Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 12.05.2011, Az.: 2 A 130/10

Bei fehlender Identität von Landwirtschaftsbetriebsinhaber und Biogasanlageneigentümer liegt eine organisatorische Zuordnung nur bei maßgeblichem Einfluss des Inhabers auf die Betreibergesellschaft vor; Organisatorische Zuordnung von Biogasanlagen zu Landwirtschaftsbetrieben als Voraussetzung einer Privilegierung bei fehlender Identität von Betriebsinhaber und Anlageneigentümer

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
12.05.2011
Aktenzeichen
2 A 130/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 16939
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2011:0512.2A130.10.0A

Fundstelle

  • BauR 2011, 1539

Amtlicher Leitsatz

Die Privilegierung einer Biogasanlage nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB setzt voraus, dass die Biogasanlage einem landwirtschaftlichen Basisbetrieb organisatorisch zugeordnet ist. Sofern der Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes nicht zugleich Eigentümer der zu genehmigenden Anlage ist, ist diese organisatorische Zuordnung nur gewährleistet, wenn der Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes, an den die Biogasanlage anknüpft, maßgeblichen Einfluss auf die Betreibergesellschaft der Biogasanlage hat. Ein solcher Einfluss kann dauerhaft nur dadurch sichergestellt werden, dass der Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes mindestens die Mehrheit der Anteile an der Betreibergesellschaft hält. Die Kammer bestätigt mit dieser Entscheidung ein früheres, nach Einstellung des Verfahrens aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen im Berufungszulassungsverfahren aber für unwirksam erklärtes Urteil (2 A 1457/07).

Tenor:

Der letzte Absatz der Nebenbestimmung Nr. 60 zu der der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgänger unter dem 20. Oktober 2005 erteilten immissionsschutzrechtlichen Errichtungs- und Betriebsgenehmigung für eine Biogasanlage in der Fassung des Änderungsbescheides des Beklagten vom 28. Januar 2009, in dem ein Zustimmungsvorbehalt zu gesellschaftsrechtlichen Änderungen zur Rechtsform der Betreibergesellschaft und des landwirtschaftlichen Betriebes geregelt ist, wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 3/4 und der Beklagte 1/4.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 11/10 des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich als Betreiberin einer Biogasanlage gegen eine Nebenbestimmung der für die Anlage erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bzw. begehrt die Erteilung einer Genehmigung ohne diese Nebenbestimmung.

2

Unter dem 20. Oktober 2005 erteilte das beklagte Amt dem Rechtsvorgänger der Klägerin aufgrund der §§ 4 und 19 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) eine Genehmigung zum Betrieb einer Biogasanlage mit einer Feuerungswärmeleistung von maximal 1,276 MW und einer elektrischen Leistung von 0,499 MW auf dem Flurstück der Flur der Gemarkung in der Gemeinde . Antragsteller im Genehmigungsverfahren und Adressat der Genehmigung vom 20. Oktober 2005 war der jetzige Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin, Herr . Herr hatte den Antrag unter dem 26. April 2005 als natürliche Person gestellt. In der beigefügten Projektbeschreibung heißt es, in der Biogasanlage seines Betriebes sollten Gülle, Mais und Roggen vergoren und das bei Vergärung entstehende Biogas dann in einem Blockheizkraftwerk auch für Stromerzeugung verwendet werden. Nach den ursprünglichen Planungen sollten Einsatzstoffe aus dem landwirtschaftlichen Betrieb des Herrn und einem anderen landwirtschaftlichen Betrieb zum Einsatz kommen. Genehmigt wurde schließlich die ausschließliche Beschickung der Anlage mit Material aus dem Betrieb . Die Genehmigung vom 20. Oktober 2005 sah unter der Überschrift "E. Bauplanungsrecht" folgende Nebenbestimmung Nr. 60 vor:

"Die Biogasanlage ist dauerhaft im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Schweinestall auf dem Flurstück der Flur , Gemarkung zu betreiben. Vorraussetzung hierfür ist u.a. der Fortbestand des Pachtverhältnisses bezüglich der benachbarten Schweinemastanlage, sowie die rechtliche Personenidentität zwischen dem Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes (Stall und Flächen) sowie dem Eigentümer/Betreiber der Biogasanlage."

3

Herr erhob gegen diese und eine weitere Nebenbestimmung (Nr. 61) zu der Absicherung der Kosten des Rückbaues der Anlage mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21. November 2005 Widerspruch. Er machte geltend, dass aus § 35 Abs. 1 Nr. 6 Baugesetzbuch (BauGB) nicht geschlossen werden könne, dass für den Betrieb einer dort privilegierten Biogasanlage eine Personenidentität zwischen dem Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes und dem der Biogasanlage bestehen müsse. Zur Stützung seiner Auffassung berief er sich auf ein von der Universität Lüneburg erstelltes Rechtsgutachten, das zu dem Ergebnis kommt, die in Niedersachsen geübte Praxis sei mit § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB nicht vereinbar. Eine Eigentümeridentität könne nicht verlangt werden. Der entsprechende Erlass des Nds. Ministeriums für den ländlichen Raum, der die niedersächsischen Behörden zu der auch hier geübten Verwaltungspraxis anhalte, sei durch die Rechtslage nicht gedeckt.

