Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 03.03.1983, Az.: 4 W 24/83

Garageneigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft; Anspruch einer Wohnungseigentümergemeinschaft gegen einen Wohnungseigentümer auf Zahlung des Reparaturkostenanteils und des anteiligen Instandhaltungsvorschusses; Beschlussfähigkeit einer Wohnungseigentümerversammlung; Nichtigkeit eines Beschlusses aufgrund fehlender Beschlussfähigkeit einer Wohnungseigentümerversammlung; Anfechtbarkeit eines Beschlusses aufgrund fehlender Beschlussfähigkeit einer Wohnungseigentümerversammlung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
03.03.1983
Aktenzeichen
4 W 24/83
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1983, 13969
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1983:0303.4W24.83.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 24.01.1983 - AZ: 1 T 150/82

In der Wohnungseigentumssache
betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft..., ... und ...
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts ... am 3. März 1983
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter ... und
...
beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts ... vom 24. Januar 1983 aufgehoben.

Die Beschwerde gegen den Beschluß des Amtsgerichts ... vom 24. Dezember 1982 wird auf

Kosten der Antragsteller - einschließlich der außergerichtlichen Auslagen des Antragsgegners - zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 1.437,25 DM.

Gründe

1

I.

Die Antragsteller und der Antragsgegner sind Wohnungseigentümer in einer aus 24 Eigentumswohnungen bestehenden Wohnanlage; ihr Miteigentumsanteil ist - anders als bei den übrigen Miteigentümern - jeweils noch mit dem Sondereigentum an einer Garage verbunden. Im Jahre 1981 ließ die Verwalterin Reparaturarbeiten an dem Flachdach der Garagenanlage ausführen. In einer "außerordentlichen Versammlung der Garageneigentümer" der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 12. Dezember 1981, zu der die Verwalterin ausschließlich die Antragsteller und den Antragsgegner geladen hatte, wurde mit 4 Stimmen gegen die Stimme des Antragsgegners beschlossen, die Rechnung der Firma ... über 6.668,22 DM auf die 5 Garageneigentümer zu gleichen Anteilen umzulegen und ab 1. Januar 1982 eine Instandhaltungsrücklage einzuführen, auf die jeder Garageneigentümer jährlich 60 DM zahlen sollte.

2

Unter Berufung auf diesen Beschluß nehmen die Antragsteller den Antragsgegner auf Zahlung des auf ihn entfallenden Reparaturkostenanteils und des anteiligen Instandhaltungsvorschusses für 1982 (an die Verwalterin) in Anspruch. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, das Landgericht hat ihm stattgegeben.

3

Mit der weiteren Beschwerde, um deren Zurückweisung die Antragsteller bitten, erstrebt der Antragsgegner die Widerherstellung der ablehnenden Entscheidung des Amtsgerichts.

4

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

5

1.

Das Landgericht meint, da der Antragsgegner den Beschluß vom 12. Dezember 1981 nicht fristgerecht in dem dafür vorgesehenen Verfahren angefochten habe, sei dieser verbindlich, unabhängig davon, ob die Garageneigentümer allein - statt sämtlicher Wohnungseigentümer - zur Beschlußfassung über die für die Reparatur des Garagendachs angefallenen Kosten berufen gewesen seien (§§ 23 Abs. 4, 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG). Der Grundsatz, daß fehlende Beschlußfähigkeit einer Wohnungseigentümerversammlung nicht die Nichtigkeit der gefaßten Beschlüsse, sondern nur deren Anfechtbarkeit zur Folge habe, müsse auch in den Fällen gelten, in denen ein Teil der Wohnungseigentümer (möglicherweise irrig) annehme, daß er allein befugt sei, über einen bestimmten Gegenstand zu entscheiden, wenn der gefaßte Beschluß über den Kreis der an der Beschlußfassung beteiligten Wohnungseigentümer hinaus keine Wirkung entfalte.

6

2.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

7

a)

