Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 09.12.1982, Az.: 5 U 69/82

Hemmung der Verjährung eines Anspruchs aus einem Verkehrsunfallereignisses i.S.d. § 3 Nr. 3 Satz 3 des Pflichtversicherungsgesetzes (PflVersG) ; Ersatzbeschaffung bei Verpflanzung ausgewachsener Bäume (besonders hohe Aufwendungen) ; Zerstörung von Bäumen als wesentliche Bestandteile von Grundstücken

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
09.12.1982
Aktenzeichen
5 U 69/82
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1982, 12876
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1982:1209.5U69.82.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 26.01.1982 - AZ: 14 O 124/80

Fundstelle

  • NJW 1983, 2391-2392 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Schadensersatzes aufgrund eines Verkehrsunfalls

In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 1982
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht Dr. ... und
den Richter am Landgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26. Januar 1982 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, der Klägerin 2.380,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11. Dezember 1979 zu zahlen:

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden der Klägerin zu 7/10 und den Beklagten zu 3/10 als Gesamtschuldnern auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

1

Die Berufung hat teilweise Erfolg.

2

Der Klägerin steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gemäß § 7 Abs. 1 StVG, §§ 831, 823 Abs. 1 BGB - gegen die Beklagte zu 2) in Verbindung mit § 3 Nr. 1 PflVersG - ein Schadensersatzanspruch von 2.310,00 DM zu.

3

I.

Die Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen des Unfallereignisses vom 24. November 1975 ist dem Grunde nach nicht im Streit.

4

Die Ansprüche der Klägerin sind auch nicht verjährt. Zwar hat die Klägerin den Mahnbescheid gegen die Beklagte zu 1) erst am 19. November 1979 beantragt, und die gegen beide Beklagte erhobene Klage ist erst am 14. März 1980 zugestellt worden. Die dreijährige Verjährung des § 852 Abs. 1 BGB - diese Verjährungsvorschrift kommt in Betracht, weil der Fahrer der Beklagten zu 1) zumindest nach Anscheinsbeweisgrundsätzen den Schaden schuldhaft herbeigeführt hat - ist nicht eingetreten, denn die Verjährung war in dem Zeitraum vom 7. Oktober 1976 bis zum 20. Dezember 1978 gehemmt. Nach § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVersG ist die Verjährung eines Anspruchs, der bei dem Versicherer angemeldet worden ist, bis zum Eingang von dessen schriftlicher Entscheidung gehemmt. Da die Beklagte zu 2) am 7. Oktober 1976 nach offensichtlich vorangegangener Anmeldung des Schadens von selten der Klägerin unstreitig 3.000,00 DM gezahlt und nach vorausgegangener Korrespondenz erst mit Schreiben vom 20. Dezember 1978 den Schaden abgerechnet hat, war die Verjährung gemäß § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVersG in diesem Zeitraum gehemmt (vgl. zur Hemmung der Verjährung von deliktischen Ansprüchen und Ansprüchen nach dem StVG gemäß § 3 Nr. 3 PflVersG BGHZ 67, 372 ff.).

5

II.

1.

Zu Recht hat das Landgericht unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH NJW 1975, 2062 ff. [BGH 13.05.1975 - VI ZR 85/74][BGH 13.05.1975 - VI ZR 85/74]) ausgeführt, daß die Klägerin nicht Wiederherstellung des Zustandes verlangen kann, der vor dem schädigenden Ereignis bestanden hat, sondern ihr lediglich gemäß § 251 Abs. 2 BGB ein Ausgleich für die Werteinbuße des Grundstücks zusteht, weil den Beklagten auch unter voller Berücksichtigung der Interessen der Klägerin ein voller Schadensausgleich nicht zugemutet werden kann. Eine Ersatzbeschaffung, die bei Verpflanzung ausgewachsener Bäume mit besonders hohen Aufwendungen verbunden ist, kommt lediglich bei wertvollen Gehölzen an exponierten Standorten in Betracht (BGH NJW 1975, 2061 [BGH 13.05.1975 - VI ZR 85/74] m.w.N.), in Fällen also, in denen auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Ersatz des beschädigten Baumes durch einen gleichartigen Baum zumindest naheliegt. Hingegen rechtfertigt die Beschädigung von Straßenbäumen, die in einer Reihe mit anderen Bäumen gestanden haben, regelmäßig einen solchen Aufwand nicht. Vielmehr wird den Interessen des Geschädigten in hinreichendem Maße Rechnung getragen, wenn ein junger Baum nachgepflanzt wird und im übrigen für die Werteinbuße des Grundstücks, die dieses durch die Zerstörung eines wesentlichen Bestandteils erfährt, eine nach § 287 Abs. 1 ZPO zu bemessende Entschädigung geleistet wird.

