Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 09.12.2008, Az.: 2 A 1457/07

Abhängigmachung der Wirksamkeit einer erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zum Betrieb einer Biogasanlage von der Einhaltung der in der Nebenbestimmung niedergelegten Kautelen; Hilfsantrag auf Verpflichtung zur Erteilung der beantragten Genehmigung ohne die Nebenbestimmung; Erfordernis einer Mehrheitsbeteiligung des Inhabers des Basisbetriebes in der Betreibergesellschaft der Biogasanlage

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
09.12.2008
Aktenzeichen
2 A 1457/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 28260
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2008:1209.2A1457.07.0A

Fundstellen

  • BauR 2009, 1270-1274
  • NJW-Spezial 2009, 109 (Kurzinformation)
  • NuR 2009, 213-217 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Immissionsschutzrechtliche Genehmigung
- Aufhebung einer Nebenbestimmung -

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 2. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 9. Dezember 2008
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Klinge,
den Richter am Verwaltungsgericht Lassalle,
den Richter Dr. Luth sowie
die ehrenamtlichen Richter F.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des gegen sie festzusetzenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich als Betreiberin einer Biogasanlage gegen Nebenbestimmungen der für die Anlage erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bzw. begehrt die Erteilung einer Genehmigung ohne diese Nebenbestimmungen.

2

Unter dem 20. Oktober 2005 erteilte das beklagte Amt aufgrund der §§ 4 und 19 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) eine Genehmigung zum Betrieb einer Biogasanlage mit einer Feuerungswärmeleistung von maximal 1,276 MW und einer elektrischen Leistung von 0,499 MW auf dem Flurstück 67/2 der Flur 2 der Gemarkung G. in der Gemeinde H.. Antragsteller im Genehmigungsverfahren und Adressat der Genehmigung vom 20. Oktober 2005 war der jetzige Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin, Herr I.. Herr I. hatte den Antrag unter dem 26. April 2005 als natürliche Person gestellt. In der beigefügten Projektbeschreibung heißt es, in der Biogasanlage seines Betriebes sollten Gülle, Mais und Roggen vergoren und das bei Vergärung entstehende Biogas dann in einem Blockheizkraftwerk auch für Stromerzeugung verwendet werden. Nach den ursprünglichen Planungen sollten Einsatzstoffe aus dem landwirtschaftlichen Betrieb des Herrn I. und einem anderen landwirtschaftlichen Betrieb zum Einsatz kommen. Genehmigt wurde schließlich die ausschließliche Beschickung der Anlage mit Material aus dem Betrieb I..

3

Das beklagte Amt erteilte die beantragte Genehmigung unter dem 20. Oktober 2005 und bestimmte unter der Überschrift "E. Bauplanungsrecht" in der Nebenbestimmung Nr. 60 Folgendes:

"Die Biogasanlage ist dauerhaft im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Schweinestall auf dem Flurstück 58/1 der Flur 2, Gemarkung G. zu betreiben. Vorraussetzung hierfür ist u.a. der Fortbestand des Pachtverhältnisses bezüglich der benachbarten Schweinemastanlage, sowie die rechtliche Personenidentität zwischen dem Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes (Stall und Flächen) sowie dem Eigentümer/Betreiber der Biogasanlage."

4

Herr I. ließ gegen diese und eine weitere Nebenbestimmung betreffend die Verpflichtung zur Abgabe einer Bankbürgschaft durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21. November 2005 Widerspruch einlegen (Beiakte E Blatt 628). Der Widerspruch gegen die Nebenbestimmung Nr. 61 (Sicherheitsleistung in Form einer unbefristeten Bürgschaft in Höhe von 100.000,00 Euro) wurde nach Erlass eines entsprechenden Widerspruchsbescheides nicht weiter verfolgt. Gegen die Nebenbestimmung Nr. 60 machte der Kläger geltend, dass aus § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB nicht geschlossen werden könnte, dass für den Betrieb einer dort privilegierten Biogasanlage eine Personenidentität zwischen dem Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes und dem der Biogasanlage bestehen müsste. Zur Stützung seiner Auffassung berief er sich auf ein von der Universität Lüneburg erstelltes entsprechendes Rechtsgutachten, das zu dem Ergebnis kommt, die in Niedersachsen geübte Praxis sei mit § 35 Absatz 1 Nr. 6 BauGB nicht vereinbar. Eine Eigentümeridentität könne nicht verlangt werden. Der entsprechende Erlass des Nds. Ministeriums für den ländlichen Raum, der die niedersächsischen Behörden zu der auch hier geübten Verwaltungspraxis anhalte, sei durch die Rechtslage nicht gedeckt.

5

Mit Schreiben vom 31. August 2006 teilte die Klägerin dem beklagten Amt mit, dass sie nunmehr Betreiberin der Anlage sei. In der Begründung heißt es, ein Wechsel des Betreibers sei zur Verhinderung der steuerrechtlich "gewerblichen" Einstufung der gesamten landwirtschaftlichen Hofstelle notwendig und werde daher hiermit angezeigt. Der vorherige Betreiber und jetzige Geschäftsführer der Klägerin wird weiterhin als Ansprechpartner genannt.