Die besonderen Wirkungen eines Mehrheitsbeschlusses in einer Wohnungseigentümergemeinschaft, nämlich, daß er auch für und gegen die Wohnungseigentümer gilt, die dagegen gestimmt oder an der Beschlußfassung nicht mitgewirkt haben (§ 10 Abs. 4 WEG), insbesondere aber, daß trotz formeller und sachlicher Fehler seine Ungültigkeit nicht mehr geltend gemacht werden kann, wenn keine rechtzeitige Anfechtung erfolgt war, sind nicht selbstverständlich (sozusagen aus der Natur der Sache heraus) gegeben, sondern sie bedürfen schon wegen der häufig weittragenden Folgen für die betroffenen Wohnungseigentümer einer ausdrücklichen, fest umrissenen - und im Zweifel eng auszulegenden - gesetzlichen Legitimation. Das Wohnungseigentumsgesetz unterwirft Angelegenheiten, über die ".... die Wohnungseigentümer durch Beschluß entscheiden können ..." der Beschlußfassung "in einer Versammlung der Wohnungseigentümer" (§ 23 Abs. 1 WEG). Auf eine derartige Beschlußfassung in einer Versammlung der Wohnungseigentümer bezieht sich auch die Regelung in Abs. 4 dieser Vorschrift, wonach ein Beschluß nur ungültig ist, wenn er gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG für ungültig erklärt ist. Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, daß die Mitwirkung und Abstimmung in der Wohnungseigentümerversammlung die regelmäßige Form ist, in welcher der Wohnungseigentümer an der Willensbildung der Gemeinschaft teilhat und die Rechte ausübt, die ihm als Miteigentümer und Teilhaber der Gemeinschaft in bezug auf alle einer Regelung durch die Wohnungseigentümer zugänglichen Angelegenheiten, insbesondere Verwaltungsmaßnahmen, zustehen (Weitnauer WEG 6. Aufl., § 23 Rdn. 2).

8

Eine Beschlußfassung in diesem Sinne ist hier am 12. Dezember 1981 nicht erfolgt. Denn es hat keine Wohnungseigentümerversammlung - d. h. eine Versammlung aller Eigentümer - gegeben (und dazu war von der Verwalterin auch nicht eingeladen worden), sondern lediglich eine "Versammlung der Garageneigentümer" der Wohnungseigentümergemeinschaft. Deshalb geht in diesem Zusammenhang der Hinweis des Landgerichts fehl, daß auch bei mangelnder Beschlußfähigkeit (der "Versammlung" § 25 Abs. 3 WEG) gefaßte Beschlüsse grundsätzlich nicht nichtig, sondern nur anfechtbar seien (vgl. Palandt/Bassenge BGB 42. Aufl., § 25 WEG Anm. 3).

9

b)

Es mag allerdings naheliegen, dieselben Wirkungen wie einer Beschlußfassung in einer Versammlung der Wohnungseigentümer Beschlüssen von "Teilversammlungen" beizumessen, wenn solche in der Teilungserklärung vorgesehen sind oder als Beschlußgegenstand nur besondere Angelegenheiten in Betracht kommen, die lediglich einen abgegrenzten Teil, eine Gruppe von Wohnungseigentümern angehen können. Da sich in solchen Fällen das Stimmrecht auf diejenigen Beteiligten beschränkt, die von der Angelegenheit betroffen sind (Weitnauer a.a.O., Rdn. 2 e m.w.Nachw.), müßte die betreffende Gruppe auch außerhalb einer "Versammlung der Wohnungseigentümer" mit derselben Verbindlichkeit Beschlüsse fassen können (vgl. auch Palandt/Bassenge a.a.O., § 23 WEG Anm. 1 b m.w.N.).

