Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 12.05.2016, Az.: 2 A 141/15
Grundstück; Kauf von Grundstücken; Negativattest; Verwaltungsgebühr; Vorkaufsrecht
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 12.05.2016
- Aktenzeichen
- 2 A 141/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 43028
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 24 Abs 1 BauGB
- § 28 Abs 1 S 1 BauGB
- § 467 S 1 BGB
Tatbestand:
Die Klägerin, eine aus vier Landwirten bestehende Betriebsgemeinschaft, wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Verwaltungsgebühren.
Die Klägerin erwarb durch notariellen Kaufvertrag vom 23. April 2015 von der DB Netz Aktiengesellschaft zu einem Kaufpreis von 215.000,00 € verschiedene Grundstücke. Es handelte sich um die auf Blatt 624 des Grundbuchs von J. (Amtsgericht Northeim) aufgelisteten Nrn. 32 bis 34 der Flur 10, Nrn. 43, 44, 46 bis 51 und 55 der Flur 13, Nr. 53 der Flur 16 sowie die Nr. 54 der Flur 17. Unter dem 27. April 2015 beantragte der Notar im Namen der Vertragsparteien bei der Beklagten, unverzüglich ein Zeugnis über die Nichtausübung oder das Nichtbestehen eines Vorkaufsrechts auszustellen. Ein Vorkaufsrecht bestand für die im Außenbereich liegenden Ackerflächen nicht. Daraufhin erteilte die Beklagte am 19. Mai 2015 vier Negativatteste, getrennt nach Flurnummern, wobei innerhalb derselben Flur mehrere Flurstücke bescheidmäßig zusammengefasst waren. Am selben Tag setzte die Beklagte mit weiteren vier Kostengrund- und Kostenfestsetzungsbescheiden die Kosten für die Ausstellung dieser Negativatteste auf jeweils 30,00 € fest.
Hiergegen hat die Klägerin am 15. Juni 2015 Klage erhoben.
Zu deren Begründung trägt sie vor, es liege lediglich eine Verwaltungstätigkeit vor, weil nur ein notarieller Kaufvertrag bei der Beklagten vorgelegt worden sei. Insofern hätte die Erteilung eines Negativattestes für diesen Kaufvertrag genügt. Umgekehrt wäre es nämlich so gewesen, dass die Beklagte ihr Vorkaufsrecht auch nur insgesamt einheitlich hätte ausüben können.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Kostengrund- und Kostenfestsetzungsbescheide der Beklagten vom 19. Mai 2015 betreffend die Ausstellung von Negativattesten für die Grundstücke Gemarkung J.
a) Flur 10, Flurstücke 15, 41 und 61,
b) Flur 13, Flurstücke 7/2, 20/3, 36, 41, 44, 45, 46, 81, 31
c) Flur 16, Flurstück 42,
d) Flur 17, Flurstück 16
aufzuheben, soweit mit ihnen Verwaltungsgebühren von mehr als 30,00 Euro festgesetzt werden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Klägerin sei nicht in ihren Rechten verletzt. Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolge ebenso wie die Erteilung des entsprechenden Negativattestes grundstücksbezogen. Richtigerweise hätte sie daher für jedes Flurstück ein Attest ausstellen müssen. Dies habe sie zugunsten der Klägerin nicht getan, sondern die Flurstücke innerhalb einer Flur zusammengefasst.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die das Gericht im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin beteiligtenfähig nach § 61 Nr. 2 VwGO, weil es sich bei dem Erwerb von Grundstücken und den damit zusammenhängenden Folgehandlungen um Geschäfte des laufenden landwirtschaftlichen Gemeinschaftsbetriebes handelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.08.2004 - 9 A 1/03 -, juris).
Eines Vorverfahrens bedarf es gemäß § 80 Abs. 4 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 4 a) NJG nicht.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin ist durch die vier Kostenbescheide der Beklagten vom 19. Mai 2015 nicht in ihren Rechten verletzt, so dass ihre Klage erfolglos bleibt (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für den Erlass der Bescheide sind §§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 1 Nds. Kommunalabgabengesetz - NKAG - i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 2, 3 Abs. 2 der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Verwaltungskosten im eigenen Wirkungskreis (Verwaltungskostensatzung) vom 8. November 2012 (Amtsblatt für die Stadt C. Nr. 45, Seite 4). Nach Nr. 9.2 des Kostentarifs zur Verwaltungskostensatzung der Beklagten wird für die Ausstellung eines Zeugnisses über das Nichtbestehen bzw. die Nichtausübung eines Vorkaufsrechtes (Negativzeugnis) nach § 28 Abs. 1 S. 3 BauGB eine Gebühr von 30,00 € erhoben.
