stehender Begleitkriminalität. Auch insoweit ist ein Staatsmonopol eher geeignet, den Betrieb der Sportwetten/Lotterien in geordnete Bahnen zu lenken sowie die Risiken im Hinblick auf Betrug und andere Straftaten weitgehend auszuschalten. Für ein Überwiegen des öffentlichen Interesses spricht zudem, dass die Durchführung einer verantwortlichen Politik im Bereich des Glücksspiels voraussetzt, dass ein Mitgliedstaat diese Tätigkeit wirksam überwachen kann, weil sich unter Umständen die Notwendigkeit ergeben kann, unverzüglich handeln zu müssen. Der Staat kann erforderliche Schutzmaßnahmen aber wirksamer und schneller umsetzen als mehrere voneinander unabhängig agierende Wirtschaftsteilnehmer.

Um die Erreichung dieser Ziele wirksam zu sichern, schließt § 9 Abs. 2 GlüStV (ab 1. Januar 2008) i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO die aufschiebende Wirkung von Widersprüchen und Klagen gegen Untersagungsbescheide aus. Auch unter Berücksichtigung dieser gesetzgeberischen Wertung muss das Interesse des Antragstellers zurücktreten. ..."

12

Diesen Erwägungen schließt sich die Kammer für das vorliegende Verfahren an.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Streitwertbeschluss:

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.