4

Mit Schreiben vom 31. August 2006 zeigte die Klägerin dem beklagten Amt an, dass sie nunmehr Betreiberin der Anlage sei. In der Begründung heißt es, ein Wechsel des Betreibers sei zur Verhinderung der steuerrechtlich "gewerblichen" Einstufung der gesamten landwirtschaftlichen Hofstelle notwendig.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2006 half das beklagte Amt dem Widerspruch zu der Nebenbestimmung Nr. 61 teilweise ab. Mit Bescheid vom 10. Oktober 2007 änderte es die Nebenbestimmung Nr. 60 des Genehmigungsbescheides vom 20. Oktober 2005 wie folgt:

"Die Biogasanlage ist dauerhaft im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Schweinemaststall auf dem Flurstück der Flur von zu betreiben. Diese Zuordnung liegt dann vor, wenn

- der Betreiber der Biomasseanlage identisch ist mit dem Inhaber des Basisbetriebes (Stall sowie landwirtschaftliche Flächen) oder

- sich die Biomasseanlage im Eigentum einer Betreibergesellschaft befindet unter der Voraussetzung, dass diese dauerhaft überwiegendbesteht aus dem Inhaber des Basisbetriebes sowie aus Gesellschaftern, bei denen die Voraussetzungen im Sinne des § 35 Absatz 1 Nr. 6 Buchstabe b BauGB (nahe gelegene Betriebe nach § 35 Abs. 1 Nr. 1, 2 (d.h. land- oder forstwirtschaftlicher oder Gartenbau-Betrieb) oder Nr. 4 BauGB (gewerblich Tier haltender Betrieb) vorliegen.

Der Inhaber des Basisbetriebes muss maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft haben, so dass gegen seinen Willen keine Beschlüsse, die die Führung der Geschäfte der Gesellschaft betreffen, gefasst werden können. Dies muss nachvollziehbar (z.B. durch einen im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Zustimmungsvorbehalt des Inhabers des Basisbetriebes für Beschlüsse der Gesellschaft) dokumentiert und auf Dauer gewährleistet sein und

- der Inhaber des Basisbetriebes, soweit dieser nicht Eigentümer ist, über einen langfristigen Pachtvertrag (Laufzeit mindestens 20 Jahre, gültig ab dem Inbetriebnahmezeitpunkt der Biogasanlage) bezüglich des Schweinemaststalls verfügt.

Sowohl der land- oder forstwirtschaftliche sowie gartenbauliche oder Tier haltende Betrieb als auch die Biomasseanlage kann in den nach den Gesellschaftsrecht möglichen Rechtsformen (z.B. GbR, GmbH) betrieben werden.

Die Genehmigung wird unter der Bedingung erteilt, dass der Nachweis über die Privilegierungseigenschaft der Betreiberin spätestens vier Wochen nach Bestandskraft des Bescheides erbracht werden wird." (Hervorhebungen im Original)

6

Im Übrigen wies das beklagte Amt den Widerspruch zurück. Der Gesetzeswortlaut zeige ganz offensichtlich, dass nicht jede Biogasanlage die Privilegierung für sich beanspruchen könne, sondern eine Reihe von Voraussetzungen ergänzend zu den allgemeinen Voraussetzungen des Baugesetzbuches vorliegen müssten. Die Biogasanlage sei nur dann privilegiert, wenn sie im Rahmen eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder gartenbaulichen oder nicht landwirtschaftlichen, gewerblich tierhaltenden Betriebes betrieben werde. "Im Rahmen eines solchen Betriebes" bedeute hierbei, dass eine klare Zuordnung der Biogasanlage vor allem im Betrieb gegeben sein müsse. Auf eine Eigentümeridentität komme es allerdings nicht an. Es genüge, dass der Inhaber des Basisbetriebes maßgeblichen Einfluss auf den Betrieb der Biogasanlage habe. Herr habe hauptberuflich zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung einen landwirtschaftlichen Betrieb mit 208 ha landwirtschaftlicher Fläche betrieben. Das Betriebseinkommen werde daher mit Ackerbau und Schweinemast erwirtschaftet (864 Mastplätze). An diesen landwirtschaftlichen Betrieb solle nunmehr eine Biogasanlage mit einer elektrischen Wärmeleistung von 0,499 MW angekoppelt werden. Der räumlich funktionale Zusammenhang der Biogasanlage mit dem vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieb werde dadurch hergestellt, dass der Schweinemaststall räumlich in einem Abstand von mindestens 50 m betrieben und funktional von diesem mit Schweinegülle als Einsatzstoff versorgt werde. Außerdem werde der Stall mit Wärme durch die Biogasanlage versorgt. Der Maststall mitsamt der umgebenden Fläche bilde den landwirtschaftlichen "Basisbetrieb", in dessen Rahmen die Biogasanlage betrieben werden solle. Als Besonderheit bleibe festzuhalten, dass der landwirtschaftliche Betrieb des Herrn weitgehend auf Pachtbasis beruhe. Aufgrund der Vorlage von Pachtverträgen mit entsprechend langer Laufzeit und aufgrund der Größe und des Einkommenspotentials des Betriebes sei laut gutachterlicher Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Niedersachsen im vorliegenden Einzelfall die geforderte Dauerhaftigkeit des Betriebes anzunehmen. Dieser Aussage könnten sich der Landkreis Rotenburg als Bauaufsichtsbehörde sowie das beklagte Amt anschließen. Allerdings werde es für erforderlich gehalten, zur dauerhaften Sicherstellung der bauplanungsrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen ergänzende Nebenbestimmungen in den Genehmigungsbescheid aufzunehmen. Hierzu zähle auch die Nebenbestimmung Nr. 60 des Bescheides. Inzwischen sei die Betreiberfunktion von dem Landwirt auf die im Betreff genannte Betreibergesellschaft übergegangen. Das beklagte Amt habe sicherzustellen, dass die Voraussetzungen auch von dem neuen Erwerber bzw. Betreiber erfüllt würden. Insoweit sei der Bescheid noch nicht bestandskräftig und es gelte im Widerspruchsverfahren nicht das Verschlechterungsverbot. Daher habe das beklagte Amt zur Sicherstellung der Genehmigungsvoraussetzungen noch eine auflösende Bedingung zur Gewährleistung der bauplanungsrechtlichen Rechtsmäßigkeitsbedingungen aufnehmen können. Dem Widerspruch könne insoweit gefolgt werden, als dass eine stringente, in identischer Rechtsform gefasste Personenidentität zwischen dem Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes einerseits und dem Betreiber der Biogasanlage andererseits in der geänderten Fassung der Nebenbestimmung Nr. 60 jetzt nicht mehr gefordert werde. Dies beruhe auf einer Neubewertung der Rechtslage und eröffne gewisse Spielräume für den landwirtschaftlichen Betrieb und die Biogasanlage (z.B. steuer-/haftungsrechtlich). Berücksichtige man die oben gemachten Aussagen zur erforderlichen Zuordnung einer Biogasanlage zu einem landwirtschaftlichen Betrieb, so könne die erfolgte Lockerung allerdings nur in einem engen Rahmen erfolgen. Möglich sei es nunmehr, dass die Betreibergesellschaft der Biogasanlage eine andere Rechtsform als der landwirtschaftliche Betrieb aufweise und auch andere landwirtschaftlich geprägte Gesellschafter, die nachwachsende Rohstoffe der Biogasanlage zulieferten, in gewissen Grenzen Eigentumsanteile erwerben könnten. Nicht ermöglicht werden solle es landwirtschaftsfernen oder landwirtschaftsfremden Geldgebern, maßgeblichen Einfluss auf den Biogas- und Landwirtschaftsbetrieb zu gewinnen, weil das entgegen der derzeitigen, bewusst eng gefassten Gesetzeslage zu einer sog. wesensfremden, nicht gewollten Tätigkeit im Außenbereich führen würde.