Gemäß § 1 der Verwaltungskostensatzung der Beklagten (entsprechend § 4 Abs. 1 NKAG) besteht ein Anspruch auf eine Verwaltungsgebühr dem Grunde nach. Danach werden für Amtshandlungen und sonstige Verwaltungstätigkeiten im eigenen Wirkungskreis Gebühren und Auslagen erhoben, wenn die Beteiligten hierzu Anlass gegeben haben.
Bei der Erteilung eines Negativzeugnisses nach § 28 Abs. 1 S. 3 BauGB handelt es sich um eine Amtshandlung, denn die Handlung erfolgt durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen einer hoheitlichen Tätigkeit. Das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 BauGB ruht als öffentlich-rechtliche Belastung auf den von ihm erfassten Grundstücken und dient der Sicherung der Bauleitplanung der Gemeinde. Folglich ist auch die Ausübung bzw. Nichtausübung dieses Rechts ein Hoheitsakt im eigenen Wirkungskreis der Beklagten; anwendbar ist daher die Verwaltungskostensatzung der Beklagten und nicht die Baugebührenordnung.
Zu der Amtshandlung hat die Klägerin durch den von ihr bevollmächtigten Notar Anlass gegeben, denn die Beklagte wurde nicht von Amts wegen, sondern aufgrund eines entsprechenden Antrags nach § 28 Abs. 1 S. 3 BauGB tätig. Sie ist deshalb auch Kostenschuldnerin im Sinne von § 7 Verwaltungskostensatzung.
Rechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Verwaltungskostensatzung und ihres Zustandekommens sind nicht zu erheben.
Die Beklagte hat vier Negativatteste ausgestellt, für die sie gegenüber der Klägerin jeweils 30,00 € Gebühren festgesetzt hat. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist dieses Vorgehen nicht etwa deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte nur ein Negativ-attest hätte ausstellen und hierfür Kosten erheben dürfen.
Ziffer 9.2 des Kostentarifs zur Verwaltungskostensatzung der Beklagten ist der kostenrechtliche Annex zu § 28 Abs. 1 S. 3 BauGB. Danach hat die Gemeinde auf Antrag eines Beteiligten unverzüglich ein Zeugnis darüber auszustellen, dass ein Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 BauGB nicht besteht oder dieses nicht ausgeübt wird. Gemäß Satz 4 der Bestimmung gilt das Zeugnis als Verzicht auf die Ausübung des Vorkaufsrechts. Dieses Attest ist gemäß § 28 Abs. 1 S. 2 BauGB Voraussetzung für die Eigentumsumschreibung im Grundbuch. Diese Verfahrensvorschrift steht in unmittelbarem rechtlichem Zusammenhang zu § 24 Abs. 1 BauGB, der den Gemeinden in bestimmten Fällen beim Kauf von Grundstücken zur Sicherung von Plänen ein Vorkaufsrecht gibt. Folglich bedingt auch die Ausstellung eines Negativattestes den Kauf eines Grundstücks. Eine Definition dieses Begriffes enthält das Baugesetzbuch nicht; § 200 BauGB regelt andere Fragen im Zusammenhang mit Grundstücken. Der im Baurecht verwandte Grundstücksbegriff deckt sich in aller Regel, und so auch hier, mit dem grundbuchrechtlichen Begriff des Grundstücks (BVerwG, Urteil vom 14.12.1973 - IV C 48.72 -; Urteil vom 21.12.2011 - 4 C 13.10 -; OVG Lüneburg, Urteil vom 23.04.2008 - 1 LB 79/06 -; Stock in: Ernst-Zinkhahn-Bielenberg, BauGB, § 24 Rn. 47).
In Anwendung dieser grundbuchrechtlichen Vorschriften hat die Klägerin mit notariellem Kaufvertrag vom 23. April 2015 insgesamt 14 Grundstücke erworben.
