Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 07.11.2013, Az.: 2 A 4696/12
Anerkennung als Flüchtling; Asyl; Dublin I; Dublin II; Isolierte Anfechtungsklage in Dublin-Verfahren; Syrien; Ungarn; Wiederaufnahme des Asylverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 07.11.2013
- Aktenzeichen
- 2 A 4696/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 64483
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- AsylVfG
- Art 7 EGV 343/2003
- Art 3 Abs 2 EGV 343/2003
- § 113 Abs 6 VwGO
- § 113 Abs 4 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Gegen einen Bescheid, der den Asylantrag eines Klägers als unzulässig zurückweist und der eine Abschiebung in den zuständigen Staat nach der Dublin -VO anordnet, ist allein die isolierte Anfechtungsklage die richtige Klageart.
2. Das Asylsystem in Ungarn weist auch nach den Gesetzesänderungen zum 1. Juli 2013 keine systematischen Mängel auf.
3. Das Bundesamt muss zielstaats- und inlandsbezogene Abschiebungshindernisse bei
der Entscheidung nach § 34 a AsylVfG prüfen.
Tenor:
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom G. wird aufgehoben, soweit er die Abschiebung des Klägers nach Ungarn anordnet. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu 5/6, die Beklagte zu 1/6.
Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der am H. geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Vor seiner Einreise mit seinem Bruder in die Bundesrepublik, wo er am I. einen Asylantrag stellte, hielt er sich mit ihm kurz in Ungarn auf.
Im Rahmen der ersten Befragung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am I. gab der Kläger an, in keinem anderen europäischen Land vormals einen Asylantrag gestellt zu haben. Das Bundesamt ermittelte in der Folgezeit seinen vorherigen Aufenthalt in Ungarn. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am J. führte er aus, Syrien mit seinem Bruder im Januar E. verlassen zu haben habe und zu Fuß in die Türkei eingereist zu sein. Mit einem Bus seien sie nach Istanbul gefahren. Am 16. Januar E. seien sie in ein europäisches Land geflogen. Der Kläger bestritt trotz Vorhaltungen des Bundesamtes, in Ungarn einen Asylantrag gestellt zu haben. Er sei jedenfalls aber in diesem europäischen Land erkennungsdienstlich behandelt und circa eine Woche mit seinem Bruder in Haft gewesen. Später seien sie in ein Gebäude, das wie eine Schule aussehe, verbracht worden. Hier habe sie der Schlepper abgeholt und in eine Wohnung gebracht, in der sie sich eine Woche aufgehalten hätten. Danach habe sie ein Fahrer mit einem PKW in die Bundesrepublik gefahren. Sie seien am K. E. dort angekommen.
Zu den Gründen seiner Flucht aus Syrien erklärte der Kläger, er habe seit dem L. mit seinem Bruder an zahlreichen Demonstrationen in seinem Heimatort M. und anderen Orten/Städten mit dem Ziel des Regimeumsturzes teilgenommen. Regelmäßig hätten sie sich dienstags und freitags an Demonstrationen beteiligt. Mehrere solcher Veranstaltungen hätten sie auch mitorganisiert und per Telefon zum Widerstand aufgerufen. Mehrmals seien sie von Sicherheitskräften verfolgt worden. Er sei aufgrund seiner Erlebnisse in psychologischer Behandlung gewesen. Am N. seien sie zu ihrem Onkel geflohen, als sie bewaffnete Sicherheitsleute vor dem Elternhaus gesehen hätten. Diese hätten ihre Eltern über sie befragt, das Haus durchsucht, Einrichtungsgegenstände zerstört und die nächsten Monate regelmäßig nach ihnen gesucht. Im O. sei bei ihnen der Entschluss gefallen, Syrien gemeinsam zu verlassen.
Der Kläger ist seit Februar E. auch in der Bundesrepublik in psychologischer Behandlung - zwischen 7. September E. und Ende des Jahres E. wurde diese ambulant in der P. (Q.) durchgeführt. Vom 7. bis zum 20. Dezember E. war er in stationärer Behandlung in der Psychiatrie in R.. Zwischen dem S. 2013 bis Mitte 2013 wurde er in der Institutsambulanz T. in A. /Linden medikamentös behandelt. Danach behandelte ihn Frau Dipl.-PsychU. aus A. - zunächst für zwei Monate probeweise - in einer in der Regel wöchentlich stattfindenden Gesprächstherapie. Die Kosten für 50 Therapiestunden wurden vom Sozialamt der Gemeinde V. am W. 2013 bewilligt. Von diesen wurde die erste am 28. Oktober 2013 durchgeführt. Sein Onkel lebt in A.. Der Kläger nahm seit seiner Ankunft in der Bundesrepublik Deutschland an exilpolitischen Demonstrationen gegen die syrische Regierung teil.
Mit Bescheid vom G. - zugestellt am 30. Juli E. - wies die Beklagte den Asylantrag des Klägers als unzulässig zurück und ordnete dessen Abschiebung nach Ungarn an. Zur Begründung führte sie aus, ein Abgleich der Fingerabdrücke des Klägers in der EURODAC-Datei habe Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der VO (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-VO) ergeben. Auf ein Übernahmeersuchen an Ungarn vom X. E. hätten die ungarische Behörden ihre Zuständigkeit des Asylantrags nach Art. 16 Abs. 1 c) Dublin-VO erklärt. Der Asylantrag sei deshalb gemäß § 27a AsylVfG unzulässig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die sie veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Die Abschiebungsanordnung folge aus § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG. Gegen seinen Bruder erließ die Beklagte einen inhaltsgleichen Bescheid selben Datums, gegen den dieser Klage erhob (AZ: 2 A 4823/12).