7

Die Klägerin verfolgte mit der am 2. November 2007 erhobenen Klage ihr Begehren weiter (2 A 1457/07). Unter Berufung auf das bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegte Rechtsgutachten der Universität Lüneburg vertiefte sie zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen.

8

Das erkennende Gericht wies die Klage der Klägerin mit Urteil vom 9. Dezember 2008 ab. Es stellte maßgeblich darauf ab, dass eine Biogasanlage nur dann "im Rahmen" eines landwirtschaftlichen Betriebes im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB betrieben werde, wenn durch besondere Zuordnungskriterien sichergestellt sei, dass der landwirtschaftliche Charakter des Gesamtunternehmens erhalten bleibe. Es sei zwar nicht zu beanstanden, dass die genehmigte Biogasanlage im Eigentum einer Betreibergesellschaft stehe, die als juristische Person nicht identisch mit dem Eigentümer des landwirtschaftlichen Basisbetriebes ist. Der Inhaber des Basisbetriebes müsse aber maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft haben. Dem trage die angegriffene Nebenbestimmung Rechnung.

9

Der Kläger beantragte unter dem 20. Januar 2009, die Berufung gegen das Urteil des erkennenden Gerichts zuzulassen (12 LA 17/09).

10

Mit Bescheid vom 28. Januar 2009 änderte der Beklagte den Genehmigungsbescheid vom 20. Oktober 2005 in der Fassung der Widerspruchbescheide vom 25. September 2006 und 10. Oktober 2007 und fasste die Nebenbestimmung Nr. 60 wie folgt:

"Die Biogasanlage ist dauerhaft im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Schweinemaststall auf dem Flurstück der Flur von zu betreiben. Diese Zuordnung liegt dann vor, wenn

- der Betreiber der Biomasseanlage identisch ist mit dem Inhaber des Basisbetriebes (Stall sowie landwirtschaftliche Flächen) oder

- sich die Biomasseanlage im Eigentum einer Betreibergesellschaft befindet unter der Voraussetzung, dass der Inhaber des Basisbetriebes dauerhaft die Mehrheit der Gesellschaftsanteile der Gesellschaft innehat.

Der maßgebliche Einfluss des Inhabers des Basisbetriebes auf die Gesellschaft darf nicht z.B. durch Gesellschaftervertrag oder sonstige Verträge und Regelungen eingeschränkt oder aufgehoben werden.

Der Inhaber des Basisbetriebes muss Landwirt im Sinne des § 201 BauGB sein.

Ferner muss der Inhaber des Basisbetriebes, soweit dieser nicht Eigentümer ist, über einen langfristigen Pachtvertrag (Laufzeit mindestens 20 Jahre, gültig ab Inbetriebnahmezeitpunkt der Biogasanlage) bezüglich des Schweinemaststalles verfügen.

Die Genehmigung gilt nur unter der Bedingung, dass der Nachweis über die Privilegierungseigenschaft der Betreiberin spätestens bis zum 30.06.2009 erbracht wird und sie den tatsächlichen Umständen entspricht. Der Nachweis ist gegenüber dem Landkreis Rotenburg (Wümme) unter der Anschrift Hopfengarten 2, 27356 Rotenburg (Wümme), zu erbringen.