6

Mit Bescheid vom 10. Oktober 2007 änderte das beklagte Amt die Nebenbestimmung Nr. 60 des Genehmigungsbescheides vom 20. Oktober 2005 wie folgt:

"Die Biogasanlage ist dauerhaft im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Schweinemaststall auf dem Flurstück 58/1 der Flur 2 von G. zu betreiben. Diese Zuordnung liegt dann vor, wenn

- der Betreiber der Biomasseanlage identisch ist mit dem Inhaber des Basisbetriebes (Stall sowie landwirtschaftliche Flächen) oder
- sich die Biomasseanlage im Eigentum einer Betreibergesellschaft befindet unter der Voraussetzung, dass diese dauerhaft überwiegendbesteht aus dem Inhaber des Basisbetriebes sowie aus Gesellschaftern, bei denen die Voraussetzungen im Sinne des § 35 Absatz 1 Nr. 6 Buchstabe b BauGB (nahe gelegene Betriebe nach § 35 Abs. 1 Nr. 1, 2 (d.h. land- oder forstwirtschaftlicher oder Gartenbau-Betrieb) oder Nr. 4 BauGB (gewerblich Tier haltender Betrieb)) vorliegen.

Der Inhaber des Basisbetriebes muss maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft haben, so dass gegen seinen Willen keine Beschlüsse, die die Führung der Geschäfte der Gesellschaft betreffen, gefasst werden können. Dies muss nachvollziehbar (z.B. durch einen im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Zustimmungsvorbehalt des Inhabers des Basisbetriebes für Beschlüsse der Gesellschaft) dokumentiert und auf Dauer gewährleistet sein und

- der Inhaber des Basisbetriebes, soweit dieser nicht Eigentümer ist, über einen langfristigen Pachtvertrag (Laufzeit mindestens 20 Jahre, gültig ab dem Inbetriebnahmezeitpunkt der Biogasanlage) bezüglich des Schweinemaststalls verfügt.

Sowohl der land- oder forstwirtschaftliche sowie gartenbauliche oder Tier haltende Betrieb als auch die Biomasseanlage kann in den nach den Gesellschaftsrecht möglichen Rechtsformen (z.B. GbR, GmbH) betrieben werden.

Die Genehmigung wird unter der Bedingung erteilt, dass der Nachweis über die Privilegierungseigenschaft der Betreiberin spätestens vier Wochen nach Bestandskraft des Bescheides erbracht werden wird." (Hervorhebungen im Original)

7

Im Übrigen wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Die Biomassenanlage sei nur dann als im Außenbereich privilegiert einzustufen, wenn diese der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebes nach Nr. 1, 2 oder eines Betriebes nach Nr. 4 des § 35 Abs. 1 BauGB, der Tierhaltung betreibt sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz diene. Der Gesetzeswortlaut zeige ganz offensichtlich, dass nicht jede Biogasanlage die Privilegierung für sich beanspruchen könne, sondern eine Reihe von Voraussetzungen ergänzend zu den allgemeinen Voraussetzungen des BauGB vorliegen müssten. Die Biogasanlage sei nur dann privilegiert, wenn sie im Rahmen eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder gartenbaulichen oder nicht landwirtschaftlichen, gewerblich tierhaltenden Betriebes betrieben werde. "Im Rahmen eines solchen Betriebes" bedeute hierbei, dass eine klare Zuordnung der Biogasanlage vor allem im Betrieb gegeben sein müsse. Auf eine Eigentümeridentität komme es allerdings nicht an. Es genüge, dass der Inhaber des Basisbetriebes maßgeblichen Einfluss auf den Betrieb habe. Herr I. habe hauptberuflich zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung einen landwirtschaftlichen Betrieb mit 208 ha landwirtschaftlicher Fläche betrieben. Das Betriebseinkommen werde daher mit Ackerbau und Schweinemast erwirtschaftet (864 Mastplätze). An diesen landwirtschaftlichen Betrieb solle nunmehr eine Biogasanlage mit einer elektrischen Wärmeleistung von 0,499 MW angekoppelt werden. Der räumlich funktionale Zusammenhang der Biogasanlage mit dem vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieb Brinker werde dadurch hergestellt, dass der Schweinemaststall räumlich in einem Abstand von mindestens 50 m betrieben werde und funktional von diesem mit Schweinegülle als Einsatzstoff versorgt werde. Außerdem werde der Stall mit Wärme durch die Biogasanlage versorgt. Der Maststall mitsamt der umgebenden Fläche bilde den landwirtschaftlichen "Basisbetrieb", in dessen Rahmen die Biogasanlage betrieben werden solle. Als Besonderheit bleibe festzuhalten, dass der landwirtschaftliche Betrieb des Herrn I. weitgehend auf Pachtbasis beruhe. Aufgrund der Vorlage von Pachtverträgen mit entsprechend langer Laufzeit und aufgrund der Größe und des Einkommenspotentials des Betriebes sei laut gutachterlicher Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Niedersachsen im vorliegenden Einzelfall eine geforderte Dauerhaftigkeit des Betriebes anzunehmen. Dieser Aussage könnten sich der Landkreis Rotenburg als Bauaufsichtsbehörde sowie das beklagte Amt anschließen. Allerdings werde es für erforderlich gehalten, zur dauerhaften Sicherstellung der bauplanungsrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen ergänzende Nebenbestimmungen in den Genehmigungsbescheid aufzunehmen. Hierzu zähle auch die Nebenbestimmung Nr. 60 des Bescheides. Inzwischen sei die Betreiberfunktion von dem Landwirt J. auf die im Betreff genannte Betreibergesellschaft übergegangen. Diese führe auch das Widerspruchsverfahren weiter. Insoweit ändere sich die Sachlage, als die Voraussetzung der umstrittenen Zustimmung eventuell nicht vorliege. Für diesen Fall beinhalte der Widerspruchsbescheid keine Genehmigung eines rechtswidrigen Zustandes. Vielmehr sei sicherzustellen, dass die Voraussetzungen auch von dem neuen Erwerber bzw. Betreiber erfüllt würden. Insoweit sei der Bescheid noch nicht bestandskräftig, und es gelte im Widerspruchsverfahren nicht das Verschlechterungsverbot, so dass zur Sicherstellung der Genehmigungsvoraussetzungen noch eine auflösende Bedingung zur Gewährleistung der bauplanungsrechtlichen Rechtsmäßigkeitsbedingungen aufgenommen werden konnte. Dem Widerspruch könne insoweit gefolgt werden, als dass eine stringente, in identischer Rechtsform gefasste Personenidentität zwischen dem Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes einerseits und dem Betreiber der Biogasanlage andererseits in der geänderten Fassung der Nebenbestimmung Nr. 60 jetzt nicht mehr gefordert werde. Dies beruhe auf einer Neubewertung der Rechtslage und eröffne gewisse Spielräume für den landwirtschaftlichen Betrieb und die Biogasanlage (z.B. steuer-/haftungsrechtlich). Berücksichtige man die oben gemachten Aussagen zur erforderlichen Zuordnung einer Biogasanlage zu einem landwirtschaftlichen Betrieb, so könne die erfolgte Lockerung allerdings nur in einem engen Rahmen erfolgen. Möglich sei es nunmehr, dass die Betreibergesellschaft der Biogasanlage eine andere Rechtsform als der landwirtschaftliche Betrieb aufweise und auch andere landwirtschaftlich geprägte Gesellschafter, die nachwachsende Rohstoffe der Biogasanlage zulieferten, in gewissen Grenzen Eigentumsanteile erwerben könnten. Nicht ermöglicht werden solle es landwirtschaftsfernen oder landwirtschaftsfremden Geldgebern, maßgeblichen Einfluss auf den Biogas- und Landwirtschaftsbetrieb zu gewinnen, weil das entgegen der derzeitigen, bewusst eng gefassten Gesetzeslage zu einer sog. wesensfremden, nicht gewollten Tätigkeit im Außenbereich führen würde.

8

Der Widerspruchsbescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 18. Oktober 2007 zugestellt.

9

Mit der am 2. November 2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hält die Nebenbestimmung Nr. 60 der Genehmigung vom 20. Oktober 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2007 für eine selbständig anfechtbare Nebenbestimmung, die zudem rechtswidrig sei. Unter Berufung auf das bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegte Rechtsgutachten der Universität Lüneburg vertieft sie ihre Auffassung, dass für die angefochtene Nebenbestimmung eine Rechtsgrundlage nicht bestehe. Eine solche sei auch nicht § 35 Absatz 1 Nr. 6 BauGB zu entnehmen. Die Vorgehensweise des Beklagten bzw. der niedersächsischen Behörden sei zu restriktiv und im Ergebnis rechtswidrig.

10

Die Klägerin beantragt,

die Nebenbestimmung Nr. 60 der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 20. Oktober 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 10. Oktober 2007 aufzuheben,

11

hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin eine immissionsschutzrechtliche Errichtungs- und Betriebsgenehmigung gleichen Inhalts, ohne die zuvor genannte Nebenbestimmung zu erteilen,

12

weiter hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin eine immissionsschutzrechtliche Errichtungs- und Betriebsgenehmigung gleichen Inhalts mit der Mindestbestimmung zu erteilen, dass der maßgebliche Einfluss des Landwirts durch gesellschaftsvertragliche Regelung dergestalt sichergestellt wird, dass Entscheidungen der Gesellschaft nicht ohne und nicht gegen seinen Willen getroffen werden können.

13

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

14

Die Rechtsgrundlage für die Aufnahme der Nebenbestimmung ergebe sich aus § 12 Abs. 1 BImSchG. Demnach seien Bedingungen und Auflagen zulässig, wenn sie dazu dienen sollten, die Genehmigungsvoraussetzungen festzulegen. Die Genehmigungsvoraussetzungen ergäben sich aus den in § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG genannten Vorschriften. Hierzu erzählten die immissionsschutz- und arbeitsschutzrechtlichen Regelungen, aber auch andere öffentlich-rechtliche Vorschriften. Sicherzustellen sei im Genehmigungsverfahren u.a., dass die bauplanungsrechtlichen Maßgaben des Baugesetzbuches erfüllt würden. Es handele sich hierbei um eine andere öffentlich-rechtliche Vorschrift. Nur wenn die in § 35 BauGB genannten Maßgaben zur Ansiedelung einer Biogasanlage im Außenbereich erfüllt würden, könne für das Vorhaben eine Baugenehmigung ausgesprochen werden, die dann wiederum gemäß § 13 BImSchG in die immissionsschutzrechtliche Genehmigung integriert werde. Eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz wäre mithin zu versagen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Baugenehmigung nicht vorliegen würden. Im vorliegenden Fall habe der seinerzeitige Antragsteller, Herr I., das erforderliche Vorhandensein eines landwirtschaftlichen Basisbetriebes, an dem die Biogasanlage als sog. privilegiertes Vorhaben angekoppelt werden sollte, lediglich durch einen langfristigen Pachtvertrag nachgewiesen. Um die Erfüllung der bauplanungsrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen nach Errichtung und Inbetriebnahme der Anlage auch weiterhin sicherzustellen, sei es erforderlich und verhältnismäßig, die Nebenbestimmung selbst im Genehmigungsbescheid aufzunehmen. Sie stelle erkennbar keine besondere Erschwernis für den Betreiber der Anlage dar.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat mit ihrem Hauptantrag (I.) sowie mit den Hilfsanträgen (II. und III.) keinen Erfolg.

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I.

Die mit dem Hauptantrag verfolgte Teilanfechtung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 20. Oktober 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2007 ist bereits unzulässig.

