Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 04.10.2000, Az.: 9 U 144/99

Fehlen einer aktiven Durchsetzbarkeit eines Schadensersatzanspruchs wegen Verjährung; Auskunftsanspruch als vorbereitender Hilfsanspruch; Aussetzung einer Entscheidung über die Aufrechterhaltung eines Teilversäumnisurteils

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
04.10.2000
Aktenzeichen
9 U 144/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 19837
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2000:1004.9U144.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Verden 10 O 2/98

Amtlicher Leitsatz

Wird eine im Wege der Widerklage erhobene Zahlungsklage durch Teilurteil abgewiesen und legt der Widerkläger hiergegen Rechtsmittel ein, steht die fehlende Rechtskraft einer Entscheidung des erkennenden Gerichts über eine den Hauptanspruch vorbereitenden Auskunftanspruch des Klägers, der nach Ansicht des Gerichts verjährt ist und mangels Anspruch des Beklagten, der sich eines über den mit der Widerklage geltend gemachten Anspruchs nicht berühmt auch nicht im Wege der Aufrechnung durchgesetzt werden kann, nicht entgegen.

Tenor:

  1. 1.

    Das Teilversäumnisurteil vom 21. Juni 2000 wird aufrechterhalten.

  2. 2.

    Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 15.265,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29. September 1997 zu zahlen, wovon 5.265,00 DM nebst zugehörigen Zinsen als Mehrwertsteuer in Höhe von 15 % über die im Teilurteil vom 21. Juni 2000 ausgeurteilte Büromiete nur Zug um Zug gegen Erteilung einer auf den Beklagten als Schuldner lautenden Rechnung mit Ausweisung der Mehrwertsteuer geschuldet sind.

  3. 3.

    Die Anschlussberufung der Klägerin vom 14. August 2000 wird zurückgewiesen.

  4. 4.

    Von den Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin 54 % und der Beklagte 46 % Von den Kosten der Berufungsinstanz tragen die Klägerin 19 % und der Beklagte 81 %

  5. 5.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  6. 6.

    Beschwer für die Klägerin: 44.122,32 DM.

    Beschwer für den Beklagten: 38.615,00 DM.

Gründe

1

Im Anschluss an das Teilversäumnisurteil und Teilurteil des Senats vom 21. Juni 2000 ist noch über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil, die im Teilurteil ausgeklammerten Anteile der Klageforderungen von 10.000,00 DM und 5.265,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29. 9. 1997 und die zwischenzeitlich eingelegte Anschlussberufung der Klägerin zu entscheiden.

2

1.

Das Teilversäumnisurteil ist aufrechtzuerhalten. Dahingestellt bleiben kann, ob der Gesellschafterbeschluss vom 11. Juli 2000 zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Beklagten wegen dessen Geschäftsführertätigkeit formell einwandfrei ergangen ist. Da es sich bei dem rechtshängigen Auskunftsanspruch nur um einen vorbereitenden Hilfsanspruch handelt, müsste der Hauptanspruch, also der behauptete Schadensersatzanspruch, durchsetzbar sein. An einer aktiven Durchsetzbarkeit fehlt es, weil der Anspruch verjährt ist. Im Wege der Aufrechnung könnte der Anspruch zwar ungeachtet der eingetretenen Verjährung noch zur Vernichtung von Gegenansprüchen des Beklagten eingesetzt werden. Indes besteht aus den im Teilurteil vom 21. Juni 2000 dargelegten Gründen der Darlehensanspruch nicht, den der Beklagte zur Aufrechnung gestellt hat. Weiterer berechtigter Gegenansprüche berühmt sich der Beklagte nicht.

3

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung die Rechtsfrage aufgeworfen, ob die Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Teilversäumnisurteils ausgesetzt werden muss, um den Eintritt der materiellen Rechtskraft zu vermeiden; verhindert werden müsse eine etwaige künftige Entscheidungsdivergenz, die eintreten könne, wenn der BGH aufgrund der vom Beklagten gegen das Teilurteil eingelegten Revision das Schicksal des Darlehensanspruchs abweichend beurteile. Der Senat sieht diese Frage nicht als entscheidungsbedürftig an, weil die Rechtskraftwirkung seines Schlussurteils über den Auskunftsanspruch nur einen begrenzten Umfang hat. Der Auskunftsanspruch ist nur zurzeit mangels im Wege der Aufrechnung durchsetzbaren Hauptanspruchs nicht gegeben, sodass als er wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses - also als unzulässig - durch Prozessurteil abzuweisen war (zum Umfang der Rechtskraft eines solchen Prozessurteils vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 21. Auf. , § 322 Rdnr. 1).

4

2.

Der Beklagte schuldet weitere 10.000,00 DM der Klageforderung nebst Zinsen, weil die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nach dem Ergebnis der Vernehmung des Zeugen ####### nicht besteht. Wie der Zeuge bei seiner Vernehmung glaubhaft bekundet hat, hat er entgegen der Behauptung des Beklagten weder am 20.9.1990 noch zu einem anderen Zeitpunkt einen Betrag von 10.000,00 DM erhalten. Vielmehr hat er im Laufe seiner Tätigkeit, die er bis 1993 als Nebenbeschäftigung ausübte und deren Vergütung zur Vermeidung von Sozialabgaben unter der Grenze für geringfügig Beschäftigte bleiben sollte, in unregelmäßigen Abständen Barbeträge in Größenordnungen von etwa 2.000 DM bis 3.000 DM erhalten, die nominell so aufgeteilt wurden, dass die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten wurde. Ein fingiertes Beschäftigungsverhältnis wurde zusätzlich mit der Ehefrau des Zeugen abgerechnet, um Spitzenbeträge verteilen zu können. Welchen Tätigkeiten die Zahlungen jeweils zuzuordnen waren, ist nicht festgehalten worden. Tätigkeiten hat der Zeuge nicht nur für die Klägerin, sondern auch für den Beklagten persönlich ausgeführt, was für ihn aus der Art der von ihm bearbeiteten Programme und der zugehörigen Kunden zu erschließen war. Daher lässt sich weder feststellen, in welcher Größenordnung Barzahlungen an den Zeugen auf Tätigkeiten für die Klägerin entfielen, noch lässt sich mangels exakt festzustellender Zahlungszeitpunkte ermitteln, ob der Beklagte das Bargeld nicht vor oder nach diesen Zahlungszeitpunkten aus Vermögen der Klägerin entnommen hat. Es widerspricht ohnehin der Lebenserfahrung, dass der Beklagte Barauslagen aus seinem Privatvermögen getätigt haben will, ohne sich die Beträge von der Klägerin erstatten zu lassen, wozu er als deren Gechäftsführer ohne Schwierigkeiten in der Lage gewesen wäre. Zumindest hätte es nahe gelegen, offene Erstattungsforderungen in die Rahmenvereinbarung aufzunehmen, die die Modalitäten des Ausscheidens regeln sollte.

5

Die mit Schriftsatz vom 29.8.2000 hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Erstattungsforderungen in Höhe von 7.000,00 DM und 6.350,00 DM, die durch Barzahlungen an den Zeugen ####### im August und September 1991 ausgelöst worden sein sollen, sind aus den vorstehend genannten Gründen ebenfalls nicht gegeben und werden in voller Höhe - unter Berücksichtigung der nachstehend behandelten Mehrwertsteuerforderung der Klägerin - aberkannt.

6

3.

Die Ausübung der Option zur Berechnung von Mehrwertsteuer auf die Büromiete ist erfolgt, wie sich aus der Rechnung ergibt, die die Klägerin gegenüber der ####### als behaupteter Mitschuldnerin der Mietzinszahlungen erteilt hat (Anlage B 14 zur Berufungsbegründung = GA Bl. II 122). Daher ist der auf Mehrwertsteuer in Höhe von 15 % entfallende Betrag von 5.252,00 DM nebst Zinsen geschuldet. Die Zahlung ist wegen des geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts nur Zug um Zug gegen Erteilung einer Rechnung gegenüber dem Beklagten, die diesen zum Vorsteuerabzug berechtigt, geschuldet.

7

4.

Die Anschlussberufung vom 14. August 2000, zu der der Beklagte am 29. August 2000 seinen Gegenantrag gestellt hat, war zurückzuweisen. Gegen die Annahme, das Programmpaket sei an den Beklagten verkauft worden, spricht der Umstand, dass in der Rahmenvereinbarung GA Bl. I 83 unter Nr. 14 ausdrücklich die ####### als Käuferin aufgeführt worden ist. Außerdem ist der Erstattungsanspruch über für das Programmpaket gezahlte Vorsteuer nach der schriftlichen Abtretungsanzeige gegenüber dem Finanzamt als Anspruch der ####### bezeichnet worden. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der zivilrechtliche Hintergrund für diese steuerliche Gestaltung nicht ernst gemeint war, bleibt für einen Verkauf an den Beklagten persönlich kein Raum. Auf diesen Widerspruch angesprochen hat sich die Klägerin in der mündlichen Verhandlung dahin eingelassen, das Programm sei 1993 ein erstes Mal aufgrund des nicht unterzeichneten Vertrages GA Bl. I 133 an den Beklagten verkauft worden, es habe mithin ein Doppelverkauf vorgelegen. Welchen wirtschaftlichen Sinn ein derartiges Vorgehen haben sollte, ist nicht ersichtlich. Dazu hätte die Klägerin substantiiert vortragen müssen. Ohne entsprechenden Vortrag bestand kein Anlass, die für einen Vollzug des nichtunterzeichneten Vertrages benannten Zeugen ####### und #######, die mit der Klägerin als Gesellschafter verbunden sind bzw. waren, zu vernehmen.

8

Sowohl der immer noch unsubstantiierte Sachvortrag der mündlichen Verhandlung zum Doppelverkauf als auch der noch substanzärmere vorangegangene Vortrag, deren Aufklärung - sähe man die Behauptungen als hinreichend substantiiert an - die Vernehmung mehrerer Zeugen erfordern würde, sind im Übrigen als verspätet zurückzuweisen, auch wenn die Anschlussberufung selbst zu jedem beliebigen Zeitpunkt erhoben werden konnte. Der Senat war angesichts der für den Termin vom 6.9.2000 angesetzten Verhandlungen, u. a. mit Zeugenvernehmungen in dieser und zwei weiteren Sachen, nicht imstande, weitere Zeugen zu laden. Die Verspätung gilt sowohl für die bereits in erster Instanz benannten, nach dem dort vom Landgericht vertretenen Rechtsstandpunkt aber nicht zu hörenden Zeugen als auch für die auf Bl. 3 des Schriftsatzes vom 14.8.2000 erstmals benannten Indizzeugen, deren Aussagen für die zeitliche Einordnung des Vollzuges des behaupteten Erstverkaufes bedeutsam wären.

9

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits folgt aus § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.