Gesellschaftsrechtliche Änderungen, soweit diese Auswirkungen auf die Privilegierungseigenschaft haben können (z.B. in der Person des Inhabers, zur Rechtsform der Betreibergesellschaft/des landwirtschaftlichen Basisbetriebes oder zu den Mehrheitsverhältnissen innerhalb der (jeweiligen) Gesellschaft) bedürfen zur Erlangung der Rechtswirksamkeit zuvor der Zustimmung des Landkreises. Zu beachten ist, dass - sofern der Basisbetrieb in eine Gesellschaftsform überführt wird, sicherzustellen ist, dass der den Basisbetrieb führende privilegierte Landwirt auch hier dauerhaft die beherrschende Position durch eine entsprechende Mehrheitsbeteiligung wahrnimmt." (Hervorhebung im Original)

11

Zur Begründung verwies er auf die Ausführungen des erkennenden Gerichts in seinem Urteil vom 9. Dezember 2008. Das Gericht habe überzeugend dargelegt, dass eine Privilegierung eines Vorhabens nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB im Grunde genommen nur dann möglich sei, wenn mindestens sichergestellt werde, dass der Inhaber des landwirtschaftlichen Basisbetriebes bei einer Betreibergesellschaft der Biogasanlage dauerhaft die Mehrheitsbeteiligung halte. Ferner könne auch der landwirtschaftliche Betrieb in einer wirtschaftlichen Gesellschaftsform betrieben werden, soweit der privilegierte Landwirt über eine Mehrheitsbeteiligung verfüge. Die bisherige Fassung der Nebenbestimmung Nr. 60 bleibe hinter diesen Anforderungen zurück und habe einer Klarstellung bedurft. Der nunmehr vorgesehene Zustimmungsvorbehalt trage ferner den vom Gericht geäußerten Bedenken betreffend der Zulassung sämtlicher gesellschaftsrechtlicher Formen sowohl bei der Biogasbetreibergesellschaft als auch im landwirtschaftlichen Basisbetrieb Rechnung. Die Neufassung der Nebenbestimmung Nr. 60 entspreche dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.

12

Die Klägerin und der Beklagte erklärten daraufhin den Rechtsstreit vor dem Nds. Oberverwaltungsgericht übereinstimmend für erledigt. Das Nds. Oberverwaltungsgericht erklärte das vorgehende Urteil des erkennenden Gerichts vom 9. Dezember 2008 für unwirksam und stellte das Verfahren ein.

13

Die Klägerin erhob gegen den Bescheid des Beklagten vom 28. Januar 2009 am 23. Februar 2009 Widerspruch. Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2008 (- 7 C 6.08 -, BVerwGE 132, 372). Danach sei die Rechsprechung des erkennenden Gerichts überholt. Das Bundesverwaltungsgericht verlange ausschließlich eine tatsächliche Anknüpfung einer Biogasanlage an die vorhandenen baulichen Anlagen des landwirtschaftlichen Betriebes. Weitere Anforderungen stelle das Gesetz demnach nicht. Der landwirtschaftliche Betrieb des Herrn und der Betrieb der Biogasanlage wiesen zudem die notwendige Nachhaltigkeit auf.

14

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 2009 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zu der Nebenbestimmung Nr. 60 zurück. Rechtsgrundlage der Nebenbestimmung sei § 12 Abs. 1 BImSchG. Demnach seien Bedingungen und Auflagen zulässig, wenn sie dazu dienen sollten, die Genehmigungsvoraussetzungen festzulegen. Die Genehmigungsvoraussetzungen ergäben sich aus den in § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG genannten Vorschriften. Hierzu zählten immissionsschutz- und arbeitsschutzrechtliche Regelungen, aber auch andere öffentlich-rechtliche Vorschriften. Sicherzustellen sei im Genehmigungsverfahren u.a., dass die bauplanungsrechtlichen Vorschriften des Baugesetzbuches erfüllt würden. Eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz müsste das beklagte Amt mithin versagen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Baugenehmigung betreffend die Ansiedlung einer Biogasanlage im Außenbereich nicht vorlägen. Im konkreten Fall habe der seinerzeitige Antragsteller, Herr , das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Basisbetriebes, an dem die Biogasanlage als sog. privilegiertes Vorhaben angekoppelt werden sollte, lediglich durch einen langfristigen Pachtvertrag nachgewiesen. Um die Erfüllung der bauplanungsrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen nach Errichtung und Inbetriebnahme der Anlage sicherzustellen, sei es erforderlich und verhältnismäßig, die angegriffene Nebenbestimmung in den Genehmigungsbescheid aufzunehmen. Sie stelle erkennbar keine besondere Erschwernis für den Betreiber der Anlage dar.

15

Die Klägerin hat hiergegen am 28. Januar 2010 Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt: Die Nebenbestimmung Nr. 60 sei rechtswidrig und aufzuheben. Mit einer Nebenbestimmung zu einer Genehmigung dürfe die Genehmigungsbehörde keine zusätzlichen Genehmigungsvoraussetzungen schaffen. Der Beklagte habe dagegen mit der Nebenbestimmung Nr. 60 nicht allein die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB sicherstellen wollen, sondern darüber hinaus die gesellschaftsrechtliche Zuordnung des landwirtschaftlichen Betriebes zu der Betreiberin einer Biogasanlage geregelt. Ferner erfülle hier die Klägerin erkennbar die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB, so dass es einer entsprechenden Nebenbestimmung überhaupt nicht bedurft habe. Der räumliche und funktionale Zusammenhang im Sinne dieser Vorschrift zwischen der Biogasanlage und dem landwirtschaftlichen Betrieb liege vor. Die Biogasanlage befinde sich unmittelbar neben dem Schweinemaststall des Herrn und werde ausschließlich mit Einsatzstoffen aus seinem Betrieb betrieben. Darüber hinaus werde die Biogasanlage auch "im Rahmen" des landwirtschaftlichen Betriebes betrieben. Das außerordentlich restriktive Normverständnis des erkennenden Gerichts könne nach den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2008 (a.a.O.) und vom 29. Dezember 2010 (- 7 B 6/10 -, ZNER 2011, 212) nicht mehr aufrecht erhalten bleiben. Selbst wenn es sich bei der Formulierung "im Rahmen eines Betriebes" um ein Tatbestandsmerkmal handeln sollte, folge die Auslegung des erkennenden Gerichts nicht aus dem Wortlaut, der Historie, der Systematik oder dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Nach alledem sei die angegriffene Nebenbestimmung auch nicht erforderlich im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