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Die Nebenbestimmung Nr. 60 ist als aufschiebende (Potestativ-) Bedingung im Sinne von § 36 Abs. 2 Nr. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) anzusehen, denn sie macht die Wirksamkeit der erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung von der Einhaltung der in der Nebenbestimmung niedergelegten Kautelen abhängig. Als solche ist sie nicht selbständig anfechtbar, weil ohne die Nebenbestimmung Nr. 60 die erteilte Genehmigung nicht erteilt worden wäre.

19

Rechtsgrundlage für die hier erteilte Genehmigung vom 20. Oktober 2005 ist § 4 i.V.m. § 19 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) i.V.m. der Nr. 1.4, Spalte 2, Buchstabe d) aa) des Anhanges der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen - 4. BImSchV -. Diese Genehmigung schließt gemäß der in § 13 BImSchG niedergelegten Konzentrationswirkung die nach Nds. Bauordnungsrecht für die Anlage ansonsten erforderliche Baugenehmigung ein. Nach § 75 Nds. Bauordnung (NBauO), der für den baurechtlichen Teil des Verfahrens hier maßgeblich ist, ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn das Vorhaben mit den Vorschriften des öffentlichen Rechts vereinbar ist. Hierzu gehören nach § 2 Abs. 10 NBauO insbesondere auch die Vorschriften des Bauplanungsrechts. In dem anhängig gemachten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren war daher unter Beteiligung der Bauaufsichtsbehörde zu prüfen, ob das geplante Vorhaben mit den planungsrechtlichen Vorschriften, insbesondere mit § 35 Abs. 1 Nr. 6 Baugesetzbuch (BauGB) vereinbar ist und die Privilegierungsvoraussetzungen vorliegen. Die Auslegung der Nebenbestimmung Nr. 60 in der Fassung, die sie durch den Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2007 erhalten hat und in der sie gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO Gegenstand der hier erhobenen Anfechtungsklage geworden ist, ergibt, dass diese die Einhaltung der bauplanungsrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen, namentlich die Voraussetzungen für eine Zulassung des Vorhabens im bauplanungsrechtlichen Außenbereich, sicherstellen soll. Dies ergibt sich aus ihrem Wortlaut, der zum Teil den Gesetzeswortlaut des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB wiedergibt, sowie aus der in der Nebenbestimmung erfolgten ausdrücklichen Nennung dieser Vorschrift. Ohne Weiteres lässt sich auch entnehmen, dass die bauplanungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens von der Einhaltung der in der Nebenbestimmung Nr. 60 niedergelegten Kautelen für die Zuordnung der beantragten Biogasanlage zum landwirtschaftlichen Betrieb I. abhängig gemacht werden soll. Mit anderen Worten: Die Beklagte macht deutlich, dass ohne eine entsprechende Zuordnung der Biogasanlage die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen als nicht vorliegend angesehen werden können und die immissionsschutzrechtliche Genehmigung keine Gültigkeit erlangt, weil sie dann entgegen § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG gegen andere öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen würde. Die erteilte Genehmigung soll mit der Erfüllung dieser Voraussetzungen stehen und fallen, was ihre separate Anfechtung ausschließt (vgl. BVerwGE 29, 261 ff.; Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, Loseblatt, Stand März 2008, § 42 Rdnr. 122 ff. mit weiteren Nachweisen).

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II.

Der Hilfsantrag auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der beantragten Genehmigung ohne die Nebenbestimmung Nr. 60 bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

21

Die Klägerin, die nachträglich in die Rolle des Betreibers der Biogasanlage eingerückt ist, kann nicht die Erteilung einer Genehmigung ohne diese Nebenbestimmung beanspruchen. Diese Nebenbestimmung in der Fassung des Widerspruchsbescheides soll sicherstellen, dass die Anlage auch "im Rahmen des Betriebes" des Herrn Brinker gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB betrieben wird, und die gesetzlichen Privilegierungsvoraussetzungen erfüllt. Der Beklagte darf die Wirksamkeit der Genehmigung von der Erfüllung der in der Nebenbestimmung niedergelegten Bedingungen abhängig machen, weil dem Vorhaben sonst die nach dem Gesetz verlangte Zuordnung zu dem landwirtschaftlichen Basisbetrieb I. fehlen würde.

22

Die Klägerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, für die Beifügung dieser Nebenbestimmung fehle es bereits an einer Ermächtigungsgrundlage und sie sei deswegen unter Verstoß gegen den Grundsatz des Vorhalts des Gesetzes ergangen. Der Beklagte stützt die beigefügte Bedingung zu Recht auf § 12 Absatz 1 Satz 1 BImSchG, wonach die Genehmigung unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden kann, soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 6 genannten Voraussetzungen sicherzustellen. Wie bereits oben dargelegt, gehört zu den Voraussetzungen, die für die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erforderlich sind, auch die Einhaltung der bauplanungsrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen, zumal die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gemäß § 13 BImSchG die andernfalls zu erteilende Baugenehmigung mit einschließt (Konzentrationswirkung). Es ist auch kein Rechtssatz erkennbar, der es der Beklagten verböte, auf diese Ermächtigungsgrundlage zurückzugreifen, denn in diesem Verfahren entscheidet sie abschließend über das Vorliegen sämtlicher Tatbestandsmerkmale der von ihr zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften und ist für deren Einhaltung auch verantwortlich. Dem steht nicht entgegen, dass das Verfahren unter Beteiligung der Bauaufsichtsbehörde betrieben wurde und diese zur Problematik der Privilegierung der Anlage entsprechende Stellungnahmen und auch Ratschläge gerade in Bezug auf die Formulierung der hier angegriffenen Nebenbestimmung Nr. 60 abgegeben hat. Dies ändert nichts daran, dass das Ergebnis des Verfahrens eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist, die nach den Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes zu erteilen waren. Hierzu zählt auch § 12 Abs. 1 BImSchG.