Der Kläger hat gegen den an ihn gerichteten Bescheid am 2. August E. Klage erhoben und am 24. Juli E. um einstweiligen Rechtschutz (2 B 4693/12) nachgesucht. Mit Beschluss vom 3. August E. hat der zuständige Einzelrichter der erkennenden Kammer die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet, da auf Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung das private Aufschubinteresse das Vollzugsinteresse überwiege. Es lasse sich vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht abschließend feststellen, ob dem Kläger in Ungarn eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe.
Der Kläger hält den Bescheid für rechtswidrig. Eine Überstellung nach Ungarn komme aufgrund der Pflicht der Beklagten zum Selbsteintritt nicht in Betracht und er habe gegen sie einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Ein Zugang zum Asylverfahren sei für Dublin-Rückkehrer nicht gewährleistet. Ihre Asylanträge würden als Folgeanträge gewertet, die keine aufschiebende Wirkung (mehr) hätten. Auch würden sie regelmäßig inhaftiert - er habe auch einen Gefängnisaufenthalt in Ungarn gehabt und sei von dem entsprechenden Personal schlecht behandelt worden. Ferner sei das Aufnahmesystem in Ungarn völlig überlastet, so dass der Zugang zu ärztlicher Versorgung und die Gewährung von menschenwürdiger Unterkunft nicht gewährleistet seien. Aufgrund einer zum 1. Juli 2013 in Kraft getretenen gesetzlichen Änderung in Ungarn drohe ihm eine mehrmonatige Inhaftierung. Im Falle des Selbsteintrittsrechts der Bundesrepublik sei ihm schon aufgrund seiner exilpolitischen Aktivitäten die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Für den Fall, dass kein Fall des auszuübenden Selbsteintrittsrechts vorläge, trägt er hilfsweise vor, er sei psychisch erkrankt und sei in der Bundesrepublik behandlungsbedürftig. Bei einer Abschiebung nach Ungarn drohe eine psychische Dekompensation mit der Gefahr der Selbsttötung - diesbezüglich hat er Stellungnahmen der Q. vom 2. November sowie 17. Dezember E. eingereicht, die bei ihm eine mittelgradige Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS, F 43.1G) sowie eine schwere depressive Episode mit mittelgradiger Suizidalität (F 32.2) diagnostizieren. Zur Behandlung dieser Erkrankungen sei er nach Ansicht der Q. auf ein stabiles Umfeld angewiesen. Insbesondere sei sein Onkel hierbei eine wichtige Stütze. Sein gesundheitlicher Zustand habe sich in der Folgezeit erheblich verschlechtert, daher habe er sich wegen akuter Selbsttötungsgefahr in der Zeit vom 7. bis zum 20. Dezember E. in stationärer Behandlung in der Psychiatrie R. befunden. In der eingereichten, fachärztlichen Stellungnahme vom X. 2013 von seinem Aufenthalt in der Institutsambulanz T. in A. /Linden wird berichtet, dass er durch medikamentöse Behandlung und mehrere psychologische unterstützende Gespräche soweit stabilisiert werden konnte, dass eine ambulante psychotherapeutische Behandlung wieder möglich sei. Die Diagnose der Q. wird geteilt. In ihrer eingereichten Stellungnahme vom Y. 2013 gibt Frau Dipl.-Psychologin Z. an, dass er in eklatantem Maße unter den erlebten Traumata leide.
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom G. aufzuheben, und sie zu verpflichten, sein Asylverfahren in Deutschland durchzuführen; ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG zuzuerkennen,
2. hilfsweise, festzustellen, dass in seiner Person Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 7 S. 2 AufenthG vorliegen,
3. hilfsweise, festzustellen, dass in seiner Person Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, 7 S. 1 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt der Klage aus den Gründen des angefochtenen Bescheids entgegen und ergänzt, dass die eingereichten ärztlichen Stellungnahmen nicht ausreichten, um ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis zu begründen. Auch seien psychische Erkrankungen in Ungarn adäquat behandelbar. Ferner sei der Vortrag bei der Asylantragsstellung unglaubhaft gewesen - es sei lebensfremd nicht zu wissen, in welchem Land er sich nach der Ausreise aus der Türkei aufgehalten habe. Auch hätte er unter einer Aliasidentität in Ungarn einen Asylantrag gestellt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat teilweise Erfolg. Sie ist teilweise zulässig (hierzu unter I.) und insoweit auch teilweise begründet (hierzu unter II.). Die Verpflichtungsanträge sind unzulässig (hierzu unter III.).
I. Die am 2. August E. erhobene Klage ist teilweise zulässig.
Sie ist unzulässig hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens des Klägers und zulässig bezogen auf sein darin enthaltenes Anfechtungsbegehren. Sie ist entgegen des Antrags des Klägers nicht als Verpflichtungsklage, sondern lediglich als „isolierte“ Anfechtungsklage gegen die Entscheidungen der Beklagten nach § 27a AsylVfG und § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG, die Verwaltungsakte im Sinne von § 35 VwVfG i.V.m. § 1 Nds. VwVfG darstellen, statthaft (vgl. Urteil der erkennenden Kammer vom AA. - noch nicht veröffentlicht).
Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim sieht die Verpflichtungsklage „auf Durchentscheidung“ des Gerichts unter Aufhebung der Entscheidungen nach § 27a AsylVfG und § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG als statthafte Klageart an (vgl. Urteil vom 19. Juni E. - A 2 S 1355/11 -, juris). Das Gericht spreche nach § 113 Abs. 6 S. 1 VwGO, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten begünstigenden Verwaltungsaktes rechtswidrig und der Kläger in seinen Rechten verletzt sei, die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde zum Erlass des Verwaltungsaktes aus, wenn die Sache spruchreif sei. Dabei habe grundsätzlich das Gericht die Sache vollständig spruchreif zu machen, § 86 Abs. 1 VwGO. Das Gericht dürfe sich auch in einem solchen Fall nicht damit begnügen, die Ablehnung aufzuheben, sondern habe die notwendigen Prüfungen und Feststellungen selbst vorzunehmen und sodann abschließend in der Sache zu entscheiden. Nach Auffassung einer Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig gelte dies insbesondere, wenn der Kläger wie hier sogar im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt bereits zu den Gründen seiner Asylantragstellung befragt worden ist (vgl. Urteil vom 2K. 2013 - 2 A 126/11 - www.asyl.net).
Die erkennende Kammer sieht im Gegensatz zu dieser Ansicht eine isolierte Anfechtungsklage als statthafte Klageart an (so auch GK-AsylVfG, Kommentar, § 34a Rn. 64; Bergmann/Renner/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 27a AsylVfG RZ 4; VG Augsburg, Urteil vom W. E. - Au 6 K 12.30155, juris; VG Frankfurt/Oder, Urteil vom 28. November E. - 3 K 525/11.A -, juris). Im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die - hier schon erfüllte - Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG in Verbindung mit § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist (vgl. im Fall der Verfahrenseinstellung nach § 33 AsylVfG: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995, 9 C 264/94 -, juris). Im Übrigen führt ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 GG zumindest bedenklich wäre. Diese Wertung steht auch nicht im Widerspruch der Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Pflicht der Gerichte, auch im Asylverfahren die Sache spruchreif zu machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171). Denn diese Entscheidung war bezogen auf die verfahrensrechtliche Behandlung von Asylfolgeanträgen ergangen. Da diese vom Gesetzgeber ausdrücklich wie Anträge auf Wiederaufgreifen des Verfahrens ausgestattet seien und § 51 VwVfG anwendbar sei, sei auch kein besonderes Asylprozessrecht anzuwenden, sondern die Sache spruchreif zu machen. § 27a AsylVfG ist aber keiner Figur des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts nachgebildet. Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheides und der hierauf gestützten Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers von ihr in der Sache zu prüfen.
Aus diesem Grund ist neben der „isolierten“ Anfechtungsklage der Entscheidungen nach § 27a AsylVfG und § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG kein Annexantrag gemäß § 113 Abs. 4 VwGO auf Verurteilung der Beklagten zur Durchführung eines Asylverfahrens statthaft (so aber VG Bremen, Gerichtsbescheid vom 14. Mai 2013 – 6 K 412/11.A –, juris). Damit ist auch der Ansicht anderer Verwaltungsgerichte eine Absage zu erteilen, die sich für eine Verpflichtungsklage auf Durchführung des Asylverfahrens aussprechen (vgl. VG Sigmaringen, Urteil vom 26. Oktober 2009 - A 1 K 1757/09 -, juris; VG Braunschweig, Urteil vom 2K. 2013 - 7 A 57/11 -, juris).
II. Die Klage ist - soweit sie zulässig ist - teilweise begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26. Juni E. ist teilweise rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Entscheidung nach § 27a AsylVfG (hierzu unter 1.) ist rechtmäßig und die nach § 34a AsylVfG (hierzu unter 2.) rechtswidrig.
1. Der Asylantrag ist unzulässig. Dies ist nach § 27a AsylVfG der Fall, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
Dabei ist die Bundesrepublik nicht nach Art. 7 Dublin-VO für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig. Danach hat ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, in dem der Asylbewerber einen Familienangehörigen hat. Zwar lebt der Onkel des Klägers in der Bundesrepublik. Aber die Regelung des Art. 7 Dublin-VO fasst unter dem Familienbegriff gemäß Art. 2 i) bis iii) lediglich Ehegatten, nicht verheiratete Partner, Vater, Mutter, Vormund und Kind.
Vielmehr ist Ungarn nach Art. 10 Abs. 1 Dublin-VO für die Prüfung des Asylverfahrens des Klägers zuständig. Danach ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, dessen Land-, See- oder Luftgrenze ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend illegal überschritten hat. Der Kläger ist von Syrien über die Türkei hin nach Ungarn gereist.
Die Beklagte ist nicht aus Art. 20 Abs. 2 S.1 i.v.m. Art. 16 Abs. 1 c) Dublin-VO zuständig geworden. Nach Art. 20 Abs. 1 Dublin-VO ist die Frist des Art. 20 Abs. 2 Dublin-VO für die Rücküberstellung zu beachten, wenn unter anderem ein Fall des Art. 16 Abs. 1 c) Dublin-VO vorliegt - demnach ein unerlaubtes Aufhalten eines Antragstellers auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates während der Prüfung seines Asylantrags. Ungarn hat erklärt, dass der Kläger bei seinem dortigen Aufenthalt einen Asylantrag gestellt hat. Es gibt keinen Anhaltspunkt an dieser Angabe zu zweifeln. Nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 Dublin-VO erfolgt die Überstellung des Antragstellers in den zuständigen Mitgliedstaat regelmäßig innerhalb einer Frist von sechs Monaten. Wird die Überstellung nicht innerhalb dieser Frist durchgeführt, geht die Zuständigkeit gemäß in den Mitgliedsstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde - mithin die Bundesrepublik. Diese Frist kann nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 und 3 verlängert werden. Der Lauf der Überstellungsfrist hat hier nicht begonnen. Denn diese beginnt erst zu laufen, wenn in der Hauptsache über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids entschieden worden ist (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 –, juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 02. August E. – 4 MC 133/12 –, juris). Die vorliegende Klage ist ein Rechtsbehelf, dem aufgrund des Beschlusses vom 3. August E. (2 B 4693/12) aufschiebende Wirkung zukommt.