Gemäß § 3 Abs. 1 Grundbuchordnung - GBO - erhält jedes Grundstück im Grundbuch eine besondere Stelle (Grundbuchblatt); dieses Grundbuchblatt ist gemäß Satz 2 der Vorschrift für das Grundstück als das Grundbuch im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches anzusehen. Sämtliche streitbefangenen Grundstücke befinden sich auf ein und demselben Grundbuchblatt Nr. 624. Dennoch handelt es sich bei ihnen nicht um ein Grundstück im grundbuchrechtlichen Sinne. Vielmehr ist diese Zusammenfassung Folge des § 4 Abs. 1 GBO. Danach kann über mehrere Grundstücke desselben Eigentümers, deren Grundbücher von demselben Grundbuchamt geführt werden, ein gemeinschaftliches Grundbuchblatt geführt werden, solange hiervon Verwirrung nicht zu besorgen ist. Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der vormals im Eigentum der DB Netz-AG stehenden Grundstücke unzweideutig vor. Auch bei einer Eigentumsumschreibung auf die Klägerin könnten diese verschiedenen laufenden Nummern des Grundbuchblattes auf einem Grundbuchblatt zusammengeführt werden. Diese Vorschrift dient allein der Übersichtlichkeit des Grundbuches. Aus ihr kann entnommen werden, dass mehrere Grundstücke auf einem Grundbuchblatt erscheinen können, ohne dass sie zu einem Grundstück werden; diese Grundstücke bewahren vielmehr ihre rechtliche Selbständigkeit. Zur Unterscheidung dieser jeweils selbständigen Grundstücke von den aus mehreren Flurstücken bestehenden Grundstücken werden diese in der Abteilung I des Grundbuchblattes - wie hier geschehen - laufend nummeriert. Sie behalten aufgrund dieser Nummerierung ihre rechtliche Selbständigkeit (OVG Lüneburg, Urteil vom 23.04.2008 - 1 LB 79/06 -, juris Rn. 22 m.w.N. aus der Kommentarliteratur; BVerwG, Urteil vom 05.05.2015 - 9 C 14.14 -, juris Rn. 17).
Handelt es sich grundbuchrechtlich um 14 verschiedene Grundstücke, führt auch deren Zusammenfassung in einem notariellen Vertrag nicht dazu, dass es sich nur noch um ein Grundstück handelt.
Hiergegen dringt die Klägerin nicht mit dem Argument durch, die Beklagte hätte ein etwa bestehendes Vorkaufsrecht nur einheitlich in Bezug auf den Kaufgegenstand ausüben dürfen. Für diese Rechtsauffassung gibt das BauGB nichts her.
Vielmehr ergibt sich aus dem Wortlaut des § 24 Abs. 1 BauGB, dass der Gemeinde für jedes verkaufte Grundstück einzeln ein Vorkaufsrecht zusteht, wenn die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 bis 7 BauGB erfüllt sind. So wäre es ohne weiteres denkbar, dass etwa ein Bebauungsplan im Sinne von § 24 Abs. 1 Nr. 1 BauGB nur für einen Teil mehrerer zusammengefasst verkaufter Grundstücke besteht und somit die Ausübung eines Vorkaufsrechtes nur für einen Teil der Grundstücke rechtfertigen würde. In der Rechtsprechung ist ferner anerkannt, dass ein Vorkaufsrecht sogar auch nur für Teile eines Grundstücks ausgeübt werden darf, wenn z. B. dieser Grundstücksteil allein von einem Bebauungsplan erfasst wird (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 08.04.2011 - 3 A 1126/10 -, juris Rn. 30 f; BGH, Urteil vom 05.07.1990 - III ZR 229/89 -; Reidt in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl., § 24 Rn. 18 u. § 28 Rn. 12).
Schließlich folgt dies auch aus der ergänzend heranzuziehenden Vorschrift des § 467 BGB. Gemäß § 467 S. 1 BGB hat der Vorkaufsberechtigte einen verhältnismäßigen Teil des Gesamtpreises zu entrichten, wenn der Dritte den Gegenstand, auf den sich das Vorkaufsrecht bezieht, mit anderen Gegenständen zu einem Gesamtpreis gekauft hat; diese anderen Gegenstände können auch andere Grundstücke sein. Nach Satz 2 der Bestimmung kann der Verpflichtete verlangen, dass der Vorkauf auf alle Sachen erstreckt wird, die nicht ohne Nachteil für ihn getrennt werden können. Ein Anwendungsfall dieser Bestimmung ist, dass der Berechtigte beim Verkauf mehrerer Grundstücke, für die ein Vorkaufsrecht besteht, die Ausübung dieses Vorkaufsrechts auf ein Grundstück beschränkt (Weidenkaff in: Palandt, BGB, 75. Auflage, § 467 Rn. 1). Diese Regelung setzt gleichsam eine Teilbarkeit der Ausübung eines Vorkaufsrechts voraus.
Folglich wäre die Beklagte berechtigt gewesen, 14 Negativatteste zu erteilen und hierfür Verwaltungskosten zu erheben. Darin, dass sie zugunsten der Klägerin nur vier Negativatteste erteilt und hierfür Kosten erhoben hat, liegt eine Rechtsverletzung der Klägerin nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.