6

2.

Demgemäß haben die Beklagten zunächst einmal die Kosten für die Beschaffung der Jungbäume, die Pflanzkosten und die Kosten der Anwachspflege zu tragen. Insoweit handelt es sich um eine Teilwiederherstellung, mit der die Voraussetzungen dafür geschaffen werden sollen, daß das Grundstück im Verlaufe der Zeit wieder die Gestalt annehmen kann, die es vor dem schädigenden Ereignis gehabt hat. Diese Kosten hat das Landgericht rechtsfehlerfrei ermittelt.

7

Die Höhe der vom Landgericht ermittelten Gehölzkosten von 532,50 DM pro Baum ist nicht zu beanstanden. Insoweit folgt das angefochtene Urteil den Ausführungen des Sachverständigen ... in seinem Ergänzungsgutachten vom 23. Oktober 1981 (Bl. 117 d.A.), in dem dieser Preisnachlässe von 25 % als die untere Grenze der erreichbaren Vergünstigungen nennt, die von Großabnehmern wie der Klägerin bei Baumschulen erzielt werden.

8

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Klägerin geben dem Senat keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung. Die Klägerin selbst räumt ein, daß sie Jungbäume zu günstigeren Konditionen einkaufen kann als sonstige Abnehmer. Sie verweist jedoch auf zusätzliche Kosten, die ihr durch die Vorratshaltung von Jungbäumen entstehen, für die sie sowohl Materialien als auch Personal bereitstellen müsse. Wenn die Klägerin jedoch als Großabnehmerin bei Einkäufen von Jungbäumen beträchtliche Preisnachlässe erzielt, so gebietet die Vorteilsausgleichung, daß sie sich diese Ersparnisse auch anrechnen läßt. Mangels näheren Vortrags der Klägerin zur Art. und Weise der Ersatzbeschaffung und den aufgewendeten Kosten geht der Senat mit dem Sachverständigen von einem Anschaffungspreis von 532,50 DM pro Baum aus.

9

Die Klägerin kann sich ebensowenig darauf berufen, daß sich die Gehölzkosten seit dem Zeitpunkt, der den Tabellen von Koch (VersR 1974, 1154 ff, 1159) zugrunde liegt, bis zur Pflanzung im Frühjahr 1976 wesentlich erhöht haben. Die von Koch ermittelten Werte beziehen sich nämlich auf die Pflanzsaison Herbst 1974/Frühjahr 1975 (vgl. Koch, a.a.O., S. 1154, Fußnote 4).

10

b)

Der Senat hält auch die vom Landgericht angesetzten Pflanzkosten von 212,50 DM pro Baum für sachgerecht. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Klägerin bereits aus der Vielzahl von Nachpflanzungen, die jährlich vorzunehmen sind, Rationalisierungsvorteile zieht und aus diesem Grund ein Abzug von 15 % gerechtfertigt ist. Entscheidend ist, daß bei zwei unmittelbar nebeneinanderliegenden Pflanzstellen geringere Anfahrtskosten anfallen und auch der Aufwand für die Bereitstellung von Personal und Arbeitsgeräten geringer zu veranschlagen ist als bei weiter auseinanderliegenden Pflanzstellen.