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Die Klägerin beantragt,

die Nebenbestimmung Nr. 60 zu der der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgänger von dem Beklagten unter dem 20. Oktober 2005 erteilten immissionsschutzrechtlichen Errichtungs- und Betriebsgenehmigung für eine Biogasanlage in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 25. September 2006 sowie 10. Oktober 2007, geändert durch Bescheid des Beklagten vom 28. Januar 2009, aufzuheben,

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hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin eine immissionsschutzrechtliche Errichtungs- und Betriebsgenehmigung gleichen Inhalts, wie die immissionsschutzrechtliche Errichtungs- und Betriebsgenehmigung des Beklagten vom 20. Oktober 2005, ohne die dort enthaltene Nebenbestimmung Nr. 60 zu erteilen.

18

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

19

Der Beklagte tritt dem Vorbringen unter Hinweis auf die Begründung des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 2009 entgegen.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen. Gegenstand der Entscheidung war ferner die Gerichtsakte des Verfahrens 2 A 1457/07.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat allein in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

22

Der Anfechtungsantrag der Klägerin ist zulässig. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist gegen eine belastende Nebenbestimmung eines Verwaltungsakts im Grundsatz die Anfechtungsklage gegeben. Die isolierte Aufhebung einer solchen setzt zwar voraus, dass die Nebenbestimmung nicht in einem untrennbaren inneren Zusammenhang mit dem übrigen Verwaltungsakt steht; dies ist aber eine Frage der Begründetheit (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.11.2000 - 11 C 2/00 -, BVerwGE 112, 221; Urt. v. 13.11.1997 - 3 C 33.96 -, BVerwGE 105, 354; anders VG Stade, Urt. v. 09.12.2008 - 2 A 1457/07 -).

23

Soweit die Klägerin sich gegen die von dem beklagten Amt in der Nebenbestimmung Nr. 60 getroffenen Regelungen der organisatorischen Zuordnung der Biogasanlage zu dem landwirtschaftlichen Basisbetrieb wendet, ist ihr Anfechtungsantrag aber unbegründet. Insoweit ist die Nebenbestimmung Nr. 60 in der Fassung des Änderungsbescheides des Beklagten vom 28. Januar 2009 rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

24

Die Nebenbestimmung findet ihre Rechtsgrundlage in § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Danach kann die zuständige Behörde die der Klägerin nach § 19 BImSchG i.V.m. Nr. 1.4, Spalte 2, Buchstabe d) aa) des Anhanges der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) erteilte Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Biogasanlage unter Bedingungen erteilen und mit Auflagen verbinden, soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 6 BImSchG genannten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. Zu den Voraussetzungen, die für die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erforderlich sind, gehören auch die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB, weil die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gemäß § 13 BImSchG die anderenfalls zu erteilende Baugenehmigung mit einschließt (Konzentrationswirkung). Es ist auch kein Rechtssatz erkennbar, der es der Beklagten verböte, auf diese Ermächtigungsgrundlage zurückzugreifen, denn in diesem Verfahren entscheidet sie abschließend über das Vorliegen sämtlicher Tatbestandsmerkmale der von ihr zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften und ist für deren Einhaltung auch verantwortlich.

25

Die angefochtene Nebenbestimmung Nr. 60 legt rechtlich einwandfrei die Bedingungen fest, die zur Erfüllung der bauplanungsrechtlichen Privilegierungsvoraussetzungen nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB vorliegen müssen. Die Kammer ist weiterhin der Auffassung, dass die Privilegierung einer Biogasanlage nach der genannten Vorschrift voraussetzt, dass die Biogasanlage einem landwirtschaftlichen Basisbetrieb organisatorisch zugeordnet ist. Sofern der Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes nicht zugleich Eigentümer der zu genehmigenden Anlage ist, ist diese organisatorische Zuordnung nur gewährleistet, wenn der Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes, an den die Biogasanlage anknüpft, maßgeblichen Einfluss auf die Betreibergesellschaft der Biogasanlage hat. Ein solcher Einfluss kann nach Ansicht der Kammer dauerhaft nur dadurch sichergestellt werden, dass der Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes mindestens die Mehrheit der Anteile an der Betreibergesellschaft hält. Dazu hat die Kammer bereits in ihrem Urteil vom 9. Dezember 2008 (2 A 1457/07) ausgeführt:

"§ 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB hat seine jetzige Fassung durch das Gesetz vom 27. Juni 2004 - Europarechtsanpassungsgesetz Bau - EAG - (BGBl. I 2004, 1359) erhalten. Bis dahin konnten Biogasanlagen lediglich dann im Außenbereich genehmigt werden, wenn sie von landwirtschaftlichen Betrieben i.S.v. § 35 Abs. 1 S. 1 BauGB "mitgezogen" wurden. Vor dem Hintergrund des Strukturwandels in der Landwirtschaft und dem Ziel der Förderung regenerativer Energieträger wurde daher, wie das Gutachten - Seite 6 - zutreffend darlegt, der Bedarf erkannt, im BauGB eine ausdrückliche Privilegierung für Biogasanlagen zu schaffen. Wie sich bereits aus der Verwendung des Begriffs Privilegierung ergibt und durch die Stellung der Vorschrift im Regelungsgefüge des Baugesetzbuches bestätigt wird, ging es dem Gesetzgeber aber offensichtlich nicht darum, Biogasanlagen, die mit landwirtschaftlichen Produkten oder Abfallprodukten betrieben werden, generell im Außenbereich zuzulassen. Zunächst ist festzustellen, dass § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB eine Ausnahme (Privilegierung) von dem in § 35 BauGB zugrunde liegenden Grundsatz darstellt, wonach eine Bebauung im Außenbereich grundsätzlich unzulässig ist. Von diesem GrundSatz 1ässt die Vorschrift dann Ausnahmen zu, die bei dem Vorhaben nach Absatz 1 erleichtert, bei Vorhaben nach Absatz 2 nur unter erschwerten Bedingungen genehmigt werden können. Als Ausnahmevorschrift ist die Vorschrift daher grundsätzlich eng am Maßstab des Grundsatzes auszulegen. Die Vorschrift ist eine abschließende Regelung der nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB zu beurteilenden Vorhaben zur energetischen Nutzung von Biomasse (Ernst-Zinkahn-Bielenberg, Loseblatt, Stand Juli 2006, § 35, Rdnr. 59). Sie bestimmt, dass eine Privilegierung, d.h. eine ausnahmsweise Zulassung eines solchen Vorhabens im Außenbereich nur dann erfolgen kann, wenn diese "im Rahmen eines Betriebes nach Nr. 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nr. 4, der Tierhaltung" betrieben wird und wenn darüber hinaus die weiteren unter Buchstaben a) bis d) genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt der Teil des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB vor dem Doppelpunkt nicht lediglich eine "Überleitungsvorschrift" zu den Voraussetzungen der Buchstaben a) bis d) dar. Vielmehr werden hier die Grundvoraussetzungen formuliert, denen neben den Buchstaben a) bis d) eine eigenständige Bedeutung zukommt. Es ist dem Gutachten und der Klägerin zuzugestehen, dass die hier geforderte Zuordnung einer beantragten Biogasanlage zu einem landwirtschaftlichen Betrieb der Regelung des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, wonach ein Vorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb "dienen" muss nachgebildet ist. Zu beachten ist allerdings, dass der Gesetzgeber nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift bei § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB eben nicht allein darauf abgestellt wissen will, dass das Vorhaben dem landwirtschaftlichen Betrieb "dient". Andernfalls hätte er diese Formulierung wählen können oder die zu privilegierenden Biogasanlagen unter die Nr. 1 fassen können. Der dann gezogene Schluss, ebenso wie bei § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB komme es auch im Rahmen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB für die Frage der Privilegierung nicht darauf an, wer Eigentümer des Grundstücks sei und wem die Anlage gehöre, greift für die hier zu entscheidende Fragestellung zu kurz. Richtig ist, dass eine Privilegierung nicht allein wegen des Auseinanderfallens der Eigentümerpositionen ausgeschlossen ist. Dies wird auch von dem Beklagten nicht (mehr) vertreten. Es müssen dann jedoch weitere Kriterien erfüllt sein, um gleichwohl eine Privilegierung "im Rahmen des Betriebs" annehmen zu können.

Die Analyse der in dem Gutachten zitierten Entscheidung des BVerwG vom 14. April 1978 (- 4 C 85.75 -; BRS 33, Nr. 59) führt nicht zu dem von der Klägerin favorisierten Ergebnis. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat nicht ausgeführt, die Frage der Eigentümeridentität sei ohne Belang. Es heißt dort lediglich, diesen Umständen komme keine entscheidende Bedeutung zu. Das BVerwG stellt dann bei seinen weiteren Ausführungen auch maßgeblich darauf ab, ob das Vorhaben durch den Betrieb "geprägt" und diesem "zugeordnet" ist. Diese Voraussetzungen können entweder durch Eigentümeridentität oder durch andere Umstände erfüllt werden. In dem dort entschiedenen Fall kam das Gericht dann zu dem Ergebnis, dass die fehlende Eigentümeridentität durch andere Zuordnungskriterien nicht ausgeglichen wurde. Das Gericht hat deshalb die Privilegierung für einen Silo verneint, der von einer gewerblichen Betreiberin auf dem Grundstück eines Landwirts errichtet und betrieben werden sollte und für den dem Landwirt nur zeitlich begrenzte Nutzungsrechte eingeräumt worden waren. Damit sei das Vorhaben nicht durch den landwirtschaftlichen Betrieb geprägt, d.h. ihm gewidmet. In dem Leitsatz Nr. 1 zu der Entscheidung heißt es deshalb, dass die Privilegierungsvoraussetzungen ausnahmsweise auch von einem Vorhaben erfüllt werden können, das nicht von dem Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes errichtet wurde und nicht in seinem Eigentum steht (Hervorhebung durch die Kammer). Es wäre daher bereits fraglich, ob die Klägerin die beantragte "unbedingte" Genehmigung beanspruchen könnte, wenn man die für den Begriff des "Dienens" nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB aufgestellten Kriterien der Prägung und Zuordnung, wie die Klägerin meint, einfach auf die Nr. 6 der Vorschrift übertrüge. Auch dann könnte angesichts der Tatsache, dass Herr M. nur noch Angestellter der Betreibergesellschaft ist, von einer Prägung des Vorhabens durch den Betrieb Brinker nicht mehr ohne weiteres gesprochen werden. Eine solche Anlage würde nicht mehr einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB "dienen" (vgl. BVerwG, Urt. v. 14. April 1978 - 4 C 85.75 - a.a.O.). (...)