Die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags des Klägers ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 Dublin-VO. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedsstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist, und wird dadurch zum zuständigen Mitgliedsstaat im Sinne der Verordnung. Ob ein Mitgliedsstaat vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist (vgl. EuGH, Urteil vom 21. O. - C-411/10 -, juris). Eine Verdichtung des Selbsteintrittsrechts eines Mitgliedsstaates zu einer entsprechenden Pflicht und ein damit korrespondierendes Recht eines Asylbewerbers kommt daher nur in Betracht, wenn ein vom „Konzept der normativen Vergewisserung“ (vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 -, juris) bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (vgl. EuGH, a.a.O.) nicht aufgefangener Sonderfall offensichtlich vorliegt. Grundlage und Rechtfertigung des gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist die Vermutung, dass das Asylverfahren und die Aufnahme der Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat in Einklang stehen mit den Anforderungen der Grundrechte-Charta, der GFK und der EMRK. Das bedeutet aber nicht, dass jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Beachtung der Bestimmungen der Dublin-VO hinfällig werden lässt. Das ist vielmehr erst dann der Fall, wenn das
Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedsstaat grundlegende, systembedingte Mängel aufweisen, die gleichsam zwangsläufig eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union der in diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber befürchten lassen (vgl. EuGH, a.a.O.). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist eine Behandlung unmenschlich, wenn sie absichtlich über Stunden erfolgt und entweder tatsächliche körperliche Verletzungen oder schwere körperliche oder psychische Leiden verursachte (vgl. EGMR Urteil vom 21. Januar 2011 Nr. 30696 - M.S.S. ./. Belgien und Griechenland, EuGRZ 2011, 243/244). Erniedrigend ist eine Behandlung, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und dadurch fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert, oder wenn sie Gefühle der Angst, Furcht oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder physischen Widerstand der Person zu brechen (vgl. EGMR a.a.O.). Demgegenüber ist die Frage, inwieweit ein Konventionsstaat Flüchtlingen eine Unterkunft und eine finanzielle Unterstützung gewährt, grundsätzlich politischer und nicht rechtlicher Natur. Ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK kann jedoch vorliegen, wenn der Flüchtling vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig ist und einer behördlichen Gleichgültigkeit gegenübersteht, obwohl er sich in extremer materieller Armut und Bedürftigkeit befindet, so dass dies mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. EGMR a.a.O.).
Ausgehend hiervon spricht eine Vermutung dafür, dass dem Kläger in Ungarn ein ordnungsgemäßes Asylverfahren zuteil wird. Diese Vermutung ist im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) nicht widerlegt worden.
Denn nach Auswertung der zur Verfügung stehenden (aktuellen) Erkenntnisquellen gelangt die Kammer zu der Einschätzung, dass das Asylverfahren in Ungarn keine landesweiten und dauerhaften Mängel aufweist, die nicht mit den Erfordernissen von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Einklang stehen (im Ergebnis ebenso: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. Mai 2013 - 4 L 169/12 -, juris; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. August 2013 - 12 S 675/13 -, juris; VG Augsburg, Beschluss vom 25. Juli 2013 – Au 7 S 13.30210 –, juris; VG Regensburg, Beschluss vom 12. April 2013 - RO 9 S 13.30114 -, juris; Verwaltungsgericht Potsdam, Beschluss vom 26. Februar 2013 - 6 L 50/13.A -, juris; Verwaltungsgericht Trier; Beschluss vom 15. Januar 2013 - 5 L 51/13.TR -, juris ).
Bis Ende des Jahres E. erfüllte Ungarn die unionsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich des Asylverfahrens nicht. Insbesondere aus dem UNHCR Positionspapier vom April E. und dem Bericht von Pro Asyl vom 15. März E. ergab sich, dass Misshandlungen in der Haft und Ruhigstellung renitenter Flüchtlinge mittels Medikamenten regelmäßig zu beobachten gewesen sind (vgl. www.unhcr.de/home/artikel/fb7213ec516ae34a4677150a85e35ed3/bericht-zur-situation-von-asylsuchenden-in-ungarn.html und www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/E. /Ungarnbericht_3_E. _Web.pdf). Gerade nach der Dublin-II-Verordnung an Ungarn überstellte Asylbewerber müssten mit ihrer Inhaftierung und Abschiebung rechnen (vgl. VG Trier, Urteil vom 30. Mai E. - 5 K 967/11.TR -, juris). Der Leiter des österreichischen Büros des UNHCR hatte in einer Stellungnahme vom 3. Februar E. an den österreichischen Asylgerichtshof ausgeführt, dass Asylsuchende, die - wie der Kläger - aufgrund der Dublin II-Verordnung nach Ungarn rücküberstellt werden, unmittelbar nach ihrer Überstellung nach Ungarn regelmäßig eine Abschiebungsverfügung erhalten und darauf basierend in der Regel inhaftiert werden (vgl. www.ecoi.net/file_upload/90_1328611178_unhcr-E. -02-03-coi-hu-update.pdf). Eine derartige Praxis wird letztlich auch durch eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 9. November 2011 - 508-9-516.80/46875 - an das Verwaltungsgericht Regensburg im dortigen Verfahren RO 4 K 11.30204 bestätigt.