23

Der Auffassung der Klägerin, der Anwendungsbereich der Ermächtigungsgrundlage des § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG sei auf die von der Beklagten im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu beantwortenden spezifischen immissionsschutzrechtlichen Fragen beschränkt, kann schon wegen des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift nicht gefolgt werden. Dass das Bundes-Immissionsschutzgesetz hier eine ausdrückliche Ermächtigung enthält, diese in dem (Bundes-) Bauplanungsrecht und (Landes-) Bauordnungsrecht dagegen fehlt, steht dem nicht entgegen. § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG wiederholt für das Immissionsschutzrecht lediglich einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der bereits in § 36 Abs. 1 VwVfG, welcher wiederum gemäß § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG auch für den Beklagten verbindlich ist, niedergelegt worden ist. § 36 Abs. 1 VwVfG bestimmt, dass ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden darf, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Die zweite Alternative dieser Vorschrift und § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG sind in ihrem Regelungsgehalt somit deckungsgleich. Einer besonderen Ermächtigungsgrundlage, wie von der Klägerin gefordert, bedurfte es daher weder für die hier zu regelnden Fragen des Bauordnungs- noch des Bauplanungsrechts.

24

Die Nebenbestimmung Nr. 60 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2007 ist auch nicht rechtswidrig; sie legt rechtlich einwandfrei die Bedingungen fest, die zur Erfüllung der bauplanungsrechtlichen Privilegierungsvoraussetzungen vorliegen müssen.

25

Die Klägerin hat sich bei ihrem Vorbringen im Wesentlichen auf die Ausführungen in dem in ihrem Auftrage erteilten Gutachten der Universität Lüneburg mit dem Titel "Die bauplanungsrechtliche Zulassung des Betriebs von Biogasanlagen im Außenbereich" vom Januar 2006 ( im Folgenden: Gutachten) gestützt und auch weitere Literaturstellen, deren Verfasser allerdings zum Teil identisch sind mit den Verfassern des Gutachtens, herangezogen. Der dort vertretenen Auffassung vermag die Kammer indes nicht zu folgen, denn das Gutachten verkennt bei seiner Gesetzesauslegung den maßgeblichen Regelungszusammenhang, in dem sich § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB befindet.

26

§ 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB hat seine jetzige Fassung durch das Gesetz vom 27. Juni 2004 - Europarechtsanpassungsgesetz Bau - EAG - (BGBl. I 2004, 1359) erhalten. Bis dahin konnten Biogasanlagen lediglich dann im Außenbereich genehmigt werden, wenn sie von landwirtschaftlichen Betrieben i.S.v. § 35 Abs. 1 S. 1 BauGB "mitgezogen" wurden. Vor dem Hintergrund des Strukturwandels in der Landwirtschaft und dem Ziel der Förderung regenerativer Energieträger wurde daher, wie das Gutachten - Seite 6 - zutreffend darlegt, der Bedarf erkannt, im BauGB eine ausdrückliche Privilegierung für Biogasanlagen zu schaffen. Wie sich bereits aus der Verwendung des Begriffs Privilegierung ergibt und durch die Stellung der Vorschrift im Regelungsgefüge des Baugesetzbuches bestätigt wird, ging es dem Gesetzgeber aber offensichtlich nicht darum, Biogasanlagen, die mit landwirtschaftlichen Produkten oder Abfallprodukten betrieben werden, generell im Außenbereich zuzulassen. Zunächst ist festzustellen, dass § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB eine Ausnahme (Privilegierung) von dem in § 35 BauGB zugrunde liegenden Grundsatz darstellt, wonach eine Bebauung im Außenbereich grundsätzlich unzulässig ist. Von diesem GrundSatz 1ässt die Vorschrift dann Ausnahmen zu, die bei dem Vorhaben nach Absatz 1 erleichtert, bei Vorhaben nach Absatz 2 nur unter erschwerten Bedingungen genehmigt werden können. Als Ausnahmevorschrift ist die Vorschrift daher grundsätzlich eng am Maßstab des Grundsatzes auszulegen. Die Vorschrift ist eine abschließende Regelung der nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB zu beurteilenden Vorhaben zur energetischen Nutzung von Biomasse (Ernst-Zinkahn-Bielenberg, Loseblatt, Stand Juli 2006, § 35, Rdnr. 59). Sie bestimmt, dass eine Privilegierung, d.h. eine ausnahmsweise Zulassung eines solchen Vorhabens im Außenbereich nur dann erfolgen kann, wenn diese "im Rahmen eines Betriebes nach Nr. 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nr. 4, der Tierhaltung" betrieben wird und wenn darüber hinaus die weiteren unter Buchstaben a) bis d) genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

27

Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt der Teil des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB vor dem Doppelpunkt nicht lediglich eine "Überleitungsvorschrift" zu den Voraussetzungen der Buchstaben a) bis d) dar. Vielmehr werden hier die Grundvoraussetzungen formuliert, denen neben den Buchstaben a) bis d) eine eigenständige Bedeutung zukommt. Es ist dem Gutachten und der Klägerin zuzugestehen, dass die hier geforderte Zuordnung einer beantragten Biogasanlage zu einem landwirtschaftlichen Betrieb der Regelung des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, wonach ein Vorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb "dienen" muss nachgebildet ist. Zu beachten ist allerdings, dass der Gesetzgeber nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift bei § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB eben nicht allein darauf abgestellt wissen will, dass das Vorhaben dem landwirtschaftlichen Betrieb "dient". Andernfalls hätte er diese Formulierung wählen können oder die zu privilegierenden Biogasanlagen unter die Nr. 1 fassen können. Der dann gezogene Schluss, ebenso wie bei § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB komme es auch im Rahmen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB für die Frage der Privilegierung nicht darauf an, wer Eigentümer des Grundstücks sei und wem die Anlage gehöre, greift für die hier zu entscheidende Fragestellung zu kurz. Richtig ist, dass eine Privilegierung nicht allein wegen des Auseinanderfallens der Eigentümerpositionen ausgeschlossen ist. Dies wird auch von dem Beklagten nicht (mehr) vertreten. Es müssen dann jedoch weitere Kriterien erfüllt sein, um gleichwohl eine Privilegierung "im Rahmen des Betriebs" annehmen zu können.

28

Die Analyse der in dem Gutachten zitierten Entscheidung des BVerwG vom 14. April 1978 (- 4 C 85.75 -; BRS 33, Nr. 59) führt nicht zu dem von der Klägerin favorisierten Ergebnis. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat nicht ausgeführt, die Frage der Eigentümeridentität sei ohne Belang. Es heißt dort lediglich, diesen Umständen komme keine entscheidende Bedeutung zu. Das BVerwG stellt dann bei seinen weiteren Ausführungen auch maßgeblich darauf ab, ob das Vorhaben durch den Betrieb "geprägt" und diesem "zugeordnet" ist. Diese Voraussetzungen können entweder durch Eigentümeridentität oder durch andere Umstände erfüllt werden. In dem dort entschiedenen Fall kam das Gericht dann zu dem Ergebnis, dass die fehlende Eigentümeridentität durch andere Zuordnungskriterien nicht ausgeglichen wurde. Das Gericht hat deshalb die Privilegierung für einen Silo verneint, der von einer gewerblichen Betreiberin auf dem Grundstück eines Landwirts errichtet und betrieben werden sollte und für den dem Landwirt nur zeitlich begrenzte Nutzungsrechte eingeräumt worden waren. Damit sei das Vorhaben nicht durch den landwirtschaftlichen Betrieb geprägt, d.h. ihm gewidmet. In dem Leitsatz Nr. 1 zu der Entscheidung heißt es deshalb, dass die Privilegierungsvoraussetzungen ausnahmsweise auch von einem Vorhaben erfüllt werden können, das nicht von dem Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes errichtet wurde und nicht in seinem Eigentum steht (Hervorhebung durch die Kammer). Es wäre daher bereits fraglich, ob die Klägerin die beantragte "unbedingte" Genehmigung beanspruchen könnte, wenn man die für den Begriff des "Dienens" nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB aufgestellten Kriterien der Prägung und Zuordnung, wie die Klägerin meint, einfach auf die Nr. 6 der Vorschrift übertrüge. Auch dann könnte angesichts der Tatsache, dass Herr I. nur noch Angestellter der Betreibergesellschaft ist, von einer Prägung des Vorhabens durch den Betrieb I. nicht mehr ohne weiteres gesprochen werden. Eine solche Anlage würde nicht mehr einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB "dienen" (vgl. BVerwG, Urt. v. 14. April 1978 - 4 C 85.75 - a.a.O.).

29

In dem vorliegenden Fall wird von dem Beklagten nicht (mehr) bestritten, dass die Biogasanlage grundsätzlich auch von einem Dritten, nämlich einer vom Inhaber des Basisbetriebes zu unterscheidenden juristischen Person, errichtet und betrieben werden darf. Auch muss die Anlage nicht im Eigentum des Eigentümers des Basisbetriebes stehen. Eigentümer darf die juristische Person sein. Das wird durch die Nebenbestimmung Nr. 60 klargestellt. Gleichwohl kann es für die Beantwortung der Frage, ob die Biogasanlage "im Rahmen" eines landwirtschaftlichen Betriebes unterhalten wird und diese damit im Außenbereich privilegiert ist, nicht allein auf das Vorliegen vertraglicher Lieferbeziehungen zwischen Basisbetrieb und Biogasanlage ankommen. Das ergibt sich auch aus den folgenden Überlegungen:

30

Der Gesetzgeber hat unter § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB angeordnet, dass die Nutzung von Biomasse zur Erzeugung elektrischer Energie nur im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs und bei Vorliegen der unter den Buchstaben a) bis d) zusätzlich genannten Voraussetzungen privilegiert zulässig ist. Hierdurch wird die Vorschrift präzisiert und von dem Begriff des "Dienens" auch deutlich unterschieden. Er hat die Biomasseanlagen nicht einfach als Erweiterung an § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB angefügt, sondern in der Nr. 6 eine gegenüber der Nr. 1 völlig andere Wortwahl getroffen, so dass davon ausgegangen werden muss, dass der Vorschrift auch ein anderer Inhalt gegeben werden sollte. Da die Erzeugung elektrischer Energie selbst offensichtlich nicht Landwirtschaft, sondern gewerbliche Tätigkeit ist, die von jedem ausgeübt werden kann, muss durch besondere Zuordnungskriterien sichergestellt werden, dass der landwirtschaftliche Charakter des Gesamtunternehmens erhalten bleibt. Der Gesetzgeber wollte nicht die Erzeugung von elektrischer Energie aus Biomasse mit landwirtschaftlichen Zulieferbetrieben im Außenbereich privilegieren, sondern er wollte die Stromerzeugung durch Landwirte oder landwirtschaftliche Betriebe unter Nutzung der dort anfallenden Biomasse erleichtern. Die Formulierung, wonach die energetische Nutzung von Biomasse "im Rahmen eines Betriebs nach Nr. 1 oder 2 ... " betrieben werden muss, geht über ein "Dienen" hinaus. Die Formulierung bedeutet, dass der Gesetzgeber die privilegierte Zulassung von Biomasseanlagen im Außenbereich davon abhängig machen wollte, dass diese Teil eines landwirtschaftlichen Gesamtbetriebes sind. Verstärkt wird dieses Verständnis durch unter den Buchstaben a) und b) niedergelegten Voraussetzungen, wonach das Vorhaben zusätzlich in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb stehen und die Biomasse überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4 stammen muss. Die Genehmigungsfähigkeit einer privilegierten Anlage steht und fällt mit dieser Einordnung der Stromerzeugung in ein landwirtschaftliches Gesamtunternehmen, während die übrigen Biomasseanlagen den üblichen planungsrechtlichen Voraussetzungen nach Raumordnungsrecht und Bauplanungsrecht und ggfs. § 35 Abs. 2 BauGB weiterhin unterliegen sollen.

