Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 18.10.2000, Az.: 3 U 39/00

Rechtliches Feststellungsinteresse wegen der drohenden Verjährung von Ersatzansprüchen ; Schadensersatzanspruch gegen Notar wegen Pflichtverletzung; Auftrag zur teilweisen Übertragung der ererbten Grundstücke auf die Kinder; Sonstige Betreuung der Beteiligten auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege als Aufgabe eines Notars; Sicherstellung der schenkungsweise Übertragung der Hälfte der dem Kläger gehörenden, ererbten Grundstücksanteile auf seine Kinder ; Abgrenzung zwischen anwaltlicher und notarieller Tätigkeit bei einem Anwaltsnotar; Ausschluss der Ersatzpflicht des Notars, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.10.2000
Aktenzeichen
3 U 39/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 23067
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2000:1018.3U39.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 14.12.1999 - AZ: 17 O 429/99

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ist im Streit, ob ein Anwaltsnotar als Rechtsanwalt oder Notar tätig geworden ist, so ist vorrangig darauf abzustellen, ob bei objektiver Betrachtung der maßgeblichen Gesichtspunkte die ihm angetragene Tätigkeit im Bereich der vorsorgenden Rechtspflege liegt oder der einseitigen Vertretung streitiger Interessen dienen soll.

  2. 2.

    Die Ersatzpflicht des Notars tritt nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden, wobei als Rechtsmittel nicht nur förmliche Rechtsmittel, sondern Einwendungen jeder Art, also auch Gegenvorstellungen, Erinnerungen oder Eingaben, anzusehen sind.

In dem Rechtsstreit
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 4. Oktober 2000
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... sowie
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 14. Dezember 1999 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 42.000,00 DM abwenden, soweit nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Dem Beklagten wird gestattet, Sicherheit auch in Form einer selbstschuldnerischen, unbedingten, unbefristeten, unwiderruflichen und schriftlichen Bürgschaft einer Bank mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland, die einem anerkannten Einlagensicherungsfonds angehört, oder einer öffentlichen Spar- oder Darlehenskasse zu erbringen.

Beschwer des Klägers: bis zu 1.400.000,00 DM.

Tatbestand

1

Der Kläger ist neben seinem Bruder ... sowie den Kindern seines verstorbenen Bruders ... Erbe des früheren Inhabers der Fa. .... Zum Nachlass des Erblassers gehörte umfangreicher Grundbesitz. Die Erben nach ... gründeten unter beratender Mitwirkung des Beklagten am 12. April 1986 die ... Grundstücksverwaltung GbR, deren Zweck die Regelung des gemeinschaftlichen Vermögens und die Grundstücksverwaltung ist. Weiter heißt es in § 2 des Gesellschaftsvertrages:

"Die den Gesellschaftern gemeinschaftlich gehörenden Grundstücke bilden das Gesellschaftsvermögen."

2

Zweck der Gründung der GbR war der Wunsch der Erben, hinsichtlich aller gemeinsamen Grundstücke einheitliche Rechts- und insbesondere Eigentumsverhältnisse zu schaffen und damit eine gemeinsame Interessenausübung zu sichern. In der Folgezeit nach Gründung der GbR wurden von den insgesamt neun zum Nachlass gehörenden Grundstücken lediglich zwei in das Gesellschaftsvermögen eingebracht; hinsichtlich dieser Grundstücke sind als Eigentümer die Erben als Gesellschafter bürgerlichen Rechts eingetragen. Im Übrigen weisen die jeweiligen Grundbücher den Kläger und seine Brüder ... sowie ... als ideelle Miteigentümer zu je 1/3 aus.