Nur vor dem Hintergrund, dass die Nutzung der Biomasse der einem Strukturwandel unterliegenden Landwirtschaft neue Ertragsmöglichkeiten eröffnen und die Erträge überwiegend in der Landwirtschaft verbleiben sollen, lässt der Gesetzgeber das Ziel der Freihaltung des Außenbereichs auch ohne ein ansonsten erforderliches Bauleitplanverfahren mit umfassender Abwägung der widerstreitenden Belange ausnahmsweise zurücktreten. Hiernach kann es nicht ausreichen, eine die Privilegierung auslösende Zuordnung der Anlage zu dem Basisbetrieb bereits dann zu bejahen, wenn hinsichtlich der Nutzung des Grundstücks, der Belieferung mit Einsatzstoffen und der Abnahme der Endprodukte vertragliche Beziehungen zwischen dem Basisbetrieb und der Biogasanlage bestehen. Solche vertraglichen Beziehungen könnte der Landwirt auch mit jeder anderen gewerblich betriebenen Biogasanlage eingehen. Die Argumentation der Klägerin würde die Privilegierungsvorschrift vollständig aushöhlen.

Ein bloßes, auf vertraglicher Grundlage beruhendes geschäftliches Verhältnis zwischen landwirtschaftlichem Betrieb als Lieferant und ggfs. Verpächter des Baugrundstücks auf der einen und der Biogasanlage auf der anderen Seite reicht nicht aus. Wenn der landwirtschaftliche Betrieb den "Rahmen" vorgibt, bedeutet dies, dass die Biogasanlage sich in diesen Rahmen einfügen muss. Sie ist nicht selbst Hauptsache, sondern innerhalb des Rahmens des landwirtschaftlichen Betriebs einer der Betriebsteile.

Den inzwischen insoweit einigen Beteiligten ist zuzugestehen, dass gleichwohl eine Identität der Eigentümer von landwirtschaftlichem Basisbetrieb und Biogasanlage nicht verlangt werden kann. Angesichts des Strukturwandels in der Landwirtschaft, der auch in diesem Bereich zwischenzeitlich unterschiedliche Betriebsformen unter Ausnutzung der gesellschaftsrechtlichen Nomenklatur hervorgebracht hat, wäre es zu kurz gegriffen, würden gesellschaftsrechtliche Formen Betriebsformen für die Biogasanlage neben dem landwirtschaftlichen Betrieb nicht zugelassen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die hier genehmigte Biogasanlage im Eigentum einer GmbH & Co. KG steht, die als juristische Person nicht identisch ist mit dem Eigentümer des landwirtschaftlichen Betriebes M.. Andererseits würde der Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebes, in dem die Biogasanlage betrieben werden soll, verlassen, hätte der Inhaber des Basisbetriebes nicht mindestens maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft. Dieser maßgebliche Einfluss kann dauerhaft nur dadurch sichergestellt werden, dass er auch mindestens die Mehrheit der Anteile der Betreibergesellschaft hält. Das von dem Beklagten zur Durchsetzung des Privilegierungserfordernisses in die Nebenbestimmung aufgenommene Erfordernis einer Mehrheitsbeteiligung des Inhabers des Basisbetriebes in der Betreibergesellschaft der Biogasanlage ist daher nicht zu beanstanden. Dem Beklagten ist zuzustimmen, dass die eindeutige Einordnung der Biomasseanlage in den Rahmen des landwirtschaftlichen Basisbetriebes und damit ihre Privilegierung letztlich nur dann sichergestellt ist, wenn der den Basisbetrieb führende privilegierte Landwirt Mehrheitsgesellschafter der Betreiberin der Biogasanlage ist."

26

Das von der Klägerin zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2008 (a.a.O.) zwingt das Gericht zu keiner anderen Auslegung des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB. Das Bundesverwaltungsgericht führt unter der Randnummer 18 des genannten Urteils aus:

"Entgegen der Revision verlangt das Tatbestandsmerkmal "im Rahmen eines Betriebs" - § 35 Abs. 1 Nr. 6 Halbs. 1 BauGB - lediglich, dass die Biogasanlage nur im Anschluss an eine bereits bestehende privilegierte Anlage im Außenbereich errichtet und betrieben werden darf. Der Eingriff in den Außenbereich soll somit nicht in Form eines solitär stehenden Vorhabens erfolgen, vielmehr wird an einen schon vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieb ... angeknüpft und damit bereits bestehende Bebauung lediglich erweitert."