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Nur vor dem Hintergrund, dass die Nutzung der Biomasse der einem Strukturwandel unterliegenden Landwirtschaft neue Ertragsmöglichkeiten eröffnen und die Erträge überwiegend in der Landwirtschaft verbleiben sollen, lässt der Gesetzgeber das Ziel der Freihaltung des Außenbereichs auch ohne ein ansonsten erforderliches Bauleitplanverfahren mit umfassender Abwägung der widerstreitenden Belange ausnahmsweise zurücktreten. Hiernach kann es nicht ausreichen, eine die Privilegierung auslösende Zuordnung der Anlage zu dem Basisbetrieb bereits dann zu bejahen, wenn hinsichtlich der Nutzung des Grundstücks, der Belieferung mit Einsatzstoffen und der Abnahme der Endprodukte vertragliche Beziehungen zwischen dem Basisbetrieb und der Biogasanlage bestehen. Solche vertraglichen Beziehungen könnte der Landwirt auch mit jeder anderen gewerblich betriebenen Biogasanlage eingehen. Die Argumentation der Klägerin würde die Privilegierungsvorschrift vollständig aushöhlen.

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Ein bloßes, auf vertraglicher Grundlage beruhendes geschäftliches Verhältnis zwischen landwirtschaftlichem Betrieb als Lieferant und ggfs. Verpächter des Baugrundstücks auf der einen und der Biogasanlage auf der anderen Seite reicht nicht aus. Wenn der landwirtschaftliche Betrieb den "Rahmen" vorgibt, bedeutet dies, dass die Biogasanlage sich in diesen Rahmen einfügen muss. Sie ist nicht selbst Hauptsache, sondern innerhalb des Rahmens des landwirtschaftlichen Betriebs einer der Betriebsteile.

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Den inzwischen insoweit einigen Beteiligten ist zuzugestehen, dass gleichwohl eine Identität der Eigentümer von landwirtschaftlichem Basisbetrieb und Biogasanlage nicht verlangt werden kann. Angesichts des Strukturwandels in der Landwirtschaft, der auch in diesem Bereich zwischenzeitlich unterschiedliche Betriebsformen unter Ausnutzung der gesellschaftsrechtlichen Nomenklatur hervorgebracht hat, wäre es zu kurz gegriffen, würden gesellschaftsrechtliche Formen Betriebsformen für die Biogasanlage neben dem landwirtschaftlichen Betrieb nicht zugelassen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die hier genehmigte Biogasanlage im Eigentum einer GmbH & Co. KG steht, die als juristische Person nicht identisch ist mit dem Eigentümer des landwirtschaftlichen Betriebes A.. Andererseits würde der Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebes, in dem die Biogasanlage betrieben werden soll, verlassen, hätte der Inhaber des Basisbetriebes nicht mindestens maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft. Dieser maßgebliche Einfluss kann dauerhaft nur dadurch sichergestellt werden, dass er auch mindestens die Mehrheit der Anteile der Betreibergesellschaft hält. Das von dem Beklagten zur Durchsetzung des Privilegierungserfordernisses in die Nebenbestimmung aufgenommene Erfordernis einer Mehrheitsbeteiligung des Inhabers des Basisbetriebes in der Betreibergesellschaft der Biogasanlage ist daher nicht zu beanstanden. Dem Beklagten ist zuzustimmen, dass die eindeutige Einordnung der Biomasseanlage in den Rahmen des landwirtschaftlichen Basisbetriebes und damit ihre Privilegierung letztlich nur dann sichergestellt ist, wenn der den Basisbetrieb führende privilegierte Landwirt Mehrheitsgesellschafter der Betreiberin der Biogasanlage ist.

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Die Kammer sieht überdies eine Gefahr in der Zulassung sämtlicher Gesellschaftsformen auch für den Basisbetrieb ohne mindestens gleichzeitige beherrschende Position des Einzellandwirts in dieser Betreibergesellschaft. Andernfalls wäre es denkbar, dass die Privilegierungsvoraussetzungen für die Biogasanlage dadurch unterlaufen würden, dass entweder die nicht landwirtschaftlichen Eigentümer der Biogasanlage eine Mehrheitsbeteiligung an dem Basisbetrieb erlangen oder sich sogar die Betreibergesellschaft der Biogasanlage selbst an dem Basisbetrieb beteiligt. Die Kammer hat deshalb äußerste Bedenken, ob die Zulassung sämtlicher gesellschaftsrechtlicher Formen, sowohl auf Seiten der Biogasanlage als auch auf Seiten des Basisbetriebes noch mit der gesetzlichen Intention der Förderung der Landwirtschaft zu vereinbaren ist. Die "Freigabe" sämtlicher gesellschaftsrechtlicher Modelle ermöglicht Über-Kreuz-Beteiligungen, womit das "Rahmenerfordernis", das oben dargestellt wurde, unterlaufen werden könnte.