3

Im Jahr 1995 zeichneten sich gesetzgeberische Änderungen ab, nach denen erheblich höhere Schenkungs- und Erbschaftssteuern insbesondere bei der Übertragung von Grundstücken zu erwarten waren. Der Kläger beschloss daher, 50 % seines Anteils am ererbten Grundvermögen auf seine Kinder in der Weise zu übertragen, dass sein Sohn ... sowie seine Tochter ... je 2/5 und sein Sohn ... 1/5 erhalten sollte. "Anfang Dezember 1995 (so der Vortrag des Klägers in der Klageschrift) sprach der Kläger den Beklagten nochmals mit der Frage an, wann denn die Beurkundung der erforderlichen Übertragungsverträge stattfinden könne." Er erhielt daraufhin von dem Beklagten die Auskunft, für die Übertragung der Grundstücke sei keine notarielle Beurkundung erforderlich, vielmehr die Übertragung der Gesellschaftsanteile durch formlosen Gesellschafterbeschluss ausreichend. Dem entsprechend entwarf der Beklagte mit Datum vom 20. Dezember 1995 einen entsprechenden Beschluss, auf dessen Ablichtung (Bl. 30 ff. d. A.) wegen der Einzelheiten verwiesen wird. Der Kläger hat behauptet, er habe am 27. Dezember 1995 bei Einsicht in eines der betreffenden Grundbuchblätter bemerkt, dass als Eigentümer dieses Grundstücks nicht die Gesellschafter der ... Grundstücksverwaltung in Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Grundbuch eingetragen waren, sondern er und seine beiden Brüder als ideelle Miteigentümer zu je 1/3. Diesen Sachverhalt habe er bei einem Mittagessen am gleichen Tag dem Rechtsanwalt und Notar ... geschildert, der den Kläger darauf aufmerksam gemacht habe, dass die beurkundungslose Übertragung von im Gesellschaftsvermögen befindlichen Grundstücken zwar grundsätzlich möglich sei, dies jedoch nur dann, wenn die Grundstücke tatsächlich zum Gesellschaftsvermögen gehörten, also als Eigentümer im Grundbuch die Gesellschafter bürgerlichen Rechts als solche eingetragen seien. ... selbst, der in die Materie nicht eingearbeitet gewesen sei, habe sich geweigert, seinerseits in dieser Sache als Notar tätig zu werden. Da der Beklagte, wie dem Kläger bekannt war, sich im Urlaub befand und für den Kläger nicht erreichbar war, unterblieb die notarielle Übertragung der nicht im Gesellschaftsvermögen der BGB-Gesellschaft befindlichen Grundstücke. Auch der vom Beklagten vorbereitete Abtretungsvertrag, durch den zwei der insgesamt neun Grundstücke erfasst worden wären, erfolgte nicht, da - so der Kläger - bei einer nur teilweisen Übertragung der Grundstücke die Identität von Gesellschaftern einerseits und eingetragenen Grundstückseigentümern andererseits aufgegeben worden wäre, was dem Willen der Beteiligten nicht entsprochen habe.

4

Im Hinblick auf die zum 1. Januar 1996 eingetretene Änderung der Besteuerungsgrundlagen hat der Kläger auf der Grundlage eines Gutachtens seines Steuerberaters ... behauptet, eine Übertragung zu Lebzeiten nach den jetzt geltenden Steuersätzen würde zu Steuermehraufwendungen in Höhe von 1.317.308,00 DM führen.

5

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger wegen schuldhaft falscher Rechtsberatung den materiellen Schaden in Form der ab 1. Januar 1996 geltenden Schenkungs- bzw. Erbschaftssteuer zu ersetzen, der dem Kläger bei einer Übertragung von 50 % seines 1/3-Anteils der in den Grundbüchern von

... pp.

verzeichneten Grundstücke auf seine Kinder ... zu 2/5, ... zu 2/5 und ... zu 1/5 im Vergleich zu einer Übertragung der Grundstücke bis zum 31. Dezember 1995 entstehen wird;

hilfsweise,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.317.308,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (18. Februar 1999) zu zahlen,

hilfsweise,

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, Herrn ..., Frau ... und Herrn ... wegen schuldhafter falscher Rechtsberatung den materiellen Schaden in Form der ab 1. Januar 1996 geltenden Schenkungs- bzw. Erbschaftssteuer zu ersetzen, der ihnen bei der Übertragung von 50 % des 1/3-Anteils des Herrn ... zu 2/5, Frau ... zu 2/5 und Herrn ... zu 1/5 im Vergleich zu einer Übertragung der Grundstücke zum 31. Dezember 1995 entstehen wird.