11

c)

Die vorstehenden Ausführungen gelten in entsprechender Weise auch für die Kosten der Anwachspflege in den ersten 3 Jahren, die das Landgericht zu Recht auf 178,50 DM pro Baum veranschlagt hat. Darüberhinaus sind die Ausführungen des Landgerichts auch insoweit nicht zu beanstanden, als dieses einen Zuschlag für das Anwachsrisiko in den ersten 3 Jahren nicht berücksichtigt hat. Nachdem nunmehr feststeht, daß die Junglinden ordnungsgemäß angewachsen sind, ist nicht zu beanstanden, daß das Landgericht den Schadensumfang nach dem Stand der letzten mündlichen Verhandlung beurteilt. Da im Rahmen eines Rechtsstreits für den Geschädigten die Möglichkeit besteht, die Kosten einer fehlgeschlagenen Nachpflanzung zusätzlich geltend zu machen, besteht kein Bedürfnis für einen Zuschlag, der dem Anwachsrisiko Rechnung tragen soll. Dieser Zuschlag ist nur dann anzuerkennen, wenn nicht abzusehen ist, ob das Risiko der Nachpflanzung sich noch realisiert oder nicht.

12

2.

Hingegen vermag der Senat dem angefochtenen Urteil darin nicht zu folgen, daß der Klägerin über die Kosten für die Beschaffung der Jungbäume, deren Einpflanzung und Anwachspflege hinaus weder Zinskosten noch Pflegekosten nebst Risikozuschlag zustehen.

13

In der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung (BGH NJW 1.975, 2061 ff; KG VersR 1976, 735 f.) wird die Berechnungsmethode von Koch (VersR 1970, 789 ff.; VersR 1974, 1154 ff.; Verkehrs- und Schadensersatzwerte von Bäumen, Sträuchern, Hecken, Obstgehölzen und Reben nach dem Sachwertverfahren, 4. Aufl. 1978) als geeignete Schätzgrundlage für einen nach der Teilwiederherstellung verbleibenden, nach § 251 DGB auszugleichenden Restschaden angesehen. Ausgangspunkt der Berechnungsmethode von Koch ist die Überlegung, daß bei der Zerstörung von Bäumen als wesentlichen Bestandteilen von Grundstücken deren Wert gemindert wird. Diese Wertminderung kann einerseits durch die bloße Anpflanzung eines Jungbaums nicht ausgeglichen werden, andererseits stünden die Aufwendungen für die Anpflanzung eines vergleichbar alten Baumes vielfach in keinem Verhältnis zum vormaligen Wert des Grundstücks in unbeschädigtem Zustand. Da der Geschädigte die Werteinbuße eines Grundstücks, das als Straßengrundstück nicht am Grundstücksverkehr teilnimmt, weder in einer Minderung seines Verkehrswerts noch in einer Minderung des Ertragswert messen kann, empfiehlt Koch die. Ermittlung der Herstellungskosten auf der Grundlage einer betriebswirtschaftlichen Berechnungsmethode. Zu diesen Herstellungskosten zählen aber nicht nur die Gehölzkosten zuzüglich Pflanz- und Anwachskosten, sondern auch die Verzinsung des hierfür erforderlichen Kapitalaufwands sowie die Pflegekosten nebst Risikozuschlag für den Herstellungszeitraum.

14

Der Senat teilt nicht die Rechtsansicht des angefochtenen Urteils, daß durch die Nachpflanzung eine Wertminderung des Straßengrundstücks der Klägerin nicht eingetreten sei, weil weder der Landschafts- und Funktionswert der ... Straße gelitten habe noch der Alleecharakter der Straße verloren gegangen sei. Diese Ausführungen lassen außer Betracht, daß ein Straßengrundstück aufgrund seiner öffentlich-rechtlichen Zweckbindung nicht Gegenstand von Grundstücksverkehrsgeschäften sein kann und daher keinen Verkehrswert besitzt. Zum anderen entzieht sich der Landschafts- und Funktionswert der Bäume, die Schutz vor Lärm, Staub und übermäßiger Sonneneinstrahlung bieten und überdies Bedeutung für den Sauerstoffhaushalt der Luft besitzen, den Kategorien des Vermögensrechts. Aus diesem Grunde sieht der Senat in der von Koch angewandten Berechnungsmethode eine geeignete Schätzgrundlage für die Schadensermittlung (vgl. auch das Urteil vom 14. Januar 1982 - 5 U 99/81 -).

15

Wird demgemäß die Entschädigung nach § 251 Abs. 2 BGB anhand der Herstellungskosten ermittelt, so gehört zu diesen Herstellungskosten auch die Verzinsung des für die Anschaffung, die Anpflanzung und die Anwachspflege eingesetzten Kapitals, wobei der Senat einen Jahreszins von 5 % für angemessen hält. Darüber hinaus sind entgegen den Ausführungen des angefochtenen Urteils auch die Pflegekosten nebst Risikozuschlag zu berücksichtigen. Sie können nicht mit der Erwägung versagt werden, daß die Pflege der Jungbäume keinen größeren Aufwand erfordere, als die der zerstörten Altbäume. Der entscheidende Gesichtspunkt ist vielmehr, daß bei einer betriebswirtschaftlichen Betrachtung zum Herstellungsaufwand auch die Kosten der Baumpflege zu rechnen sind und darüber hinaus das Risiko abgegolten werden muß, daß der nachgepflanzte trotz ordnungsgemäßer Pflege nicht gedeiht.

16

Allerdings sind diese Zins- und Pflegekosten nicht schematisch für einen Zeitraum von 20 Jahren zu berechnen. Die Herstellungszeit, die regelmäßig zwischen 5 Jahren und 20 Jahren liegt (vgl. Koch, VersR 1974, 1157) und nach § 287 Abs. 1 ZPO geschätzt werden kann, richtet sich maßgeblich danach, ob bei der Nachpflanzung kleinere Jungbäume mit geringem Stammumfang oder aber kräftigere und ältere Exemplare Verwendung finden.

17

Sowohl die Ausführungen des im ersten Rechtszug eingeholten Sachverständigengutachtens als auch die von der Klägerin überreichten Lichtbilder begründen für den Senat die Erwartung, daß nicht erst in einem Zeitraum von 20 Jahren nach Beendigung der dreijährigen Anwachszeit, sondern zu einem früheren Zeitpunkt die Herstellungszeit abgeschlossen sein wird. Zwar bestehen nach den im März 1982 aufgenommenen und von der Klägerin überreichten Lichtbildern noch deutliche Größenunterschiede zwischen den Junglinden und den Nachbarbäumen. Andererseits hat der Sachverständige ... in seinem ca. 5 Jahre nach Anpflanzung der Junglinden erstatteten Gutachten (Bl. 93 d.A.) ausgeführt, daß die Nachpflanzung nur bei genauerem Hinsehen auszumachen sei und der Unterschied der Baumstärken nicht ins Auge falle.

18

Bei dieser Sachlage geht der Senat davon aus, daß nach einer Herstellungszeit von insgesamt 13 Jahren (3 Jahre Anwachszeit und dem Wachstum in 10 weiteren Jahren) die Wertminderung des Grundstücks der Klägerin in etwa ausgeglichen sein wird.

19

Auf der Grundlage von 923,50 DM als Gehölz-, Pflanz- und Anwachspflegekosten ergibt sich bei weiteren 10 Jahren Herstellungszeit bei einer 5 % Verzinsung (Zinsfaktor 1,63 - vgl. Koch, VersR 1974, 1159, oben Spalte 6) der Betrag von 1.505,30 DM, zu dem weitere 629,00 DM als Pflegekosten für 10 Jahre nebst Risikozuschlag zu addieren sind (Koch, a.a.O., Spalte 7). Somit errechnet sich pro Baum ein Herstellungswert von 2.134,30 DM, für beide Linden mithin 4.268,60 DM.

20

Unter Hinzurechnung der unstreitigen Unfallbeseitigungs- und Rodungskosten von 1.10.6,30 DM ergibt sich ein Schaden der Klägerin von aufgerundet 5.380,00 DM. Hierauf hat die Beklagte zu 2) vorprozessual 3.000,00 DM gezahlt, so daß der Klägerin noch 2.380,00 DM zuzuerkennen waren.

21

III.

Der Zinsanspruch der Klägerin ist gemäß §§ 288 Abs. 1, 284 Abs. 1 Satz 2 BGB in Höhe von 4 % begründet. Einen weitergehenden Verzugsschaden hat die Klägerin nicht mit geeigneten Beweismitteln unter Beweis gestellt.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Beschwer der Parteien war nach § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen.

Streitwertbeschluss:

Wert der Beschwer:

für die Klägerin weniger als 6.000,00 DM, für die Beklagten 2.310,00 DM.