27

Einmal bezeichnet das Bundesverwaltungsgericht die Formulierung "im Rahmen eines Betriebes" selbst als Tatbestandsmerkmal. Als solches muss ihr aber eine eigenständige Bedeutung zukommen, die sich nicht in dem unter Ziffer a) dieser Regelung normierten räumlichen und funktionalen Zusammenhang zwischen Basisbetrieb und Biogasanlage erschöpfen kann. Darauf liefe aber das Normverständnis der Klägerin hinaus. Zudem setzen sich Entscheidungsgründe dieses Urteils nicht ausdrücklich mit der Frage auseinander, ob und in welchem Umfang eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB voraussetzt, dass die zu genehmigende Biogasanlage dem landwirtschaftlichen Basisbetrieb organisatorisch zugeordnet ist. Das Bundesverwaltungsgericht wie auch die vorgehenden Instanzen (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.11.2007 - 1 A 102543/07 -, BauR 2008, 79; VG Mainz, Urt. v. 23.01.2007 - 3 K 194/06.MZ -, NuR 2007, 286 [VG Mainz 23.01.2007 - 3 K 194/06]) befassen sich in ihren Entscheidungen im Kern damit, ob eine Biogasanlage gegenüber dem "klassischen" landwirtschaftlichen Basisbetrieb, in dessen Anschluss sie errichtet wird, untergeordnet sein muss. Dass eine entsprechende "Anknüpfung" an bzw. Zuordnung zu dem landwirtschaftlichen Betrieb gegeben sein muss, ziehen auch diese Entscheidungen an keiner Stelle in Zweifel. Ob überhaupt und gegebenenfalls in welcher Form der Inhaber des Basisbetriebes Einfluss auf eine die Biogasanlage betreibende Gesellschaft haben muss, mussten die Gerichte auch nicht entscheiden, weil im konkreten Fall der Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes zugleich der Betreiber der nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB genehmigten Biogasanlage war. Diese Konstellation lag auch einer aktuelleren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Dezember 2010 (a.a.O.) zugrunde, die auf die frühere Entscheidung des Gerichts Bezug nimmt. Es bestehen darüber hinaus jedenfalls Anhaltspunkte dafür, dass das Bundesverwaltungsgericht - gleichwohl unausgesprochen - einer Betreiberidentität als Regelfall einer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB ausgeht. Die weiteren Entscheidungsgründe des Urteils vom 11. Dezember 2008 lassen zumindest ein entsprechendes Normverständnis vermuten, weil das Gericht wiederholt den landwirtschaftlichen Basisbetrieb, an den die zu genehmigende Biogasanlage anknüpfen soll, als " eigenen Betrieb" des Anlagebetreibers beschreibt (so etwa unter den Rn. 22 und 26 des Urteils, a.a.O., Hervorhebung d. Kammer) Schließlich geht auch die Kommentarliteratur, die die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt hat, weiterhin davon aus, dass eine Privilegierung im Außenbereich eine organisatorische Zuordnung der Biogasanlage zu dem landwirtschaftlichen Basisbetrieb voraussetzt (Söfker, in: Ernst/Zinkhahn/Bielenberg, BauGB, Stand: Sept. 2010, § 35 Rn. 59 b, verlangt weiterhin einen "maßgeblichen Einfluss" des Inhabers des Betriebes, in dessen Rahmen die Biogasanlage errichtet werden soll; nach Roeser, in: Berliner Kommentar zum BauGB, Stand: Sept. 2010, § 35 Rn. 52c, setzt die Privilegierung voraus, dass die Biogasanlage organisatorisch einem der genannten privilegierten Basisbetriebe zugeordnet ist).

28

Begründet ist die Anfechtungsklage der Klägerin lediglich, soweit sie sich zugleich gegen den letzten Absatz der Nebenbestimmung Nr. 60 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28. Januar 2009 wendet, der einen Zustimmungsvorbehalt des Landkreises Rotenburg zu gesellschaftsrechtlichen Änderungen des landwirtschaftlichen Basisbetriebes regelt.

29

Für die Regelung eines solchen Zustimmungsvorbehalts besteht keine Rechtsgrundlage. § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB ermächtigt nicht dazu, die gesellschaftsrechtliche Ordnung eines landwirtschaftlichen Betriebes wie auch einer Betreibergesellschaft einer Biogasanlage einer präventiven Kontrolle zu unterziehen. Die Wahl der Rechtsform eines landwirtschaftlichen Betriebes wie auch einer Biogasanlage unterliegt zunächst allein der Privatautonomie des Betriebsinhabers und den einschlägigen Regelungen des Gesellschaftsrechts. Sollte aufgrund einer - nach Gesellschaftsrecht zulässigen - Änderung der Rechtsform des Basisbetriebes oder der Betreibergesellschaft oder der jeweiligen Mehrheitsverhältnisse die Privilegierungsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB entfallen, weil etwa die erforderliche Zuordnung der Biogasanlage zu diesem Betrieb nicht mehr gegeben ist, wäre die Aufsichtsbehörde gegebenenfalls gehalten, aufsichtsrechtlich einzuschreiten bzw. die Genehmigung zu widerrufen. Die gesellschaftsrechtlichen Änderungen als solche blieben davon unberührt.

30

Das erkennende Gericht ist auch nicht gehindert, den letzten Absatz der Nebenbestimmung Nr. 60 isoliert aufzuheben. Die genannte Regelung steht nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Nebenbestimmung Nr. 60 im Übrigen oder der Genehmigung als solcher. Die Genehmigung einschließlich der Nebenbestimmung Nr. 60 kann sinnvoller- und rechtmäßigerweise fortbestehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. 2. 1984 - 4 C 70.80 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 137 S. 29; Urteil vom 8. 7. 2004 - 5 C 5.03 - Buchholz 435.12 § 45 SGB X Nr. 13 S. 4). Ferner bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Genehmigung nach dem Willen des Beklagten mit dieser Einschränkung "stehen und fallen" sollte. Der Beklagte hat den Zustimmungsvorbehalt erst nachträglich eingeführt. Es handelt sich zudem in der Sache nicht um eine Bedingung im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG, die den Beginn oder das Ende der Wirksamkeit der Genehmigung von einem bestimmten Ereignis abhängig macht, sondern eine Maßnahme im Zusammenhang mit der Überwachung der Anlage nach Erteilung einer (wirksamen) Genehmigung.

31

Der Hilfsantrag bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Er ist jedenfalls unbegründet, weil die Klägerin aus den genannten Gründen keinen Anspruch auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Errichtungs- und Betriebsgenehmigung gleichen Inhalts ohne die Nebenbestimmung Nr. 60 haben kann.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

33

Die Zulassung der Berufung erfolgt gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO.