Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 07.06.2005, Az.: 1 A 82/03

Ablösung; Ablösungsvereinbarung; Anbaustraße; Anfechtung; Aufrechnung; Aufrechterhaltung; Einkommensteuer; Einkommensteuerbescheid; Erklärungsempfänger; Erledigung; Ermessen; Erschließungsaufwand; Erschließungsbeitrag; Erschließungsstraße; Finanzhilfen; Gebühr; Gebührenbescheid; Herstellung; Rechtsgrund; Rechtsschutzinteresse; Regelungswirkung; Straßenausbau; Straßenbaubeitrag; Teileinrichtung; Teilforderung; Umstellung; Veranlagung; Verjährung; Vorausleistung; Vorausleistungsbescheid; Wesensgehalt; Zahlungsgebot

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
07.06.2005
Aktenzeichen
1 A 82/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 50702
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1) Ein Straßenbaubeitragsbescheid/Erschließungsbeitragsbescheid löst einen Vorausleistungsbescheid ab und führt zur Erledigung des auf den Vorausleistungsbescheid gerichteten Anfechtungsbegehrens

2) Aufrechterhaltung eines Vorausleistungsbescheides für einen Straßenbaubeitrag mit Blick auf Erschließungsbeitragsrecht

Tatbestand:

1

Die Klägerin erwarb aufgrund eines am 10.1.1981 geschlossenen Kaufvertrages von der Gemeinde D. ein an der E. Straße in D. gelegenes und aus in den Flurstücken F. und G. der Flur H. der Gemarkung D. bestehendes insgesamt 1031 m² großes Grundstück. Der Kaufvertrag enthält in § 1 folgende Abrede:

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„Sie verkauft diese vorbezeichneten Flurstücke an die Erschienene zu 2) - im folgenden kurz "Käufer" genannt - zum Kaufpreis von 10,-- DM pro qm zuzügl. 8,-- DM Teilerschließungskosten, mithin 18.558,-- DM - in Worten: achtzehntausendfünfhundertachtundfünfzig  Deutsche Mark."

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Im Jahre 2002 entschied sich die Gemeinde D., die E. Straße auszubauen. Die E. Straße verfügte zu diesem Zeitpunkt nicht durchgängig über eine Beleuchtung und Gehwege. Vorgesehen war die Herstellung bzw. Erneuerung der Fahrbahn, der Gehwege, der Entwässerungseinrichtungen und der Straßenbeleuchtung. Die Beklagte berechnete die voraussichtlichen Ausbaukosten auf 660.000 €. Sie stufte die E. Straße als eine Straße mit starkem innerörtlichen Verkehr ein und errechnete nach Maßgabe ihrer Straßenausbaubeitragssatzung vom 8.8.2002 - SABS - (bei Anlegerbeitragssätzen für die einzelnen Teileinrichtungen von 30% bis 50%) einen von den Anliegern zu tragenden Aufwandsanteil in Höhe von 262.640 €. Bei einer von ihr zu Grunde gelegten Beitragsfläche von 84.606,39 m² ermittelte sie einen Beitragssatz von 3,10 € je Quadratmeter Beitragsfläche. Nach Maßgabe einer Entscheidung der Gemeinde D. zog sie die Eigentümer bzw. Erbbauberechtigtender der von ihr als bevorteilt angesehenen Grundstücke  zu einer Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag in Höhe von 2,20 € je Quadratmeter Beitragsfläche heran. Durch Bescheid vom 11.11.2002 setzte sie den Vorausleistungsbetrag für das Grundstück der Klägerin auf 2.268,20 € fest. Der Vorausleistungsbescheid enthält ein entsprechendes Zahlungsgebot, dem die Klägerin entsprochen hat.

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Die Klägerin widersprach unter dem 14.11.2002 mit im wesentlichen folgender Begründung: Gemäß dem Grundstückskaufvertrag vom 10.1.1981 habe sie Teilerschließungskosten in Höhe von 8,00 DM je Quadratmeter erbracht. 8,00 DM entsprächen 4,09 €, so dass sich in Bezug auf den voraussichtlichen endgültigen Straßenausbaubeitrag ein Guthaben von 711,39 € ergebe, um dessen Überweisung Sie bitte.

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Nach einem umfangreicheren Schriftwechsel wies die Beklagte den Widerspruch durch Bescheid vom 30.9.2003 mit dem Wesentlichen folgender Begründung zurück: Die E. Straße stehe seit Anfang der sechziger Jahre in der Straßenbaulast der Gemeinde D.. In der Folgezeit habe die Gemeinde Maßnahmen zur endgültigen Herstellung der Straße durchgeführt und habe dazu die Regenkanalisation für die Straßenentwässerung verlegt, Maßnahmen für die endgültige Herstellung der Fahrbahn ausgeführt und die Straßenbeleuchtung erstellt. Nach den Ausbauplänen solle jetzt die Fahrbahn komplett erneuert und hinsichtlich ihres Unterbaus auch verstärkt werden. Die Tragfähigkeit der Fahrbahn werde durch diese Maßnahme erhöht. Des Weiteren würden erstmalig Geh-/Radwege erstellt und wesentliche Erneuerungs- und Verbesserungsmaßnahmen an der Straßenentwässerung und der Beleuchtung vorgenommen werden. Durch die aufgrund des damaligen Grundstückskaufvertrages gezahlten Erschließungskosten habe die Klägerin ihre Erschließungsbeitragsschuld für die E. Straße in Höhe der Zahlung getilgt. Werde - wie hier - die Erneuerung oder Verbesserung einer vorhandenen Erschließungsanlage erforderlich, gehe es nicht mehr um die Erhebung von Erschließungsbeiträgen, sondern durch die Umlegung der dafür entstehenden Kosten würden diejenigen Vorteile abgegolten werden, die der jeweilige Eigentümer bzw. Erbbauberechtigte des Grundstücks durch die Inanspruchnahmemöglichkeit der erneuerten oder verbesserten Straße habe. Deshalb sei es auch nicht zulässig, früher einmal gezahlte Erschließungsbeiträge auf später entstehende Straßenausbaubeiträge anzurechnen. Soweit die Klägerin geltend mache, dass die seinerzeitige vertragliche Vereinbarung über die Zahlung von Teilerschließungskosten nicht rechtens gewesen sei und deshalb ein Rückerstattungsanspruch bestehe, sei dies in einem besonderen Verfahren zu klären.

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Die Klägerin hat am 22.10.2003 Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorträgt: Die im Grundstückskaufvertrag vom 10.1.1981 enthaltene Teilerschließungskostenvereinbarung sei nichtig. Auch die Beklagte sei dieser Auffassung. In Folge der Unwirksamkeit dieser Abrede stehe ihr in dieser Höhe ein bereicherungsrechtlicher Rückgewähranspruch zu, der auch noch nicht verjährt sei und mit dem sie die Aufrechnung erkläre. Die Verjährung richte sich hier nicht nach den für das Abgabenrecht maßgebenden Vorschriften, weil sich die Gemeinde D. im Jahre 1981 vertraglich auf die Gleichordnungsebene begeben und nicht durch einen Abgabenbescheid gehandelt habe. So sei für sie - die Klägerin - aus dem notariellen Vertrag vom 10.1.1981 nicht erkennbar gewesen, dass hier eine öffentlich-rechtliche Forderung begründet werden solle. Der Begriff „Teilerschließungskosten" komme als Rechtsbegriff gesetzlich nicht vor. Sie habe deshalb davon ausgehen dürfen, dass es sich um eine neben dem Kaufpreis zu zahlende zivilrechtliche Forderung handele. Deshalb habe hier bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 die dreißigjährige Verjährungsfrist gegolten und seit dem Inkrafttreten laufe eine dreijährige Verjährungsfrist. Bei gegenteiliger Auffassung wäre der erhobene Kostenbetrag der Sache nach eine Vorausleistung. Die Tilgungswirkung einer solchen Vorausleistung trete erst in dem Zeitpunkt ein, in dem die endgültige sachliche Beitragspflicht entstehe. Das sei erst jetzt der Fall gewesen, da die Beklagte den Hauptsachebescheid erst jetzt erlassen habe. Mit dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht und der damit verbundenen Tilgungswirkung trete die der Vorausleistung von vornherein zugedachte Erfüllungswirkung ein.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten  vom 11.11.2002 in der Fassung deren Widerspruchsbescheides vom 30.9.2003 aufzuheben,

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hilfsweise,

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die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.217,20 € (Teilerschließungskosten gemäß Vertrag vom 10.1.1981) zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie ist der Auffassung, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und führt dazu im Wesentlichen Folgendes aus: Die in dem notariellen Vertrag vom 10.1.1981 getroffene Regelung über Teilerschließungskosten sei nichtig. Sie genüge nicht den Anforderungen, die an eine vertragliche Vereinbarung über eine Ablösung von Erschließungsbeitragspflichten bzw. Vorauszahlungen zu stellen seien. Der Vertrag enthalte keine Angaben dazu, für welche der in § 127 Abs. 2 Nr. 1 - 5 BauGB bezeichneten Erschließungsanlagen und für welche konkrete Maßnahme der Gemeinde die Zahlung zu leisten sei. Hier liege auch keine konkrete Kosten- oder Beitragskalkulation zu Grunde. Nach den Zahlungsverjährungsvorschriften der Abgabenordnung sei der entstandene Erstattungsanspruch mit Ablauf des Jahres 1986 verjährt. Die Erhebung des Vorausleistungsbetrages sei auch in der Sache selbst nicht zu beanstanden: Allerdings sei die Erhebung nicht als Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag, sondern auf den Erschließungsbeitrag gerechtfertigt. Die früher überwiegend im Außenbereich verlaufende E. Straße habe durch die in der Folgezeit in Kraft getretenen Bebauungspläne beiderseits der Straße die Funktion einer Erschließungsstraße bekommen. Die Gemeinde D. habe an der Fahrbahn - außer Instandsetzungsmaßnahmen an der Oberfläche - keine weiteren Maßnahmen durchgeführt. Bis zu der jetzt durchgeführten Ausbaumaßnahme sei die Fahrbahn lediglich in einer Breite von etwa 4 m vorhanden gewesen, während der Straßenkörper insgesamt eine katastermäßige Breite von 10 bis 12 m aufgewiesen habe. Im Hinblick auf die Funktion der E. Straße sowohl für die unmittelbaren Anliegergrundstücke als auch für die angrenzenden Baugebiete und den Ortskern könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Gemeinde die Fahrbahn in dieser geringen Breite als Endzustand angesehen habe. Dies werde auch dadurch deutlich, dass die Fahrbahn jetzt in einer Breite von 5,50 m ausgebaut worden sei. Bei dieser Betrachtungsweise müsse festgestellt werden, dass sämtliche Teileinrichtungen mit dem den jetzt durchgeführten Ausbaumaßnahmen zu Grunde liegenden Bauprogramm erstmalig endgültig hergestellt worden seien. Sämtliche Kosten wären somit nach Erschließungsbeitragsrecht mit 90% auf die erschlossenen Grundstücke umzulegen. Bei voraussichtlichen Ausbaukosten in Höhe von 660.000 € und einem daraus resultierenden umlagefähigen Aufwand in Höhe von 594.000 € ergebe sich bei einer Gesamtbeitragsfläche von 79.914,75 m² (84.606,39 m² abzüglich einer Außenbereichsfläche von 4.691,64 m²) ein voraussichtlichen Erschließungsbeitrag von 7,43 € je Quadratmeter. Selbst bei Anrechnung der aufgrund des Vertrages vom 10.1.1981 geleisteten Zahlung von Teilerschließungskosten in Höhe von 4.217,14 € verbleibe mithin zulasten der Klägerin noch ein Betrag von 3.443,19 €.

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Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

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Die Gemeinde D. hat für den Ausbau der E. Straße Finanzhilfen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz erhalten.

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Durch - nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen - Bescheid vom 9.03.2005 hat die Beklagte gegenüber der Klägerin den Straßenausbaubeitrag für den Ausbau der E. Straße in Höhe von 3.011,69 € festgesetzt. Gegen diesen Bescheid ist (noch) keine Klage erhoben worden.

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Durch Beschluss vom 7.12.2004 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter zu Entscheidung als Einzelrichter übertragen.

Entscheidungsgründe

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Die Kammer konnte den Rechtsstreit dem Berichterstatter gemäß § 6 VwGO zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und sie auch keine grundsätzliche Bedeutung hat.

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Die Klage kann keinen Erfolg haben. Das auf die Aufhebung des Vorausleistungsbescheides vom 11.11.2002 gerichtete streitgegenständliche Klagebegehren hat sich durch den Erlass des rechtswirksamen, den endgültigen Straßenausbaubeitrag festsetzenden Straßenausbaubeitragsbescheides vom 9.3.2005 erledigt. Für das gleichwohl aufrechterhaltene Aufhebungsbegehren fehlt es am Rechtsschutzinteresse.

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Der den Straßenausbaubeitrag endgültig festsetzende Straßenausbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 9.3.2005 hat die maßgebenden Regelungen des Vorausleistungsbescheides abgelöst, weil er nunmehr den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der - zunächst vorläufig erbrachten - Zahlung darstellt.

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Zu einer insoweit vergleichbaren Sach- und Rechtslage hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem zum Verfahren - 8 B 244/97 - ergangenen Beschluss vom 19.12.1997 (KStZ 1999, 51) Folgendes ausgeführt:

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„cc) Für den hier zu beurteilenden Sachverhalt einer auf der Grundlage des vorläufigen Bescheides bzw. Vorausleistungsbescheides geleisteten Zahlung und der nachfolgenden endgültigen Festsetzung der Gebühr in geringerer Höhe mit entsprechender "Gutschrift" ist dieser im wesentlichen das hier irrevisible Fachrecht betreffenden, aus der Sicht des Bundesrechts nicht zu beanstandenden Rechtsprechung nichts hinzuzufügen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Regelungsinhalt von - vorläufigen wie endgültigen - Gebührenbescheiden zwei verschiedene Gegenstände haben kann: Die - vorläufige oder endgültige - Festsetzung der Gebühr einerseits und die Zahlungsaufforderung andererseits. Die Frage des Rechtsschutzinteresses einer Anfechtungsklage gegen einen Gebührenbescheid muß dementsprechend gegebenenfalls beide Regelungsgegenstände in den Blick nehmen. Das Oberverwaltungsgericht äußert sich hierzu nicht ausdrücklich. Sollte es den Streitgegenstand im vorliegenden Fall von vornherein auf die Frage der Gebührenfestsetzung ("Rechtsgrund") beschränkt haben, so löste der endgültige Heranziehungsbescheid den vorausgegangenen vorläufigen Bescheid bzw. Vorausleistungsbescheid insoweit ab, weil entgegen der Ansicht der Beschwerde nunmehr er nach der Auslegung des Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht den Rechtsgrund für das (endgültige) Behaltendürfen der - zunächst vorläufig erbrachten oder bei Nichtzahlung noch ausstehenden - Gebühr darstellt. Sollte daneben auch das Leistungsgebot Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sein, so gilt bei bereits erbrachter Zahlung - wie hier - nichts anderes: Die Zahlungsaufforderung in dem angefochtenen vorläufigen Gebührenbescheid ist zwar die Grundlage für etwaige Vollstreckungsmaßnahmen bis zum Erlaß des endgültigen Bescheids. Erfolgt aber - wie hier (vgl. BU S. 10) - die Zahlung offenbar freiwillig und ergeht danach ein endgültiger Gebührenbescheid in geringerer Höhe, so kommt der ebenfalls gegenstandslos gewordenen Zahlungsaufforderung in dem angefochtenen vorläufigen Bescheid keine eigenständige, den Gebührenschuldner weiter belastende Regelungswirkung mehr zu (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 147; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 4. Aufl. § 21 Rn. 33; Böttcher in Thiem/Böttcher, KAG Schleswig-Holstein, § 8 Rn. 309). Ob und unter welchen Voraussetzungen das gleiche anzunehmen wäre, wenn der Gebührenschuldner auf der Grundlage des vorläufigen Bescheides bisher nicht geleistet hat und der nachfolgende endgültige Gebührenbescheid keine oder nur eine den etwaigen überschießenden Betrag umfassende eigene Zahlungsaufforderung enthält, bedarf aus Anlaß des vorliegenden Falles keiner Entscheidung (vgl. zum Verhältnis eines endgültigen Beitrags- oder Gebührenbescheides zum Vorauszahlungsbescheid bei noch nicht erfolgter Zahlung: Böttcher, a.a.O., Rn. 308 f.; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 149 ff., und Erschließungs- und Ausbaubeiträge, a.a.O., Rn. 32 f.).“

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Für den Bereich des Steuerrechts hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs entschieden, dass der Erlass des (Jahres-)Einkommensteuerbescheids zur Erledigung von Vorauszahlungsbescheiden führt; der Einkommensteuerbescheid löst die Vorauszahlungsbescheide ab und bildet sodann die alleinige Grundlage für die Einbehaltung der als Vorauszahlungen zu leistenden und geleisteten Beträge. Dazu hat der Große Senat in seinem zum Verfahren - GrS 3/93 - ergangenen Beschluss vom 3.7.1995 (BFHE 178,11 [BFH 03.07.1995 - GrS - 3/93]) Folgendes ausgeführt: 

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„Zwar sind die Vorauszahlungen, da sie aufgrund des Vorauszahlungsbescheides (§ 37 Abs.3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) entrichtet worden sind, vom FA zu Recht eingezogen und einbehalten worden (vgl. § 218 Abs.1 Satz 1 AO 1977). Ergeht der Einkommensteuerbescheid (§ 36 Abs.1 EStG, § 155 Abs.1 Satz 1, § 124 Abs.1 Satz 1 AO 1977), ist der Vorauszahlungsbescheid i.S. des § 124 Abs.2 AO 1977 "auf andere Weise" erledigt (BFH-Urteil vom 29. November 1984 VR 146/83, BFHE 143, 101, 103 [BFH 29.11.1984 - V R 146/83], BSTBl II 1985, 370; BFH-Beschlüsse vom 4. Juni 1981 VII B 31/80, BFHE 133, 267, 270 [BFH 04.06.1981 - VIII B 31/80], BSTBl II 1981, 767; vom 12. April 1994 VII B 278/93, BFHE 174, 8; sowie in BFHE 172,9, 15 [BFH 23.06.1993 - X B 134/91], BSTBl II 1994, 38). Da die Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer lediglich aufgrund einer regelmäßig auf dem Ergebnis der letzten Veranlagung beruhenden Prognose festgesetzt werden (§ 37 Abs.3 Sätze 2 bis 4 EStG), besteht kein Grund dafür, daß der Vorauszahlungsbescheid weiterhin wirksam bleibt, wenn die Steuer für den Veranlagungszeitraum entstanden (§ 36 Abs.1 EStG) und durch den Einkommensteuerbescheid nach dem Einkommen, das der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum bezogen hat (§ 25 Abs.1 EStG), festgesetzt worden ist.

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Der den Vorauszahlungsbescheid ablösende Einkommensteuerbescheid ist nunmehr alleinige Grundlage für die Verwirklichung des Anspruchs auf die mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entstandene Einkommensteuer (§ 36 Abs.1 EStG, § 218 Abs.1 Satz 1 AO 1977). Dieser und nicht mehr der Vorauszahlungsbescheid ist Grundlage für die Einbehaltung der als Vorauszahlungen für den Veranlagungszeitraum entrichteten Beträge.“

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Diesen Erwägungen schließt sich das erkennende Gericht an. Die Klage ist dementsprechend im streitgegenständlichen Anfechtungsbegehren unzulässig geworden; auf diese Möglichkeit sind die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 7.6.2005 hingewiesen worden.

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Die Klage hätte aber auch in der Sache keinen Erfolg haben können.

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Zwar ist die Erhebung der Vorausleistung als eine Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag - wie es hier von der Beklagten zum Gegenstand des angefochtenen Bescheides gemacht worden ist - nicht gerechtfertigt, weil diejenige Maßnahme, für die die Vorausleistung festgesetzt worden ist, keine straßenbaubeitragsrechtliche Straßenbaumaßnahme ist, sondern die durchzuführenden Maßnahme - zumindest im Wesentlichen - erst zur erstmaligen Herstellung der Anbaustraße führt. Davon geht offenbar inzwischen auch die Beklagte aus, uns zwar nimmt sie selbst in Bezug auf die Teileinrichtung Fahrbahn an, dass eine vormalige endgültige Herstellung nicht vorgelegen hatte. Die Richtigkeit dieser  Annahmen bestätigen auch die von ihr vorgelegten Lichtbilder, die sowohl den Ausbauzustand vor der jetzt durchgeführten Maßnahme als auch den nach der Durchführung wiedergeben. Auch gerade im Bereich des Grundstücks der Klägerin erweist sich der vorherige Zustand hinsichtlich keiner Teileinrichtung als endgültig, so dass erst die jetzt durchgeführte Baumaßnahme hinsichtlich jeder einzelnen Teileinrichtung zu deren endgültiger Herstellung als Erschließungsstraße geführt haben kann. Mit der Beendigung dieser Maßnahme ist der Erschließungsbeitrag gemäß der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten entstanden und (nur) im Hinblick auf diesen Erschließungsbeitrag konnte die Beklagte Vorausleistungen erheben.

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Ein Heranziehungsbescheid, der zu Unrecht auf das Straßenausbaubeitragsrecht gestützt ist, ist jedoch gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO daraufhin zu überprüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er mit Blick auf das Erschließungsbeitragsrecht aufrechterhalten werden kann. Dies ist seit langem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und auch des erkennenden Gerichts anerkannt. Dies gilt auch für Vorausleistungsbescheide, obgleich die Erhebung von Vorausleistungen in das Ermessen der Gemeinde gestellt ist. Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem zum Verfahren - 8 C 33/92 - ergangenen Urteil vom 27.10. 1993 (KStZ 1994, 72) Folgendes ausgeführt:

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„c) Dieser Beurteilung steht auch nicht entgegen, daß es im vorliegenden Fall um die "Aufrechterhaltung" eines Vorausleistungsbescheides geht und die Erhebung von Vorausleistungen im Ermessen der Gemeinde steht (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Auch eine solche "Umstellung" berührt den Wesensgehalt des Heranziehungsbescheides nicht. Denn die Entscheidung zugunsten der Vorfinanzierung bestimmter Baumaßnahmen durch Erhebung von Vorausleistungen ist von der Gemeinde hier tatsächlich getroffen worden; die Auswechselung der rechtlichen Grundlage für die Erhebung ist angesichts des davon nicht berührten, unveränderten Lebenssachverhalts und der nahen Verwandtschaft der beiden betroffenen Rechtsmaterien - wie die mehrfachen Erklärungen der Beklagten im Laufe des Verfahrens bestätigen - für diese Entscheidung ohne erhebliche Bedeutung.“

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Auch dem folgt das erkennende Gericht. Dass der sich für das Grundstück der Klägerin ergebende Erschließungsbeitrag zumindest die Höhe des von der Beklagten zunächst errechneten voraussichtlichen Straßenausbaubeitrages erreicht, hat bereits die Beklagte selbst dargelegt und dies kann auch keinen ernsthaften Zweifel unterliegen. Entsprechendes gilt in Bezug auf den Vorausleistungsbetrag. Dass die Gemeinde D. Finanzhilfen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz erhalten hat, stellt dies nicht in Frage. Die Gewährung von Finanzhilfen nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz schließt die Pflicht zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen nicht aus. Die Finanzhilfen sind - mangels einer Finanzierbarkeit des nicht von der Gemeinde übernommenen bzw. zu übernehmenden Teils des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes - gegenüber den von den Erschließungsbeitragspflichtigen zu erbringenden Beiträgen nicht berücksichtigungsfähig. Ob und gegebenenfalls inwieweit die Finanzhilfen tatsächlich von der Gemeinde D. zurückgefordert werden, ist für die Rechtmäßigkeit (jedenfalls) des Vorausleistungsbescheides unerheblich.

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Der Erhebung einer Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag stehen auch nicht die in dem Vertrag vom 10.1.1981 bezüglich „Teilerschließungskosten" getroffene Abrede und die darauf beruhende Zahlung der Klägerin entgegen.

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Dass die Vereinbarung über die „Teilerschließungskosten" keine wirksame Ablösungsvereinbarung ist infolge derer der Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der E. Straße nicht mehr entstehen kann bzw. entstehen könnte, folgt bereits § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB. Nach dieser Regelung kann die Gemeinde Bestimmungen über die Ablösung des Erschließungsbeitrags nur „im ganzen" treffen. Damit setzt das Gesetz für eine wirksame Ablösung neben einer entsprechenden satzungsmäßigen Regelung voraus, dass sich die Abrede über die Ablösung auf die Erschießungsbeitragspflicht „im Ganzen“ bezieht mit der Folge, dass eine Ablösung von Teilforderungen oder von Kosten einer oder mehrerer Teileinrichtungen unwirksam ist. Unabhängig davon, ob die hier vereinbarte Abrede überhaupt inhaltlich auf die Ablösung eines zukünftigen Erschließungsbeitrages gerichtet ist, steht sie folglich dem Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der E. Straße jedenfalls schon deshalb nicht entgegen, weil sie als Ablösungsvereinbarung lediglich auf die Ablösung eines Teiles der Erschließungskosten gerichtet und deshalb unwirksam ist bzw. wäre.

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Ob die Vereinbarung über die „Teilerschließungskosten" eine nichtige Ablösungsvereinbarung oder eine Vereinbarung über Vorauszahlungen auf Erschließungsbeiträge oder eine Vereinbarung anderer Art ist, ist aber insofern von Bedeutung, als eine (wirksame) Vereinbarung über Vorauszahlungen auf Erschließungsbeiträge (für die E. Straße) zu einer entsprechenden Tilgung des Erschließungsbeitrages für die erstmalige Herstellung der Straße führen würde und demgemäß auch bei der Festsetzung des Vorausleistungsbetrages zu berücksichtigen wäre. Nach Auffassung der erkennenden Kammer handelt es sich indes nicht um eine solche Vorauszahlung. Die Abrede lässt nicht erkennen, dass die zu zahlenden „Teilerschließungskosten" eine bloße Vorauszahlung auf später entstehende Erschließungsbeiträge sein sollen und dass gewollt gewesen war, den entstandenen und noch entstehenden Erschließungsaufwand nach Maßgabe des Erschließungsbeitragsrechts abzurechnen und auf die dann beitragspflichtige Klägerin oder einen etwaigen Rechtsnachfolger unter Anrechnung dieser Vorausleistung umzulegen. Vielmehr muss die vertragliche Ausgestaltung der Abrede aus der Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers dahin verstanden werden, dass die Gemeinde G. die vereinbarten „Teilerschließungskosten" als Abgeltung des bis dahin erbrachten bzw. vorhandenen Ausbauzustandes der E. Straße und nicht als Vorausleistung auf eine noch zu Ende zu bringende Herstellung der E. Straße und eines daraus resultierenden Erschließungsbeitrages bekommen sollte. Soweit die Klägerin dazu vorträgt, die Gemeinde D. habe seinerzeit bei allen Grundstücksverkäufen des Baugebietes „I.“ eine Vereinbarung über solche „Teilerschließungskosten" getroffen, kann daraus keineswegs auf die Vereinbarung einer Vorausleistung auf den künftigen, für die erstmalige Herstellung der E. Straße entstehenden Erschließungsbeitrag geschlossen werden. Vielmehr könnte eher daran gedacht werden, dass die Gemeinde D. das Grundstück der Klägerin schlicht dem Baugebiet „I.“ zugeordnet hat und die „Teilerschließungskosten" auf die Erschließung bzw. Erschließungsanlagen jenes Baugebietes bezogen hat. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ist die im Vertrag vom 10.1.1981 getroffene Abrede jedoch bei objektivierter Betrachtung aus der Sicht des Erklärungsempfängers - also der Klägerin - als eine Gegenleistung anzusehen, die für die bislang bereits erbrachte Erschließung geleistet werden soll.

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Ist also ein Erschließungsbeitrag in mindestens derjenigen Höhe, in der die Beklagte den voraussichtlichen Straßenausbaubeitrag errechnet hat, zu erwarten gewesen, und steht der Geltendmachung des Vorausleistungsbetrages weder eine Ablösung noch eine bereits 1981 erbrachte Vorausleistung entgegen, ist mithin die Festsetzung des Vorausleistungsbetrages rechtmäßig.

36

Soweit die Klägerin der Festsetzung des Vorausleistungsbetrages bzw. dem entsprechenden Zahlungsgebot entgegenhält, sie rechne einen bereicherungsrechtlichen Rückgewähranspruch, der ihr auf Grund der (etwaigen) Nichtigkeit der Abrede über die „Teilerschließungskosten" zustehe, gegen den Vorausleistungsanspruch der Beklagten auf, steht dem schon entgegen, dass hier eine Aufrechnung bereits deshalb ausgeschlossen ist, weil die Klägerin gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 5 a NKAG i.V.m. § 226 Abs. 3 AO gegen den Anspruch der Beklagten nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen kann. Die Beklagte aber bestreitet hier das Bestehen des Gegenanspruchs, indem sie geltend macht, der aus der nichtigen Abrede über die „Teilerschließungskosten" resultierende Anspruch der Klägerin sei infolge zwischenzeitlich eingetretene Verjährung erloschen.

37

Dieser von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ist auch tatsächlich erloschen. Die Verjährung von Ansprüchen eines Bürgers gegen die Gemeinde auf Erstattung eines Ablösungsbetrages, der auf einer nichtigen vertraglichen Vereinbarung beruht, richtet sich nach den Vorschriften des Landesabgabenrechts (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.1.1982 - 8 C 99/81 - Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 80), und zwar unabhängig davon, ob der Gegenstand des Vertrages im Übrigen privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur ist. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 5 a NKAG i.V.m. § 228 Satz 1 und 2 AO fünf Jahre. Dieser Anspruch ist bereits 1981/82 entstanden und damit verjährt. Aus diesem Grunde kann die Klage auch im Hilfsantrag keinen Erfolg haben.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

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Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.