Die Einschätzung ist aber ab dem Jahr 2013 nicht mehr geboten. Der ungarische Staat hat mit einer Gesetzesreform ab Januar 2013 diese Missstände behoben. Nach dem Update des UNHCR-Berichts vom April E. im Dezember E. (vgl. www.refworld.org/pdfid/50d1d13e2.pdf) sollen nunmehr die Asylgründe von Asylsuchenden auch inhaltlich geprüft werden und die Praxis, Dublin II-Rückkehrer in Haft zu nehmen, solle eingestellt werden. Der EGMR hat bestätigt, dass - nunmehr - keine unionswidrige Asylpraxis in Ungarn mehr zu befürchten sei (vgl. Urteil vom 6. Juni 2013 - Mohammed gegen Österreich, 2283/12 -, asyl.net). Auch eine aktuelle Stellungnahme des Helsinki-Komitees vom 1. Juli 2013 legt nahe, dass sich nach Änderung der Rechtslage zum Januar 2013 auch die Asylpraxis in Ungarn grundlegend geändert habe und die Missstände behoben seien (vgl. http://helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC-update-hungary-asylum-1-July-2013.pdf).
Diese positive Entwicklung ist auch nicht mittlerweile wieder überholt durch die Änderung des ungarischen Asylrechts zum 1. Juli 2013. Mit dem Bill T/11207 (vgl. Zusammenstellung der Regeln im Bericht des Helsinki-Komitees vom 1. Juli 2013, a.a.O.; Asylmagazin 6/2013, Seite 185) wurde das Asylsystem in Ungarn mit Wirkung zum 1. Juli 2013 erneut grundlegend reformiert. Es wurden umfassende Gründe für die Inhaftierung von Asylsuchenden geschaffen.
Aus folgenden Gründen kann eine solche Inhaftnahme erfolgen:
- Überprüfung der Identität- und der Abstammung des Asylbewerbers,
- Behinderung des Asylverfahrens durch den Asylbewerber,
- Gewinnung der für die Prüfung des Asylantrags notwendigen Informationen, wenn ernsthafte Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylbewerber das Verfahren behindern oder hinauszögern will,
- Wahrung der nationalen Sicherheit und Ordnung,
- Asylantragsstellung auf dem Flughafen,
- mehrfache Nichterfüllung von Obliegenheiten durch den Asylbewerber.
Unbegleitete Minderjährige dürfen allerdings nicht inhaftiert werden. Ausnahmen für andere verletzliche Personen (Folteropfer, traumatisierte Flüchtlinge und vergewaltigte Frauen etc.). sind nicht vorgesehen. Die oben genannten Haftgründe sind unbestimmt formuliert. Nach Auffassung des Helsinki-Komitees (vgl. Bericht vom 1. Juli 2013, a.a.O.) werde diese Reform „unzweifelhaft“ zu einer „signifikanten Steigerung“ der Zahl der inhaftierten Asylsuchenden führen - dies gelte umso mehr vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen mit der Asylpraxis in Ungarn. Ähnlich argumentiert auch die Flüchtlingsorganisation bordermonitoring.eu in ihrem Bericht vom 2. Oktober 2013 (vgl. www.bordermonitoring.eu, Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, S. 10):
„...Aussagen über die Haftbedingungen unter der neuen Gesetzeslage können an dieser Stelle noch nicht getroffen werden. Die gut dokumentierten Missstände, die in der Vergangenheit auftraten, lassen allerdings befürchten, dass auch unter dem neuen Gesetz die Inhaftierungsbedingungen mangelhaft sein werden und eventuell sogar als Verstoß gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK („Verbot der unmenschlichen und erniedrigenden Strafe oder Behandlung“) gewertet werden müssen…“
Insbesondere sei mit einer Inhaftierung von Dublin II-Rückkehrern zu rechnen, da diese durch das Verlassen von Ungarn nach Art. 16 Abs. 1 c) Dublin-VO unerlaubt das Hoheitsgebiet verlassen hätten und somit bei nicht verhältnismäßiger Auslegung den Haftgrund „Behinderung des Asylverfahrens durch den Asylbewerber“ erfüllten. Dieser Einschätzung schließt sich die Kammer nicht an. Denn es spricht eine Vermutung dafür, dass Ungarn als EU-Staat sein Ermessen hinsichtlich einer Inhaftierung sachgerecht ausüben wird. Dies wird auch an dem Umstand deutlich, dass Ungarn seine unionsrechtswidrige Asylpraxis ab Januar 2013 eingestellt hat. Es sind bislang auch keine Fälle bekannt, in denen der ungarische Staat sein Ermessen hinsichtlich der Haftgründe so ausgestaltet hat, dass Art. 18 der Richtlinie 2005/85/EG verletzt wurde, der bestimmt, dass die Mitgliedstaaten eine Person nicht allein deshalb in Gewahrsam nehmen dürfen, weil sie ein Asylbewerber ist. Die aktuelle Praxis der Ermessensausübung ist noch nicht bekannt. Dies wird auch bei der vorherig zitierten Aussage von bordermonitoring.eu - immerhin mit die aktuellste Erkenntnisquelle - deutlich. Auch die Stellungnahme des UNHCR vom 2. Oktober 2013 (vgl. http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=13816&LangID=E), wonach die Inhaftierung von Asylbewerbern eher die Regel als die Ausnahme sei, liefert keinen Beleg dafür, dass diese Inhaftierungen auf einer unverhältnismäßigen Ermessensausübung beruhen.
Bei der Haftanordnung von Asylsuchenden existiert eine effektive Rechtschutzmöglichkeit. Zwar kann ein Betroffener die Haftanordnung nicht isoliert anfechten, er kann aber Gründe, die für die Rechtswidrigkeit sprechen, im Rahmen eines automatisiert im 60-Tage-Rhythmus durchzuführenden gerichtlichen Bewertungssystems geltend machen. Soweit der UNHCR in seiner Stellungnahme vom 2. Oktober 2013 ausführt, dass die Mandatierung eines Rechtsanwalts schwierig sei und manchmal von der Polizei vereitelt werde, so spricht dies nicht für eine systemwidrige Vereitelung von Rechtschutzmöglichkeiten, da der UNHCR keine Angabe zur Häufigkeit dieses Polizeiverhaltens machen kann. Weiterhin äußert er sich aber auch positiv hinsichtlich der Möglichkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts (vgl. Bericht vom 2. Oktober 2013, a.a.O.):
“…We are however pleased that there is legal assistance being offered by certain civil society organisations and that the presence of their legal advisors can be found throughout the country and not just in the capital...”
Ob die Haftprüfungsrichter ein faires Verfahren ermöglichen, kann bordermonitoring.eu nicht belegen (Vergleich Bericht vom 2. Oktober 2013, S. 10, a.a.O). Die Flüchtlingsorganisation ist diesbezüglich skeptisch aufgrund der früheren, zur alten Rechtslage ergangenen Spruchpraxis der Gerichte. Auch das ARD-Europamagazin vom 12. Oktober 2013 hinterfragt, ob ein faires Verfahren durchgeführt werden kann (vgl. http://www.ardmediathek.de/das-erste/europamagazin/ungarn-menschenrechtswidrige-haft-fuer-asylbewerber?documentId=17552636). So stellt es in seinem Beitrag dar, dass die Haftprüfung wohl nicht individualisiert durchgeführt werde, weil mehr als 30 Fälle zugleich von einem Richter entschieden werden müssten und die Verhandlungen diesbezüglich Sammeltermine darstellten. Diese Befürchtungen sind kein eindeutiger Beleg für eine unionsrechtswidrige Spruchpraxis. Die Vermutungsregel, wonach Ungarn als EU-Staat ein faires Gerichtsverfahren ermöglicht, wird nicht widerlegt.
Auch die Unterkunftssituation der Asylsuchenden in Ungarn steht zumindest ab der zweiten Hälfte des Jahres 2013 in Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben. Zwar hatte das UNHCR Positionspapier vom April E. und der Bericht von Pro Asyl vom 15. März E. festgestellt, dass die Unterkunftsmöglichkeiten für Asylbewerber in Ungarn weit unter den europäischen Standards lägen. Auch berichtet das Helsinki-Komitee (vgl. Bericht vom 1. Juli 2013, a.a.O.), es gebe aufgrund der stark gestiegenen Zahlen an Asylbewerbern in der ersten Hälfte des Jahres 2013 eine signifikante Überbelegung der Aufnahmeeinrichtungen. Allerdings sei auch Abhilfe geschaffen worden, denn im Sommer 2013 solle auf einer alten Militärbasis eine neue (große) Aufnahmeeinrichtung errichtet werden. Es ist nicht bekannt, dass diese Planung nicht umgesetzt wurde.
Weiterhin ist die medizinische Versorgung jedenfalls dann gewährleistet, wenn eine Unterbringungsmöglichkeit für die Asylbewerber besteht (vgl. Bericht von Pro Asyl vom 15. März E., a.a.O.). Bordermonitoring.eu (vgl. Bericht vom 2. Oktober 2013, a.a.O., S. 21) konstatiert zwar eine schlechte Behandelbarkeit von PTBS-Patienten in Ungarn unter Rückgriff auf den UNHCR. Dies könnte auch im Hinblick auf die medizinische Versorgung dieser Gruppe an Schutzbedürftigen - psychisch erkrankte Personen, die an einer PTBS leiden - einen Systemmangel des Asylverfahrens in Ungarn bedeuten mit der Folge, dass die Bundesrepublik bei Asylbewerbern, die zu diesem Personenkreis gehören, von seinem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-VO Gebrauch machen muss. Doch bordermonitoring.eu räumt ein, dass eine PTBS in drei Zentren in Ungarn behandelbar ist (vgl. Bericht vom 2. Oktober 2013, a.a.O., S. 21) - in Bicske, Debrecen und Békéscaba. Es spricht auch hier die Vermutung dafür, dass Ungarn als EU-Mitgliedstaat Asylbewerber, die an einer PTBS leiden, in diese Zentren verweist. Voraussetzung hierfür ist, dass die Bundesrepublik Deutschland bei der Durchführung der Abschiebung die zuständigen ungarischen Behörden über die Erkrankung des Asylbewerbers informiert - dies wird sie aus Fürsorgegesichtspunkten auch regelmäßig machen. Damit ist für Asylbewerber, die an einer PTBS leiden, die medizinische Versorgung gesichert (vgl. für dieselbe Argumentation im Hinblick auf Italien: EGMR, Beschluss vom 18. Juni 2013, Halimi gegen Österreich - 53852/11 -, ZAR 2013, 338).
Eine beachtliche Unterschreitung der von dem Unionsrecht vorgesehenen Mindestanforderungen kann deshalb zum gegenwärtigen Zeitpunkt insgesamt nicht ausgemacht werden. Angesichts dieser Erkenntnislage drängt sich daher eine Durchbrechung des "Konzepts der normativen Vergewisserung" bzw. "Prinzips des gegenseitigen Vertrauens" und der darauf beruhenden unionsrechtlich vorgegebenen Zuständigkeitsordnung bezüglich Ungarns derzeit nicht auf.
Nach alledem ist der Bescheid hinsichtlich der Entscheidung nach § 27a AsylVfG nicht zu beanstanden.
2. Die Abschiebungsanordnung ist allerdings rechtswidrig.
Gemäß § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.
In Fällen, in denen der Asylbewerber wie hier in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden soll, hat das Bundesamt vor Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG (inzident) auch zu prüfen, ob Abschiebungshindernisse bzw. -verbote oder Duldungsgründe vorliegen. Anders als bei der Entscheidung über Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG im Zusammenhang mit dem Erlass einer Abschiebungsandrohung (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 - BVerwGE 105, 383, und vom 11. November 1997 - 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) ist es nicht auf die Prüfung von so genannten „zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten“, hier also solchen bezüglich Ungarns, beschränkt. § 34a AsylVfG bestimmt ausdrücklich, dass das Bundesamt die Abschiebung anordnet „sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann“. Die Abschiebungsanordnung - als Festsetzung eines Zwangsmittels - darf damit erst ergehen, wenn alle Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Abschiebung nach § 27a AsylVfG i.V.m. § 34a AsylVfG erfüllt sind (vgl. GK-AsylVfG, § 34a Rn. 22; zu den außerhalb des Konzepts normativer Vergewisserung zu berücksichtigenden Umständen siehe auch BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 und 2315/93 - BVerfGE 94, 49). Denn sie ist die letzte Voraussetzung für die Anwendung des Zwangsmittels, hier der Abschiebung. Weiterhin spricht für eine Zuständigkeit des Bundesamtes zur Feststellung inlandsbezogener und zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse das Beschleunigungsgebot aus der Dublin-VO. Das Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedsstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, soll nach diesen Regelungen zügig durchgeführt und möglichst kurzfristig abgeschlossen werden (vgl. die kurzen Fristen von Art. 20 Abs. 1 b) und Art. 19 Abs. 3 Dublin-VO). Diesem Beschleunigungsgebot würde es entgegenstehen, wenn im Rahmen der Anordnung der Abschiebung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG die Prüfungskompetenz für inlandsbezogene Abschiebungshindernisse und für zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse aufzuspalten und unterschiedlich Behörden - dem Bundesamt und der Ausländerbehörde - mit entsprechenden Feststellungen zu beauftragen.
Das bedeutet, dass das Bundesamt vor Erlass der Abschiebungsanordnung gegebenenfalls sowohl zielstaatsbezogene Aspekte als auch der Abschiebung entgegenstehende inländische Vollzugshindernisse zu berücksichtigen, mithin unter anderem zu prüfen hat, ob die Abschiebung in den Drittstaat aus subjektiven, in der Person des Ausländers liegenden Gründen - wenn auch nur vorübergehend - rechtlich oder tatsächlich möglich ist (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris ; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 02. Mai E. – 13 MC 22/12 –, juris; GK-AsylVfG, § 34a Rn. 15).
Hier hat es die Beklagte verkannt, die Abschiebung nach § 60a Abs. 2 S. 1 1. Alt AufenthG auszusetzen. Die Abschiebung ist derzeit aus tatsächlichen Gründen unmöglich.
Der Kläger leidet an einer PTBS (F 43.1G) und kann daher derzeit die Bundesrepublik Deutschland nicht verlassen - es liegt ein inländisches Vollzugshindernis vor. Dies ist eindeutig den vom Kläger vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen der Q. zu entnehmen. Darin ist im Einzelnen dargestellt worden, dass der Kläger unter den in der Beschreibung in Kapitel V (F 43.1 ICD-10 GM) der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (German Modification Version 2013) durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wiedergegebenen typischen Symptomen einer PTBS leidet. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten.
Die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Substantiierung eines fachärztlichen Gutachtens hinsichtlich einer PTBS (vgl. BVerwGE 129, 251 ff.) erfüllen die Stellungnahmen der Q.. Angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptome fordert das Bundesverwaltungsgericht regelmäßig, dass sich aus der ärztlichen Stellungnahme nachvollziehbar zu ergeben hat, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren soll auch Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) gegeben werden. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so sind die Substantiierungsanforderungen nochmals erhöht. Die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätze ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen (vgl. BVerwG 1 B 205.93 - Buchholz 451.20 § 14 GewO Nr. 6).
Die fachärztlichen Stellungnahmen der Q. sind in sich schlüssig und ohne Weiteres nachvollziehbar. Sie enthalten in ihrer Gesamtheit neben einer Darstellung der Krankheitsvorgeschichte auf der Grundlage der Angaben des Klägers eine Schilderung der eigenen Befunderhebung der Ärztin, die sich allein in dem dokumentierten Zeitraum der vergangenen Monate wöchentlich mit Behandlungssitzungen mit dem Patienten befasst und insoweit zu einer eindeutigen Diagnose gelangt ist. Daneben enthalten die Berichte auch aussagekräftige Ausführungen zu den derzeitigen psychiatrischen, medikamentösen und physikalischen Therapien des Klägers und dem geplanten weiteren Behandlungsverlauf. Die Diagnose stützt sich auf das Vorliegen bestimmter – im Einzelnen dargelegter – Kriterien bzw. Symptome, wie sie vom Kläger beschrieben und im Rahmen der Exploration und im Verlauf der Behandlung deutlich beobachtbar gewesen sind. Zwar enthalten die fachärztlichen Stellungnahmen der Q. keine Angaben über etwaige Schlüsselerlebnisse des Klägers, die zu der Erkrankung geführt haben. Allerdings wird dieser Umstand auch nachvollziehbar erklärt: Bei Versuchen, das Erlebte bezüglich der traumatischen Erfahrung näher zu explorieren, sei der Kläger in einen Schockzustand verfallen, in dem er kaum noch sprechen habe können. Das Erinnern an die jeweiligen Situationen würde bei ihm derartig bedrohliche Erinnerungsbilder provozieren, dass der Kläger dabei retraumatisiert werde.
Da der Kläger nach eigenen Angaben sowohl schon in Syrien in psychologischer Behandlung war, als auch unmittelbar nach der Ankunft in der Bundesrepublik Deutschland und diesen Sachverhalt der Beklagten bei der Anhörung mitgeteilt hat, gelten für ihn auch nicht die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten nochmals erhöhten Substantiierungsanforderungen.
Als Prognose stellt die Q. fest, dass im Hinblick auf den fortgeschrittenen Grad der PTBS-Symptome und angesichts der akuten depressiven Symptomatik im Fall eines Abbruchs der Behandlung mit einer erheblichen Verschlechterung des Krankheitsbilds zu rechnen sei. Für die weitere psychische Entwicklung des Klägers werde es in hohem Maße auf die stabilen Lebensumfeld-Bedingungen und einer Bindungssicherheit zu den unmittelbaren Bezugspersonen ankommen - unter anderem sei hier der in A. lebende Onkel zu erwähnen. Diese Behandlungsempfehlung ist nachvollziehbar und wird von der Kammer geteilt. Die weitere Entwicklung des Krankheitsbildes des Klägers belegt auch ihre Richtigkeit. Denn seine gesundheitliche Verfassung hatte sich in der Folgezeit verschlechtert, so dass er vom 7. Bis zum 20. Dezember E. wegen akuter Selbsttötungsgefahr in stationärer Behandlung war. Diese Suizidgedanken sind nach dem Vorangehenden typisch für das Krankheitsbild einer PTBS. Sein Aufenthalt in der Institutsambulanz Wahredorff konnte ihn mithilfe von Medikamenten wieder stabilisieren, so dass er nunmehr einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung bei Frau Dipl.-Psychologin Z. nachgehen kann. Dabei stehen ihre aktuellen fachärztlichen Stellungnahmen und die des behandelnden Arztes der Institutsambulanz AB. nicht im Widerspruch zu den Ausführungen der Q. - im Gegenteil, letzterer diagnostizierte dieselbe Krankheit wie die Q.. Die Kammer konnte sich bei der mündlichen Verhandlung vom 7. November 2013 auch vom niedergeschlagenen psychischen Zustand des Klägers überzeugen. Er bestätigte, dass ihm die Therapie und die Unterstützung durch seinen Onkel gut täten und er ohne diese sich „etwas angetan hätte“. Unter Zugrundelegung aller Umstände droht dem Kläger bei einem Verlassen der Bundesrepublik eine psychische Dekompensation mit der Gefahr der Selbsttötung. Somit ist eine Abschiebung derzeit aus tatsächlichen Gründen nicht möglich.
Auf die Frage, ob beim neben der PTBS eine depressive Episode mit mittelgradiger Suizidalität (F 32.2) vorliegt, kam es daher nicht an.
Die Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führt dazu, dass der Kläger zwar (derzeit) nicht abgeschoben werden kann, aber dies die in Art. 20 Abs. 2 S. 1 Dublin-VO geregelte Frist von sechs Monaten für die Überstellung nicht hemmt. Denn über die Rechtmäßigkeit nach § 27a AsylVfG ist mit diesem Urteil in der Hauptsache entschieden worden. Ob für den Fristbeginn, die gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache bereits ausreichend ist oder es darüber hinaus der Rechtskraft dieser bedarf (so der Hessischer VGH, Beschluss vom 23. August 2011 - 2 A 1863/10.Z.A.-, juris; vom OVG Lüneburg offen gelassen: Beschluss vom 02. August E., a.a.O.), brauchte von der Kammer nicht entschieden zu werden. Jedenfalls wird der (derzeit) unzulässige Asylantrag nach § 27a AsylVfG bei Ablauf der sechsmonatigen Frist „wieder“ zulässig, weil die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens nach der Dublin-VO auf die Bundesrepublik fallen würde.
III. Die Hilfsanträge, die - soweit der Hauptklageantrag unzulässig ist - zu prüfen sind, sind aus den in I. genannten Gründen unzulässig. Denn es kann lediglich eine Aufhebung der Entscheidungen nach § 27a und § 34a AsylVfG begehrt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylVfG. Dabei folgt die Kammer der vom Bundesverwaltungsgericht praktizierten Kostenquotelung im Asylprozess (vgl. BVerwGE 131, 198). Das Verhältnis der Begehren auf Anerkennung als Asylberechtigter gem. Art 16a GG, hilfsweise auf Zuerkennung der Flüchtlingsei-genschaft aus § 60 Abs. 1 AufenthG und der wiederum hilfsweise hierzu beantragten Feststellung von Abschiebungsverboten beträgt jeweils ein Drittel, wovon auf die Fest-stellung von Abschiebungsverboten nach europäischen, hilfsweise nationalem Recht jeweils ein Sechstel entfällt. Letzter Fall liegt hier im inlandsbezogenen Abschiebungs-hindernis vor.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 ZPO.