Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 12.05.2016, Az.: 2 A 2/15

Erdrosselung; Festsetzungsverjährung; rückwirkende Satzung; Schätzung von Besteuerungsgrundlagen; Steuermaßstab; Vergnügungssteuer

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
12.05.2016
Aktenzeichen
2 A 2/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43546
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Rückwirkender Erlass von Abgabensatzungen und Festsetzungsverjährung.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zur Vergnügungssteuer für den Zeitraum August 2007 bis Ende Dezember 2011. Sie betrieb in dieser Zeit auf dem Gebiet der Beklagten eine Spielhalle, in der sich zwölf Spielgeräte mit und ein Spielgerät ohne Gewinnmöglichkeit befanden.

Mit Bescheid vom 29. August 2007 setzte die Beklagte gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin ab dem 1. August 2007 Vergnügungssteuer für die o.a. Spielhalle in Höhe von 1.600,00 Euro monatlich fest. Dieser Bescheid ersetzte denjenigen vom 28. Juni 2007, der von 13 Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit ausgegangen war. Beide Festsetzungen beruhten auf der Satzung der Beklagten über die Erhebung der Vergnügungssteuer vom 12. November 1985, in der Fassung der vierten Änderung dieser Satzung vom 29. September 2000; die Berechnung der Steuer erfolgte nach dem sogenannten Stückzahlmaßstab.

Am 3. September 2007 erhob die Rechtsvorgängerin der Klägerin gegen den Bescheid vom 29. August 2007 Klage (3 A 363/07). Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2007 teilte die Beklagte in diesem Verfahren mit, der angefochtene Vergnügungssteuerbescheid vom 29. August 2007 werde aufgehoben und das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Erledigungserklärung der Rechtsvorgängerin der Klägerin ging bei Gericht am 31. Dezember 2007 ein. Mit Bescheid vom 13. Februar 2015 hob die Beklagte ihren Vergnügungssteuerbescheid vom 29. August 2007 aus Klarstellungsgründen und der guten Ordnung halber durch förmlichen Verwaltungsakt auf.

Am 27. November 2014 fasste der Rat der Beklagten den Beschluss über eine neue Satzung über die Erhebung einer Vergnügungssteuer für den Betrieb von Spielgeräten (Spielgerätesteuersatzung) - VStS -. Diese Satzung wurde am 28. November 2014 im Amtsblatt für den Landkreis D., Seite 447 veröffentlicht. Nunmehr wird als Bemessungsgrundlage der Spielgerätesteuer das Einspielergebnis angesehen. Spielgeräte ohne Gewinnmöglichkeit werden mit einer Mindestpauschale besteuert, soweit das Einspielergebnis geringer ist (§ 6 Abs. 1 VStS). Als Einspielergebnis gilt bei Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit und manipulationssicheren Zählwerken die Bruttokasse (§ 6 Abs. 2 VStS). Der Steuersatz beträgt sowohl für Spielgeräte mit als auch für solche ohne Gewinnmöglichkeit 8 v.H. (§ 7 Abs. 1 und 2 VStS). Der Steueranspruch entsteht mit Ablauf des jeweiligen Erhebungszeitraums (§ 9 Abs. 1 VStS), wobei mit einer gewissen Modifikation der Erhebungszeitraum der Kalendermonat ist (§ 8 Abs. 1 und 2 VStS). Der Steuerschuldner hat innerhalb von zehn Tagen nach Ablauf des Erhebungszeitraums eine Steuererklärung auf dem von der Beklagten vorgeschriebenen Vordruck einzureichen (§ 10 Abs. 1 VStS). Diese Steuererklärung gilt als Steueranmeldung im Sinne des § 11 NKAG in Verbindung mit §§ 150, 168 Abgabenordnung und die unbeanstandete Entgegennahme der Steueranmeldung gilt als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Hierbei hat der Steuerschuldner die Steuer selbst zu berechnen und ein separater Steuerbescheid wird in diesem Fall nicht erteilt (§ 10 Abs. 2 VStS). Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 VStS kann die Beklagte von den Möglichkeiten der Schätzung der Bemessungsgrundlagen Gebrauch machen, wenn der Steuerpflichtige die Steuererklärung nicht, nicht rechnerisch richtig, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig abgibt.

Gemäß Artikel II § 1 Abs. 1 tritt die Satzung rückwirkend zum 1. Januar 2007 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Satzung über die Erhebung der Vergnügungssteuer auf dem Gebiet der Beklagten vom 12. November 1985, zuletzt geändert durch die vierte Nachtragssatzung vom 29. September 2000, außer Kraft.

Daraufhin wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom 1. Dezember 2014 an die Rechtsvorgängerin der Klägerin. In dem mit „Aufforderung zur Abgabe von Vergnügungssteueranmeldungen für den Zeitraum 1. August 2007 bis 30. November 2014“ überschriebenen Schreiben wies die Beklagte die Rechtsvorgängerin der Klägerin auf ihre neue, rückwirkend in Kraft getretene Satzungsregelung hin, wonach die Steuerpflichtigen verpflichtet seien, innerhalb von 14 Tagen die Berechnung der Steuer sowohl nach den bisher geltenden Satzungsregelungen als auch nach der aktuell in Kraft getretenen Regelung bei ihr einzureichen. Ferner enthielt dieses Schreiben folgende Formulierung: „Als Anlage erhalten Sie die neue Spielgerätesteuersatzung, die Änderungssatzung vom 29. September 2000 mit den Pauschalsteuersätzen und die Vordrucke zur Vergnügungssteueranmeldung. Bitte füllen Sie für jeden Monat eine Anmeldung aus.“ Mit per Telefax versandtem Schreiben vom 18. Dezember 2014 teilte die Beklagte der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit, sie werde am 22. Dezember 2014 eine Schätzung vornehmen, da auf ihre, der Beklagten, E-Mail und Rückrufbitte vom 16. Dezember 2014 seitens der Klägerin eine Meldung nicht erfolgt sei.

Mit Bescheid vom 22. Dezember 2014 setzte die Beklagte die Vergnügungssteuer für die von der Klägerin betriebene Spielhalle für den Zeitraum 1. August 2007 bis 31. Dezember 2011 auf insgesamt 84.800,00 Euro fest. Zur Begründung berief sie sich auf ihre neue Vergnügungssteuersatzung und schätzte die monatlichen Einnahmen, weil die Rechtsvorgängerin der Klägerin Vergnügungssteueranmeldungen nicht eingereicht hatte. Dabei erfolgte die Schätzung in Höhe der auch mit Bescheid vom 29. August 2007 festgesetzten monatlichen 1.600,00 Euro.

Hiergegen hat die Rechtsvorgängerin der Klägerin am 2. Januar 2015 Klage erhoben.

Zu deren Begründung trägt sie im Wesentlichen vor:

Mit dem Erlass der Satzung vom 28. November 2014 verstoße die Beklagte gegen das Rückwirkungsverbot; insbesondere die Pflicht, Unterlagen für lang vergangene Zeiträume vorzulegen, verstoße hiergegen. Ferner drohe ihr die Existenzvernichtung; die Vergnügungssteuer habe erdrosselnde Wirkung. Die Basis der Schätzung sei unklar; zudem habe eine Schätzung nicht erfolgen dürfen, da eine Aufforderung zur Mitteilung von Einspielergebnissen nicht ergangen sei; das Schreiben der Beklagten vom 1. Dezember 2014 enthalte nur einen Hinweis auf die neue Satzungsregelung, nicht jedoch eine Aufforderung zur Abgabe von Steueranmeldungen. Die Vorlage der Ausdrucke über die Einspielergebnisse der jeweiligen Spielgeräte könne nicht verlangt werden; hierbei handele es sich um mindestens 1.000 DIN A4-Seiten, sodass ein Ausdruck tatsächlich und finanziell nicht machbar sei.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Eine doppelte Erhebung der Vergnügungssteuer für den streitbefangenen Zeitraum August 2007 bis Dezember 2011 erfolge nicht. Sowohl der Bescheid vom 28. Juni 2007 wie auch derjenige vom 29. August 2007 seien aufgehoben worden und durch den Bescheid vom 22. Dezember 2014 ersetzt worden.

Es liege kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor und Nachweise für eine Existenzgefährdung der Klägerin fehlten; die allgemeine Bestandsentwicklung an Spielhallen und -geräten sei zwischen dem 1. Januar 2010 und dem 1. Januar 2016 nicht signifikant fallend; lediglich die Klägerin habe ihre Halle geschlossen.

Zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen trägt die Beklagte vor, ihr Schreiben vom 1. Dezember 2014 sei ein Verwaltungsakt, mit dem sie die Klägerin aufgefordert habe, Steueranmeldungen für den streitbefangenen Zeitraum abzugeben; da derartige Erklärungen nicht abgegeben worden seien, sei sie zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen befugt gewesen. Sie habe sich bei ihrer Schätzung an den Zahlen der in der Vergangenheit festgesetzten Vergnügungssteuer orientiert.

Schließlich sei auch Festsetzungsverjährung nicht eingetreten, weil die Frist erst mit Inkrafttreten einer wirksamen Satzung im November 2014 zu laufen beginne. Ohne rechtswirksame Satzung sei die Forderung, die verjähren könne, noch nicht entstanden. Ein etwaiges Vertrauen der Klägerin in den Bestand der alten Rechtslage sei nicht schutzwürdig, da sie damit habe rechnen müssen, dass sie wie früher zur Zahlung von Vergnügungssteuer herangezogen werde und dass mit der Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Stückzahlmaßstabes noch nicht das letzte Wort gesprochen sei. Die Vorlage der jeweiligen Einspielergebnisse der Automaten sei für sie unverzichtbar und die von der Klägerin als Einspielergebnisse in den Raum gestellten Zahlen seien ohne derartige Ausdrucke nicht nachvollziehbar und daher als Grundlage für die Besteuerung nicht geeignet. Aufgrund anderer Aufbewahrungsvorschriften müsse die Klägerin diese Unterlagen auch für die hier interessierenden Zeiträume noch vorhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten in diesem sowie im Verfahren 2 B 37/15 gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Soweit die Beklagte gegen die Klägerin Vergnügungssteuer für den Zeitraum 1. August 2007 bis 31. Dezember 2009 festsetzt (in Höhe von 46.400,00 Euro) ist die Klage begründet, weil der angefochtene Bescheid vom 22. Dezember 2014 insoweit rechtswidrig ist; im Übrigen, das heißt für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2011 (38.400,00 Euro) ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, sodass ihre Klage erfolglos bleibt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für den angefochtene Bescheid vom 22. Dezember 2014 sind §§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 1 und 3 Abs. 2 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG) in der Fassung vom 23. Januar 2007 (Nds. GVBl., Seite 41) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 der Satzung über die Erhebung einer Vergnügungssteuer für den Betrieb von Spielgeräten (Spielgerätesteuersatzung) der Stadt D. (Amtsblatt für den Landkreis D., Seite 447 - im Folgenden VStS -).

Dass die Beklagte gemäß Artikel II § 1 Abs. 1 VStS diese Satzung rückwirkend zum 1. Januar 2007 in Kraft gesetzt hat, ist rechtlich im Grundsatz nicht zu beanstanden. Hierzu hat die Kammer in ihrem Urteil vom 29. April 2010 (2 A 22/10) unter Berufung auf die Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts ausgeführt:

„Die ursprünglich dem angefochtenen Bescheid vom 2. Dezember 2004 zugrunde liegende Vergnügungssteuersatzung der Beklagten vom 17. Dezember 1992 war infolge der gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Verwendung des sog. Stückzahlmaßstabs verfassungswidrig und damit nichtig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4.2.2009 -1 BvL 8/05-, BVerfGE 123, 1). Die Beklagte hat hierauf durch den Erlass ihrer Vergnügungssteuersatzung vom 11. Juni 2009 reagiert. Diese Satzung hat die Kammer ihrer Rechtmäßigkeitskontrolle zugrunde zu legen, weil sie gemäß ihres § 16 rückwirkend ab 1. November 2004, also auch im Zeitpunkt des Bescheiderlasses galt. Das Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung des zuständigen Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, der in diesem Zusammenhang ausgeführt hat (Beschluss vom 29. Juli 2009 -9 ME 36/09-):

„Entgegen der Ansicht des Antragstellers kommt eine Aufhebung der angefochtenen Festsetzungsbescheide nicht im Blick darauf in Betracht, dass sie zunächst auf einer den Stückzahlmaßstab verwendenden und damit unwirksamen Satzungsgrundlage beruhten. Abgabenbescheide, die auf eine unwirksame Satzung gestützt und deshalb rechtswidrig sind, können durch den späteren Erlass einer rechtmäßigen Satzung rückwirkend geheilt werden. Sie erhalten durch das „Nachschieben“ einer rechtswirksamen Satzung nachträglich die erforderliche Rechtsgrundlage (und zwar mit Wirkung ex tunc), brauchen also insbesondere nicht aufgehoben und durch einen neuen Bescheid ersetzt zu werden (so die nunmehr einhellige Auffassung, z.B. BVerwG, Urteil vom 26.6.1970 - IV C 134.68 - DVBl 1970, 835 = DÖV 1970, 861, Urteil vom 15.4.1983 - 8 C 170/81 - BVerwGE 67, 129 = KStZ 1983, 205 = NVwZ, 1983, 612 = DÖV 1983, 941; OVG Münster, Urteile vom 16.7.1969 - II A 714/66 - DVBl 1970, 427 und vom 5.2.1980 - 2 A 922/79 - OVGE 34, 293; Hess.VGH, Urteil vom 20.2.2008 - 5 UE 82/07 - KStZ 2008, 130; OVG Lüneburg, Urteil vom 21.11.1988 - 9 A 68/87 -; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2009, § 2 Rdnr. 107 und § 8 Rdnrn. 163, 166). Die Möglichkeit der nachträglichen Heilung zunächst rechtswidriger Abgabenbescheide folgt unmittelbar daraus, dass die - den zeitlichen Geltungsbereich der Festsetzungszeiträume - Rückwirkung von Abgabensatzungen (hier der Ersetzungssatzung vom 22. Februar 2007) materiellrechtlich zulässig ist und die Satzungen damit für die Vergangenheit neues Recht schaffen, sie also an die Stelle der früheren Rechtsordnung nachträglich eine andere rechtliche Ordnung treten lassen, die nunmehr für die von den angefochtenen Bescheiden erfassten Zeiträume gilt. So besteht der einzige Zweck der satzungsmäßigen Rückwirkungsanordnung in der Regel denn auch darin, noch nicht unanfechtbar gewordenen Heranziehungen nachträglich eine sichere Rechtsgrundlage zu verschaffen.

Weiter kann der Antragsteller nicht mit Erfolg einwenden, die Umstellung des Steuermaßstabs sei mit einem ihm nicht zumutbaren Aufwand für den Nachweis der Einspielergebnisse verbunden. Denn in der Rechtsprechung ist geklärt, dass sich der verfassungsrechtlich gewährleistete Vertrauensschutz nicht auf die Berechnungsfaktoren bezieht und eine rückwirkende Satzungsänderung nicht im Blick darauf unzulässig wird, dass den Steuerpflichtigen ein erhöhter Verwaltungsaufwand und dadurch bedingte Mehrlasten entstehen (vgl. Beschluss des Senats vom 20.4.2009 - 9 LA 423/07 -). Ein schutzwürdiges Vertrauen wird daher nicht enttäuscht, wenn nachträglich die Berechnungsgrundlagen - wie hier der Steuermaßstab - geändert werden (BVerwG, Urteil vom 27.1.1978 - VII C 32.76 - KStZ 1978, 149, hier zitiert nach juris; s. auch BVerwG, Beschluss vom 23.6.2008 - 9 B 43/07 - juris Rdnr. 6; Nds. OVG, Urteil vom 6.8.1987 - 3 A 144/86 - NSt-N 1988, 142). Gleiches gilt selbst dann, wenn diese rückwirkende Änderung im Einzelfall zu einer höheren Abgabenlast führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.4.1983 - 8 C 170/81 - BVerwGE 67, 129, hier zitiert nach juris Rdnr. 18; Rosenzweig/Freese, NKAG, Kommentar, Stand: Januar 2009, § 2 Rdnr. 43).“

Diese rückwirkende Satzungsänderung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht; insbesondere handelt es sich nicht um eine verfassungsrechtlich unzulässige, den rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutz verletzende echte Rückwirkung. Sie ist deshalb gemäß § 2 Abs. 2 NKAG zulässig.

Musste sich ein Bürger mit dem Inkrafttreten einer Steuersatzung auf eine Abgabe dieser Art und auf einen bestimmten Steuertatbestand grundsätzlich einstellen, liegt ein Verstoß gegen den Vertrauensschutzgrundsatz nicht vor, mag es auch zu späteren Korrekturen kommen. Wird mit einer rückwirkenden Satzung lediglich der Steuermaßstab geändert, verändert dies weder den von Anfang an beabsichtigten Charakter der Steuer als Aufwandssteuer noch ihre grundlegenden Strukturen in Form der indirekten Besteuerung der im Vergnügungsaufwand der Spieler zum Ausdruck kommenden Leistungsfähigkeit, erhoben beim Automatenaufsteller (BVerfG, Beschluss vom 3.9.2009 -1 BvR 2384/08-, NVwZ 2010, S. 313; zuvor schon ebenso: OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 23.7.2007 -9 LA 29/07-; vom 30.6.2008 -9 LA 215/07-); ein Verfassungsverstoß liegt dann nicht vor. So ist es hier. Denn mit der Satzung vom 11. Juni 2009 hat die Beklagte gegenüber den Vorgängersatzungen lediglich vom (verfassungswidrigen) Stückzahlmaßstab auf die Besteuerung nach dem Einspielergebnis gewechselt. Steuergegenstand und Charakter der Spielgerätesteuer sind demgegenüber gleich geblieben. Nach wie vor wird der Betrieb von Spiel- Geschicklichkeits- und Unterhaltungsapparaten und -automaten besteuert. Sowohl nach § 1 Nr. 5 der Vergnügungssteuersatzung vom 17. Dezember 1992 als auch nach § 1 Nr. 5 der Satzung vom 11. Juni 2009 ist Steuergegenstand der Betrieb von Spiel- Geschicklichkeits- und Unterhaltungsapparaten und -automaten in Räumen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind. Lediglich die jeweils in § 9 der Satzungen genannte Bemessungsgrundlage ist geändert worden. Insofern unterscheidet sich der Streitfall von dem vom Kläger für seine abweichende Rechtsansicht herangezogenen Urteil der vormals für das Recht der kommunalen Steuern zuständigen 3. Kammer des Gerichts (Urteil vom 8.1.2008 -3 A 7/07-, nrkr.). Denn dort hatte nach Auffassung des Gerichts der Satzungsgeber auch den Steuergegenstand ausgewechselt; war zunächst insoweit der Betrieb bestimmter Geräte maßgeblich, war es nach einer rückwirkenden Satzungsänderung nun die entgeltliche Nutzung solcher Geräte.“

An dieser Rechtsprechung hält die Kammer fest. Sie gilt namentlich auch, wenn es, wie hier, einen Zeitraum von ca. sieben Jahren gegeben hat, in dem eine gültige Vergnügungssteuersatzung auf dem Gebiet der Beklagten nicht existierte. Abgesehen vom - allein nicht ausreichenden - Zeitablauf hat die Beklagte gegenüber der Klägerin oder ihrer Rechtsvorgängerin keinen Vertrauenstatbestand gesetzt, aus dem diese hätte ableiten können, dass sie mit Vergnügungssteuer nicht mehr belastet werden würde.

Auch dadurch, dass die Klägerin gemäß Art. II § 2 Abs. 2 Nr. 2 VStS verpflichtet ist, für vergangene Zeiträume ab 2007 die Einspielergebnisse der von ihr betriebenen Geräte mitzuteilen, tritt eine unerlaubte Rückwirkung der Satzung nicht ein. Sie greift auch insoweit nicht in abgeschlossene Sachverhalte ein. Die Klägerin ist schon nach anderen Aufbewahrungsvorschriften, insbesondere § 147 Abs. 1 Nr. 1 und 4 Abgabenordnung - AO - verpflichtet, die elektronische Kasse samt Einspielergebnis 10 Jahre lang aufzubewahren. Eine darüber hinausgehende Belastung tritt durch die Satzung der Beklagten nicht ein.

Diese Satzung, für die der Beklagten gemäß §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 2 Satz 1 NKAG in Verbindung mit Artikel 105 Abs. 2 a GG die Satzungskompetenz zusteht, erfüllt den gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG gebotenen Sollinhalt. Der Kreis der Steuerschuldner (§ 3 Abs. 1 VStS), der Steuergegenstand (§ 1 VStS), der Steuermaßstab (§ 6 Abs. 1 VStS) und der Steuersatz (§ 7 Abs. 1 VStS) sind ebenso satzungsmäßig geregelt wie die Entstehung der Steuer (§ 9 VStS) und der Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerschuld (§ 11 VStS). Insbesondere unterliegen der Steuermaßstab nach § 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 VStS in Form des Einspielergebnisses und der Steuersatz von 8 v.H. nach § 7 Abs. 1 und 2 VStS keinen rechtlichen Bedenken.

Zum Steuermaßstab des Einspielergebnisses hat die Kammer im Urteil vom 25.09.2014 -2 A 250/14- ausgeführt:

„Der Grundsatz der gleichen Zuteilung steuerlicher Lasten (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 BvR 1748/99, 905/00 -, BVerfGE 110, 274 [292] – Ökosteuer) als Ausfluss des allgemeinen Gleichheitssatzes verlangt eine Ausgestaltung der Steuer, die bezogen auf den jeweiligen Steuergegenstand und unter Berücksichtigung der Eigenart der jeweiligen Steuer eine gleichheitsgerechte Belastung sicherstellt. Bei der Aufwandsteuer ist es die in der Einkommens- und Vermögensverwendung zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit, die gleichheitsgerecht zu erfassen ist. Steuerschuldner der Vergnügungssteuer in Form der Spielautomatensteuer ist der Veranstalter des Vergnügens. Gleichwohl zielt die Steuer auf die Belastung des Vergnügungsaufwandes des einzelnen Spielers (Steuerträgers) als Ausdruck seiner individuellen Leistungsfähigkeit ab.  Daher stellt der individuell tatsächlich getätigte Vergnügungsaufwand den sachgerechtesten Maßstab für die Vergnügungssteuer dar. Der Normgeber ist jedoch von Verfassungs wegen nicht auf einen derartigen Wirklichkeitsmaßstab beschränkt. Er hat vielmehr einen weiten Gestaltungsspielraum, der aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität eine Pauschalierung zulässt. Der Rechtfertigungsbedarf für die Wahl eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs ist umso höher, je weiter sich dieser von dem Belastungsgrund des Vergnügungsaufwandes des einzelnen Spielers entfernt. In jedem Fall verlangt der Grundsatz der Belastungsgleichheit einen zumindest lockeren Bezug des Steuermaßstabs zum Vergnügungsaufwand des Spielers (BVerfG, Teilurteil vom 10. Mai 1962, a.a.O., BVerfGE 14, 76 [93, 95] [BVerfG 10.05.1962 - 1 BvL 31/58]; Beschlüsse vom 1. April 1971 - 1 BvL 22/67 -, BVerfGE 31, 8 [19, 25 f.], und vom 4. Februar 2009, a.a.O., BVerfGE 123, 1 [19 ff.] [BVerfG 04.02.2009 - 1 BvL 8/05].

Diesen Anforderungen wird der Steuermaßstab der „elektronisch gezählten Bruttokasse“ (des „Einspielergebnisses“) gerecht. Er bildet zwar weder den wirklichen individuellen Vergnügungsaufwand des einzelnen Spielers noch den (ersatzweise) summierten Vergnügungsaufwand aller Spieler im Erhebungszeitraum ab (dieser würde - wirklichkeitsnäher - am ehesten durch den „Spieleinsatz“ [= eingeworfenes Geld und thesaurierte, d.h. nicht ausgezahlte, sondern zu neuem Spiel verwendete Gewinne, vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2009, a.a.O., BVerwGE 135, 367 K., juris Rn. 24] erfasst), stellt jedoch einen ebenso zulässigen realitätsnahen Ersatzmaßstab dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009, a.a.O., BVerwGE 123, 1 [26 f.]; Nds. OVG, Urteil vom 12. Mai 2014, a.a.O., S. 7 f. des Urteilsabdrucks), für den sich die Beklagte kraft ihrer steuerlichen Gestaltungsfreiheit entscheiden durfte.“

Im selben Urteil hat die Kammer zur Frage der erdrosselnden Wirkung der Vergnügungssteuer folgendes geurteilt:

„(3) Die abstrakte Höhe des Steuersatzes (12% auf das Einspielergebnis) legt eine erdrosselnde Wirkung nicht ohne weiteres nahe.

Das Nds. OVG hat in seinem Urteil vom 12. Mai 2014, a.a.O., S. 10 des Urteilsabdrucks, einen Satz von 10% als „am unteren Rand der […] nicht erdrosselnd wirkenden Steuersätze“ gelegen bezeichnet und in seinem Beschluss vom 22. März 2007 - 9 ME 84/07 -, juris Rn. 13, einen Steuersatz von 12% als nicht erdrosselnd eingestuft. In seinem späteren Beschluss vom 8. November 2010, a.a.O., juris Rnrn. 5 f., hat es auch einen Steuersatz von 15% noch sanktioniert, wenngleich es bei Annäherung an diesen Wert hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Berufsfreiheit einer besonders sorgfältigen Prüfung bedürfe, d.h. zumindest der Vorlage einer eigenen Kalkulation bzw. der Angabe von Bezugsfällen im Erhebungsgebiet, um zu verdeutlichen, dass dort Spielhallen nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können. Da sich der vorliegend zu würdigende Steuersatz von 12% nach diesen Maßstäben im mittleren Bereich bewegt, bedarf es nach Ansicht der Kammer hier einer solchen sorgfältigen Prüfung noch nicht. Die Argumentation der Klägerin, bei einer Addition mit sonstigen Kommunalabgaben - namentlich der Fremdenverkehrsabgabe - werde aber ein Steuersatz von 15% erreicht oder gar überschritten, ist verfehlt. Wie bereits oben auf S. 14 des Urteils ausgeführt, beruhen die Vergnügungssteuer (§ 3 Abs. 2 NKAG) und die Fremdenverkehrsabgabe (§ 9 Abs. 2 NKAG) auf jeweils gesonderten Rechtsgrundlagen, haben unterschiedliche Belastungsgründe und sind zwei verschiedenen Abgabenarten (Beitrag und Steuer) zuzuordnen; sie bedürfen deshalb auch einer voneinander unabhängigen rechtlichen Betrachtung.

Keine Änderung im Hinblick auf die Aussagekraft des abstrakten Steuersatzes zeitigt die Vorlage der KPMG-Gutachten (a.a.O., S. 20 f. des Urteils) durch die Klägerin, von denen im vorliegenden Fall allenfalls das im Jahre 2012 erstellte, auf das Jahr 2010 bezogene Gutachten (Beiakte E a.E.) von Relevanz sein kann. Darin wird zwar die Erdrosselungsgrenze bei einem Steuersatz von mehr als 10,94% auf die Bruttokasse (= das Einspielergebnis) als erreicht angesehen. Allerdings unterliegen die Ergebnisse dieser Erhebung wegen des geringen Anteils auswertbarer Rückläufe (nur 7,2% der Befragten) erheblichen Bedenken gegen ihre Repräsentativität. Ferner beruht der ermittelte Schwellenwert von 10,94% auf einem bundesweiten Durchschnitt und bildet die Verhältnisse im Satzungsgebiet der Beklagten, auf die es aber hier gerade ankommt, daher nicht ab; eine gemeindescharfe Zuordnung von Ergebnissen zu diesem Gebiet ist - wie oben auf S. 20 f. des Urteils bereits betont - aus methodischen Gründen nicht möglich.

(4) Aus den von der Klägerin vorgelegten eigenen Zahlen kann auf eine erdrosselnde Wirkung ebenfalls nicht geschlossen werden.

Dass der durchschnittlich von Aufstellern im Satzungsgebiet der Beklagten erzielte Bruttoumsatz die durchschnittlichen Kosten (bei deren Ermittlung solche Geräte unberücksichtigt bleiben müssen, die unabhängig von der Spielgerätesteuer unwirtschaftlich sind und daher geeignet sein könnten, den durchschnittlichen Ertrag zu mindern) unter Berücksichtigung aller anfallenden Steuern (also auch der Spielgerätesteuer) und einschließlich eines angemessenen Betrages für Eigenkapitalverzinsung und Unternehmerlohn nicht mehr abdecken könnte (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2009, a.a.O., BVerwGE 135, 367 [383], juris Rnrn. 44 f.) und dass es deshalb in der Stadt A durch die Höhe der erhobenen Spielgerätesteuer einem Automatenaufsteller im Regelfall unmöglich gemacht würde, diesen Beruf (weiterhin) zur Grundlage seiner Existenz zu machen und somit nur noch ausnahmsweise eine Fortführung dieser Erwerbstätigkeit möglich erschiene, zeigen diese Zahlen nicht auf.

Ebenso wie bei der Frage nach einem Fehlen der kalkulatorischen Abwälzbarkeit zwingen die negativen Betriebsergebnisse nur eines Unternehmens nicht zu der Annahme, die Änderung der Vergnügungssteuer sei allgemein geeignet, dem Betrieb von Spielautomaten im Gebiet der Beklagten die wirtschaftliche Grundlage zu entziehen (BVerwG, a.a.O., Rn. 44). Wie die Kammer in jenem Zusammenhang bereits auf S. 21 f. des Urteils ausgeführt hat, geht aus den Kostenstellenrechnungen, betriebswirtschaftlichen Auswertungen und Jahresabschlüssen der Klägerin auch nicht hervor, dass ihre Situation die Lage der Gruppe des in A. tätigen, durchschnittlichen, ordnungsgemäß wirtschaftenden Spielhallenbetreibers bzw. Spielautomatenaufstellers repräsentiert. Die auf die B. bezogene Kostenstellenrechnung für 2010 deutet eher darauf hin, dass dieser Standort ohnehin defizitär arbeitet und deshalb als Modell für die Wirkungen der Spielgerätesteuer nicht in Frage kommt; die betriebswirtschaftlichen Auswertungen und Jahresabschlüsse beziehen sich auf das an vier Standorten tätige Gesamtunternehmen der Klägerin und lassen eine nur auf A. bezogene Aussage nicht zu.

(5) Demgegenüber ist die Kammer aufgrund der von der Beklagten dargestellten Bestandsentwicklung der Spielhallen und Geldspielgeräte in ihrem Satzungsgebiet seit Inkrafttreten der Satzung (dazu bereits oben S. 22 f. des Urteils) davon überzeugt, dass die von dieser erhobene Spielgerätesteuer nach wie vor auf die Spieler bereits kalkulatorisch abwälzbar ist, d.h. eine aus Art. 3 Abs. 1 GG (wegen der hier indirekten Besteuerung) folgende engere Grenze nicht verletzt wird. Dann aber ist nach logischen Grundsätzen der Subjunktion von vornherein erst recht eine nur für Art. 12 Abs. 1 GG relevante Erdrosselungswirkung als Verletzung einer äußersten Grenze (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Januar 1998, a.a.O., NVwZ-RR 1998, 672 [BVerwG 07.01.1998 - BVerwG 8 B 228/97]) auszuschließen (zur indiziellen Bedeutung der Bestandsentwicklung für die Verneinung einer behaupteten Erdrosselungswirkung vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 2013, a.a.O., juris Rn. 7, und vom 26. Oktober 2011 - 9 B 16.11 -, NVwZ-RR 2012, 38, juris Rn. 7; im Anschluss an das Urteil vom 10. Dezember 2009, a.a.O., BVerwGE 135, 367 [383], juris Rn. 46).“

Ein Steuersatz von 8 % bietet nach dieser von der Kammer geteilten Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts von vornherein wenig Anlass, über eine erdrosselnde Wirkung der Steuer nachzudenken. Von der Klägerin in den Raum gestellte Zahlen sind erstens nicht belegt und zweitens nicht geeignet darzulegen, dass der Betrieb von Spielgeräten auf dem Gebiet der Beklagten grundsätzlich und in jedem Fall für den Betreiber nicht mehr finanziell auskömmlich gestaltet werden kann. Anhaltspunkte dafür, dass die Zahl der Spielhallen und/oder Spielgeräte in D. allgemein rückläufig sind, hat die Kammer nicht. Aus der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 27. April 2016 zur Verfügung gestellten Auflistung ergibt sich vielmehr, dass die Zahl der Spielhallen auf dem Gebiet der Beklagten zwischen 2010 und 2016 von neun über 11 auf 10 Stück gestiegen ist. Auch die Zahl der Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit hat von 108 im Jahre 2010 auf 106 im Jahre 2016 nicht signifikant abgenommen. Der Verlust von 12 Spielgeräten durch die Schließung der klägerischen Spielhalle Mitte 2015 ist sogar überkompensiert worden. Folglich ist dem Beweisangebot der Klägerin, die erdrosselnde Wirkung der Steuer durch Einvernahme ihrer Steuerberaterin als Zeugin festzustellen, nicht nachzukommen.

Eine doppelte Heranziehung zur Vergnügungssteuer liegt im streitbefangenen Zeitraum von August 2007 bis 31. Dezember 2011 nicht vor. Der Bescheid vom 28. Juni 2007 ist durch denjenigen vom 29. August 2007 ersetzt worden, der selbst mit gerichtlichem Schriftsatz vom 19. Dezember 2007 aufgehoben worden ist. Allein der klagegegenständliche Bescheid vom 22. Dezember 2014 setzt mithin Vergnügungssteuer für den Zeitraum August 2007 bis Dezember 2011 gegen die Klägerin fest.

Es ist nichts dagegen zu erinnern, dass die Beklagte die Besteuerungsgrundlagen für den Streitzeitraum geschätzt hat. Rechtsgrundlage hierfür ist § 10 Abs. 4 VStS.

Danach setzt die Beklagte die Steuer durch schriftlichen Bescheid fest, wenn der Steuerschuldner die Steuererklärung nicht, nicht rechnerisch richtig, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig abgibt. Dabei kann sie nach Satz 2 dieser Regelung von den Möglichkeiten der Schätzung der Bemessungsgrundlagen Gebrauch machen. Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 b NKAG sind die rechtlichen Rahmenbedingungen dieser Schätzung § 162 AO zu entnehmen. Gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlage zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Häufigster Anwendungsfall dieser Schätzung ist die Nichtabgabe der Steuererklärung trotz entsprechender Aufforderung durch die Finanzbehörde (vergleiche Rüsken in: Klein, AO, 12. Auflage, § 162 Rn. 27). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Mit Schreiben vom 1. Dezember 2014, mit E-Mail vom 16. Dezember 2014 und mit Hinweisschreiben vom 18. Dezember 2014 hat die Beklagte die Rechtsvorgängerin der Klägerin hinreichend deutlich und mehrfach zur Abgabe der nach ihrer Vergnügungssteuersatzung nunmehr erforderlichen Steuererklärungen aufgefordert. Die Klägerin kann nicht mit dem Einwand gehört werden, das Schreiben vom 1. Dezember 2014 sei ein bloßes Hinweisschreiben gewesen. Schon aus der Betreffzeile dieses Schreibens ergibt sich, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin zur Abgabe von Vergnügungssteueranmeldungen für den Zeitraum 1. August 2007 bis 30. November 2014 aufgefordert worden ist. Aufforderungscharakter kommt auch dem in Abs. 4 dieses Schreibens enthaltenen Hinweis auf die gesetzliche Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen sowie dem vorletzten Absatz zu, mit dem die Rechtsvorgängerin der Klägerin gebeten wird, für jeden Monat eine Anmeldung auszufüllen. Entsprechende Aussagen enthalten die E-Mail an die Adresse hrleinemann@aol.com (Name des Geschäftsführers der Rechtsvorgängerin der Klägerin) vom 16. Dezember sowie das nochmals mit Aufforderung zur Abgabe von Vergnügungssteueranmeldungen für den Zeitraum 1. August 2007 bis 30. November 2014 überschriebene Schreiben der Beklagten an die Rechtsvorgängerin der Klägerin vom 18. Dezember 2014. In Anbetracht dieser eindeutigen Aufforderungen kann die Kammer offen lassen, ob es derartiger Aufforderungen nach den Satzungsbestimmungen in § 10 VStS überhaupt bedarf.

Die Schätzungsgrundlagen erscheinen dem Gericht sachgerecht. In Ermangelung anderer Zahlen liegt es nahe und ist rechtlich vertretbar, dass die Beklagte auf Beträge zurückgreift, die bei früheren Veranlagungen dieser Zeiträume festgesetzt worden sind. In Anbetracht der Nachweisschwierigkeiten im Übrigen ist es zulässig, an wirklichkeitsnahe Zahlen der Vergangenheit anzuknüpfen. Der Klägerin ist es auch im gerichtlichen Verfahren nicht gelungen, diese Schätzungsgrundlagen zur erschüttern. Zwar hat sie Einspielergebnisse mitgeteilt, die von den Schätzungsgrundlagen abweichen; sie hat jedoch entgegen § 10 Abs. 1 VStS bisher nicht eine Steuererklärung auf dem von der Beklagten vorgeschriebenen Vordruck eingereicht. Da entsprechende Ausdrucke der Bruttokasse nach § 6 Abs. 2 VStS weder vollständig noch auszugsweise vorgelegt worden sind, hat die Klägerin auch weder die Beklagte noch das Gericht in die Lage versetzt zu überprüfen, ob die geschätzten Besteuerungsgrundlagen den tatsächlichen entsprechen. Da somit weder bei Bescheiderlass noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine Überprüfung der geschätzten Besteuerungsgrundlagen anhand tatsächlich erzielter Bruttoeinnahmen möglich ist, bleibt es bei der sachgerecht vorgenommenen Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch die Beklagte.

Der Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2014 ist jedoch deshalb teilweise rechtswidrig, weil für die Veranlagungsjahre 2007 bis einschließlich 2009 die Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Die Kammer hält an ihrer im Beschluss vom 25. Februar 2015 (2 B 37/15) hierzu vorläufig geäußerten Rechtsauffassung trotz der von der Beklagten angeführten Gegenargumente fest.

Seit langem ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Verjährung der von Gemeinden zu erhebenden öffentlichen Abgaben im Abgabenrecht der Länder geregelt ist. Ihre Regelung fällt auch für die Fälle, die mit einer rückwirkenden Rechtsänderung zusammenhängen, in den Bereich der Landesgesetzgebung. Nach Landesrecht und nicht nach Bundesrecht bestimmt sich deshalb auch, welches Ereignis, insbesondere bei rückwirkender Rechtsänderung, die Verjährungsfrist in Lauf setzt (BVerwG, Urteil vom 21.01.1977 - IV C 84-92.74 u.a. -, zitiert nach Juris, Rn. 15). Die Wirksamkeit einer Satzung einerseits und die Möglichkeit aufgrund einer rückwirkend erlassenen Satzung noch Steuerbescheide erlassen zu können andererseits müssen zeitlich nicht zusammenfallen.

Dies bestätigt zunächst die Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 3 NKAG. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes und anderer abgabenrechtlicher Vorschriften vom 2. Juli 1985 (Niedersächsisches GVBl. Seite 207) war eine Rückwirkung von Satzungen nur für den Zeitraum der Festsetzungsfrist möglich. Mit dem Änderungsgesetz wurden die Worte „jedoch nicht über den Verjährungszeitraum hinaus“ gestrichen. Damit sollte jedoch nicht geregelt werden, dass durch die Rückwirkung in bereits festsetzungsverjährte Zeiträume eingegriffen werden dürfe. In der Begründung des Gesetzentwurfes (LT/Ds 10/3990 Seite 8) heißt es in diesem Zusammenhang:

„Eine rechtlich zulässige Rückwirkung über den Verjährungszeitraum hinaus kann grundsätzlich nur bei solchen nachträglich erfassten Tatbeständen die rückwirkend begründeten Abgabenforderungen bestehen lassen, für die in dem Zeitpunkt, in dem die Satzung verkündet wird, noch nicht die Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

Die bisherige zeitliche Beschränkung verfehlt den vom Gesetz mit der Rückwirkung eigentlich erstrebten Zweck, wenn die Entstehung der Abgabepflicht weiter zurückreicht als die vierjährige Festsetzungsfrist und der Abgabepflichtige zum Beispiel durch Anfechtung des Heranziehungsbescheides und durch die sich daran anschließenden Verwaltungs- und / oder Gerichtsverfahren den Ablauf der Festsetzungsfrist zwar gehemmt und damit den Eintritt der Verjährung verhindert hat, eine neue Veranlagung auf der Grundlage der zeitlich nur beschränkt rückwirkenden Satzung aber nicht möglich ist. Die Landkreise und Gemeinden sollen also auch solche Forderungen noch geltend machen können, die nur wegen einer Ablaufhemmung oder Verjährungsunterbrechung noch nicht verjährt sind.“

Dem Gesetzgeber ging es durch die Streichung mithin darum, eine Deckung der landesrechtlichen Verjährungsregeln mit denjenigen der Abgabenordnung nach §§ 169 ff. AO zu erzielen.

Auch in der Kommentarliteratur wird einhellig die Auffassung vertreten, dass Rückwirkung und Verjährung zu trennen sind und dass Satzungen rückwirkend auch in festsetzungsverjährte Zeiträume hinein erlassen werden dürfen.

Nach Holtbrügge (in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 2 Rn. 38) ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein rückwirkendes Inkraftsetzen auch über die Länge des Verjährungszeitraums hinaus zulässig ist. Bei einer über den Verjährungszeitraum hinausgehenden Rückwirkung könne sich allerdings als Folge ergeben, dass mit dem Inkrafttreten der rückwirkenden Satzung zugleich die Verjährung der Abgabenforderung eintrete (ebenso Sauthoff, ebenda, § 12 Rn. 34).

Nach Freese (in: Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, § 2 Rn. 39) kann gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 NKAG die Rückwirkung bis zu dem Zeitpunkt ausgedehnt werden, zu dem die bestehende Satzung in Kraft getreten war oder in Kraft treten sollte. Satzungen könnten rückwirkend also auch über den Verjährungszeitraum hinaus in Kraft gesetzt werden. Allerdings beschränke sich die Rückwirkung im Ergebnis auf die Festsetzungsfrist nach § 11 Abs. 4 NKAG in Verbindung mit § 169 AO, soweit noch kein Heranziehungsbescheid erlassen worden sei. Etwas anderes könne bei Hemmung der Festsetzungsfrist insbesondere durch Rechtsmittel gelten. An anderer Stelle (a.a.O. § 11 Rn. 102) schreibt er, für das Ingangsetzen der Festsetzungsfrist komme es nicht auf das Vorhandensein einer wirksamen Satzung an, die zur Erhebung der Abgabe berechtige. Entscheidend seien vielmehr bestimmte äußere Faktoren, bei Steuern die Erfüllung des Tatbestands, an den die Steuerpflicht geknüpft sei. Das heiße, die Festsetzungsverjährung laufe auch in der Zeit, in der die Kommune mangels rechtswirksamer Satzung zur Erhebung nicht berechtigt sei.

Aus alledem folgt, dass sich die Zeitspanne der Rückwirkung einer Satzung von derjenigen der Verjährung von Steueransprüchen unterscheiden kann. Maßgeblich für die Verjährung sind die landesrechtlichen Vorschriften.

In Niedersachsen regeln § 2 Abs. 3 sowie § 11 Abs. 1 Nr. 4 b NKAG in Verbindung mit § 169 AO Fragen der Verjährung von Abgabenansprüchen.

§ 2 Abs. 3 NKAG bestimmt, dass dann, wenn innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten einer neuen Abgabensatzung eine Heranziehung, die aufgrund der bisherigen Abgabensatzung ergangen und nicht unanfechtbar geworden ist, durch eine Heranziehung aufgrund der neuen Abgabensatzung ersetzt wird, die neue Heranziehung im Sinne der Verjährungsvorschriften als im Zeitpunkt der früheren Heranziehung vorgenommen gilt. Sinn und Zweck dieser Regelung sind in Anbetracht der durch § 11 Abs. 1 Nr. 4 b NKAG geregelten Verweisung auch auf § 171 Abs. 3 a AO nicht recht verständlich (vergleiche Freese, a.a.O., § 2 Rn. 40). Gewollt war mit dieser Vorschrift, wie oben dargelegt, eine Erleichterung der rückwirkenden Heranziehung zu Kommunalabgaben für den Fall der Ersetzung von Heranziehungsbescheiden. Indes ist diese Vorschrift hier nicht einschlägig. Zwar hat die Beklagte innerhalb der in § 2 Abs. 3 NKAG vorgesehenen Jahresfrist nach Erlass ihrer neuen Satzung den streitgegenständlichen Bescheid erlassen; dies geschah jedoch nicht in Ersetzung eines aufgrund der bisherigen Abgabensatzung ergangenen und nicht unanfechtbar gewordenen Bescheides. Denn der vorangegangene Steuerbescheid vom 29.08.2007 ist schon mit gerichtlicher Erklärung der Beklagten im Verfahren 3 A 363/07 vom 19. Dezember 2007 von dieser aufgehoben worden. Bereits in diesem Schriftsatz liegt nach dem eindeutigen und objektiv erkennbaren Wortlaut eine Bescheidaufhebung; der ausdrücklichen Aufhebung dieses Bescheides durch Bescheid vom 13. Februar 2015 kommt keinerlei darüber hinausgehende Rechtswirkung - mehr - zu. Folglich existiert ein unanfechtbarer Bescheid, den es zu ersetzen gelte, nicht.

Für die Verjährungsregelungen der Abgabenordnung, die gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 b) NKAG auf dem Gebiet der Kommunalabgaben Anwendung finden, gilt Folgendes:

Die Festsetzungsfrist für die Vergnügungssteuern beträgt nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre. Gemäß § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Wann dies der Fall ist, richtet sich nach der Vergnügungssteuersatzung der Beklagten vom 28. November 2014. Dazu regelt § 9 Abs. 1 VStS, dass der Steueranspruch mit Ablauf des jeweiligen Erhebungszeitraums entsteht. Gemäß § 8 Abs. 1 VStS ist Erhebungszeitraum der Kalendermonat. Wenn und soweit sich die Satzung Rückwirkung ab dem 1. Januar 2007 beimisst, entsteht der Steueranspruch damit mit Ablauf eines jeden Kalendermonats ab Januar 2007. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dabei nicht auf den Zeitpunkt des Satzungserlasses abzustellen, sondern auf die satzungsgemäße Regelung des Entstehens des Steueranspruchs.

Ein abweichender Beginn der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO ist nicht gegeben.

Danach beginnt abweichend von Abs. 1 die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Abs. 1 später beginnt. Die Vorgängersatzungen vom 12. November 1985 inklusive Nachfolgeregelungen enthielten eine derartige Steuererklärungspflicht nicht. In § 13 Abs. 4 VStS a.F. war lediglich eine Pflicht enthalten, das Inbetriebnehmen von Apparaten zu melden. Zwar regelt die aktuelle Satzung der Beklagten nunmehr in § 10 eine Steuererklärungspflicht; dies führt jedoch nicht dazu, dass die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist - hier mit Ablauf des Jahres 2010 -, beginnt.

Denn die Handlungspflicht, eine Steuererklärung abzugeben, entsteht, anders als die Steuer selbst, nicht rückwirkend auf das Jahr 2007. Diese Erklärungspflicht kann und muss der Steuerpflichtige erst nach wirksamer Bekanntgabe der Satzung im November 2014 erfüllen. Zwar muss er dann auch Erklärungen für die Zeit ab Inkrafttreten bzw. für unverjährte Zeiträume ab Inkrafttreten abgeben, eine derartige Pflicht bestand jedoch zwischen dem Rückwirkungszeitpunkt und dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Satzung nicht. Würde man dies anders sehen, würde durch die neue Satzung in durch Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist abgeschlossene Sachverhalte eingegriffen, worin eine echte und damit verfassungswidrige Rückwirkung liegen würde. Folglich bleibt es beim Beginn der Festsetzungsverjährungsfrist mit Ablauf eines jeden Kalendermonats.

Schließlich vermag sich die Beklagte für eine Verlängerung der vierjährigen Verjährungsfrist nicht auf § 171 Abs. 3 a AO zu berufen.

Gemäß § 171 Abs. 3 a Satz 1 AO läuft die Festsetzungsfrist für den Fall, dass ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten wird, nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist gemäß Satz 2 dieser Bestimmung hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt. Zweck dieser Regelung ist es, dass sich die Finanzbehörde nach einem möglicherweise langjährigen Rechtsstreit über eine Steuerforderung nicht den Ablauf der Verjährungsfrist entgegenhalten lassen muss. Der Behörde wird zugutegehalten, dass sie keinen Einfluss auf die Dauer und den Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens hat.

Dies bedeutet für den Streitfall, dass mit der Rücknahme des Bescheides vom 29. August 2007 durch die Beklagte mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2007 dieser Bescheid unanfechtbar im Sinne des § 171 Abs. 3 a Satz 1 AO geworden ist (vergleiche Sauthoff in: Driehaus a.a.O., § 12 Rn. 34). Insoweit ist von Belang, dass der Schriftsatz der Beklagten vom 19. Dezember 2007 noch im selben Monat dem Prozessbevollmächtigten der Rechtsvorgängerin der Klägerin bekannt gegeben und damit wirksam geworden ist, was sich daraus ergibt, dass deren Erledigungserklärung noch im Dezember 2007 bei Gericht eingegangen ist. Mit der vollständigen Aufhebung hat der Bescheid seine Wirksamkeit und damit auch seine Eignung als verjährungshemmende Maßnahme verloren. Soll ein neuer Abgabenbescheid erlassen werden, darf im Zeitpunkt seines Erlasses die in ihrem Ablauf als nicht gehemmt anzusehende Festsetzungsfrist nicht bereits abgelaufen sein (Sauthoff, a.a.O., m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs).

Aus § 171 Abs. 3 a Satz 3 AO folgt nichts anderes. Danach ist in den Fällen der §§ 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 und 101 Finanzgerichtsordnung (Aufhebung angefochtener Verwaltungsakte durch Urteil) über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist. Hiermit wird im Falle gerichtlicher Kassation eines Steuerbescheides die Verjährung bis zur Unanfechtbarkeit des daraufhin neu erlassenen Bescheides gehemmt. Diese Vorschrift findet jedoch keine Anwendung, wenn, wie hier, die Finanzbehörde selbst den angefochtenen Steuerbescheid aufhebt (Rüsken in: Klein, a.a.O., § 171 Rn. 34 a; OVG Münster, Beschluss vom 19.03.2012 - 14 A 435/12 -, zitiert nach Juris Rn. 10 m.w.N.; ebenso Anwendungserlass zur AO zu § 171 Anmerkung 2 a). Denn hier hat es die Finanzbehörde selbst in der Hand, einen neuen Bescheid innerhalb noch nicht festsetzungsverjährter Zeit zu erlassen.

Die durch die Einlegung der Klage am 31.08.2007 eingetretene Ablaufhemmung endete folglich im Dezember desselben Jahres. Von da an gilt uneingeschränkt die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist. Daraus folgt, dass die Steueransprüche der Beklagten für die Jahre 2007, 2008 und 2009 im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides vom 22. Dezember 2014 bereits verjährt waren; der Bescheid ist insoweit rechtswidrig. Darüber hinaus ist Verjährung noch nicht eingetreten. Da auch andere Rechtsfehler nicht zu erkennen sind, ist der Bescheid insoweit rechtmäßig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO und berücksichtigt das jeweilige Maß des Obsiegens.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO in Bezug auf die Beklagte als Vollstreckungsgläubigerin sowie § 709 Satz 1 und 2 ZPO in Bezug auf die Klägerin als Vollstreckungsgläubigerin.