6

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Er hat die erhobene Feststellungsklage für unzulässig gehalten, da es an einem Feststellungsinteresse so lange fehle, wie eine Übertragung der Grundstücke unter Lebenden vom Kläger nicht mehr in Betracht gezogen werde, weiterhin mit der Begründung, die Erbschaftssteuerpflicht treffe die Kinder des Klägers, dessen Aktivlegitimation bestritten und schließlich behauptet, der ihm erteilte Auftrag sei lediglich dahin gegangen, die Grundstücke, bei denen die Erben nach ... als Mitglieder der ... Grundstücksgesellschaft im Grundbuch eingetragen waren, auf die Kinder des Klägers zu übertragen. Diesem Auftrag habe der von ihm vorbereitete Gesellschafterbeschluss entsprochen. Dass sein Auftrag auf eine solche Übertragung der im Gesellschaftsvermögen befindlichen Grundstücke beschränkt gewesen sei, ergebe sich indiziell auch aus dem vom Kläger dem Steuerberater ... erteilten Auftrag, in dem es eingangs heißt, der Kläger habe geplant, 50 % seines Anteils an der ... Hausverwaltung GbR an seine Kinder zu verschenken. Im Übrigen hat er die Auffassung vertreten, der Kläger wäre auf Grund der ihm durch den Notar ... am 27. Dezember 1995 vermittelten Informationen gemäß § 19 Abs. 1 S. 3 BNotO i. V. m. § 839 BGB gehalten gewesen, den Beklagten auf die unterbliebene Einbringung der Grundstücke in die ... Grundstücksgesellschaft und die daher erforderliche notarielle Übertragung der Grundstücke hinzuweisen. Bei einem entsprechenden Hinweis am 27. Dezember 1995 wäre eine notarielle Beurkundung der Übertragung noch möglich gewesen, die der Notarvertreter ... hätte vornehmen können. Sofern Grundbuchauszüge für einzelne Grundstücke gefehlt hätten, hätten diese kurzfristig von den zuständigen Amtsgerichten per Fax angefordert werden können.

8

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar sei ein Feststellungsinteresse des aktivlegitimierten Klägers zu bejahen. Darüber hinaus liege auch ein Fehlverhalten des Beklagten vor. Der Beklagte, dem als ständigen Rechtsanwalt und Notar der Familie ... deren Vermögens- und Familienverhältnisse bekannt gewesen seien, habe erkennen können und müssen, dass der Wille des Klägers dahin ging, 50 % sämtlicher ererbter Grundstücke auf seine Kinder zu übertragen, weshalb der Beklagte mangels Einbringung der Grundstücke in die Grundstücksgesellschaft dies in Form notarieller Beurkundung hätte vollziehen müssen. Die Haftung des Beklagten auf Grund des festgestellten Fehlverhaltens scheitere im Ergebnis jedoch daran, dass der Kläger durch einen entsprechenden Hinweis, der als Rechtsmittel gemäß § 19 Abs. 1 S. 3 BNotO, § 839 BGB anzusehen sei, den Schaden hätte abwenden können; der Vollzug der erforderlichen Beurkundungen noch im Jahr 1995 wäre möglich gewesen.

9

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der in erster Linie weiterhin die Feststellung einer Schadensersatzpflicht des Beklagten erstrebt und nunmehr im Berufungsrechtszug geltend macht, der Beklagte hafte nicht vorrangig als Notar, sondern als Anwalt, da er den ihm erteilten Auftrag zur Übertragung der Grundstücke in der Weise schlecht erfüllt habe, dass er - ohne zuvor die erforderlichen Grundbücher einzusehen - dem Kläger den Rat erteilt habe, die Übertragung der Grundstücke durch einfache Abtretung der Gesellschaftsanteile zu vollziehen. Soweit eine Haftung des Beklagten als Notar in Betracht komme, stehe der Einstandspflicht des Beklagten § 19 Abs. 1 S. 3 BNotO nicht entgegen, da es keine Pflicht des Mandanten zur Einlegung von "Rechtsmitteln" gegenüber künftig vorzunehmenden Notarhandlungen gebe. Im Übrigen wäre aus Zeitgründen die Übertragung der Grundstücke noch im Jahr 1995 nicht mehr möglich gewesen, da die erforderlichen Grundbuchauszüge in der Kürze der Zeit nicht hätten beschafft werden können. Schließlich hätten auch die anderen Gesellschafter für eine Beurkundung nicht mehr zur Verfügung gestanden.

10

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger wegen schuldhaft falscher Rechtsberatung den materiellen Schaden in Form der ab 1. Januar 1996 geltenden Schenkungs- bzw. Erbschaftssteuer zu ersetzen, der dem Kläger bei einer Übertragung von 50 % seines 1/3-Anteils der in den Grundbüchern von

... pp.

verzeichneten Grundstücke auf seine Kinder ... zu 2/5, ... zu 2/5 und ... zu 1/5 im Vergleich zu einer Übertragung der Grundstücke bis zum 31. Dezember 1995 entstehen wird;

hilfsweise;

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, Herrn ... Frau ... und Herrn ... wegen schuldhaft falscher Rechtsberatung den materiellen Schaden in Form der ab 1. Januar 1996 geltenden Schenkungs- und Erbschaftssteuer zu ersetzen, der diesem bei einer Übertragung von 50 % des 1/3-Anteils des Herrn ... an den in den Grundbüchern

... pp.

verzeichneten Grundstücke auf Herrn ... zu 2/5, Frau ... zu 2/5 und Herrn ... zu 1/5 im Vergleich zu einer Übertragung der Grundstücke zum 31. Dezember 1995 entstehen wird;

weiter hilfsweise:

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.317.308,00 DM nebst 4 % Zinsen seit 18. Februar 1999 zu zahlen;

äußerst hilfsweise:

den Beklagten zu verurteilen, an Herrn ... 522.187,00 DM, an Frau ... 522.187,00 DM und an Herrn ... 272.934,00 DM nebst 4 % Zinsen seit 19. Mai 1999 zu zahlen.

11

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen

sowie

für den Fall der Anordnung einer Sicherheitsleistung dem Beklagten zu gestatten, Sicherheit in Form der Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse, Volksbank oder Spar- und Darlehenskasse leisten zu dürfen.

12

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und meint, auch bei Annahme einer Haftung als Anwalt stehe seiner Ersatzpflicht entgegen, dass der Kläger unter Verstoß gegen seine eigenen Interessen (§ 254 BGB) ihn nicht auf die erforderliche Beurkundung hingewiesen und deshalb ausschließlich selbst für einen möglichen Schaden verantwortlich sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

14

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat schon wegen der drohenden Verjährung von Ersatzansprüchen gegenüber dem Beklagten ein rechtliches Interesse an der Feststellung möglicher Schadensersatzverpflichtungen des Beklagten.

15

II.

Der Kläger ist auch zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aktivlegitimiert. Dabei kann dahin stehen, ob der Kläger, wie von ihm behauptet, mit seinen Kindern im Innenverhältnis vereinbart hatte, selbst die anfallenden Schenkungssteuern zu tragen oder die Kinder mögliche Ersatzansprüche gegenüber dem Beklagten an den Kläger abgetreten haben. Die Aktivlegitimation des Klägers folgt bereits aus dem Umstand, dass dieser selbst im Fall einer Schenkung gemäß § 20 ErbStG steuerpflichtig ist, und zwar, so § 44 der Abgabenordnung, neben den Beschenkten als Gesamtschuldner.

16

III.

Die Berufung des Klägers hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Zwar hat der Beklagte die ihm nach § 24 Abs. 1 BNotO obliegenden Pflichten verletzt. Seiner Haftung steht jedoch im Ergebnis entgegen, dass der Kläger selbst durch Einlegung eines Rechtsmittels i. S. v. § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO, § 839 Abs. 3 BGB den ihm nunmehr drohenden Schaden hätte vermeiden können.

17

1.

Zutreffend ist das Landgericht im angefochtenen Urteil davon ausgegangen, dass der Beklagte die ihm nach § 24 Abs. 1 BNotO obliegenden Pflichten verletzt hat.

18

a)

Der dem Beklagten erteilte Auftrag hatte zum Inhalt, 50 % der dem Kläger gehörenden Grundstücke auf dessen drei Kinder zu übertragen. Dabei kann dahin stehen, wie der Kläger den Auftrag gegenüber dem Beklagten formuliert hat: Ob der Kläger den Beklagten mit der Übertragung "seines Anteils an der ... Hausverwaltung GbR an seine drei Kinder" beauftragt hat oder die vom Kläger gewählte Formulierung dahin ging, 50 % aller ihm gehörenden Grundstücke auf seine Kinder zu übertragen, ist ohne ausschlaggebende Bedeutung. Auch dem Umstand, dass der Steuerberater des Klägers in seiner Stellungnahme zur geplanten Schenkung vom 31. Dezember 1995 vom 2. Juli 1997 formuliert, nach Angaben des Klägers sei geplant gewesen, dass dieser 50 % seines Anteils an der ... Hausverwaltung GbR an seine drei Kinder verschenke, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Maßgeblich ist vielmehr, dass im Zeitpunkt der Beauftragung des Beklagten alle Beteiligten davon ausgingen, dass sämtliche aus dem Erbteil des Firmengründers stammenden Grundstücke in die ... Grundstücksverwaltung, also die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, eingebracht waren. Der Kläger hat dargelegt, dass bereits die unter Mitwirkung des Beklagten erfolgte Gründung der BGB-Gesellschaft zu diesem Zweck erfolgt war. Dementsprechend ist auch der Steuerberater des Klägers im Rahmen der steuerlichen Behandlung in den Jahren vor der geplanten Schenkung der Grundstücke von einer Einbringung sämtlicher Grundstücke in die BGB-Gesellschaft ausgegangen, was - wie der Beklagte nicht bestritten hat - sowohl dem Willen der Beteiligten bei Gründung der Gesellschaft entsprochen hatte und auch vom Beklagten selbst hätte so vollzogen werden sollen. Darüber hinaus war auch die steuerliche Behandlung der Grundstücke - also die Annahme des Steuerberaters, sämtliche Grundstücke wären in die BGB-Gesellschaft eingebracht - dem Beklagten positiv bekannt: Diesem waren im Rahmen seiner Tätigkeit als Testamentsvollstrecker vom Steuerberater des Klägers die Einnahmeüberschussrechnungen für 1993 übersandt worden, die von der Einbringung sämtlicher Grundstücke in die Grundstücksgesellschaft ausgingen. Der Beklagte selbst hat diese Unterlagen im Rahmen einer mit einer Vermächtnisnehmerin geführten Auseinandersetzung seinerseits verwandt. In seinem eigenen Schreiben vom 1. Februar 1995 heißt es, dass den Erben (mithin auch dem Kläger) nach Abzug von Vermächtnis- und Pflichtteilsansprüchen

19

"praktisch nur die Beteiligung an der GbR ... Hausverwaltungen verbleibt ...",

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was ebenfalls eindeutig dafür spricht, dass der Beklagte selbst davon ausging, sämtliche Grundstücke seien in die BGB-Gesellschaft eingebracht. Unter diesen Voraussetzungen konnte und durfte der Beklagte den Auftrag des Klägers zur teilweisen Übertragung der ererbten Grundstücke auf dessen Kinder nur in dem vom Kläger auch gewollten Sinne verstehen, dass die Übertragung sämtlicher Grundstücke gewollt war.

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Sollte der Beklagte hinsichtlich des Umfangs des ihm erteilten Auftrags unsicher gewesen sein, hätte er angesichts seines Wissens um den steuerlichen Hintergrund der Übertragung der Grundstücke auf die Kinder des Klägers sowie seiner profunden Kenntnis über die persönlichen und wirtschaftlichen Verflechtungen der Beteiligten allemal Anlass gehabt, beim Kläger durch entsprechende Nachfrage dessen tatsächlichen Willen zu erforschen und im Übrigen sodann durch Einsichtnahme in die Grundbücher klären müssen, welche der zu übertragenden Grundstücke in die Grundstücksgesellschaft eingebracht waren, bevor er deren Übertragung auf die Kinder durch einfache Abtretung der Gesellschaftsanteile vorsah. Diese war, was zwischen den Parteien unstreitig ist, nur in den Fällen ausreichend, in denen nach dem Inhalt der Grundbücher der Kläger und dessen Brüder als Gesellschafter der BGB-Gesellschaft als Grundstückseigentümer eingetragen waren (vgl. BGHZ 86, 367).

22

b)

Der dem Beklagten mit diesem Inhalt erteilte Auftrag richtete sich an den Beklagten in seiner Eigenschaft als Notar. Gemäß § 24 Abs. 1 BNotO gehört zum Amt des Notars auch die sonstige Betreuung der Beteiligten auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege, insbesondere die Anfertigung von Urkunden und Entwürfen sowie die Beratung der Beteiligten. Nimmt - so Abs. 2 des § 24 BNotO - ein Notar, der zugleich Rechtsanwalt ist, Handlungen der in Abs. 1 bezeichneten Art. vor, so ist anzunehmen, dass er als Notar tätig geworden ist, wenn die Handlung bestimmt ist, Amtsgeschäfte der in den §§ 20 - 23 BNotO bezeichneten Art. vorzubereiten oder auszuführen. Ist im Streit, ob ein Anwaltsnotar als Rechtsanwalt oder Notar tätig geworden ist, so ist vorrangig darauf abzustellen, ob bei objektiver Betrachtung der maßgeblichen Gesichtspunkte die ihm angetragene Tätigkeit im Bereich der vorsorgenden Rechtspflege liegt oder der einseitigen Vertretung streitiger Interessen dienen soll (vgl. Haug, Die Amtshaftung des Notars, 2. Aufl., Rn. 358 m. w. N.).

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Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist der Beklagte hier als Notar vom Kläger beauftragt und auch als solcher tätig geworden. Dies ergibt sich hinsichtlich der Beauftragung aus dem eigenen Vorbringen des Klägers, der schon in der Klageschrift ausgeführt hat, er habe den Beklagten nochmals Anfang Dezember 1995 wegen der Frage angesprochen, wann die Beurkundung der erforderlichen Übertragungsvorgänge stattfinden könne. Der Kläger ging daher selbst davon aus, den Beklagten in dessen Eigenschaft und Funktion als Notar beauftragt zu haben, und zwar entsprechend seinem laienhaften Verständnis, wonach die Übertragung von Grundstücken der notariellen Beurkundung bedarf. Der dem Beklagten erteilte Auftrag beinhaltete nicht, einseitig die Interessen des Klägers Dritten gegenüber streitig zu regeln, sondern zwecks Übertragung der ererbten Grundstücke vorbereitend eine entsprechende notarielle Urkunde zu entwerfen; der Beklagte sollte nicht einseitig als Interessenvertreter des Klägers tätig werden, sondern die rechtswirksame Vornahme eines von allen Beteiligten beabsichtigten Rechtsgeschäfts vorbereiten und dieses hiernach vornehmen. Hätte der Beklagten diesen ihm erteilten Auftrag sachgerecht ausgeführt, hätte er, da bezüglich derjenigen Grundstücke, die nicht in die Grundstücksgesellschaft eingebracht waren, die notarielle Form erforderlich war, als Notar tätig werden und die erforderlichen Beurkundungen vornehmen müssen.

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c)

Gegen den ihm als Notar erteilten Auftrag, eine schenkungsweise Übertragung der Hälfte der dem Kläger gehörenden, ererbten Grundstücksanteile auf seine Kinder sicherzustellen, hat der Beklagte verstoßen: Da bei sieben der insgesamt neun dem Kläger (mit)gehörenden Grundstücke nicht die BGB-Gesellschaft, sondern der Kläger selbst mit einem ideellen Bruchteil zu 1/3 als Miteigentümer neben seinen Brüdern im Grundbuch eingetragen war, hätte es zum Zweck der Übertragung entweder einer vorrangigen Einbringung der Grundstücke in die BGB-Gesellschaft oder einer notariellen Beurkundung der Übertragungsvorgänge bedurft. Diesem Auftrag entsprach der vom Beklagten mit Datum vom 20. Dezember 1995 vorbereitete "Gesellschafterbeschluss mit Abtretungsvertrag" nicht.

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2.

Einer Haftung des Beklagten steht jedoch, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO i. V. m. § 839 Abs. 3 BGB entgegen. Danach tritt die Ersatzpflicht des Notars nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden, wobei als Rechtsmittel im Sinne der genannten Vorschrift nicht nur förmliche Rechtsmittel, sondern Einwendungen jeder Art, also auch Gegenvorstellungen, Erinnerungen oder Eingaben, anzusehen sind.

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Gegen diese ihm im eigenen Interesse obliegende Pflicht zur Schadensabwehr durch Einlegung von Rechtsmitteln hat der Kläger schuldhaft verstoßen. Auch nach der (vom eindeutigen, nicht missverständlichen und vom tatsächlichen Ablauf näher liegenden Vorbringen des Klägers erster Instanz abweichenden) Darstellung in der Berufungsbegründung hat der Kläger jedenfalls noch am Nachmittag des 27. Dezember 1995 Kenntnis davon erhalten, dass jedenfalls eines der neun zu übertragenden Grundstücke, die von der Schenkung an seine Kinder umfasst sein sollten, nicht in die ... Grundstücksgesellschaft eingebracht war, sondern er mit seinen Brüdern zu 1/3 als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen war. Durch den Rechtsanwalt und Notar ... war der Kläger zudem darauf hingewiesen worden, dass insoweit eine Übertragung der Grundstücke durch Abtretung der Gesellschaftsanteile nicht ausreichend war, es vielmehr zur Wirksamkeit der Schenkung eines notariellen Übertragungsvertrages bedurfte. Damit bestand für den Kläger hinreichender Anlass, den Beklagten im Sinne einer nichtförmlichen Erinnerung auf die bestehende Rechtslage, also darauf, dass jedenfalls eines der betroffenen Grundstücke nicht in die Grundstücksgesellschaft eingebracht war und damit das Erfordernis einer notariellen Beurkundung bestand, hinzuweisen. Auf einen entsprechenden Hinweis wäre, wovon der Senat gemäß § 287 ZPO ausgeht, der vom Kläger nunmehr geltend gemachte Schaden vermieden worden. Die erforderliche Beurkundung der Übertragungsverträge hätte noch bis zum Jahresende vollzogen werden können. Auf Grund der vorgelegten Grundbuchauszüge steht fest, dass von den insgesamt neun vom Übertragungsvorgang betroffenen Grundstücken lediglich zwei (die im Grundbuch von ... sowie im Grundbuch von ... verzeichneten Grundstücke) in die Grundstücksgesellschaft eingebracht waren. Hinsichtlich der sieben weiteren Grundstücke waren der Kläger und seine Brüder als ideelle Miteigentümer im Grundbuch eingetragen. Bereits am 27. Dezember 1995 lagen dem Kläger bzw. dem Beklagten die Grundbuchauszüge für die im Grundbuch von ..., im Grundbuch von ... sowie im Grundbuch ... verzeichneten Grundstücke vor. Beschafft werden hätten lediglich noch die Grundbuchauszüge für die in der Klageschrift unter Ziff. 4-8 verzeichneten Grundstücke, von denen zwei im Grundbuch von Minden und zwei im Grundbuch des Amtsgerichts Hannover eingetragen sind. Die insoweit für eine Übertragung erforderlichen Grundbuchauszüge hätten, wovon der Senat überzeugt ist, innerhalb kürzester Frist, jedenfalls problemlos noch am 28. oder auch 29. Dezember 1995 beschafft werden können, entweder durch Anforderung per Fax oder persönliche Abholung vor Ort, sofern sie nicht, wie vom Beklagten behauptet, diesem ohnehin ebenfalls bereits vorlagen.