10

Die Frage braucht nicht abschließend entschieden zu werden. Denn für die Wohnanlage der Beteiligten gibt es weder eine Regelung in der Teilungserklärung, die eine Teilversammlung "der Garageneigentümer" vorsieht, noch betraf die Beschlußfassung vom 12. Dezember 1981 einen Gegenstand, hinsichtlich dessen nur die Wohnungseigentümer stimmberechtigt gewesen waren, deren Miteigentumsanteil mit Sondereigentum an einer Garage in der Wohnanlage verbunden ist. Die Reparatur an dem Dach der Garagenanlage betraf nicht - jedenfalls nicht allein - Sondereigentum der Antragsteller bzw. des Antragsgegners, sondern zumindest auch gemeinschaftliches Eigentum. Denn Teile eines Gebäudes, die für dessen Bestand erforderlich sind - und dazu ist auch ein Flachdach zu rechnen (Erman/Pick/Merle, Wohnungseigentumsgesetz, 3. Aufl., § 5 Rdn. 31 - sind gemäß § 5 Abs. 2 WEG nicht Gegenstand des Sondereigentums, selbst wenn sie sich im Bereich der im Sondereigentum stehenden Räume befinden (einzeln stehende Garagen könnten allerdings als Nebengebäude ganz dem Sondereigentum eines einzelnen Wohnungseigentümers zugewiesen werden, Erman/Pick/Merle a.a.O., Rdn. 39; die hier betroffene Garagenanlage hat jedoch nach dem Vorbringen der Beteiligten in den Tatsacheninstanzen ein gemeinsames Dach). Gemeinschaftliches Eigentum - am Dach der Garagenanlage - kann hier auch nur gemeinschaftliches Eigentum aller Wohnungseigentümer bedeuten, nicht gemeinschaftliches Eigentum (nur) der Garageneigentümer, wie das Landgericht erwägt. Es kann offen bleiben, ob es rechtlich zulässig wäre, an einzelnen Gebäudeteilen, die nicht allen Wohnungseigentümern, sondern nur einer beschränkten Eigentümergruppe dienlich sind, durch eine entsprechende Teilungserklärung oder durch Vereinbarung "Mitsondereigentum" dieser Eigentümergruppe zu bilden, also dinglich verselbständigte Untergemeinschaften zu schaffen (ablehnend Weitnauer a.a.O., § 3 Rdn. 6 a; § 23 Rdn. 3 e; Palandt/Bassenge a.a.O., § 5 Anm. 2 m.w.Nachw.; wegen der befürwortenden Stimmen vgl. Erman/Pick/Merle a.a.O., Rdn. 66, 70). Jedenfalls enthält die Teilungserklärung vom 29. August 1974, die als Bestandteil der Grundbucheintragung auch vom Senat als Rechtsbeschwerdeinstanz frei ausgelegt werden kann, in dieser Richtung keine Regelung; sie kennt nur Sondereigentum (Wohnungseigentum bzw. Teileigentum) einerseits und gemeinschaftliches Eigentum, also das Miteigentum sämtlicher Teilhaber nach den im einzelnen aufgeführten Miteigentumsanteilen, andererseits. Wenn aber mit dem Garagendach das gemeinschaftliche Eigentum betroffen war und zudem finanzielle Folgen in Frage standen, die - solange nicht eine abweichende Vereinbarung getroffen wurde; vgl. dazu Palandt/Bassenge a.a.O., § 16 WEG Anm. 2; Münch. Komm. Röll, § 16 WEG Rdn. 2, 3 - im Zweifel von allen Wohnungseigentümern zu tragen waren (§ 16 Abs. 2 WEG; s.a. § 6 der vorliegenden Teilungserklärung vom 29. August 1974), gab es für eine Beschlußfassung über den Gegenstand, mit dem sich die "Versammlung der Garageneigentümer" am 12. Dezember 1981 befaßte, nur eine Zuständigkeit der Wohnungseigentümerversammlung (§§ 21 Abs. 3, 28 Abs. 5 WEG).

11

c)

Die mangelnde Beschlußkompetenz der "Versammlung der Garageneigentümer" bedeutet absolute Nichtigkeit des Beschlusses vom 12. Dezember 1981; es liegt nur der Scheinbeschluß einer Minderheit der Wohnungseigentümergemeinschaft vor, dem Bindungswirkung gemäß oder entsprechend § 23 WEG nicht zukommen kann. Es gibt auch keinen Rechtssatz, der es rechtfertigen könnte, statt der objektiv fehlenden Kompetenz der hier tätig gewordenen Gruppe aus der Eigentümergemeinschaft deren Annahme ausreichen zu lassen, sie sei zuständig. Das Landgericht befürwortete letzteres, "wenn der gefaßte Beschluß über den Kreis der an der Beschlußfassung beteiligten Wohnungseigentümer keine Wirkung entfaltet." Damit würde aber die Frage der generellen Kompetenz des beschließenden Gremiums in unzulässiger Weise von dem jeweiligen sachlichen Inhalt des betreffenden "Beschlusses" abhängig gemacht. Es läßt sich im übrigen nicht einmal ohne weiteres sagen, der vorliegende "Beschluß" der Garageneigentümer vom 12. Dezember 1981 berühre die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer nicht. Dies ist schon deshalb bedenklich, weil die Entscheidung über die Umlage der Reparaturrechnung der Firma ... letztlich auch eine Rechnungsprüfung und zumindest mittelbar auch eine Entlastung des tätig gewordenen Unternehmers (und auch der Verwalterin, die die Arbeiten vergeben und zu überwachen hatte) enthielt.

12

3.

Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind und die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses in der Sache selbst zu entscheiden. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den ihren Zahlungsantrag zurückweisenden Beschluß des Amtsgerichts ist zurückzuweisen, weil - wie schon das Amtsgericht ausgeführt hat - der Beschluß vom 12. Dezember 1981, auf den die Antragsteller sich berufen, eine Zahlungsverpflichtung des Antragsgegners nicht begründen konnte.

13

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 47 WEG; der Senat hält es für angemessen, daß in dem vorliegenden, einem Zivilprozeß vergleichbaren Streitverfahren die Antragsteller als die unterlegene Seite auch dem Antragsgegner seine außergerichtlichen Auslagen in allen Rechtszügen erstatten.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: 1.437,25 DM.