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Bedenken bestehen ferner gegen die konkrete Formulierung der Nebenbestimmung Nr. 60. nach seiner ausdrücklichen Erklärung in der mündlichen Verhandlung will der Beklagte die neu gefasste Nebenbestimmung Nr. 60 - 2. Spiegelstrich - dahingehend verstanden wissen, dass der Inhaber des Basisbetriebes immer den überwiegenden Anteil an der Betreibergesellschaft halten muss, und zwar auch dann, wenn neben ihm andere nach Nr. 1, 2 und 4 des § 35 Abs. 1 BauGB Privilegierte an dem Vorhaben beteiligt sind. Die Kammer hat Zweifel, ob die gewählte Formulierung diese Auslegung eindeutig hergibt, weil die grammatikalische Zuordnung des Wortes "überwiegend" unterschiedlich erfolgen kann. Denkbar erscheint auch eine Auslegung, wonach lediglich der "Landwirtschaftsanteil" innerhalb der Betreibergesellschaft überwiegen muss, d.h. der Inhaber des Basisbetriebes und der kooperierenden Betriebe lediglich zusammen über mehr als die Hälfte der Anteile verfügen müssen. Danach wäre weder eine Mindestbeteiligung noch eine gesellschaftsrechtliche Sperrminorität des Inhabers des Basisbetriebes erforderlich Eine solche Regelung reicht allerdings nicht aus, um sicherzustellen, dass die Biogasanlage noch "im Rahmen des Basisbetriebes" betrieben wird. Bedenken gegen diese Auslegung bestehen im Hinblick auf die Regelung des § 35 Abs. 1 Nr. 6 Buchstabe b) 2. Alternative BauGB, wonach die Biomasse nur insgesamt überwiegend aus den beteiligten Betrieben stammen muss. Danach müsste der räumlich-funktionale Zusammenhang nicht mehr zwangsläufig mit dem Betrieb bestehen, der das größte Biomasseaufkommen hat.

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Die Bedenken führen jedoch nicht zum Erfolg der hier erhobenen Klage auf eine Genehmigung ohne eine Nebenbestimmung wie die Nr. 60, weil die Klägerin durch die hier maßgebliche Regelung, die möglicherweise hinter dem gesetzlichen Erfordernis der Sicherung der Privilegierungsvoraussetzungen zurückbleibt, jedenfalls nicht rechtswidrig belastet wird.

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Als kumulative Voraussetzung für die Annahme einer planungsrechtlichen Privilegierung bestimmt Nebenbestimmung Nr. 60, dass der Inhaber des Basisbetriebes maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft dergestalt haben muss, dass gegen seinen Willen keine Beschlüsse, die die Führung betreffen, gefasst werden können, und dies auch durch entsprechende Regelungen im Gesellschaftervertrag abgesichert sein muss. Diese Bestimmung begegnet im Hinblick auf die oben dargelegten Zielsetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB zur Sicherstellung der Zuordnung der Biogasanlage zu einem landwirtschaftlichem Betrieb in dessen "Rahmen" sie betrieben wird, keinen Bedenken.

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III.

Auch der weitere Hilfsantrag der Klägerin hat keinen Erfolg.

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Sie hat bereits keinen Anspruch auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, wenn nicht sichergestellt ist, dass der Inhaber des Basisbetriebes nicht zugleich Mehrheitsgesellschafter der Betreibergesellschaft der Biogasanlage ist. Nur dann sind die gesetzlichen Mindesterfordernisse einer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB erfüllt. Ein bloßes gesellschaftsvertraglich gesichertes Zustimmungserfordernis bei Beschlüssen der Gesellschaft reicht nicht aus, zumal dieses erst recht durch das oben erörterte Problem von gegenseitigen Beteiligungen oder Mehrheitsbeteiligungen nicht im Außenbereich privilegierter Dritter am Basisbetrieb zu einer Leerformel werden könnte.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 1 i.V.m. § 24 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO) liegen nicht vor.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 26.618,75Euro festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. mit dem Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit (http//:www.bverwg.de). Für den Hauptantrag geht die Kammer mangels aussagekräftiger Anhaltspunkte für die Höhe der durch die angefochtene Nebenbestimmung Nr. 60 verursachten Kosten (vgl. Ziffer 19.1.2 des Streitwertkataloges) von dem Regelstreitwert von 5.000,- EUR aus (§ 52 Abs. 2 GKG). Der 1. Hilfsantrag, Erteilung einer unbedingten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, wird gemäß Ziffer 19.1.1 des Streitwertkataloges mit (2,5% der Investitionssumme von auf volle Hunderter abgerundeten 576.500,- EUR =) 14.412,50 EUR bewertet. Für den 2. Hilfsantrag, mit dem die Klägerin eine nur teilweise bedingte Genehmigung erstreiten will, geht die Kammer von der Hälfte des für den 1. Hilfsantrag angesetzten Streitwertes, mithin 7.206,25 EUR aus. Zusammen errechnet sich so der festgesetzte Streitwert von (5.000,- EUR + 14.412,50 EUR + 7206,25 EUR =) 26.618,75 EUR.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt.

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Klinge
Lassalle
Dr. Luth