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Die Behauptung des Klägers, eine Übertragung der Grundstücke mittels notarieller Beurkundung wäre bis zum Jahresende deshalb nicht mehr möglich gewesen, weil die anderen Mitgesellschafter "nicht verfügbar" gewesen seien, widerspricht seinem sonstigen Prozessvorbringen und ist im Übrigen auch ohne hinreichende Substanz. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers ist die Unterzeichnung des Abtretungsvertrages, die ebenfalls unter Beteiligung der anderen Gesellschafter hätte erfolgen müssen, nicht aus Zeitgründen, also nicht aus mangelnder Verfügbarkeit der anderen Gesellschafter, sondern nur deshalb unterblieben, weil nach dem Willen der Beteiligten hinsichtlich sämtlicher Grundstücke eine einheitliche rechtliche Behandlung gesichert bleiben sollte. Dies zeigt, dass die betroffenen Miteigentümer erreichbar waren und grundsätzlich für die Unterzeichnung des Abtretungsvertrages zur Verfügung standen.

28

3.

Die unterlassene Erinnerung gegenüber dem beklagten Notar ist dem Kläger zumindest im Sinne eines Fahrlässigkeitsvorwurfs anzulasten. Dem Kläger war auf Grund der durch den Notar ... erteilten Informationen bewusst, dass eine notarielle Beurkundung der Übertragungsvorgänge erforderlich war. Richtig ist zwar, dass der Beklagte persönlich sich zum fraglichen Zeitpunkt, dem 27. Dezember 1995, im Urlaub befand; unterstellt werden kann auch, dass der Notar ..., der den Kläger auf das Erfordernis einer notariellen Beurkundung hingewiesen hatte, zur Vornahme der erforderlichen notariellen Tätigkeiten nicht bereit war, da er in die Materie nicht eingearbeitet war. Dennoch hätte sich der Kläger nicht mit dessen Erklärung, nicht beurkunden zu wollen, begnügen dürfen, sondern er hätte mit der Kanzlei des Beklagten in Kontakt treten müssen, um dort unter Schilderung des Sachverhalts eine sofortige Bearbeitung des Vorgangs zur Vorbereitung der Beurkundung zu erreichen. Hierzu wäre der Notarvertreter des Beklagten ..., wie vom Beklagten unwidersprochen vorgetragen, bereit und in der Lage gewesen. Der Einwand des Klägers, der Beklagte selbst und damit auch dessen Notarvertreter wäre, da der Beklagte zugleich Testamentsvollstrecker der Kinder des verstorbenen Bruders des Klägers war, an einer Beurkundung gehindert gewesen, greift demgegenüber nicht durch. Bei den Vorschriften der §§ 16 BNotO, 3 Abs. 1 Nr. 5 BeurkG, die die Amtstätigkeit des Notars hinsichtlich solcher Angelegenheiten einer Person, deren Vertreter er ist, betreffen, handelt es sich lediglich um Soll-Vor-schriften. Verstöße gegen diese führen nicht zur Unwirksamkeit der Beurkundung. Im Übrigen hätte sich nach Überzeugung des Senats auch und gerade wegen des auch gebührenrechtlichen Umfangs der Angelegenheit bis zum Jahresende ein anderer Notar zur Beurkundung bereit gefunden.

29

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.